Piccardo, Enrica; Lawrence, Geoff; Germain-Rutherford, Aline; Galante, Angelica (Hrsg.): Activating Linguistic and Cultural Diversity in the Language Classroom. Cham: Springer Nature Switzerland, 2022 (Educational Linguistics, 55). -- ISBN 978-3-030-87126-0. 338 Seiten, € 109,55.

Gunnar Klatt

doi:10.1515/infodaf-2024-0048

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Piccardo, Enrica; Lawrence, Geoff; Germain-Rutherford, Aline; Galante, Angelica (Hrsg.): Activating Linguistic and Cultural Diversity in the Language Classroom. Cham: Springer Nature Switzerland, 2022 (Educational Linguistics, 55). -- ISBN 978-3-030-87126-0. 338 Seiten, € 109,55.

Gunnar Klatt

Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

Rezensierte Publikation:

Piccardo, Enrica; Lawrence, Geoff; Germain-Rutherford, Aline; Galante, Angelica (Hrsg.): Activating Linguistic and Cultural Diversity in the Language Classroom. Cham: Springer Nature Switzerland, 2022 (Educational Linguistics, 55). -- ISBN 978-3-030-87126-0. 338 Seiten, € 109,55.

Activating Linguistic and Cultural Diversity in the Language Classroom -- schon wenn der Titel des hier besprochenen Buches erscheint, wird bei vielen DaF-Lehrenden sofort ein „Nein lese ich nicht“ oder „Nein brauche ich nicht“ in den Gedanken erscheinen, denn „Was sollte mir ein englischsprachiges Buch schon für den DaF-Bereich geben!?“, wird dazu erklärt. Ein nachvollziehbarer Gedankengang, denn zu oft geht es in derartigen Büchern wirklich nur um Sprachen, Länder, Situationen, die mit DaF nur ganz am Rande etwas zu tun haben und sich ihrem internationalen Anspruch gemäß letztendlich auf Englisch als DIE Fremdsprache der Welt und seine Bedingungen und Anforderungen konzentrieren. Nun, in diesem Fall liegt eine Ausnahme vor. Dieser Sammelband präsentiert neben einem Vorwort zehn Beiträge, die auf dem maßgeblich in Kanada durchgeführten Forschungsprojekt Linguistic and Cultural Diversity Reinvented Projekt (LINCDIRE) beruhen. In diesem Fall dienten Forschende aus nicht-englischsprachigen Ländern aber nicht als Feigenblatt, sondern das Projekt war immer auf die Gewinnung grundsätzlicher Erkenntnisse zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts ausgerichtet. Dafür gebührt dem Vorhaben Anerkennung und dem Buch sollte entsprechend mit einer positiven Erwartungshaltung für die Lektüre auch durch DaF Lehrende begegnet werden. Dass diese Haltung berechtigt ist, dies soll im Folgenden dargestellt werden.

Die Präsentation der Forschungsinhalte ist in vier Teile geteilt, wobei die Abschnitte zur theoretischen Grundlage, der Beschreibung der konkreten Forschung und der Anwendung jeweils drei Beiträge beinhalten, ein Beitrag rundet die Darstellung im Sinne einer Zusammenfassung schließlich ab.

Als Ausgangssituation wird ein vielen Fremdsprachenlehrenden nur zu bekanntes Problem beschrieben: Auch wenn die Sprache über viele Jahre und auch von einem jungen Alter an gelernt wird, lassen die erreichten Sprachkenntnisse doch wenig von diesem jahrelangen Lernen erkennen, denn der Fremdsprachenklassenraum ist eine Insel im Meer der Muttersprache, sobald man die Klasse verlässt, kommt auch der Unterrichtsgegenstand abhanden. Als Heilmittel gilt dabei immer noch das strikte Verbannen jeder anderen Sprache als der zu lernenden Fremdsprache aus dem Sprachlernklassenraum. Die Forscher, die zu dem zu besprechenden Band beigetragen haben, gehen genau den umgekehrten Weg und erklären, dass ein sogenannter plurilingualer Klassenraum eine sehr viel bessere Lernumgebung sei. Dazu wird, problemlos nachvollziehbar, auf den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen als Grundlage Bezug genommen, der eine derartige Vorgehensweise unterstützt.

