Vitus Huber / John F. Schwaller (Eds.), Beyond Cortés and Montezuma. The Conquest of Mexico Revisited. Copublished with the Institute for Mesoamerican Studies, University at Albany. (IMS Studies on Culture and Society Series.) Denver, CO, University of Colorado Press 2025
Rezensierte Publikation:
Vitus Huber, Beyond Cortés and Montezuma. The Conquest of Mexico Revisited. Copublished with the Institute for Mesoamerican Studies, University at Albany. IMS Studies on Culture and Society Series. 2025 University of Colorado Press Denver, CO, 978-1-64642-664-5, $ 95,–
Vitus Huber (Fribourg) und John F. Schwaller (Albany/Kansas) reihen sich mit dem von ihnen herausgegebenen Sammelband in eine Folge ähnlicher Werke ein, die die „Conquista Mexikos“ durch die Spanier und ihre indigenen Bundesgenossen aus neuen Perspektiven und unter neuen Fragestellungen beleuchten, seit jene sich 2021 zum 500. Mal jährte. Unter dem Label der New Conquest History geraten nun auch andere Personen und Gruppen als Hernán Cortés und Montezuma bzw. die spanischen Konquistadoren und die Mexicah (Azteken) in den Blick, was den Titel des Bandes erklärt.
Ausgangspunkt der beiden Herausgeber ist die Frage, ob die Bezeichnung „Eroberung Mexikos“ überhaupt angemessen sei (Huber, S. 5–9, und Schwaller, S. 310–313). Sie impliziere einen triumphalistischen Blick auf das Geschehen und suggeriere, dass das Ergebnis sich klar in den Kategorien „Sieger“ und „Besiegte“ beschreiben ließe. Zudem geben Huber und Schwaller zu bedenken, dass die spanische Invasion nicht lediglich kriegerische Auseinandersetzungen bedeutete, sondern die „conquista“ auch aus Diplomatie und dem Abschluss von Bündnissen bestand. Wie immer man das Phänomen auch bezeichne, sei klar, dass eine Beschreibung in Schwarz-Weiß-Schemata hier aufgrund seiner Vielschichtigkeit inadäquat sei.
Dazu passt der eklektische Zugang der Einzelbeiträge, die die Herausgeber gleichwohl grob durch Zuordnung in die Abschnitte „Bedeutung und Auswirkungen“, „Narrative und Erinnerungen“, „Macht und Verhandlungen“ sowie „Repräsentationen und ikonische Figuren“ in eine Struktur bringen. Sie vermochten es, Beitragende sowohl aus Mexiko als auch aus den USA, der Schweiz und Polen zusammenzuführen, wobei der Großteil der Stimmen aus den USA stammt. Das Fehlen eines Beitrags aus Spanien fällt auf, unterstreicht hingegen andererseits die Absicht, nichtspanische Perspektiven zu stärken. Viele der Beitragenden beherrschen das Nahuatl und werten somit indigene Sichtweisen gegenüber den bekannten spanischen Augenzeugenberichten und Chroniken auf.
Angesichts der Vielfalt der durchweg lesenswerten Beiträge ist es hier leider nicht möglich, auf jeden einzelnen gleichermaßen einzugehen, sondern nur exemplarisch einiges herauszugreifen, um den Gehalt des Gesamtbandes vorzustellen. Nähere Betrachtung im Sinne der Hauptfragestellung des Bandes verdienen sicherlich die beiden ersten Texte. Stephanie Wood untersucht in ihrem Artikel (S. 17–44), wie die Nahuatl-sprachige Bevölkerung in ihren kolonialzeitlichen Schriften die „conquista“ benannte, und kommt zu dem Schluss, dass in der Bezeichnung keine Einigkeit herrschte und Konzepte wie „Eroberung“, „Krieg“, „Zerstörung“, aber auch metaphorische Umschreibungen wie „Überflutung“ oder „Flächenbrand“ miteinander konkurrierten, während die spanische Krone seit Philipp II. „Pazifizierung“ bevorzugte. Die Begriffe unterschieden sich je nach Epoche und Perspektive.
