Lindemann, Ulrike: Grammatik in Beziehung. Reflexion und Material zu beziehungsorientierten Grammatikeinheiten in Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium, 2021. -- ISBN 978-3-86205-542-5. 190 Seiten, € 18,00.

Dörthe Uphoff

doi:10.1515/infodaf-2024-0039

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Lindemann, Ulrike: Grammatik in Beziehung. Reflexion und Material zu beziehungsorientierten Grammatikeinheiten in Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium, 2021. -- ISBN 978-3-86205-542-5. 190 Seiten, € 18,00.

Dörthe Uphoff

Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

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Lindemann, Ulrike: Grammatik in Beziehung. Reflexion und Material zu beziehungsorientierten Grammatikeinheiten in Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium, 2021. -- ISBN 978-3-86205-542-5. 190 Seiten, € 18,00.

Grammatik in Beziehung von Lindemann ist eine für die heutige Zeit recht ungewöhnliche Materialsammlung. Sie präsentiert sich in einem sehr schlichten Layout, im Stile wissenschaftlicher Veröffentlichungen, und kommt fast ohne Illustrationen aus. Dennoch bietet sie viele Ideen, die leicht und unproblematisch im Unterricht einsetzbar sind. Der Untertitel gibt Aufschluss über den doppelten Charakter des Werkes: es will für einen beziehungsorientierten Ansatz in der Fremdsprachendidaktik plädieren und diese Methodik zugleich anhand einer reichhaltigen Sammlung von Fragen als Gesprächsanlässe dokumentieren. Schon im ersten Satz der Vorbemerkung weist die Autorin auf diese zweifache Intention des Materials hin: „Dieses Buch ist in seinem Aufbau von anderen Lehrbüchern oder Materialsammlungen verschieden. Es möchte nicht nur etwas bereitstellen, sondern vor allem dazu anregen, zu reflektieren und zu entwickeln“ (11). Um dies zu gewährleisten, wird die Einleitung des Buches als „Hinleitung“ bezeichnet, „um deutlich zu machen, dass sie zu überspringen, ohne Fundament zu beginnen hieße“ (11).

In der Tat ist die Hinleitung außerordentlich lesenswert. Mit viel Enthusiasmus beschreibt die Autorin hier die Grundüberzeugungen ihrer Unterrichtspraxis. Die Aufgabe der Lehrenden sei es, zwischen dem Fach und den Lernenden eine Beziehung herzustellen, was jedoch in der Konsequenz „eine wahrhaftige Beziehung zwischen den Lernenden und den Lehrenden“ (15) voraussetze. Um diese zu erreichen, müssten Lehrende Interesse daran haben, ihre Lernenden wirklich kennenzulernen; ein Instrument dazu ist nach Ansicht der Autorin die Frage, welche im Zentrum ihrer Unterrichtsmethodik steht:

„Gehe ich also in den Unterricht, dann bin ich gespannt auf die Menschen, auf ihre Geschichten und Persönlichkeiten, auf alles, was sie mir und den anderen gegenüber aussprechen wollen und das ist meist überraschend viel. Diese Grundspannung, die Vorfreude entlädt sich in der Frage, die der Motor meines Unterrichts ist“ (18).

Diese sehr humanistisch geprägte Einstellung erinnert an die Lehren des brasilianischen Erziehungswissenschaftlers Paulo Freire, den Lindemann jedoch nicht explizit nennt. Überhaupt werden ihre fremdsprachendidaktischen Ausführungen kaum durch einschlägig bekannte Fachliteratur gestützt. Einzig um die Eigenschaften der „fragende[n] Haltung“ (19) der Lehrenden genauer zu beschreiben, bedient sich die Autorin ein paar -- für die DaF-Didaktik recht unbekannter -- Titel (vgl. Funcke & Rachow 2016, Schmalz 2018).

Die Hinleitung besticht dennoch durch die intelligente und engagierte Argumentation der Autorin, und man bekommt Lust, zu dem Materialteil des Buches vorzustoßen. Dieser ist gegliedert in neun Kapitel, die sich jeweils mit einem grammatischen Thema beschäftigen: Modalverben, Perfekt und Präteritum, Kasussystem, Adjektiv, Präpositionen, trennbare Verben, Futur I, reflexive Verben und Konjunktiv II.

Der Aufbau dieser Kapitel wird von der Autorin noch in der Hinleitung erklärt. So beginnt jedes Kapitel „mit einer kleinen Einführung darüber, welche (Welt-) Beziehung hier zu Wort kommen möchte“ (25). In Bezug auf die Modalverben formuliert die Autorin hier zum Beispiel folgende Gedanken:

„Modalverben drücken die Art und Weise der Beziehung zwischen Ich und Welt aus. [...] Das Wie und damit das subjektive Empfinden der Möglichkeiten, Wünsche, Träume und Talente, aber auch die objektive Welt mit ihren Erfordernissen, Geboten und Verboten stehen im Vordergrund. Wie verhalte ich mich zur Welt? Wie verhält sich die Welt zu mir? Welche Hindernisse gibt es dabei? Das sind Fragen, denen die modalen Hilfsverben Antwort geben und die im Unterricht vielfältige Möglichkeiten bieten, ihnen zu begegnen“ (40).

