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Irad Malkin / Josine Blok, Drawing Lots. From Egalitarianism to Democracy in Ancient Greece. Oxford, Oxford University Press 2024

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Published/Copyright: June 2, 2025
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Rezensierte Publikation:

Irad Malkin, Drawing Lots. From Egalitarianism to Democracy in Ancient Greece. 2024 Oxford University Press Oxford, 978-0-19-775347-7, € 119,95


Dass das Interesse an Losverfahren in den letzten Jahrzehnten eine Renaissance erlebt hat, spiegelt sich in zahlreichen Publikationen unterschiedlicher Fachrichtungen wider. Die Gründe hierfür liegen unter anderem in dem Bestreben, Antworten auf die Krisenphänomene moderner Demokratien zu finden. Dabei lässt sich beobachten, dass häufig auf die athenische Demokratie Bezug genommen wird, in der das Los bekanntermaßen eine zentrale Rolle spielte. Bis auf wenige Ausnahmen wurde bislang jedoch übersehen, dass das Losverfahren nicht allein als politischer Auswahlmechanismus zu verstehen ist, sondern in zahlreichen Bereichen des privaten und gesellschaftlichen Lebens Anwendung fand. Dies macht auch für das politische Losverfahren eine erweiterte kulturhistorische Einordnung erforderlich. Hier setzt die zu besprechende Monografie von Irad Malkin und Josine Blok an.

Die Untersuchung ist in vier Teile gegliedert, denen eine Einleitung vorangestellt ist. Im ersten Teil („The Lottery Mindset: Religion and Society“, Irad Malkin) wird der Gebrauch von Losverfahren in religiösen und sozialen Kontexten behandelt. Der zweite Teil („Equal and Fair: Inheritance, Colonization, and Mixture“, Irad Malkin) analysiert die Anwendung des Loses bei Erbteilungen und Koloniegründungen. Im dritten Teil („Drawing Lots in Polis Governance“, Josine Blok) stehen die Einführung und institutionelle Entwicklung des Losverfahrens in der politischen Praxis mit Schwerpunkt auf Athen im Zentrum. Der letzte Abschnitt enthält zusammenfassende und weiterführende Überlegungen von Blok und Malkin sowie einen lexikographischen Überblick zur Anwendung von Losverfahren in der archaischen und klassischen Zeit, der von Elena Iaffe verfasst wurde.

Die Bedeutung des Losverfahrens für die griechische Gesellschaft wird in der Studie über eine umfassende Analyse seiner Anwendungsfelder hergeleitet. Es wird gezeigt, dass das Los lange, bevor es in der politischen Praxis institutionalisiert wurde, Bestandteil eines egalitären gesellschaftlichen Selbstverständnisses war – unter anderem bei der Verteilung von Land, Erbschaften oder Beute. Die Frage, ob das Los als religiös oder profan zu deuten sei, beschäftigt die Forschung seit dem 19. Jahrhundert. Gerade ältere Beiträge neigten dazu, die religiöse Aufladung besonders in Bezug auf die politische Praxis zu betonen. Malkin arbeitet demgegenüber überzeugend heraus, dass zwischen divinatorischen Losverfahren (Zufallsorakel) und regulativen Zuteilungsverfahren – etwa bei der Verteilung von Land, der Zuweisung von Aufgaben oder der Bestimmung von Amtsträgern – strikt unterschieden werden muss. Im letzteren Fall gehe es primär um die Durchsetzung eines Gleichheitsprinzips, das jedem Beteiligten gleiche Chancen bzw. Pflichten zuspreche. Die Möglichkeit einer individuellen religiösen Deutung des Losvorgangs könne dabei nicht ausgeschlossen werden, bilde aber keinesfalls die Voraussetzung für seine Anwendung – die Götter konnten dem Verfahren zwar beiwohnen, entschieden aber nicht.

