Jenny Baumann, Ideologie und Pragmatik. Die DDR und Spanien 1973–1990. (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 142.) Berlin/Boston, De Gruyter 2023

Moisés Prieto

doi:10.1515/hzhz-2025-1231

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Jenny Baumann, Ideologie und Pragmatik. Die DDR und Spanien 1973–1990. (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 142.) Berlin/Boston, De Gruyter 2023

Moisés Prieto

Veröffentlicht/Copyright: 1. August 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 1

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Jenny Baumann, Ideologie und Pragmatik. Die DDR und Spanien 1973–1990. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 142. 2023 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston, 9783111141213, € 64,95

Widersprüche ideologischer Natur üben einen besonderen Reiz auf die Geschichtswissenschaft aus. Mit einem solchen Widerspruch setzt sich die nun gedruckt vorliegende Dissertation von Jenny Baumann auseinander. Die Autorin untersucht die diplomatische Annäherung zwischen dem rechtsautoritären, vormals faschistischen Franco-Regime in Spanien und der kommunistischen Deutschen Demokratischen Republik in der Periode zwischen dem (ersten) Austausch von Botschaftern im Jahre 1973 und dem Ende des SED-Staates 1990. Die spanischsprachige Forschung hat sich zwar in jüngster Zeit dieser Thematik angenommen (vgl. X. M. Ramos Díez-Astrain, A través del Telón de Acero. Madrid 2021; J. Faraldo/C. Sanz Díaz [Eds.], La otra Alemania. Granada 2022), doch stellt Baumanns Monografie erstmals eine profunde deutschsprachige Studie über dieses komplexe Thema dar.

Die Autorin bezeichnet die beiden autoritären Staaten häufig als „Underdogs“, die eine diplomatische Annäherung im Zeichen einer generellen Anerkennung auf politischer Bühne anstrebten. Die günstigen Rahmenbedingungen dafür waren einerseits international durch die damalige Entspannungspolitik im Kalten Krieg, andererseits durch die ideologische Entwicklung in den jeweiligen Diktaturen gegeben – in Spanien durch den sogenannten „aperturismo“ als Folge der Hegemonie neoliberaler Technokraten in der spanischen Regierung und in Ostdeutschland durch den Abschluss des Grundlagenvertrags von 1972. Baumann berücksichtigt dabei zusätzlich die Bundesrepublik Deutschland als dritte Akteurin, die sich wegen ihrer Sonderrolle als langjähriger einziger deutscher Staat mit diplomatischen Beziehungen zu Spanien behaupten musste. Doch der Tabubruch von 1973 geschah auch gegen den Widerstand aus den jeweils eigenen Reihen, galt ja einerseits der „Antikommunismus als eine stete integrative Säule des Franco-Regimes“ (S. 32), während andererseits sowohl die mythisierte Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg durch die ostdeutschen Spanienkämpfer als auch die Solidarität der SED mit der spanischen Schwesterpartei, der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), Grundpfeiler für die langjährige feindselige Einstellung der DDR gegenüber Spanien waren.

Die Verfasserin strukturiert ihr Buch streng chronologisch. Nach der Einleitung (Kapitel I) skizziert sie die Vorgeschichte, die Anfänge und die Genese der Beziehungen zwischen Franco-Spanien und der DDR (Kapitel II), die im Herbst 1975 anlässlich der letzten Hinrichtungen der spanischen Diktatur eine jähe Unterbrechung erfuhren. In Kapitel III beleuchtet Baumann den schwierigen Neuanfang der Beziehungen im Jahr 1977, diesmal mit einem sich im Demokratisierungsprozess (Transición) befindenden Spanien. Eine zentrale Rolle nimmt hier der Versuch der Einflussnahme durch die DDR-Diplomatie ein, Spaniens Integration in der NATO zu verzögern. In diese Zeit fällt auch eine markante Verschlechterung der Beziehungen zwischen der SED und der PCE, die sich vom Kommunismus sowjetischen Zuschnitts abgewandt und sich dem Eurokommunismus verschrieben hatte. Als Alternative suchte Ostdeutschland den Kontakt zur Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), insbesondere ihrem marxistischen Flügel und ihren nahestehenden Organisationen. Das vierte Kapitel setzt mit dem Sieg der Sozialisten in Spanien ein und endet mit dem Zusammenbruch der DDR. Ein nun sozialistisch regiertes Spanien unter Felipe González verschaffte neuen Aufwind für das bilaterale Verhältnis. Mit Fernando Morán als neuem Außenminister, Alfonso Guerra als Vize-Ministerpräsident und Enrique Tierno Galván als Bürgermeister von Madrid hatte die DDR drei ihr wohlgesinnte Politiker und Fürsprecher an unterschiedlichen Schlüsselstellen. Eine wichtige Zäsur waren die Jahre 1985/86 mit dem endgültigen Verbleib Spaniens in der NATO und dem Beitritt zur EG. Zwar kam es noch 1988 mit dem Spanienbesuch Erich Honeckers als Ausdruck der damals üblichen Besuchsdiplomatie zu einem letzten Höhepunkt in der spanisch-ostdeutschen Beziehung, doch hatte González bereits einen pragmatischen, der BRD und Helmut Kohl genehmen Kurs eingeschlagen und begrüßte schließlich eine deutsche Wiedervereinigung.

Wer in dem bilateralen Verhältnis zweier konträrer Diktaturen nach gegenseitigen Vorwürfen der Repression und Illegitimität sucht, wird überrascht sein. Diese spielten in den 17 Jahren spanisch-ostdeutscher Diplomatie offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Doch waren es die Hinrichtungen in Spanien vom 27. September 1975, die die DDR dazu bewogen, die Beziehung nach rund zwei Jahren abzubrechen. Dabei geraten wichtige Aspekte in Vergessenheit: Die Hinrichtungen vom März 1974 in Spanien – die letzten mit der Garrotte –, bei denen unter anderem ein DDR-Bürger zu Tode kam, werden bei Baumann nicht erwähnt. Ferner ist anzumerken, dass die DDR selbst die Todesstrafe vorsah und in der untersuchten Periode bis 1981 wiederholt davon Gebrauch machte, was die Reaktion von 1975 in einem anderen Licht erscheinen lässt. Die Annahme der Spanischen Verfassung von 1978, die sich zu den Menschenrechten bekannte und die Kapitalstrafe abschaffte, dürfte zudem die Gegensätze deutlicher akzentuiert haben. Es ist jedenfalls auch ein Stück weit der Diplomatiegeschichte geschuldet, dass das Ungesagte in den Quellen auch in der Abhandlung ungesagt bleibt.

Dies schmälert keineswegs das Verdienst von Jenny Baumanns Dissertation, die sich auch durch die Heranziehung einer breiten Palette an Quellen auszeichnet, welche zahlreiche Archivbestände aus beiden Ländern, Zeitungen, Oral History-Interviews mit ehemaligen Diplomaten und gedruckte Dokumente umfasst. Die klare und präzise Sprache, der elegante Stil und die Zwischenbilanzen am Ende eines jeden Kapitels machen aus diesem Werk einen sehr lesenswerten Forschungsbeitrag. Die Autorin vermag das komplexe Paradoxon der unterschiedlichen Tabubrüche analytisch und argumentativ aufzulösen und liefert so einen wertvollen Band, der zum Standardwerk werden könnte.

Online erschienen: 2025-08-01

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1231

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