Die von der Studie zugrunde gelegte neue Denkweise ist dabei aber ein handlungsorientierter statt rein kommunikativer Sprachunterricht. Während Sprachunterricht, der darauf zielt, die Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache zu stärken, indem z. B. Small Talk geübt wird, ist ein handlungsorientierter Unterricht ist, wie sein Name es schon sagt, auf Handlung(en) hin angelegt. Unter Handlung wird dabei eben nicht Kommunikation in einer bestimmten vorgegeben Situation z. B. Kauf von Kleidung verstanden, sondern die Erarbeitung eines bestimmten Endprodukts. Als Beispiel für ein solches Endprodukt wird ein Kochbuch mit einheimischen lokalen Rezepten genannt. Dafür müssen die Lernenden zunächst Rezepte sammeln und dann ein entsprechendes inhaltliches Konzept für dieses Kochbuch entwickeln, um es abschließend in der Fremdsprache zu präsentieren. Eine solche Aufgabenstellung ist nicht darauf angelegt, vollständig in der zu erlernenden Sprache ausgeführt zu werden, sondern setzt auf die Muttersprache. Aber so wie hier zahlreiche gemeinschaftliche Handlungen notwendig sind, um das Ziel zu erreichen, wird deutlich, wie Sprache und Kultur in einem Zusammenhang stehen, und zwar sowohl in der Mutter- als auch in der Fremdsprache.

Was eine derartige Methode demnach leistet, ist die Umsetzung von vielem, was der Begleitband des Europäischen Referenzrahmens als Ziele festlegt. So wird zunächst ein plurilinguales Repertoire aufgebaut, was unerlässlich ist für die mündliche Übersetzung und so auch von den Deskriptoren des Begleitbandes gefordert wird. Sprache und Kultur werden den Lernenden demnach als eine Einheit bewusst gemacht, wie die untersuchte Studie feststellt.

Ein wichtiger Bestandteil des Forschungsprojekts war die Entwicklung einer Methode, wie diese Theorie zur praktischen Anwendung kommen kann. Die Lösung dafür stellt ein E-Portfolio dar. Dies ist keine neue Idee, denn z. B. mit Wordpress lassen sich solche Portfolios bereits erstellen. Aber die vorhandenen Lösungen, so legt es das Buch dar, sind entweder nur unzureichend für die ins Auge gefassten Ziele geeignet oder aber mit Nachteilen vor allem technischer Art behaftet. So war die Entwicklung einer eigenen E-Portfolio-Lösung Teil des Projekts. Das Ergebnis mit der Bezeichung LITE (Language Integration through Portfolio, zu finden unter Einzelheiten noch immer von der Lehrperson getroffen werden sollten.

Das Forschungsprojekt will jedoch nicht nur neue theoretische Grundlagen für den Unterricht legen, sondern, wie die Anwendung LITE zeigt, sehr konkret den Unterricht verändern und so war die Umsetzung im Unterricht auch Gegenstand der Forschung. Es wurde dabei, wie nicht anders zu erwarten, vor allem auf der Seite der Lehrkräfte Skepsis und Zurückhaltung zum Einsatz des Konzepts festgestellt. Das abschließende Fazit fällt dann jedoch bei Lehrenden wie Lernenden positiv aus.

Dieses positive Ergebnis für die Anwendung des Konzepts zeigen zwei Kapitel, die illustrieren, wie sich Kultur und Sprache konkret in einem handlungsorientierten Unterricht integrieren lassen. Zum einen wird dargestellt, wie sich mit Hilfe des Ansatzes die Kultur der Inuit, die in Kanada unter starkem Druck einer anglo-französischen Mehrheitskultur steht, wirkungsvoll wiederbeleben lässt. Zum anderen wird gezeigt, wie sich die Kultur von Migrantenkindern gewinnbringend in den Unterricht einbringen lässt, wobei eine bei diesen ansonsten weitgehend verdrängte Muttersprache aktiviert wird.

Im Schlusswort wird dazu dann aber auch betont, dass das Forschungsprojekt nicht nur für Sondersituationen, wie die eben genannten, von Bedeutung ist. Es besteht vielmehr generell ein dringender Bedarf an neuen Lehrmethoden für Fremdsprachen, in denen das Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatikregeln noch immer ein erdrückendes Übergewicht haben, was viele Lernende letztendlich den Fremdsprachenerwerb aufgeben lässt. Auf diese Art und Weise wird das Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt ist, statt Mehrsprachigkeit wird Einsprachigkeit mehr und mehr die Regel in vielen Gesellschaften, wie dementsprechend das Schlusswort betont. Eine Methode, die nicht nur theoretisch in einem Buch, wie dem hier besprochenen, darlegen kann, wie gut sie die Dynamik des Lernens dem Menschen anpasst, sondern dies auch in der Praxis unter Beweis stellt, kann dementsprechend nur begrüßt werden. Deshalb sollte dieses Buch und die dahinterstehende Forschung, um an den Anfang der Besprechung zurückzukehren, auch im DaF-Bereich zur Kenntnis genommen werden, denn auch dort ist sie von Bedeutung.

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2024-0048