Kic-Drgas, Joanna: Entwicklung der Schreibkompetenz in einer Fremdsprache an der Hochschule. Konzept für die Schreibvermittlung im berufsbezogenen Unterricht am Beispiel von Deutsch als Fremdsprache. Göttingen: V&R unipress, 2022. – ISBN 978-3-8471-1407-9. 509 Seiten, € 75,00.

Die jeweils ablaufenden sozio-kulturellen bzw. sozio-ökonomischen Prozesse üben zweifellos einen schwer zu übersehbaren Einfluss auf den Sprachgebrauch aus. Diese Annahme legt Kic-Drgas ihrer theoriegeleiteten und empirischen Studie zur Entwicklung der Schreibkompetenz im hochschulischen Lehr-Lernkontext für berufliche Zwecke zugrunde. Die Autorin verweist zum einen auf die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaftsmärkte und die daraus wachsende Zahl internationaler Konzerne, zum anderen auf die Spezialisierung einzelner Wirtschaftsbranchen, ggf. Entstehung neuer Wirtschaftsfelder, in deren Folge u. a. neue Arbeitsformate in einem nicht selten internationalen Arbeitsumfeld entstehen. In diesem Zusammenhang betont sie u. a. die zunehmende Bedeutung des berufsbezogenen Schreibens und hebt zugleich die seit einiger Zeit beobachtbare Berufsorientierung von Universitäten und Hochschulen hervor.

Die Monografie von Kic-Drgas umfasst eine Einführung, drei theoretische Kapitel zur Fach- und Berufssprachendidaktik (Kap. 1), zur Schreibkompetenz als Schlüsselbefähigung zwischen Bildung und Beruf (Kap. 2) sowie zur Schreibdidaktik im fremdsprachlichen Kontext (Kap. 3). Darauf folgt die Vorstellung des Untersuchungsdesigns (Kap. 4), eine umfangreiche Darstellung der Untersuchungsergebnisse zum Schreibbedarf in Unternehmen (Kap. 5) und zum Stellenwert des berufsbezogenen Schreibens im universitären Kontext (Kap. 6) sowie als Ergänzung der beiden die Darstellung und Diskussion der erhobenen Analyseergebnisse zum Stand der Entwicklung der Schreibkompetenz (Kap. 7). In zwei weiteren Kapiteln liegen eine systematische Besprechung des von der Autorin entwickelten Konzepts zur Vermittlung der Schreibkompetenz im berufsbezogenen DaF-Unterricht (Kap. 8) und dessen zielgerichtete Validierung (Kap. 9) vor. Das Ganze schließt ein prägnantes Fazit ab (Kap. 10). Daran schließen sich eine Zusammenfassung in englischer Sprache, Verzeichnisse von Tabellen, Abbildungen, Anhängen sowie eine äußerst repräsentative Bibliografie an (Kap. 11–15).

Der empirische Ansatz der Studie ist hypothesentestend. Dabei geht die Autorin davon aus, dass das Miteinbeziehen von authentischen, für den Arbeitsmarkt spezifischen Situationen und Dokumenten sowie des Wissens über die Schreibabläufe am Arbeitsplatz die Schreibvermittlung selbst optimiere und eine Anpassung an die Anforderungen der Arbeitswelt ermögliche (These 1). Zudem nimmt sie an, das berufsbezogene Schreiben werde in der tertiären Bildung nicht ausreichend geübt, die unzureichende Vorbereitung auf die schriftliche Kommunikation (sowohl in philologischen als auch in nicht-philologischen Studiengängen) führe wiederum zu Schwierigkeiten in der Kommunikation am Arbeitsplatz (These 2). Vor diesem Hintergrund setzt sich Kic-Drgas drei globale Ziele, nämlich: die Ermittlung von Schreibaufgaben, -kontexten und -situationen am Arbeitsplatz sowie deren Problematisierung bei der Vermittlung der Schreibkompetenz an Hochschulen (Ziel 1), die Identifikation potenzieller Mängel im Bereich des beruflichen Schreibens am Arbeitsplatz (Ziel 2) und die Ermittlung des aktuellen Stands der berufsbezogenen Schreibentwicklung an polnischen Hochschulen (Ziel 3). Durch diese Zielsetzungen soll vor allem „eine Brücke zwischen Elementen der Schreibvermittlung in der universitären Bildung und den Anforderungen der professionellen Welt“ (15) geschaffen werden. Die aus diesen Zielen abgeleiteten Forschungsfragen werden in dieser Arbeit explorativ beantwortet.