Aus diesen allgemeinen Überlegungen leitet Lindemann dann spezifischere Szenarien für jedes Modalverb ab, wofür dann schließlich spezifische Fragen formuliert werden, die das Herzstück des Materials bilden. Im Falle des Modalverbs dürfen bemerkt die Autorin zum Beispiel, dass „das eigene Mögen oder Wollen [...] vor den Geboten der Welt in den Hintergrund [tritt]“ (49), und generiert daraus die folgenden Szenarien: moralische und/oder persönliche Gebote („Ist es ok?“), Gebote als Gesetze („Darf man das?“) und Verbote („Was ist tabu?“). Für den letzten Bereich werden im Anschluss folgende Fragen angeboten (50–51):

Was darf ein Mensch bei dir nicht?

Was darf man deiner Meinung nach nicht?

Was darf man einer anderen Person nicht sagen?

(Stell dir vor, du hast Kinder!) Was dürfen deine Kinder nicht?

Wofür (für was?) darf man kein Geld ausgeben?

Was darf man in der Liebe/Freundschaft nicht?

Was darf man in Deutschland nicht, aber in deiner Heimat?

Was darf man in Deutschland, aber in deiner Heimat nicht?

Welche berühmte Person darf nicht zu deiner Party kommen? Warum?

Dieser Materialausschnitt zeigt beispielhaft die thematische Bandbreite der Fragen, die für jedes grammatische Thema (und Unterthema) aufgelistet werden. Sie zeigen auch, dass die Lernenden bei ihren Antworten tatsächlich Persönliches preisgeben sollen und dazu eine vertrauliche Beziehungsbasis im Unterricht aufgebaut werden muss. Diese ist das Kernelement einer beziehungsorientierten Pädagogik, wie Lindemann sie in der Hinleitung entwirft.

In einem vierten und letzten Schritt werden in manchen Kapiteln noch Formate bzw. Unterrichtssequenzen vorgestellt, in welche die Fragen eingebettet werden können und die sich leicht adaptieren oder erweitern lassen. Im Falle der Modalverben sind dies zum Beispiel Gruppenarbeiten, Minipräsentationen und Stationenarbeiten zu bestimmten thematisch zusammengestellten Fragen (55–58).

Aus dieser -- der Textsorte entsprechend kurzen -- Darstellung mag der Eindruck entstehen, als würde dieses Buch nichts essenziell Neues bieten. Tatsächlich nimmt die Autorin selbst diesen möglichen Vorbehalt schon in ihrer Hinleitung vorweg:

„Dieses Buch kommt aus meiner Unterrichtspraxis und aus dem, was sich in 10 Jahren Unterrichten bewährt hat. Es bietet nichts Neues. Es ist nur eine Systematisierung des schon Vorhandenen, um es für andere DaF-/DaZ-Lehrende zugänglich zu machen. Das Neue entsteht durch meine Perspektive auf das Vorhandene und es entwickelt sich immer wieder in der fragenden Begegnung im Sprachlernraum zwischen Lehrenden und Lernenden“ (26).

Die Systematisierung der Fragen in ihrer Korrelation zu verschiedenen grammatischen Themen, die im Deutschunterricht immer wieder auftauchen, erscheint mir tatsächlich ein wichtiger Mehrwert des Materials zu sein. Das Buch bietet eine umfangreiche und vielfältige Fundgrube zur Vorbereitung auf spezifische unterrichtliche Aktivitäten. Die Fragen sind zum Teil sehr kreativ (z. B. „Wie schließt man Menschen auf?“, 153) und bieten deshalb auch erfahrenen Lehrkräften neue Anregungen.

Ein wichtiger Punkt, der am Ende dieser Rezension jedoch angeschnitten werden soll, ist, inwieweit der DaF-Unterricht wirklich immer so beziehungsorientiert ausgerichtet werden kann, wie Lindemann es vorschlägt. Meiner fast dreißigjährigen Lehrerfahrung in Brasilien zufolge wollen Lernende sich wirklich meist auch persönlich „berühren lassen“ (16) und nicht nur möglichst effizient auf verschiedene Handlungsszenarien vorbereitet werden. Aber kann man dies verallgemeinern und zur Grundlage jeglicher Lehr-Lern-Interaktionen machen? Es ist wichtig zu betonen, dass Lindemann in ihrer Hinleitung zum beziehungsorientierten Arbeiten auch nicht so weit geht. Ein paar kritische oder nachdenkliche Überlegungen, was man tun kann, wenn Lernende -- aus welchen Gründen auch immer! -- nicht „aufgeschlossen werden“ (s. o.) wollen, hätte ich mir aber im Laufe der Lektüre von Grammatik in Beziehung gewünscht. Leider gibt es dazu in der Hinleitung keinerlei Reflexionen, und auch der Materialteil endet ohne diesbezüglich abschließende Worte.

Insgesamt handelt es sich bei diesem Titel aber um ein sehr inspirierendes und in seiner leichten Anwendbarkeit auch sehr bodenständiges Werk -- ein interessanter Einblick in die Unterrichtspraxis einer engagierten DaFlerin.

Literatur

Funcke, Amelie; Rachow, Axel (2016): Die Fragen-Kollektion. Was ist Ihre Lieblingsfrage? Einfache und raffinierte Fragen für Moderation und Training. Bonn: managerSeminare.Search in Google Scholar

Schmalz, Gisela (2018): Das kleine Buch der großen Fragen. München: Goldmann.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2024-0039