William H. Chafe, Lifting the Chains. The Black Freedom Struggle since Reconstruction. Oxford, Oxford University Press 2023

Simon Wendt

doi:10.1515/hzhz-2025-1150

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William H. Chafe, Lifting the Chains. The Black Freedom Struggle since Reconstruction. Oxford, Oxford University Press 2023

Simon Wendt

Veröffentlicht/Copyright: 2. Juni 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 3

Rezensierte Publikation:

William H. Chafe, Lifting the Chains. The Black Freedom Struggle since Reconstruction. 2023 Oxford University Press Oxford, 9780197616451, £ 26,99

Angesichts der Vielzahl an Publikationen, die seit der Jahrtausendwende zum afroamerikanischen Freiheitskampf in den USA erschienen sind, ist das Überblickswerk des bekannten amerikanischen Historikers William H. Chafe sehr zu begrüßen. Die neuesten geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisse sowie damit verknüpfte Debatten mit einer narrativen Geschichte der afroamerikanischen Bewegung für Bürgerrechte in einem Buch zu verbinden, würde sowohl Forschenden als auch Studierenden die Orientierung im historiografischen Dickicht erleichtern. Um es vorwegzunehmen, „Lifting the Chains“ erfüllt diese Hoffnungen leider nicht. Obwohl der Klappentext das Buch als „definitive history of African American activism“ anpreist, hat Chafe eine konventionelle Geschichte des Schwarzen Amerikas nach dem amerikanischen Bürgerkrieg geschrieben, die viele Lücken aufweist und wenig zum Verständnis der Historiografie des afroamerikanischen Freiheitskampfes beiträgt.

Die Einleitung des Buches benennt eine Reihe von Schlüsselthemen, die sich durch die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung ziehen. Laut Chafe waren es vor allem afroamerikanische Menschen und Schwarze Institutionen (zum Beispiel Kirchen), die die Bewegung trugen. Männer wie Frauen sowie verschiedene Generationen waren am Erfolg der Bewegung beteiligt, die auch nach der Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetzgebung der 1960er weiterging und dabei vor allem gegen die schlechte wirtschaftliche Situation der Schwarzen Bevölkerung protestierte. Eine historiografische Einordnung bzw. die Benennung geschichtswissenschaftlicher Debatten und neuester Erkenntnisse bleibt jedoch aus. Stattdessen erfahren Leserinnen und Leser einiges über die Biografie des weißen Autors, der in den 1960er Jahre selber an Bürgerrechtsprotesten beteiligt war. Chafe erklärt zudem, dass er für das Buch auf eine große Anzahl von Interviews zurückgegriffen hat, die im Rahmen des von ihm gegründeten Duke Oral History Project an der Duke University mit afroamerikanischen Menschen geführt worden sind.

In den dreizehn Kapiteln des Buches helfen diese Interviews dabei, afroamerikanischen Menschen eine Stimme zu geben und mithilfe persönlicher Schicksale die Geschichte des antischwarzen Rassismus und den Kampf gegen rassistische Diskriminierung greifbarer zu machen. Ansonsten handelt es sich um eine wenig beeindruckende Nacherzählung der afroamerikanischen Geschichte seit 1863. Das Aufkommen der gesetzlich verankerten Rassentrennung im amerikanischen Süden wird dabei genauso behandelt wie erste Proteste gegen Diskriminierung um 1900, die wichtige Rolle von Familien und Kirchen sowie anderen Schwarzen Institutionen für die Freiheitsbewegung, den essentiellen Aktivismus von afroamerikanischen Frauen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die verschiedenen Proteststrategien der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren. Spätestens im 10. Kapitel wird klar, dass Chafe ein Vertreter der „Long Movement“-These ist, laut derer man den Freiheitskampf nicht auf die Periode zwischen 1955 und 1968 beschränken kann, sondern vielmehr von einer seit dem späten 19. Jahrhundert andauernden Bewegung sprechen muss, die sich in verschiedene Phasen unterteilt.

Am auffälligsten sind allerdings die vielen thematischen Lücken in Chafes Erzählung, die auch eine gewisse interpretatorische Voreingenommenheit erkennen lässt. So spielt der Schwarze Nationalismus beispielsweise kaum eine Rolle. Der jamaikanische Aktivist Marcus Garvey, der nach dem Ersten Weltkrieg eine Schwarze nationalistische Bewegung schuf, die zeitweise 5 Millionen Mitglieder hatte, wird vom Verfasser auf weniger als einer Seite als „Träumer“ abgetan. Die globalen Dimensionen des afroamerikanischen Aktivismus im Kontext des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs werden kaum erwähnt und überhaupt nicht diskutiert. Die Bürgerrechtsbewegung wird in erster Linie als Phänomen im amerikanischen Süden beschrieben, obwohl Schwarzer Aktivismus im Norden weit verbreitet war und in vielerlei Hinsicht die Black Power-Bewegung antizipierte, die nach 1966 prominent wurde. Über Black Power erfährt man in diesem Zusammenhang praktisch gar nichts, obwohl die Forschung der letzten drei Jahrzehnte gezeigt hat, wie wichtig diese Phase der Bewegung sowohl in kultureller als auch politischer Hinsicht war. Der Grund für derartige Leerstellen rührt wohl zum einen von der Tatsache, dass Chafe die nach dem Jahr 2000 erschienene Forschungsliteratur nur sehr sporadisch gelesen hat. Zum anderen steht er Black Power und dem schwarzen Nationalismus insgesamt eher kritisch gegenüber. Diese Kombination aus Lücken und interpretatorischen Präferenzen führt schlussendlich dazu, dass dieses Buch der Forschung 15 bis 20 Jahre hinterherhinkt. Man hätte sich mehr erhofft.

Online erschienen: 2025-06-02

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1150

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