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Steffen Augsberg (Hrsg.), Verfassungspatriotismus. Konzept, Kritik, künftige Relevanz. Hamburg, CEP Europäische Verlagsanstalt 2024

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Published/Copyright: August 1, 2025
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Steffen Augsberg, Verfassungspatriotismus. Konzept, Kritik, künftige Relevanz. 2024 CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH Hamburg, 978-3-86393-176-6, € 20,–


Der Begriff „Verfassungspatriotismus“, den der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger 1979 erfand, hat die öffentliche Debatte bis heute geprägt. Es geht im Kern um die Deutung der politischen Nachkriegsordnung Deutschlands im Verhältnis zum überkommenen Nationalstaat. Ist dazu der Rückgriff auf den Nationalismus und dessen Homogenitätsvorstellungen legitim oder gar notwendig? Oder bietet das Grundgesetz den maßgeblichen Ausgangspunkt für einen neuen Patriotismus, der sich auf die Wertentscheidungen der Verfassung stützt? 15 Veröffentlichungen aus der Zeit von 1980 bis 2024, die der Staatsrechtler Steffen Augsberg zusammengestellt hat, ermöglichen die Historisierung der intellektuellen Debatte um Verfassungspatriotismus im politischen Wandel von den 1970er Jahren über den Historikerstreit und die Wiedervereinigung bis hin zur politischen Integration Europas.

Dolf Sternberger und Jürgen Habermas, die das Konzept „Verfassungspatriotismus“ maßgeblich in die öffentliche Debatte trugen, machen mit ihren Texten den Auftakt. Sternberger hebt 1980 nach einer Eloge auf die „Wohltat“ des wohlfunktionierenden Grundgesetzes hervor, dass sich „unmerklich ein neuer, zweiter Patriotismus ausgebildet hat, der eben auf die Verfassung sich gründet“ (S.25). Für den Aristoteliker ist Verfassungspatriotismus entsprechend der „europäischen Haupttradition“ (S. 28) eigenständig und nicht bloß „Ersatz“ für den nationalen Patriotismus. Daran anschließend plädiert Jürgen Habermas für eine von der nationalstaatlichen Vergangenheit sich abwendende „universalistische Wertordnung“ (S. 45). Wenn er die „abstrakte Idee der Verallgemeinerung von Demokratie und Menschenwürde“ im Grundgesetz hervorhebt, an deren „harte(m) Material sich die Strahlen der nationalen Überlieferung brechen“ (S. 54), zielt er 1987 direkt auf „nationalapologetische Tendenzen“, die er an anderer Stelle im Historikerstreit benannte.

Habermas’ Konzept des Verfassungspatriotismus zieht damit scharfe Kritik auf sich. Nachdem Josef Isensee 1986 noch grundsätzlich die „Staatsverdrängung“ (S. 137) der Deutschen und deren Hinwendung zur „Verfassung als Vaterland“ (S. 152) kritisiert, zielt Otto Depenheuer 1995 direkt auf Habermas’ „Universalismus der Vernunft“, der, „empirisch unhaltbar“, einen „Idealmenschen“ (S.170, 172, 175) unterstelle. Repräsentativ für antiuniversalistische Deutungen besteht Depenheuer darauf, dass die politische Einheit auf „vorgegebener Homogenität“ gründet (S. 176).

Die nationale Wiedervereinigung unterlegt diese Kritik, ohne indessen den wissenschaftlichen Diskurs nationalistisch zu dominieren. Zwar konstatiert Dieter Grimm 2001 einen zeitweiligen Rückgang der Wertschätzung der Verfassung, zumal sie nach der Wiedervereinigung als „Kristallisationskern für die kollektive Identität“ (S. 79) weniger benötigt werde als früher. Doch geht die folgende wissenschaftliche Auseinandersetzung von der prinzipiellen Tragfähigkeit des Konzepts „Verfassungspatriotismus“ aus, das es angesichts der nationalen Wiedervereinigung gelte, historisch zu kontextualisieren (Hans Vorländer) und neu zu interpretieren. Volker Kronenberg konstatiert 2008 die Entwicklung hin zu einer synthetischen Konzeption: An die Stelle abstrakter, „universalistischer Verfassungsprinzipien […] tritt nunmehr ein Patriotismus, der sehr wohl national fundiert ist und sich zugleich in weltoffen-konkreten Verfassungsnormen unseres Grundgesetzes widerspiegelt, ohne dass dies ein Widerspruch ist“ (S. 197).