Im ersten Kapitel werden einige relevante Begrifflichkeiten diskutiert (Allgemein-, Berufs- und Fachsprache, Fach- und Berufssprachendidaktik), ferner auch fach- und berufsbezogener sowie studienvorbereitender Fremdsprachenunterricht. Mit Bezug zur aktuellen Forschung betont Kic-Drgas diesbezüglich eine nicht zu übersehbare Diffusität unterschiedlicher Definitionen wie auch Ansätze. Umso mehr ist ihr Versuch, die vorhandene Begriffsvielfalt zu systematisieren, notwendig. In diesem Sinne plädiert sie speziell für die Erweiterung des Begriffs der Berufssprachendidaktik um die Untersuchung des Marktbedarfs, was im Hinblick auf die sich stets verändernden Marktverhältnisse, ggf. die dabei wesentlichen Variablen, etwa Künstliche Intelligenz, durchaus nachvollziehbar ist. In diesem Abschnitt werden auch konkrete Forschungsdesiderata im Kontext der modernen Schreibkompetenzförderung formuliert. Mit diesem sehr umfangreichen, jedoch konzeptionell durchdachten Kapitel führt sie den/die interessierte(n) Leser(in) überzeugend ins Thema ein.

Das zweite Kapitel beginnt mit einem tiefgreifenden Überblick über verschiedene – linguistisch, berufspädagogisch, beruflich bzw. psychologisch motivierte – Kompetenzauffassungen. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Definition der Schreibkompetenz als Fähigkeit zum zielführenden Handeln bzw. zur erfolgreichen Bewältigung von Situationen sowie zum Regulieren des eigenen kognitiven, motivationalen und affektiven Systems beim Einsatz von Mitteln der schriftlichen Sprachproduktion. Die Autorin weist dabei auf die unterschiedliche Verortung der Schreibkompetenz in verschiedenen Kompetenzmodellen hin und betont zugleich ihre Verflechtung mit anderen Kompetenzen, etwa mit der Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeit als sozialer Kompetenz. In den Fokus des Kapitels rückt schließlich die Charakteristik der beruflichen Schreibkompetenz wie auch die Vermittlung des berufsvorbereitenden Schreibens im tertiären Bereich, die in den nicht zu übersehenden Erwartungen der Arbeitswelt an Akademiker/-innen ihre Begründung findet.

Gegenstand des dritten Kapitels ist Schreiben als Medium des sprachlichen Handelns und somit auch des Interagierens auf der Unternehmensebene, das in verschiedenen Textsorten sowie durch verschiedene Medien abgewickelt wird. Hier wird auch der zunehmende Einfluss der elektronischen Medien auf die Zusammenarbeit von Kommunikationspartner/-innen mittels Schriftlichkeit thematisiert. Als möglichen Raum für die Vermittlung unternehmensspezifischer Interaktionsformen sieht Kic-Drgas den berufsbezogenen Fremdsprachenunterricht. In didaktisch-methodischer Hinsicht hebt sie diesbezüglich vor allem Elemente der Projekt- und Gruppenarbeit hervor. Schließlich betrachtet die Autorin Schreiben als Prozess des Lernens bzw. des Problemlösens, für welchen die Fähigkeit zur Produktion kompetenter, adressaten- und zielorientierter Texte eine wesentliche Voraussetzung ist. Abschließend diskutiert sie unterschiedliche Modelle zur Vervollkommnung und Optimierung fremdsprachlicher, berufsbezogener Schreibprozesse als Grundlage für die Entwicklung der Schreibkompetenz im berufsbezogenen Sprachunterricht.

Die weiteren vier Kapitel wenden sich den empirischen Untersuchungen zu. Zunächst stellt Kic-Drgas das zugrunde gelegte Forschungsdesign vor. Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei ihre Erläuterungen zu der in der Studie angewandten Methodentriangulation, welche als Kombination quantitativer und qualitativer Verfahren zum Einsatz kommt und der Komplexität und Mehrdimensionalität des hier gewählten Forschungsbereichs verpflichtet ist (Kap. 4).

Das darauffolgende Kapitel 5 ist der Darstellung der durchgeführten quantitativen Mitarbeiterbefragung gewidmet, die zum Ziel hatte, den Kommunikationsbedarf und -verlauf in Schriftlichkeit in der Fremdsprache Deutsch zu ermitteln. Die gewonnenen Ergebnisse geben insgesamt ein aktuelles Bild des berufsbezogenen Schreibens wieder, welches als komplexes Ineinandergreifen von Sach-, Text- und Dokumentationswissen spezifischen Bedingungen unterliege und durch moderne Trends bestimmt werde. Im Einzelnen konnte die Autorin u. a. eine hohe Bedeutung des fremdsprachigen Schriftverkehrs im beruflichen Kontext wie auch einen hohen Stellenwert von Deutschkenntnissen in der Schriftlichkeit bei möglichen Anstellungen bestätigen. Die in der Befragung thematisierten Schwierigkeiten beim Schreiben resultieren dabei nicht nur aus mangelnder Beherrschung der Allgemeinsprache Deutsch, sondern auch aus fehlender Kompetenz zur Wiedergabe von Fachinhalten. Eine direkte Ursache dafür ist laut Befragten ein unzureichendes Schreibtraining in der tertiären Bildung. Aus diesem Grund wird im beruflichen Alltag nicht selten nach Schreibmustern gegriffen.