Die Frage, welche Umstände die Überführung von Losverfahren in die politische Praxis ermöglichten, beantwortet Blok mit dem Verweis auf die umfassende gesellschaftliche Verankerung der Entscheidungstechnik in anderen Bereichen, ohne einen davon besonders hervorzuheben. Zudem verweist sie darauf, dass die Kombination von Wahl und Los, wie sie möglicherweise bereits durch Solon für die Auswahl der Archonten eingeführt wurde, zur Akzeptanz des Losverfahrens beigetragen habe. Auch seine Anwendung in exponierten bzw. gesellschaftlich bedeutungsvollen Kontexten – etwa bei der Besetzung kultischer Ämter – erhöhte die Legitimität des Losens und begünstigte seine Übertragbarkeit auf weitere Bereiche.

Der Fokus auf Athen zum Gebrauch des Losverfahrens in der politischen Praxis ist vor allem quellenbedingt, wenngleich vereinzelte Belege außerhalb Athens vorliegen. Blok verweist auf einige dieser Beispiele (Erythrai, Milet, Kamarina, Eretria, Syrakus), unterstreicht jedoch unter Berücksichtigung der Asymmetrie der Quellen die Ausnahmestellung Athens. Gerade angesichts der weiten gesellschaftlichen Anwendung des Losens außerhalb politischer Kontexte stellt sich jedoch die Frage, ob sich nicht auch in anderen Poleis vergleichbare Voraussetzungen finden ließen, die die Überführung in die politische Praxis und eine vergleichbar intensive Verwendung des Loses begünstigt haben könnten.

Wünschenswert wäre eine konzisere Gliederung gewesen. Die teils kleinteilige Strukturierung der einzelnen Teile lässt das Buch mitunter etwas unübersichtlich erscheinen, was möglicherweise durch die Zusammenführung einzelner Abschnitte hätte vermieden werden können. Dass man einige Aspekte – verwiesen sei etwa auf die periodische Verteilung von Land der Liparenser oder die Erwähnung von Losverfahren im problematischen Themistokles-Dekret – hätte vertiefen können, kann man den Autoren nicht zum Vorwurf machen. Gerade hier liegt ein Mehrwert der Studie, da sich dadurch übergeordnete Fragen diskutieren lassen. Irad Malkin und Josine Blok gelingt es, wichtige Impulse in einer an Dynamik gewinnenden Debatte um das Losverfahren in der antiken Welt zu setzen. Das Buch erweitert die bestehende Forschungsliteratur insbesondere dahingehend, dass es die Quellen mit Blick auf die kulturelle Bedeutung des Losens für die griechische Gesellschaft gründlich analysiert. Das Buch sei insbesondere Wissenschaftlern im Bereich der politischen Kultur der Antike und der kulturwissenschaftlichen Demokratieforschung empfohlen.

Neben dem Buch sei zudem auf das Online-Tool Kleros (https://kleros.org.il/) verwiesen, das von Irad Malkin und Elena Iaffe entwickelt wurde und sämtliche literarischen und epigraphischen Quellen der griechischen Antike enthält, denen sich Informationen zu Losverfahren entnehmen lassen. Dies schafft eine wertvolle Grundlage für weitere Forschung zur Bedeutung von Losverfahren im griechischen Kulturkreis.