Die jüngere Debatte akzentuiert deshalb eher bestimmte Elemente des Konzepts neu. Peter Molt und Rebecca Fleiner verweisen auf die emotionalen Grundlagen des Konzepts bei Sternberger. Eva Lautsch und Daniel Schulz warnen vor der grundsätzlichen Gefahr, die Verfassung zu sehr als „objektive Wertordnung“ (S. 213 u. 225) und nicht primär als wandelbare Rechtsordnung zu verstehen. Während ein europäischer Verfassungspatriotismus (Tim Wihl) eher ein „heftig umkämpftes“ (S. 237) Feld ist, wird in der Gesamtschau deutlich, dass auf nationalstaatlicher Ebene Verfassungspatriotismus seinen polemischen Charakter verloren hat und mehrheitlich als Deutung der deutschen politischen Ordnung akzeptiert ist.

Online erschienen: 2025-08-01

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  22. Christopher B. Krebs (Ed.), Caesar. Bellum Gallicum. Book VII. (Cambridge Greek and Latin Classics.) Cambridge, Cambridge University Press 2023
  23. José Luís Brandão / Cláudia Teixeira / Ália Rodrigues (Eds.), Confronting Identities in the Roman Empire. Assumptions about the Other in Literary Evidence. New York, Bloomsbury Academic 2023
  24. Anthony Kaldellis / Marion Kruse, The Field Armies of the East Roman Empire, 361–630. Cambridge, Cambridge University Press 2023
  25. Volker L. Menze, Patriarch Dioscorus of Alexandria. The Last Pharaoh and Ecclesiastical Politics in the Later Roman Empire. Oxford, Oxford University Press 2023
  26. Hubertus Seibert, Geschichte Europas im Mittelalter. Aufbruch in die Vielfalt. Paderborn, Brill/Schöningh 2024
  27. Johanna Jebe, Gutes Mönchtum in St. Gallen und Fulda. Diskussion und Correctio im Spiegel karolingischer Klosterbibliotheken. Freiburg im Breisgau, Herder 2024
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  32. Christos Malatras, Social Stratification in Late Byzantium. (Edinburgh Byzantine Studies.) Edinburgh, Edinburgh University Press 2023
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  40. Jonas Stephan, Tinte, Feder und Kanonen. Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis am Vorabend des Spanischen Erbfolgekrieges (1701). (Verhandeln, Verfahren, Entscheiden, Bd. 8.) Münster, Aschendorff 2024
  41. Cathal J. Nolan, Mercy. Humanity in Warfare. Oxford, Oxford University Press 2022
  42. Rainer Maaß / Rouven Pons (Hrsg.), Fürstliche Korrespondenzen des 19. und 20. Jahrhunderts. Marburg, Historische Kommission für Hessen 2024
  43. Jörg Ernesti, Geschichte der Päpste seit 1800. Freiburg im Breisgau, Herder 2024
  44. Natalie Cornett, The Politics of Love. Gender and Nation in Nineteenth-Century Poland. Ithaca, NY, Cornell University Press 2024
  45. Miroslav Šedivý, Si vis pacem, para bellum. The Italian Response to International Insecurity 1830–1848. (Internationale Geschichte, Bd. 7.) Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2021
  46. Julian Go, Policing Empires. Militarization, Race, and the Imperial Boomerang in Britain and the US. Oxford, Oxford University Press 2023
  47. Yan Slobodkin, The Starving Empire. A History of Famine in France’s Colonies. Ithaca, NY, Cornell University Press 2023
  48. Sarina Hoff, Der lange Abschied von der Prügelstrafe. Körperliche Schulstrafen im Wertewandel 1870–1980. (Wertewandel im 20. Jahrhundert, Bd. 8.) Berlin/Boston, De Gruyter 2023
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  50. Dagmar Herzog, Eugenische Phantasmen. Eine deutsche Geschichte. Berlin, Suhrkamp 2024
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  52. Sebastian Bischoff / Christoph Jahr / Tatjana Mrowka u. a. (Hrsg.), Belgien, Deutschland und die „Anderen“. Bilder, Diskurse und Praktiken von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. (Historische Belgienforschung, Bd. 10.) Münster, Waxmann 2024
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  65. Emily Marker, Black France, White Europe. Youth, Race, and Belonging in the Postwar Era. Ithaca, NY, Cornell University Press 2024
  66. Chelsea Schields, Offshore Attachments. Oil and Intimacy in the Caribbean. Berkeley, CA, University of California Press 2023
  67. Jenny Baumann, Ideologie und Pragmatik. Die DDR und Spanien 1973–1990. (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 142.) Berlin/Boston, De Gruyter 2023
  68. Eva Pfanzelter / Dirk Rupnow / Éva Kovács et al. (Eds.), Connected Histories. Memories and Narratives of the Holocaust in Digital Space. Berlin/Boston, De Gruyter 2024
  69. Eingegangene Bücher
  70. Eingegangene Bücher
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