Riccarda Suitner, Venice and the Radical Reformation. Italian Anabaptism and Antitrinitarianism in European Context. (Refo500 Academic Studies, Vol. 101.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2023

Rosa Miriam Salzberg

doi:10.1515/hzhz-2025-1200

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Riccarda Suitner, Venice and the Radical Reformation. Italian Anabaptism and Antitrinitarianism in European Context. (Refo500 Academic Studies, Vol. 101.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2023

Rosa Miriam Salzberg

Published/Copyright: August 1, 2025

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From the journal Historische Zeitschrift Volume 321 Issue 1

Rezensierte Publikation:

Riccarda Suitner, Venice and the Radical Reformation. Italian Anabaptism and Antitrinitarianism in European Context. Refo500 Academic Studies, Vol. 101. 2023 Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 978-3-525-50019-4, € 100,–

In der weiteren Geschichte der radical reformation spielt die Republik Venedig Riccarda Suitner zufolge nur eine „ephemeral“ (S. 223) Rolle, weswegen sich diese auch nur schwer rekonstruieren lasse. Dies liegt mitunter daran, dass das Täufertum wie auch andere radikalreligiöse Bewegungen derart starken Repressionen ausgesetzt waren, dass sich viele ihrer wichtigsten Vertreter dazu veranlasst sahen, Italien Mitte des 16. Jahrhunderts zu verlassen. Es ist dennoch bemerkenswert, was der vorliegende Band angesichts dessen leistet, denn er beleuchtet den sozialen und kulturellen Kontext, in dem ihre Ideen sich entwickelten, verbreiteten und veränderten. Dabei führt die Verfasserin deutlich vor Augen, wie Venedig als „Informations- und Kommunikationszentrum“ (Peter Burke), aber auch als beispielloser Knotenpunkt für Migration und Mobilität im frühneuzeitlichen Europa zu einem Zentrum radikalen religiösen Denkens wurde, das erhebliche Auswirkungen auf weitere Bewegungen in anderen Teilen des Kontinents hatte. Gleichzeitig lässt Suitners Arbeit frühere gewichtige Untersuchungen hierzu hinter sich, denn sie bettet das venezianische Täufertum und den Antitrinitarismus umfassender in den europäischen Kontext ein und analysiert eingehend, wie sich Ideen durch die Bewegung von Menschen und Texten ausbreiteten.

Der längere erste Teil konzentriert sich auf praktische Aspekte: Wer waren die Beteiligten der Bewegung, wo trafen sie sich und welche Arten von Netzwerk bildeten sie aus? Die Autorin nimmt hierfür das mittlerweile bekannte Bild Venedigs als einer „contact zone par excellence of sixteenth-century Europe“ (S. 27) in den Blick, fördert aber dabei eine andere Textur hervor und fügt dieser Geschichte neue Details hinzu. Der räumliche Fokus führt nun zu wichtigen neuen Ergebnissen: Suitner zeigt, wie Täufer und andere Nonkonformisten, die ihren Glauben in Venedig und seinen Territorien nicht offen ausüben konnten, sich in Gärten und Wäldern, aber auch in Privathäusern und Werkstätten trafen und austauschten. Gefängnisse und Galeeren, von denen sie annimmt, dass sie „not hermetically sealed but porous places“ (S. 64) gewesen seien, erweisen sich als besondere Räume, in denen man sich zu radikalen religiösen Ideen bekennen konnte. Außerdem werden die Netzwerke offengelegt, die Gleichgesinnten praktische Unterstützung angedeihen ließen, indem sie ihnen etwa eine Unterkunft boten, bei der Flucht ins Exil halfen oder ihnen aber auch im Gefängnis bzw. in ihren Verstecken unter die Arme griffen.

Der zweite Teil des Buches befasst sich mit dem berühmten Konzil der Täufer, das 1550 in Venedig stattfand – ein Ereignis, dessen Einzelheiten nach wie vor lückenhaft und umstritten sind, da sie hauptsächlich auf das Zeugnis des Täufers Pietro Manelfi vor der venezianischen Inquisition zurückgehen. Dennoch zeigt Suitner, wie Venedig als Ort besonderer Mobilität dieses Treffen begünstigt hatte, waren doch bis zu 60 Personen gekommen, nachdem zwei in Venedig ansässige Täufer bis in die Schweiz gereist waren, um Vertreter für die Teilnahme zu gewinnen. Dies trägt auch zur Erklärung dessen bei, was die Autorin als „polygenesis“ (passim) vieler für die radikale venezianische Reformation zentraler Ideen bezeichnet, die nämlich durch „extreme fluidity“ (S. 117) gekennzeichnet waren und daher nur schwer einem einzigen Ursprung zugewiesen werden können. So kann sie aufzeigen, wie die starke Mobilität der Mitglieder dieses Netzwerks sowohl innerhalb der Republik Venedig als auch in die Nachbarländer die Entstehung und Entwicklung dieser Ideen geprägt haben ebenso wie die vielen anderen, die vor den Verfolgungen geflohen waren und daraufhin zurückkehrten.

Der dritte Abschnitt verlässt die Stadtgrenzen Venedigs und untersucht, wie die Universität von Padua ideale Bedingungen für das Aufblühen nonkonformistischen religiösen Denkens bot. Auch hier veranschaulicht Suiter, welche entscheidende Rolle die relative Toleranz Paduas dabei spielte, da die Universität auf ausländische Studenten angewiesen war, und wie die Mobilität der Menschen, aber auch der Bücher dazu beitrugen, eine einzigartig günstige Atmosphäre zu schaffen. Vorlesungen, informelle Sektionen und das gemeinschaftliche Leben (auch von Studenten und Dozenten) boten beste Gelegenheiten für den Austausch religiöser Meinungen, was mitunter auch zur Verbreitung radikaler Lehren wie der des „Seelenschlafs“ führte – eine, so die Autorin, das italienische Täufertum einigende Vorstellung. Das vierte Kapitel schließlich legt dar, wie der venezianische Kontext den Täufern und anderen radikalen Denkern ermöglichte, Verbindungen mit Juden bzw. dem Judentum und in geringerem Maße mit dem Islam einzugehen, und wie dies Anteil daran hatte, bestimmte Überzeugungen – etwa die Vorrangstellung des Alten Testaments – zu formulieren.

All diese Aspekte helfen dabei aufzuzeigen, dass die radikale venezianische Reformation „a fundamental chapter in the history of the European Reformation in its own right“ (S. 14) darstellt und Menschen in ganz Europa beeinflusste – vom friaulischen Müller Menocchio, mit dem sich Carlo Ginzburg eingehend befasst hat, bis hin zu Johannes Calvin; ein Einfluss, der trotz aller Repressionen ab der Mitte des 16. Jahrhunderts jahrzehntelang anhielt. Auch wenn Riccarda Suitner die jüngsten Arbeiten zur frühneuzeitliche Migration und konfessionellen Mobilität noch stärker hätte einbinden können, so ist ihr Buch dennoch ein gewichtiger Beitrag zur Geistes- und Religionsgeschichte dieser Zeit.

(Aus dem Englischen übersetzt von Roland Cvetkovski)

Online erschienen: 2025-08-01

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