Online erschienen: 2025-06-02

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

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  1. Frontmatter
  2. Aufsätze
  3. Überlegungen zum Ursprung des Losverfahrens in der politischen Praxis griechischer Poleis
  4. Revolution und Revision. Zum Verhältnis von Amerikanischer Unabhängigkeitserklärung und US-Verfassung
  5. Weimars Untergang, die Historiker und die Kapitalismuskritik. Zur Wirkungsgeschichte der „Abraham Affair“
  6. Manfred Clauss (1945–2025)
  7. Soziale Netzwerke in Mittelalter- und Renaissanceforschung. Dreißig Jahre nach „Robust Action“
  8. Rezensionen
  9. Patrick J. Geary, Herausforderungen und Gefahren der Integration von Genomdaten in die Erforschung der frühmittelalterlichen Geschichte. (Das mittelalterliche Jahrtausend, Bd. 7.) Göttingen, Wallstein 2020; Mischa Meier / Steffen Patzold, Gene und Geschichte. Was die Archäogenetik zur Geschichtsforschung beitragen kann. Stuttgart, Hiersemann 2021
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  17. Paul Christesen / Charles H. Stocking (Eds.), A Cultural History of Sport in Antiquity. New York , Bloomsbury Academic 2022
  18. Irad Malkin / Josine Blok, Drawing Lots. From Egalitarianism to Democracy in Ancient Greece. Oxford, Oxford University Press 2024
  19. Marek Węcowski, Athenian Ostracism and Its Original Purpose. A Prisoner’s Dilemma. Oxford, Oxford University Press 2022
  20. Robin Waterfield, The Making of a King. Antigonus Gonatas of Macedon and the Greeks. Oxford, Oxford University Press 2021
  21. Julia Hoffmann-Salz, Im Land der räuberischen Nomaden? Die Eigenherrschaften der Ituraier und Emesener zwischen Seleukiden und Römern. (Studien zur Alten Geschichte, Bd. 31.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2022
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  26. David Alan Parnell, Belisarius & Antonina. Love and War in the Age of Justinian. Oxford, Oxford University Press 2023
  27. Hans Hubert Anton (Hrsg.), Regesten der Bischöfe und Erzbischöfe von Trier. I, 3. Die Trierer Kirche und die Trierer Bischöfe in der ausgehenden Antike und am Beginn des Mittelalters. Bischöfe von der Wende des 4./5. Jahrhunderts bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts. Bearbeitet von Hans Hubert Anton und Friedrich Pfeiffer unter Mitarbeit von Sigrun Anton. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 83.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2021
  28. Heinz Krieg (Hrsg.), Handlungsspielräume und soziale Bindungen von Eliten im Südwesten des mittelalterlichen Reiches. Kolloquium zu Ehren von Thomas Zotz. (Freiburger Beiträge zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 5.) Ostfildern, Thorbecke 2023
  29. David M. Freidenreich, Jewish Muslims. How Christians Imagined Islam as the Enemy. Berkeley, CA, University of California Press 2023
  30. Kathrin Henschel, „Sicut in caelo et in terra“ – Himmlische Kritik an irdischen Verhältnissen. Historisch-kritisch-exegetische Untersuchungen zu Walahfrid Strabos Visio Wettini. Ostfildern, Thorbecke 2023
  31. John B. Freed, The Falkensteins. Losers and Winners in Medieval Bavaria. (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 72.) Stuttgart, Hiersemann 2023
  32. Thomas Ertl / Thomas Frank / Samuel Nussbaum (Eds.), Busy Tenants. Peasant Land Markets in Central Europe (15th to 16th Century). (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beih. 253.) Stuttgart, Steiner 2021
  33. Andreea Badea / Bruno Boute / Birgit Emich (Eds.), Pathways through Early Modern Christianities. Köln, Böhlau 2023
  34. Ted McCormick, Human Empire. Mobility and Demographic Thought in the British Atlantic World, 1500–1800. (Ideas in Context.) Cambridge, Cambridge University Press 2022
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  36. Lisa Hopkins, The Edge of Christendom on the Early Modern Stage. (Late Tudor and Stuart Drama: Gender, Perfomance, and Material Culture.) Berlin/Boston, De Gruyter 2022
  37. Roland Kanz, Skulptur des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Petersberg, Imhof 2025
  38. Simona Boscani Leoni / Sarah Baumgartner / Meike Knittel (Eds.), Connecting Territories. Exploring People and Nature, 1700–1850. Leiden, Brill 2022
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  70. Eingegangene Bücher
  71. Eingegangene Bücher
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