Felicitas Seebacher, Die Leskys. Akademische Karrieren in den Netzwerken der politischen Systeme des 20. Jahrhunderts. Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2024

Marion Baschin

doi:10.1515/hzhz-2025-1220

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Felicitas Seebacher, Die Leskys. Akademische Karrieren in den Netzwerken der politischen Systeme des 20. Jahrhunderts. Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2024

Marion Baschin

Veröffentlicht/Copyright: 1. August 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 1

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Felicitas Seebacher, Die Leskys. Akademische Karrieren in den Netzwerken der politischen Systeme des 20. Jahrhunderts. 2024 Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Wien, 978-3-7001-9422-4, € 49,–

Das Ehepaar Lesky, der Klassische Philologe Albin und die Medizinhistorikerin Erna, repräsentieren ein international erfolgreiches Ehepaar, das Schlüsselpositionen im österreichischen Wissenschafts- und Universitätswesen einnahm. Das Werk von Felicitas Seebacher ist weder eine Doppelbiographie im klassischen Sinne noch eine „vollständige Darstellung der akademischen Karrieren“ (S. 23) der beiden. Vielmehr wird deren „Positionierung im Netzwerk wissenschaftspolitischer Beziehungen unter Berücksichtigung ihrer sozialen und politischen Prägungen erforscht“. Damit legt die Autorin „eine politikbezogene Untersuchung ‚spezifischer Phänomene‘, die ihren beruflichen Aufstieg mitbestimmten“, (S. 24) vor. So soll zu einem „Verstehen für getroffene Entscheidungen und gewählte Handlungen“ beigetragen werden, wobei der an den Tag gelegte Opportunismus kritisch hinterfragt und aufgezeigt werden soll, „dass durchaus mögliche individuelle Handlungsspielräume für erfolgreiches Agieren in Academia während der NS-Herrschaft wenig bis gar nicht genützt wurden“ (S. 24).

Für diejenigen, die sich mit den Lebenswegen der Leskys weniger gut auskennen, werden in der Einführung die entsprechenden Eckdaten genannt (S. 15–23). Eingehend schildert die Autorin Forschungsstand und Quellenlage, wobei deutlich wird, dass die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen insbesondere für Erna Lesky mangels Quellen nicht vollumfänglich erfolgen kann (S. 25–27). Die 14 Kapitel der chronologisch angelegten Studie folgen einer Netzwerkanalyse, „um die internen und externen Beziehungen und ihre komplexen Verbindungen“ in der Wissenschaftswelt sichtbar zu machen (S. 29). Mit der Darstellung der „Jugend in politischer Umbruchzeit“ wird die Sozialisierung der späteren Ehepartner in einem konservativen bzw. austrofaschistischen Milieu dargestellt. Dabei fällt die Betrachtung der frühen Lebensjahre und des familiären Hintergrunds von Erna, geb. Klingenstein, im Vergleich zu derjenigen von Albin kürzer aus. Bei der Schilderung der frühen wissenschaftlichen Berufsentwicklung stehen die Wege der künftigen Ehepartner eher unverbunden nebeneinander (Kapitel I bis V). Sicherlich hat Albin Erna die berufliche Tätigkeit als Ärztin gestattet und sie auf dem Weg in die Wissenschaft gefördert, doch entfaltete seine Einflussnahme zu ihren Gunsten erst mit der Wahl des Fachs Medizingeschichte seine größte Wirkung. Auch wenn die Verstrickung Erna Leskys in die Instrumentalisierung der Medizin mangels direkter Quellen kaum beleuchtet werden kann, gelingt es Seebacher herauszuarbeiten, dass sie aufgrund der dargestellten Umstände hinter den propagierten Ideen stand und diese aktiv vertrat. Gleiches gilt für die Arbeiten von Albin Lesky in jener Zeit. In beiden Fällen zeigt sich somit, dass Wissenschaft durch den politischen Kontext beeinflusst ist und gesteuert wird.

Zweifelsohne waren Albin und Erna Lesky von der Begeisterung für die Wissenschaft motiviert. Für die Normen der damaligen Zeit waren sie ein „international erfolgreiches und in der Wissenschaft gleichgestelltes Forscherehepaar“ (S. 15). Dass diese Positionen auch mit Hilfe des geschickten Ausnutzens von Netzwerken und in teilweise sehr opportunistischer Weise erlangt wurden, macht die beiden dem heutigen Lesenden nicht immer sympathisch, zeigt jedoch auf, wie die Netzwerke funktionierten. Ebenso muss die Frage, ob Handlungsspielräume nicht genutzt wurden, eher verneint werden, da eine weitgehende Einordnung in oder Akzeptanz der politischen Gegebenheiten erfolgte und die Eheleute nicht daran hinderte, die Karrieren mehr oder weniger fortzusetzen bzw. vor allem nach 1945 in die begehrten Positionen zu gelangen. Im Gegenteil schien hier nahezu jedes Mittel recht gewesen zu sein, um geschicktes Selbstmarketing zu betreiben und die gewünschten Karriereschritte zu vollziehen. Auch wenn das Verdrängen bzw. Verschweigen der Vergangenheit nicht nur dem Ehepaar Lesky angekreidet werden kann, zeigt die Studie, wie wirkmächtig die von ihnen und anderen entwickelten Narrative waren und wie diese lange unkritisch übernommen wurden, ebenfalls begünstigt durch die zeitlichen Umstände (Kapitel VI bis VIII, sowie S. 24). In den späteren Kapiteln des Buches steht Erna Lesky im Fokus sowie deren Art, sich bzw. ihr gewähltes Fach Medizingeschichte und das Josephinum zu präsentieren und zu definieren (Kapitel IX bis XI). Anschließend werden die gesellschaftlichen und politischen Änderungen beschrieben, mit denen die Leskys zunehmend in Konflikt gerieten und die in der längeren Perspektive zur Dekonstruktion der von ihnen gewobenen Narrative führten (Kapitel XII bis XIV). In einem kritischen Fazit fragt Seebacher, wie „frei Wissenschaft von Politik“ sei bzw. welchen Stellenwert die Geschichte der Medizin in Österreich habe (Kapitel XV). Dabei formuliert sie deutlich noch bestehende Aufarbeitungsbedarfe.

Mit diesem Abschnitt wird klar, dass Wissenschaft kaum unabhängig von Politik stattfinden kann und wie mit der vorliegenden Arbeit kritische Fragen an die Gegenwart gestellt werden. Unabhängig davon, in welchem wissenschaftlichen Bereich die jeweiligen Personen beschäftigt sind, sind sie doch immer „Kind ihrer Zeit“ und von den allgemeinen Rahmenbedingungen bewusst oder unbewusst beeinflusst bzw. abhängig. Inwieweit dann Entscheidungen zu Gunsten oder zu Ungunsten einer eigenen Karriere und der Wissenschaft gefällt werden, bleibt damit auch dem individuellen Gewissen und der Haltung vorbehalten. Das vorliegende Werk kann so als Plädoyer für eine erhöhte Achtsamkeit in den Wissenschaften für Einflüsse der Politik gelesen werden und somit auch als eine gewisse Warnung vor einer Vereinnahmung oder Instrumentalisierung. Gerade in Zeiten von Fake News, verkürzten Geschichtsbildern und erneuten Bedrohungen demokratischer Systeme sollte diese Botschaft von allen wissenschaftlich Arbeitenden beachtet werden.

Online erschienen: 2025-08-01

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