Jonas Stephan, Tinte, Feder und Kanonen. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges (1701). (Verhandeln, Verfahren, Entscheiden, Bd. 8.) Münster, Aschendorff 2024

Fabian Schulze

doi:10.1515/hzhz-2025-1204

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Jonas Stephan, Tinte, Feder und Kanonen. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges (1701). (Verhandeln, Verfahren, Entscheiden, Bd. 8.) Münster, Aschendorff 2024

Fabian Schulze

Veröffentlicht/Copyright: 1. August 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 1

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Jonas Stephan, Tinte, Feder und Kanonen. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges (1701). Verhandeln, Verfahren, Entscheiden, Bd. 8. 2024 Aschendorff-Verlag Münster, 978-3-402-14671-2, € 65,–

Johann Jacob Mosers Dictum, von den deutschen Reichskreisen lasse „sich nicht gar gut schreiben“, scheint schon länger widerlegt zu sein. Spätestens seit den 1990er Jahren, der Publikation von drei umfassenden Sammelbänden und mehreren voluminösen Monografien, hat sich die Reichskreisforschung als eigenes Forschungsgebiet innerhalb der Frühen Neuzeit fest etabliert.

Dennoch besitzt Mosers Begründung, warum (historische) Abhandlungen über Reichskreise so herausfordernd seien, bis heute eine gewisse Plausibilität: Der Reichspublizist monierte, dass „es öfters an hinlänglichen Nachrichten [über die Kreispolitik] ermangel[n]“ würde, was es jedem erschwere, der auf einer breiten Quellenbasis über Kreise schreiben wolle (J. Moser, Von der Teutschen Crays-Verfassung. Nach denen Reichs-Gesezen und dem Reichs-Herkommen, wie auch aus denen Teutschen Staats-Rechts-Lehrern, und eigener Erfahrung. Frankfurt am Main 1773, 1). In dieser Hinsicht hätte Moser vermutlich an der nun von Jonas Stephan vorgelegten umfangreichen Studie zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges seine Freude gehabt.

Eine große Stärke seiner Arbeit liegt darin, dass er vor einer Analyse der Verhandlungen und Beschlüsse auf Kreistagen nicht nur ausführlich auf die Quellenlage und die Besonderheiten der archivalischen Überlieferungssituation für den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis eingeht, sondern es zudem versteht, den heuristischen Mehrwert zu thematisieren, den eine Untersuchung der Kreisakten als eigenständiges Untersuchungsobjekt mit ihrer spezifischen äußeren und inneren Ordnung mit sich bringt.

Dies wird vor allem im ersten Teil der insgesamt in drei Hauptkapitel eingeteilten Arbeit, den „Erkundungen“ (S. 25–109), deutlich. Dass Stephan dabei auch auf die Überlieferungs- und Forschungssituation zu anderen Reichskreisen eingeht, steigert die Anschlussfähigkeit seiner Studie. Ein Zwischenfazit am Ende dieses ersten Teils bringt wesentliche Erkenntnisse und Forschungsfragen auf den Punkt.

Der zweite Hauptteil der Studie widmet sich den Verfahren, die für den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis bzw. die Kreisverfassung relevant waren, und schließt wiederum mit einer Zusammenfassung ab (S. 111–247). Angesichts des Umstands, welch immanent politische Bedeutung Ämtervergaben, Verfahren und administrativen wie diplomatischen Gepflogenheiten in der Verfassung des Alten Reiches respektive des Kreises zukam, überrascht diese Schwerpunktsetzung keineswegs. Man kann es dem Autor nicht verdenken, wenn er kritisiert, dass die Reichskreisforschung der langfristigen „Funktionstüchtigkeit“ eines Kreises in Hinblick auf dessen Attraktivität als Untersuchungsgegenstand bisher einen zu hohen Stellenwert zugebilligt habe. Die „politische Hinterbühne“ (S. 20) bzw. „alltägliche Praxis der Kreispolitik“ sei hingegen zu wenig beachtet worden (S. 403).

Dem will Stephan vor allem im dritten Hauptkapitel seiner Arbeit Abhilfe verschaffen, schlicht betitelt mit „Politik“. Dieser Teil des Werks rekonstruiert im Sinn einer Fallstudie die Kreispolitik in Niederrhein-Westfalen zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs (S. 249–402). Jedes Unterkapitel ist wiederum mit einer Zusammenfassung versehen. Es wird deutlich, wie sich einerseits politische und militärische Vorgänge von europäischer Bedeutung auf konkrete, „regionale“ Politik auf Kreisebene auswirken konnten. Andererseits wird ebenso klar, dass Kreispolitik in der Praxis noch von einer Vielzahl anderer Faktoren, etwa verfahrenstechnischer, monetärer und ständischer Zwänge und Interessen, bestimmt war.

Ein Fazit, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Anhang unter anderem mit einer Auflistung der Kreistagsgesandten des Jahres 1701 runden die Studie ab und vermitteln nochmals einen Eindruck davon, auf welch breiter Quellenbasis die vorliegende Arbeit entstanden ist. Deshalb ist es zu verschmerzen, dass die neueste Forschungsliteratur zur Reichskreisgeschichte, etwa zu den Reichskreisen im Dreißigjährigen Krieg, zwar noch teilweise im Literaturverzeichnis aufgeführt wird, inhaltlich aber offenbar nicht mehr berücksichtigt werden konnte, da der Autor sein Manuskript schon im Jahr 2018 weitgehend vollendet haben muss.

In der Gesamtbetrachtung ist festzuhalten, dass Jonas Stephans Werk ein großer Gewinn für die Reichskreisforschung darstellt, denn es vertieft nicht nur unser Wissen über einen in der bisherigen Forschung oft nur randständig thematisierten Reichskreis, es bietet auch wertvolle Anregungen, wie kulturgeschichtliche Fragestellungen und Herangehensweisen, die Reichs- und Kreisgeschichte bereichern können.

Online erschienen: 2025-08-01

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1204

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