Vitus Huber, der sich für diesen Themenbereich bereits 2018 mit seinem Werk „Beute und Conquista“ einen Namen gemacht hat, untersucht (S. 45–68), unter welchen Umständen und mittels welcher Mechanismen ein Erkundungs- und Raubzug spanischer Eroberer zu einer dauerhaften Kolonisation führte – und welche Rollen den Indigenen Amerikas dabei zukamen. Huber zeigt dabei auf, wie Konquistadoren argumentierten, um seitens der Krone eine Belohnung in Form sozialer Aufwertung oder einer encomienda zu erhalten. Vor diesem Hintergrund arbeitet er quellengestützt heraus, was als „normaler“ Dienst an der Krone und was als außerordentlicher Einsatz oder Erfolg galt, der eine besondere Anerkennung rechtfertigte.
Justyna Olko beschreibt in ihrem Beitrag (S. 69–95), inwiefern das Bündnis der Tlaxcalteken mit Hernán Cortés bis heute auf deren Stellung im Staat Mexiko nachwirkt und welche Rolle das Nahuatl im heutigen Mexiko noch spielt. Julia Madajczak wiederum zeigt eindrücklich auf, wie voraussetzungsreich es ist, Nahua-Quellen zu interpretieren, und wie sich dadurch gewisse Widersprüche zu spanischsprachigen Überlieferungen erklären lassen. Sie führt dies an Schilderungen der Todesumstände Cuauhtémocs aus (S. 99–124) und erklärt beispielsweise, weshalb dieser angeblich durch einen Zwerg verraten wurde, warum der Todesort „Acallan“ geheißen habe, die Hinrichtung in der Nacht erfolgt sei und der letzte bedeutende huey tlahtoani ausgerechnet an einem Kapokbaum gehängt worden sein soll. All dies konnte aus Nahua-Perspektive symbolisch gedeutet werden und als historische Erklärung wie auch als Zukunftsentwurf fungieren. Nach der Lektüre dieses Artikels ahnt man, wie viel Wichtiges einem beim Lesen von Nahua-Quellen ohne Wissen über die kulturellen Kontexte entgeht. Eine ähnliche Fragestellung verfolgt María Castañeda de la Paz, die sich unter anderem ebenfalls mit Nahua-Darstellungen der Hinrichtung Cuauhtémocs befasst (S. 166–178). Hier wäre eine konkrete Absprache unter den Autorinnen von Vorteil gewesen, so dass man direkt aufeinander hätte Bezug nehmen können. Gleichwohl ergänzen sich die Beiträge sehr gut.
Positiv hervorzuheben ist, dass auch indigene Biografien jenseits von Malinche und Mexicah-Herrschern in den Blick geraten, so etwa zu Indigenen, die Cortés 1528 nach Spanien begleiteten (Erika Escutia, S. 215–240) oder auch zu notorisch unterbelichteten vielfältigen Rollen indigener Frauen während und nach der „conquista“ (Lori Boornazian Diel, S. 243–271).
Der reichhaltige Band ist von einer Einleitung durch Vitus Huber und einem Fazit durch John F. Schwaller gerahmt und mit ausführlichen Belegen und einem Register ausgestattet, sodass er eine ausgezeichnete Basis für weitere Untersuchungen in einem Feld bietet, das aufgrund seiner anhaltenden Relevanz zwar bereits auf eine durchaus intensive Forschungstradition zurückblicken, aber ganz offenbar gleichwohl noch längst nicht als erschöpfend bearbeitet gelten kann. Wer sich wissenschaftlich mit der „Conquista Mexikos“ befasst, kommt an diesem anregenden Band nun nicht mehr vorbei.
© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.
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- Jenny Baumann, Ideologie und Pragmatik. Die DDR und Spanien 1973–1990. (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 142.) Berlin/Boston, De Gruyter 2023
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