In Kapitel 6 erfolgt eine kritische Diskussion der Ergebnisse aus qualitativen Interviews mit hochschulischen Lehrkräften, die für die Vorbereitung von Studierenden der philologischen wie auch der nicht-philologischen Studiengänge auf ihre berufliche Tätigkeit zuständig sind. Das Anliegen dieses Untersuchungsteils war speziell die Ermittlung von Spezifiken der Schreibvermittlung. Aus den Aussagen der Lehrenden ließ sich allgemein schlussfolgern, dass der Vermittlung der Schreibkompetenz in hochschulischen Lehr- und Lernprozessen aufgrund verschiedener Faktoren, etwa reduzierter Anzahl von Unterrichtseinheiten bzw. eingeschränkter Freiheit bei der Gestaltung von Curricula oder aber auch zeitaufwendiger Korrekturen von schriftlichen Aufgaben, tatsächlich nicht ausreichend Platz eingeräumt wird. Die Schreibvermittlung erschweren zudem auch lückenhafte Sprachkenntnisse von Lernenden wie auch der Schwierigkeitsgrad von Fachtexten, deren Länge und Komplexität. Von besonderem Wert sind in diesem Zusammenhang die erhobenen Empfehlungen der interviewten Lehrenden in Bezug auf die nötige Einbettung von Schreibübungen in den Berufskontext, ferner auch die Attraktivität von Schreibtrainings, die Bewusstmachung kultureller Prägung sowie pragmatischer Aspekte im Schreibprozess.

Im siebten Kapitel bietet Kic-Drgas schließlich eine übersichtliche Zusammenstellung der Ergebnisse einer SWOT-Analyse. Als Grundlage dafür dienten die gesamten quantitativen und qualitativen Daten. Das Ziel dieser Analyse war, mögliche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken im Hinblick auf die Entwicklung der fremdsprachlichen Schreibkompetenz im Kontext der universitären Bildung sowie die Anforderungen des Arbeitsmarktes herauszuarbeiten. Als essenzielle Stärke der berufsbezogenen Schreibentwicklung nennt die Autorin u. a. die starke Förderung der Lernerautonomie sowie die Nutzung von authentischen Texten. Als potenzielle Schwäche hingegen gilt nach ihr vor allem die oft fehlende Vorbereitungsphase auf eine Schreibtätigkeit in der professionellen Umgebung, welche möglicherweise aus dem fehlenden Wissen bzw. aus den im Lernprozess nicht (ausreichend) entwickelten Schreibstrategien resultiert. Hinzu kommt auch die gering entwickelte Fähigkeit der Absolventin/-innen zur schriftlichen Wiedergabe von Fachinhalten. Als eine Chance für die Entwicklung des berufsbezogenen Schreibens wird nicht zuletzt vor allem die zunehmende Bedeutung des Schriftverkehrs in der authentischen Berufskommunikation genannt, als eine Hürde diesbezüglich die mangelnde Bereitschaft zur Kooperation seitens des wirtschaftlichen Sektors, was an dieser Stelle besonders zu betonen ist.

Die empirisch abgeleiteten Erkenntnisse waren Ausgangspunkt für die Schaffung eines praxisgeleiteten Konzepts zur Vermittlung der Schreibkompetenz im berufsbezogenen Unterricht am Beispiel der Fremdsprache Deutsch (Kap. 8). Damit gelang es der Autorin zweifelsohne, die bisher vorhandene Lücke in diesem Bereich zu schließen. Besonders positiv hervorzuheben ist dabei die anschließende Modellevaluierung, welche in Form eines anschaulichen Experiments erfolgte (Kap. 9). Die daraus gewonnenen Ergebnisse beweisen weitgehend die Stichhaltigkeit des vorgeschlagenen Modells, auch wenn die vollständige Überprüfung seiner Tauglichkeit unbedingt weiterer Untersuchungen bedarf, was aber auch die Autorin selbst anmerkt. Das Kapitel 10 bietet letztendlich Raum für die Besprechung nachvollziehbarer Implikationen für die Schreibdidaktik und -forschung, welche vor dem Hintergrund der gesamten Befunde des durchgeführten Forschungsvorhabens ausformuliert wurden. Eine sinnvolle Ergänzung stellt hier das Aufzeigen potenzieller bildungsinstitutioneller, forschungsmethodologischer wie auch theoretischer Konsequenzen dar. Die empirisch fundierten Ergebnisse eröffnen schließlich einige weitere Möglichkeiten, sich mit der Problematik des berufsbezogenen Schreibens systematisch auseinanderzusetzen, etwa im Hinblick auf die Entwicklung von Lernmaterialien und -plattformen, die Bearbeitung von Lehrprogrammen oder die Schaffung einer Textsortenvernetzung.

Der Studie von Kic-Drgas ist zusammenfassend anzumerken, dass sie aus der Praxis heraus motiviert und folglich von großer praktischer Relevanz für alle am Schwerpunkt Schreibdidaktik Interessierten ist. Vor allem ist sie aber denjenigen DaF-Lehrenden zu empfehlen, die in ihrer Lehrtätigkeit auf die Vermittlung des berufsbezogenen Schreibens fokussiert sind. Aber auch wenn sich jemand zunächst allgemein mit der Problematik der Schriftlichkeit beruflicher Kommunikation und deren Komplexität vertraut machen will, wird er oder sie ohne Zweifel auf den neuesten Stand der Forschung gebracht.