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David Hamacher, Prekäre Divinität. Untersuchungen zur Vergöttlichung des Herrschers im römischen Prinzipat. Göttingen, V&R unipress 2023

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Published/Copyright: June 2, 2025
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Rezensierte Publikation:

David Hamacher, Prekäre Divinität. Untersuchungen zur Vergöttlichung des Herrschers im römischen Prinzipat. 2023 V&R unipress Göttingen, 978-3-8471-1542-7, € 60,–


Unter „Vergöttlichung“ versteht David Hamacher jenen mehrschichtigen Vorgang der Divinisierung durch den Senat und Konsekration durch den Nachfolger, mit dem der verstorbene Kaiser – als Gott und Mensch – zum divus, zum „Staatsgott“ wird. Es handelt sich um 31 Fälle von Caesar bis zu Severus Alexander. Die Bedingungen dieses Aktes untersucht Hamacher nach Umständen, die gelegentlich, wie er es nennt, prekär waren. Prekär war seiner Meinung nach die politische Interaktion zwischen Kaiser und Senat hinsichtlich „der Relevanz der Göttlichkeit des Herrschers“ (S. 27). Es geht dabei um Vorgänge, die im wesenlichen auf die Stadt Rom beschränkt sind. In mehreren Einzelfallstudien wird zunächst die Situation nach dem Tod des Herrschers in den Blick genommen (S. 79–139). Die berühmte „Apocolocyntosis“ und die umkämpfte Divinisierung Hadrians stellen zwei solcher Fallbeispiele dar.

Am Regierungsanfang des Antoninus Pius stand ein Disput zwischen dem neuen Herrscher und dem Senat um die Person des Vorgängers Hadrian. Der Senat weigerte sich, Hadrian zu divinisieren. Dagegen argumentierte Antoninus Pius, damit stempele der Senat Hadrian zu einem schlechten Herrscher. Die Verweigerung der Divinisierung lasse die Annulierung der Handlungen und Anordnungen Hadrians befürchten, und dazu gehöre auch die Adoption des Antoninus Pius. Die bis dahin erfolgte Regelmäßigkeit von Divinisierung und Konsekration der Vorgänger und zahlreicher Mitglieder des Kaiserhauses hatten zu der Vorstellung geführt, die Entscheidung des Senats zur Divinisierung legitimiere den Sohn in ganz anderer Weise, als es ohne diese der Fall gewesen wäre. Der Verfasser macht deutlich, dass „der Verzicht auf die Vergöttlichung Hadrians für Antoninus Pius keine echte Option mehr war“ (S. 139).

In einem weiteren Kapitel untersucht Hamacher, wie es dem Kaiser bereits zu Lebzeiten möglich war, seine posthume Erhebung unter die Staatsgötter zu präjudizieren (S. 141–229). Bei der Analyse der Bemühungen der Kaiser Domitian und Trajan um die Demonstration ihrer Göttlichkeit stellt er heraus, dass die Unterschiede zwischen beiden Herrschern nicht groß waren (S. 226). Hatte der Kaiser schon einen Nachfolger bestimmt, konnte er mit Sicherheit auf die Apotheose hoffen. Im Rahmen des vom Autor untersuchten Zeitraums der ersten beiden Jahrhunderte ist kein Kaiser nach seinem Tod unter die Staatsgötter erhoben worden, dessen Thronfolge nicht geregelt war. Er gesteht aber ein, dass mit der Konsekration des Pertinax im Jahr 193 und derjenigen des Commodus 195 durch Septimius Severus dieses Paradigma seine Gültigkeit verlor. Abschließende Betrachtungen gelten der Frage, wann sich der Senatsbeschluss zur Divinisierung als Hypothek für das Verhältnis zwischen Kaiser und Senat erweisen konnte (S. 231–298). So zeigte sich Nero – divi filius wider Willen? (S. 278–296) – über die Konsekration seines Vorgängers nicht begeistert, aber zu einer Kassation einer Konsekration kam es nicht. Die kultische Verehrung vieler divi und divae, vor allem von Familienmitgliedern der Kaiser, geriet einfach außer Gebrauch.

Eine Zusammenfassung, eine Liste der Staatsgötter, einige Münzabbildungen, Abkürzungsverzeichnis, Bibliographie sowie ein Personen- und Quellenregister schließen den Band ab (S. 299–408). Es handelt sich um eine solide Arbeit, die auf der Basis intensiver Quellen- und Literaturstudien argumentiert – der Anmerkungsteil übertrifft den Textteil. In mancherlei Hinsicht überschätzt Hamacher wohl die echten Handlungsspielräume des Senats. Wenn wir von Diskussionen wenig hören, erklärt er dies damit, dass die am Diskurs beteiligten Akteure kein Interesse daran hatten, diese zu dokumentieren. Nach der Rolle des populus oder gar des Militärs fragt er nicht.

Online erschienen: 2025-06-02

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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