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Robert Shea Terrell, A Nation Fermented. Beer, Bavaria, and the Making of Modern Germany. Oxford, Oxford University Press 2023

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Published/Copyright: June 2, 2025
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Robert Shea Terrell, A Nation Fermented. Beer, Bavaria, and the Making of Modern Germany. 2023 Oxford University Press Oxford, 9780198881834, £ 35,–


Eine Nation, die einen Gärungsprozess durchlaufen hat – so könnte man den Titel übersetzen. Während Bier und Bayern jedermann einleuchtet: Was aber haben Bier, Bayern und das moderne Deutschland miteinander zu tun? Der bierselige Bayer in kurzen Lederhosen steht für den Nationalcharakter der Deutschen und prägt das Bild von Deutschland; er hat den unsympathischen Deutschen verdrängt. So lautet eine These des Buches.

Solche Bilder des Nationalcharakters sind freilich keineswegs urwüchsig, sondern gemacht. Wie nun handfeste ökonomische Interessen, politische Zwänge und Einflussnahmen da ineinandergriffen und sich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart verstärkten, hat Robert Shea Terrell auf der Basis umfangreicher Archivrecherchen nachgezeichnet. Anders als der schäumende Bierkrug auf dem Titelbild suggerieren mag: Es geht hier nicht um bajuwarische Folklore, sondern um Mikrogeschichte. Das unscheinbare Forschungsgebiet „Bier“ wird umfassend in übergreifende, politische, wirtschaftliche, soziale und mentalitätsgeschichtliche Zusammenhänge gestellt.

Terrells Monographie bietet ein breites Spektrum an Details. Ausgangspunkt ist das herzoglich-bayerische Reinheitsgebot von 1516. Bier dürfe nur mit Hopfen, Gerste, Wasser und Malz gebraut werden. Er weist darauf hin, dass dieses vermeintlich älteste Lebensmittelgesetz der Welt gar nicht das älteste sei (Statuta Thaberna der Stadt Weissensee in Thüringen, 1434). Erst nach 1945 wurde es zum allgemein gültigen (bundes-)deutschen Gesetz, bis es 1987 von der EU-Gesetzgebung abgeschafft wurde. Die Entwicklungen, welche das Reinheitsgebot und der Konsum von Bier im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und dann in der Bundesrepublik durchliefen, werden detailliert dargestellt. Es ging immer um Schutz des bayerischen Marktes, um Expansion des bayerischen Bieres außerhalb Bayerns und um Stilisierung des bayerischen Bieres als typisch deutsch.

Damit ist der Inhalt des Buches grob wiedergegeben, daneben stellt der Verfasser eine Fülle von Detailuntersuchungen an, etwa wie bayerisches Bier und das Reinheitsgebot im 19. und 20. Jahrhundert mit anderen Politikfeldern interagierte. An dieser Stelle können nur einzelne markante Ergebnisse erwähnt werden.

So ist weitgehend unbekannt, dass 1913 27 Prozent des gesamten Bierkonsums im Deutschen Reich aus bayerischen Brauereien stammte. Ein Drittel des bayerischen Haushalts wurde allein durch die Biersteuer erbracht. Als dann in der Weimarer Republik im Zuge der Neuordnung der Finanzen Verbrauchssteuern zu Reichssteuern gemacht wurden, traf dies Bayern empfindlich und trug auch zur zunehmenden Destabilisierung der Weimarer Republik bei. In den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich dann ein ähnliches Problem wie während des Ersten Weltkrieges: Durfte wertvolles Getreide für die Bierproduktion abgezweigt werden?

1968 wurde Bier das am meisten konsumierte Einzelgetränk. Den bayerischen Bierbrauern gelang es, die Bezeichnung „Genuine Bavarian Beer“ als geschütztes Markenzeichen in den USA zu etablieren. Sehr publikumswirksam wurde auch ein internationaler Tag des Bieres (der erste Freitag im August) geschaffen, doch all diese Aktivitäten bedeuteten nicht, dass bayerisches Bier originär in Bayern gebraut werden musste. Es gibt lizensierte Brauereien in der ganzen Welt, die nach dem Reinheitsgebot echt bayerisches Bier brauen. Selbst im Kernland wechselte die Traditionsmarke „Löwenbräu“ in den Besitz der größten Brauereigruppe der Welt (des internationalen „Anheuser-Busch-InBev“-Konzerns).

Das bemerkenswerteste Ergebnis der Untersuchung ist im Schlusskapitel „Provincial Nation“ zusammengefasst. Die Geschichte Deutschlands und auch seine internationale Wahrnehmung war lange Zeit von Preußen dominiert, ist jedoch mehr als lediglich eine verlängerte preußische Geschichte. Sie wird wesentlich von den sehr unterschiedlichen Regionen her bestimmt, wie man am Einfluss Bayerns auf das Bild von den „Deutschen“ sehen kann. Dieser Einfluss ist mitnichten nur kulturell, sondern ergibt sich besonders auch aus einer Gemengelange von wirtschaftlichen und politischen Interessen, die sich vor dem Hintergrund der Globalisierung derart ineinander verschränkt haben, so dass bayerisches Bier gar nicht mehr in Bayern gebraut werden muss.

Online erschienen: 2025-06-02

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

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