Martin Thomas / Gareth Curless (Eds.), The Oxford Handbook of Late Colonial Insurgencies and Counter-Insurgencies. (Oxford Handbooks.) Oxford, Oxford University Press 2023

Benedikt Stuchtey

doi:10.1515/hzhz-2025-1170

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Martin Thomas / Gareth Curless (Eds.), The Oxford Handbook of Late Colonial Insurgencies and Counter-Insurgencies. (Oxford Handbooks.) Oxford, Oxford University Press 2023

Benedikt Stuchtey

Published/Copyright: June 2, 2025

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From the journal Historische Zeitschrift Volume 320 Issue 3

Rezensierte Publikation:

Martin Thomas, The Oxford Handbook of Late Colonial Insurgencies and Counter-Insurgencies. Oxford Handbooks. 2023 Oxford University Press Oxford, 9780198866787, £ 135,–

Schlüsselbegriffe, die nicht bereits im Titel dieses vorzüglichen Oxforder Handbuchs auftauchen, aber auch dessen thematisches Umfeld kennzeichnen, sind unter anderem Antikolonialismus, Dekolonisation, asymmetrischer Konflikt, revolutionäre Kriegsführung und staatliche Gewalt. Wie Martin Thomas, der wie Gareth Curless an der University of Exeter lehrt, in seiner konzisen und perspektivenreichen Einleitung ausführt, führen diese Begriffe und die sie bezeichnenden Phänomene in eine globalgeschichtliche Epoche, an deren Anfang die Erklärung des britischen Ausnahmezustandes über Malaysia (1948) und an deren Ende der Abzug der amerikanischen Truppen aus Vietnam (1973) steht.

Die antikolonialen Rebellionen und ihre spätkoloniale Bekämpfung lösten, so Thomas, die konventionellen zwischenstaatlichen Konflikte als dominante Schauplätze organisierter militärischer und politischer Gewalt ab. In diesen für die Geschichte der weltweiten Dekolonisierung zentralen 25 Jahren traten Konflikte innerhalb von Staaten an die Stelle von Konflikten zwischen Staaten. Eine der zentralen Fragestellungen des Handbuchs zielt daher auf ihre Ursprünge und auf die Aufstände sowie Gegenaufstände im Kontext des Niedergangs der europäischen Kolonialreiche nach 1945.

Dekolonisierungskämpfe als einerseits gewaltsame Prozesse können andererseits als konfliktbegrenzende Prozesse verstanden werden, wenn es gelingt, zum Beispiel die Zivilbevölkerung zu schützen und kulturelle Praktiken der Aufständischen und ihrer Gegner sowie „Konfliktmuster“ zu erkennen. Der Schwierigkeit, in asymmetrischen Guerillakriegen zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten zu unterscheiden, liegt auch der koloniale Blick auf den globalen Süden zugrunde, dem dieser Band allein schon dadurch widerspricht, dass sich vier der insgesamt 38 Beiträge mit Irland bzw. Nordirland befassen.

Da sie weder einer chronologischen noch einer geographischen Systematisierung folgen, sondern thematisch in sechs Abschnitte gegliedert sind, die sich unter anderem mit theoretischen Ansätzen, Doktrin und Propaganda, Motivation und Mobilisierung, Entwicklung und Bevölkerungskontrolle, transnationalen Dimensionen sowie den Folgen der gewaltsamen Dekolonisierung befassen, sind Ungleichgewichte und Überschneidungen zwischen den Kapiteln unvermeidlich. Algerien, Indochina, Indonesien, Irland, Kenia und Südafrika erhalten besondere Aufmerksamkeit, aber auch Fallbeispiele aus Indien, Jamaika, Mosambik, Palästina und Zypern kommen zu Wort, während eine Perspektive auf die ehemaligen Kolonialmächte eher vermieden wird. Taktiken der Aufstandsbekämpfung wie Inhaftierung, Folter und Deportation waren ohnehin transregional und transimperial. Wenn es nationale „Sonderwege“ gab, so illustrieren die Aufsätze, in denen die Sowjetunion und die USA eine wichtige Rolle spielen, wie die spätimperiale Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg neue, komplexe, umkämpfte und besonders gewalttätige Konfrontationslinien eröffnete.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es bemerkenswert, dass sich der Band stärker der Aufstandsbekämpfung als den Aufständen selbst zuwendet, was nicht zuletzt der Fülle des überlieferten historischen Quellenmaterials geschuldet sein dürfte. Aber auch in dieser Frage ist Bewegung möglich. Als das Londoner Foreign and Commonwealth Office im Mai 2013 erstmals einräumen musste, mehr als 2000 Kartons mit „special files“ noch nicht ordnungsgemäß an die National Archives übergeben zu haben, war zu erwarten, dass es sich dabei um eine große Menge von Dokumenten handeln würde, die die antikolonialen Aufstände und ihre spätkoloniale Bekämpfung unmittelbar dokumentieren. So waren beispielsweise jahrzehntelang Quellen zu den berüchtigten britischen Arbeitslagern zurückgehalten worden, in denen Kikuyu-Aufständische während der Mau-Mau-Rebellion in Kenia in den 1950er Jahren inhaftiert waren. Während des so genannten Ausnahmezustandes wurden die Gefangenen Opfer von sexuellem Missbrauch, Hunger und Folter, willkürliche Tötungen durch britisches Kolonialpersonal waren an der Tagesordnung. Auch diese Geschichtspolitik spricht Bände: Über den „official mind“ des britischen Empire und über den Umgang mit der postkolonialen Frage, wer wann Zugang zu historischem Wissen hat.

Online erschienen: 2025-06-02

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