Bärbel Holtz / Wolfgang Neugebauer / Monika Wienfort (Hrsg.), Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786–1918). Paderborn, Schöningh 2023

Torsten Riotte

doi:10.1515/hzhz-2025-1142

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Bärbel Holtz / Wolfgang Neugebauer / Monika Wienfort (Hrsg.), Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786–1918). Paderborn, Schöningh 2023

Torsten Riotte

Veröffentlicht/Copyright: 2. Juni 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 3

Rezensierte Publikation:

Bärbel Holtz, Der preußische Hof und die Monarchien in Europa. Akteure, Modelle, Wahrnehmungen (1786–1918). 2023 Ferdinand Schöningh Paderborn, 978-3-506-79141-2, € 89,–

Betrachtet man die historische Forschung mit ausreichend Distanz, wird deutlich, dass historiographischen Debatten oftmals eine Ausdifferenzierung der Forschung folgt. Im Anschluss an Zuspitzung und Fokussierung wendet sich das Fach, gewissermaßen als Gegenreaktion, der ganzen Breite des Forschungsfeldes zu. Dies lässt sich an dem vorliegenden Band anschaulich demonstrieren. Nachdem die Monarchie im 19. Jahrhundert eine Zeit lang vor allem in Hinblick auf soft power, symbolische Politik und neue Politikgeschichte hin diskutiert worden ist, zeigt sich anhand der Beiträge des Sammelbandes, wie stark die Monarchieforschung, so Monika Wienfort in ihrer Zusammenfassung, von ihrer „Pluralität“ (S. 399) lebt.

Hinter der Publikation verbergen sich die Beiträge zu einer Konferenz im Rahmen des Akademieprojektes „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchie am preußischen Beispiel 1786 bis 1918“, das, so Wolfgang Neugebauer in seiner Einleitung, eine Reihe von Veränderungen der Monarchie in Preußen herausarbeiten konnte. Der Wandel in ein direktes Untertanenverhältnis, das heißt die Zentralisierung von herrschaftlicher Gewalt gegenüber „staatsimmediat gewordenen Individuen“ (S. 4), die Zäsur von 1860 sowie die Funktion der Monarchie als „Emotionsagentur“ (S. 24) sind einzelne Beispiele hierfür.

Der Band ist in fünf thematische Teile eingeteilt, die neben der Historiographie zum Hof auch einen quantitativen und qualitativen Blick auf Akteure werfen, nach Hofformaten und Verfahren fragen und Elemente von Offenheit und Exklusivität diskutieren. Alternativ könnte der Band auch in Forschungsprojekte, oftmals Qualifikationsarbeiten, mit deutlich empirischem Schwerpunkt eingeteilt werden, so etwa Annelie Großes Kapitel zu den preußischen Prinzenhöfen, Anja Bittners Beitrag zum Adel in der preußischen Hofgesellschaft oder Sabrina Stahls in Würzburg entstandene und ebenfalls die preußischen Prinzen behandelnde Studie. In diese Kategorie wäre auch der gemeinsame Beitrag von Michaela und Karl Vocelka einzuordnen, in deren Mittelpunkt die Rekonstruktion der habsburgischen Residenzen und Reisen des Souveräns außerhalb der Metropole steht und die Details wie die Reise des österreichischen Kaisers zur Eröffnung des Suezkanals analysieren.

Andere Aufsätze gehen stärker auf Interpretationen und historiographische Debatten ein, wobei Aloys Winterlings Kapitel zur römischen Kaiserzeit in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten den wohl epochenübergreifendsten Hofbegriff einführt. Jevoen Duindam zum Hof nach der Französischen Revolution und Ronald G. Asch zum frühneuzeitlichen Hof beschreiben nicht nur die einzelnen historiographischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte, sondern liefern gewissermaßen ein Koordinatensystem, mit dem sich die Transformation der Monarchie von der Frühen Neuzeit bis ins frühe 20. Jahrhundert begrifflich und thematisch diskutieren lässt.

Die dritte Gruppe an Beiträgen kann mit den Begriffen herrschaftsübergreifende Vergleiche überschrieben werden. Da wäre Maximilian Vissers, der den bayrischen Hof unter Maximilian IV./I. Joseph darstellt und dabei nicht nur eine herrschaftspolitische, sondern auch eine explizit dynastische Perspektive einnimmt. Ähnlich wie bei Fabian Perssons Beitrag zum schwedischen Hof spielt auch für Vissers die wirtschaftliche Situation des Hofes, die Frage nach dem Vermögen des Souveräns als Dynast, eine zentrale Rolle. Gewissermaßen komplementär liest sich hingegen Thomas Krolls Analyse zur savoyischen Monarchie und der feststellbaren Tendenz zur sozialen Öffnung der Eliten, eine Entwicklung, die von der italienischen Monarchie nicht ohne Gegenwehr hingenommen wurde, wie Kroll anhand der Königspartei während der 1880er Jahre demonstriert. Als ungewöhnlich, aber überaus erhellend, erweist sich Tino Schölzes Beitrag zum japanischen Kaiserhof zum Ende des 19. Jahrhunderts. Auch wenn ein Vergleich europäischer und asiatischer Herrschaftsstrukturen nicht ohne Herausforderungen ist, bieten die Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Transformation des Kaiserhofs Anknüpfungspunkte für eine gewinnbringende Diskussion.

Als letzte Gruppe umfasst der Band schließlich Beiträge mit starkem thematischem Fokus wie Martin Kohlrauschs Auseinandersetzung mit den Anpassungsleistungen der Monarchie in Hinblick auf die politische Öffentlichkeit oder Frank Lorenz Müllers Beitrag zu den Kronprinzen Europas. Während sich hinter diesen Beiträgen umfangreiche Monographien verbergen, eröffnet Christoph Martin Vogtherr als Kunsthistoriker noch einmal einen alternativen Blick. Er vergleicht die Bautätigkeiten Friedrich Wilhelms IV., hier vor allem die Triumphstraße in Potsdam, mit dem Umbau von Versailles durch Louis-Philippe, zwei Unternehmen, die er als nur teilweise geglückte Korrekturversuche von Geschichtsbildern beschreibt.

Der Band weist alle Stärken und Schwächen eines Sammelbandes am Ende eines groß angelegten Projektes auf: empirisch dichte Beschreibungen, thematische Vielfalt, den Versuch einer interdisziplinären und vergleichenden Einordnung, gewissermaßen eine Ausgangsbeschreibung, wohin sich die Forschung zu Hof und Monarchie in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte.

Online erschienen: 2025-06-02

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1142

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