Heinz Krieg (Hrsg.), Handlungsspielräume und soziale Bindungen von Eliten im Südwesten des mittelalterlichen Reiches. Kolloquium zu Ehren von Thomas Zotz. (Freiburger Beiträge zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 5.) Ostfildern, Thorbecke 2023
Rezensierte Publikation:
Heinz Krieg, Handlungsspielräume und soziale Bindungen von Eliten im Südwesten des mittelalterlichen Reiches. Kolloquium zu Ehren von Thomas Zotz. Freiburger Beiträge zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 5. 2023 Jan Thorbecke Verlag Ostfildern, 978-3-7995-8554-5, € 22,–
2014 wurde Thomas Zotz 70 Jahre alt – ein guter Grund, gemäß den akademischen Gepflogenheiten zu Ehren des Jubilars ein Kolloquium abzuhalten, dessen Beiträge im vorliegenden Band verschriftlicht vorliegen. Mit dem Schwerpunkt auf dem Südwesten des Reichs und der Behandlung verschiedener sozialer Gruppen widmet sich der Band den Forschungsinteressen des Freiburger Historikers und zugleich dem Gegenstand des von Zotz gemeinsam mit dem Herausgeber geleiteten DFG-Projekts „Adlige Gruppenbildung und Handlungsspielräume im hochmittelalterlichen Breisgau“. Ziel des Bandes ist laut Vorwort die „zeitliche und räumliche Weitung des thematischen Blickwinkels des Freiburger Projekts“ (S. 7), das sich mit den Herrschaftsträgern unterhalb der fürstlichen Ebene beschäftigt.
Obwohl der Band neben einer Würdigung der wissenschaftlichen Verdienste sowie einer Liste der Publikationen des Geehrten für die Jahre von 2009 bis 2022 und einem Register lediglich sechs Beiträge im engeren Sinne enthält, weist er eine große inhaltliche Bandbreite auf, die durch die bindende Klammer des Südwestens und der Frage nach dem Handeln verschiedener sozialer Gruppen nicht unstimmig wirkt. Der Beitrag Steffen Patzolds (S. 13–27) eröffnet den Reigen und knüpft an die Forschungsdiskussion um den Begriff des Lehnswesens an. Konsequent fragt er, was dabei herauskommt, wenn man zentrale Begriffe wie „Grundherrschaft“ und „Ministerialität“ beim Blick auf die Vergabe von beneficia streicht, mit dem Ergebnis, dass sowohl milites als auch servi beneficia erhalten, Kriegsdienst leisten und Eigengut besitzen konnten. Eine von der älteren Forschung angenommene „klare Vorstellung der Akteure von einem spezifischen Typus von Lehen, der an die Vasallität, an den Handgang und die Mannschaft gebunden wäre“ (S. 27), könne man daher nicht mehr voraussetzen. Den Umgang dreier Breisgauer Adelsfamilien mit dem Machtausbau des schwäbischen Herzogsgeschlechts der Zähringer vergleicht Clemens Regenbogen (S. 29–41). Die Gegenüberstellung stellt verschiedene Handlungsweisen lokaler Adliger vor und zeigt, wenn man sie so nennen will, adlige Handlungsspielräume auf: Während sich die einen ins Kloster zurückzogen und das Ende ihres Geschlechts im Mannesstamm besiegelten, suchten andere die Nähe zum Bistum Basel. Wiederum andere zogen als königliche Gefolgsleute ins Heilige Land und ließen sich letztendlich dort nieder. Anuschka Holste-Massoth (S. 43–57) zeigt in ihrem Beitrag über den Pfalzgrafen bei Rhein und bayerischen Herzog Ludwig II. während des sogenannten Interregnums, wie sich dieser mit der Begründung der Vakanz des Reichs in Kooperation mit anderen Profiteuren königliche Kompetenzen aneignete. Im Mittelpunkt des Beitrags von Matthias Kälble (S. 59–76) stehen die Umlandbeziehungen Freiburgs im Breisgau des 13. Jahrhunderts. Im Grunde schildert Kälble eine vielerorts zu beobachtende stete Ausweitung des bürgerlichen und städtischen Einflusses auf das Umland durch Besitzerwerb, Ausdehnung