Ulrich Lappenküper / Wolfram Pyta (Hrsg.), Entscheidungskulturen in der Bismarck-Ära. (Otto-von-Bismarck-Stiftung. Wissenschaftliche Reihe, Bd. 32.) Leiden, Brill 2024

Hans-Christof Kraus

doi:10.1515/hzhz-2025-1152

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Ulrich Lappenküper / Wolfram Pyta (Hrsg.), Entscheidungskulturen in der Bismarck-Ära. (Otto-von-Bismarck-Stiftung. Wissenschaftliche Reihe, Bd. 32.) Leiden, Brill 2024

Hans-Christof Kraus

Veröffentlicht/Copyright: 2. Juni 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 3

Rezensierte Publikation:

Ulrich Lappenküper, Entscheidungskulturen in der Bismarck-Ära. Otto-von-Bismarck-Stiftung. Wissenschaftliche Reihe, Bd. 32. 2024 Brill Leiden, 978-3-506-79289-1, € 56,–

Die Beiträge des Bandes versuchen Antworten auf die Frage zu finden, inwieweit sich diverse „Entscheidungskulturen“ auf die „Gestaltungsentscheidungen“ im Kaiserreich auswirkten und welche politischen und außerpolitischen Faktoren hierauf einwirkten. Wenn man von der heute vielfach geübten Überdehnung des – mittlerweile deutlich ins Unscharfe hinübergleitenden – allgegenwärtigen „Kultur“-Begriffs einmal absieht, tragen eine Reihe der Beiträge doch zu einer perspektivischen Erweiterung des Blicks auf das Kaiserreichs bei; die bei manchen Autoren gegenwärtig wieder erkennbare Schwarz-Weiß-Zeichnung der Epoche 1871–1914 bleibt dabei erfreulicherweise ausgeschlossen. Wenn es nach einer Formulierung der Herausgeber darauf ankommt, „die Komplexität des politischen Systems entscheidungskulturell abzubilden“ (S. 10), dann kann man dies durchaus mit dem hier vorgestellten ausgefeilten Instrumentarium versuchen, die unter anderem die „Ressource Zeit“ sowie die „epistemische Fundierung von Entscheidungen“ (S. 12) ebenso in den Blick nimmt wie die jeweiligen „Weltbilder“, Formen der Kommunikation sowie den gezielten Gebrauch der Sprache, endlich das bekannte Problem des „Zugangs zum Machthaber“ und den Einsatz von Emotionen. Dieses Spektrum hätte noch deutlich erweitert werden können, etwa mit Blick auf zeitspezifische Denkhorizonte und vor allem auf die Analyse von Handlungsspielräumen, auf die etwa Rudolf Vierhaus seinerzeit nachdrücklich hingewiesen hat.

Von den hier versammelten Aufsätzen stellt nur einer ein regelrechtes Ärgernis dar: Jan Markerts Versuch einer etwas kuriosen Rehabilitierung Wilhelms I. und einer dementsprechenden Marginalisierung Bismarcks; der Verfasser rennt erstens weit offen stehende Türen ein, wenn er die konstitutionelle Machtstellung des Königs und Kaisers auch gegenüber Bismarck betont, er bringt jedoch auch regelrechte Falschinformationen, so etwa (um nur ein einziges unter vielen möglichen Beispielen zu nennen) mit Bezug auf die von Bismarck verwendete These einer „Verfassungslücke“ im preußischen Konflikt von 1862–1866, als deren Urheber Markert ausgerechnet den König benennen zu können meint! Diese absolut unzutreffende Auffassung ist seit Jahrzehnten klar widerlegt. Die äußerst komplexen Mechanismen der politischen Entscheidungsfindung im Reich, die bis 1890 tatsächlich von Bismarck ebenso subtil wie – meistens, wenn auch nicht immer – erfolgreich verwendet wurden, finden sich in den weiteren Beiträgen zumeist kenntnisreich aufbereitet: Erwähnt seien neben den Beiträgen der beiden Herausgeber auch die Studien von Oliver F. R. Haardt zum Bundesrat, von Holger Afflerbach zum extrakonstitutionellen Bereich des Militärs, von Friedrich Kießling zur Diplomatie, von Cornelius Torp zu den Wirtschaftsverbänden sowie der Aufsatz von Stefan Gerber zu Bismarck und dem Zentrum. Leider fehlt ein Beitrag zu den Konservativen; es hätte sehr anschaulich aufgezeigt werden können, auf welch subtile Weise Bismarck die alte, jetzt oppositionelle (preußische) Konservative Partei – der er ja selbst entstammte und deren Personal er genau kannte – von innen heraus zerstörte, um 1876 eine neue, ihm treu zur Seite stehende Partei, die Deutschkonservative Partei, zu etablieren, die dann im Reichstag alle seine Entscheidungen und Vorlagen brav absegnete. Hier hätte man das Beispiel einer äußerst geschickten Manipulation von Entscheidungskulturen verdeutlichen können.

Online erschienen: 2025-06-02

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1152

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