der städtischen Rechtsprechung über Aus-/Pfahlbürger und die Übernahme von Ortsherrschaften. Thematisch knüpft der Beitrag von Olivier Richard (S. 77–97) über das Verhältnis von Adligen zum Bürgereid in den am Oberrhein gelegenen Städten an den vorangehenden Beitrag an. Zu den Personen, die außerhalb der Stadt wohnten und dennoch das Bürgerrecht erwarben, gehörten unter anderem auch Adlige, die wie alle anderen Bürger zumeist einen Bürgereid leisten mussten. Nicht nur durch adlige Ehrvorstellungen und eine eventuelle Nähe zum Landesfürsten entstand somit ein Spannungsfeld, akzeptierten die Adligen mit dem Eid doch die Gleichheit mit den anderen Bürgern und ordneten sich zumindest ideell der Stadtobrigkeit unter. So erscheint es geradezu als logische Konsequenz, sich den mit dem Eid verbundenen Pflichten zu widersetzen. Der verschriftlichte Abendvortrag von Hans-Werner Goetz (S. 99–121) stellt ausgehend von theoretischen Überlegungen zum Begriff des Handlungsspielraums die Frage, ob und inwieweit Handlungsspielräume in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung reflektiert wurden, und kommt zu dem Ergebnis, dass „die Quellen […] solche Spielräume geradezu verdecken“ (S. 121). Deren Verfasser suchten im Vergangenen schließlich einen Sinn, eine Lehre oder vorbildhaftes Handeln, weswegen sie nicht an der Darstellung möglicher alternativer Handlungsmöglichkeiten interessiert waren, sondern an der Darstellung des richtigen Handelns an sich.
Wegen der Auseinandersetzung mit dem Begriff „Handlungsspielraum“, die ansonsten (in geringerem Umfang) nur im Beitrag von Holste-Massoth (S. 49 f.) zu finden ist, hätte eine Positionierung des Beitrags von Goetz am Anfang des Bandes zu einer Schärfung des Untersuchungsgegenstandes beitragen können. Dabei fällt auf, dass Goetz’ Feststellung, der Terminus werde oftmals in einer nicht ganz eindeutigen Bedeutung oder unreflektiert verwendet, auch auf einige Beiträge des Bandes zutrifft, in denen eher das Handeln einzelner Akteure lediglich nachvollzogen wird. Als Ganzes sind Handlungsspielräume wohl auch schwer zu erfassen, stellen sie doch „die gesamt vorhandenen und die tatsächlich ausgeführten Möglichkeiten“ (S. 100) dar. Wollte man also die Handlungsspielräume eines Akteurs und nicht nur einen Teil von ihnen erforschen, öffnete sich das Tor zur Frage nicht nur nach dem, was war, sondern auch nach dem, was hätte sein können. Eine solche Fragestellung ließe sich nach Meinung des Rezensenten nur durch vergleichende Ansätze oder anhand der Geschichtsschreibung seriös bearbeiten, in der sich die Verfasser zumindest teilweise über alternative Handlungsmöglichkeiten äußern. So gehen die meisten Beiträge des Bandes einen methodisch gangbaren Mittelweg und bieten kompakte wie einprägsame Einblicke in die Handlungsoptionen mittelalterlicher politischer Akteure. Gerade wegen seiner Behandlung verschiedener Stände ist die Lektüre des Bandes nicht nur für an den Themen der einzelnen Beiträge Interessierte, sondern auch insgesamt ein großer Gewinn.
© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Monika Wienfort, Katholizismus im Kalten Krieg. Vertriebene in Königstein 1945–1996. (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe C, Bd. 4.) Leiden, Brill 2023
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- Galen Jackson, A Lost Peace. Great Power Politics and the Arab-Israeli Dispute, 1967–1979. (Cornell Studies in Security Affairs.) Ithaca, NY, Cornell University Press 2023
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