Piccardo, Enrica; Germain-Rutherford, Aline; Lawrence, Geoff (Hrsg.): The Routledge Handbook of Plurilingual Language Education. New York: Taylor & Francis, 2021 (Routledge Handbooks in Applied Linguistics). -- ISBN 978-1-138-54562-5. 534 Seiten, € 171,71.

Julia Feike

doi:10.1515/infodaf-2024-0047

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Piccardo, Enrica; Germain-Rutherford, Aline; Lawrence, Geoff (Hrsg.): The Routledge Handbook of Plurilingual Language Education. New York: Taylor & Francis, 2021 (Routledge Handbooks in Applied Linguistics). -- ISBN 978-1-138-54562-5. 534 Seiten, € 171,71.

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Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

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Piccardo, Enrica; Germain-Rutherford, Aline; Lawrence, Geoff (Hrsg.): The Routledge Handbook of Plurilingual Language Education. New York: Taylor & Francis, 2021 (Routledge Handbooks in Applied Linguistics). -- ISBN 978-1-138-54562-5. 534 Seiten, € 171,71.

Die Herausgeber:innen Piccardo, Germain-Rutherford & Lawrence richten sich mit dem vorliegenden Handbuch aus der Reihe Routledge Handbooks in Applied Linguistics an eine internationale Lesendenschaft aus den Bereichen der Sprachdidaktik und Angewandten Linguistik. Das Handbuch umfasst 24 Kapitel, die in sechs thematische Abschnitte gegliedert sind: Historische Perspektiven auf Plurilingualität (Abschnitt 1), soziologische und philosophische Perspektiven (Abschnitt 2), Perspektiven auf das Individuum bzw. Kognition und Sozialisation (Abschnitt 3), Perspektiven auf Grenzziehungen und plurilinguale Sprachverwendung (Abschnitt 4), Plurilingualität, Plurikulturalität und didaktische Praxis (Abschnitt 5) sowie ein Ausblick auf die Zukunft plurilingualer Sprachdidaktik (Abschnitt 6) werden im Handbuch vorgestellt und diskutiert. Der versprochene umfassende und multiperspektivische Zugang zum Thema Mehrsprachigkeit wird neben dieser thematischen Breite und den vielfältigen theoretischen Bezügen der Beiträge auch durch die Strukturierung des Handbuchs erreicht: Am Ende eines jeden Abschnitts folgt eine knappe „Critical Friend Response“, also eine kritisch-einordnende Kommentierung durch eine:n Fachkolleg:in. Obwohl diese an der einen oder anderen Stelle noch etwas kritischer und weniger zusammenfassend sein dürfte -- eine zehnseitige Zusammenfassung der Beiträge steht den Lesenden gleich nach der Einleitung zur Verfügung --, lädt die „Critical Friend Response“ zum Weiterdenken ein, weist auf Leerstellen ebenso wie Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsarbeiten hin und bricht damit die vermeintliche Abgeschlossenheit von Einzelbeiträgen auf, was nicht zuletzt Studierenden den Zugang zur Diskussion erleichtern könnte.

Den zentralen Bezugspunkt im Routledge Handbook of Plurilingual Language Education bildet der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) bzw. dessen Begleitband und die darin prominent verankerte Perspektive auf plurilinguale Kompetenz als dynamisch und das sprachliche Gesamtrepertoire von Sprachnutzenden betreffend (vgl. GER 2020: 34–36). So wird beispielsweise im ersten Abschnitt (herausgegeben von Brian North) die begriffliche Unterscheidung zwischen multilingual und plurilingual mit Bezug zum GER diskutiert, wobei auch die übergeordneten Ziele des GER als sprachenpolitisches Dokument hervorgehoben werden (vgl. u. a. Lüdi, 29–45 zur europäischen Perspektive auf Mehrsprachigkeit; Piccardo, 65–81 zu Mediation und Mehrsprachigkeit). Dabei wird die Bedeutung des GER zwar betont, gleichzeitig werden aber auch Diskrepanzen zwischen den Zielstellungen des GER und seiner tatsächlichen Anwendung an Schulen und anderen Bildungsinstitutionen offengelegt und im Handbuch kritisch eingeordnet. Beispielsweise zeigt Galante (Abschnitt V.20–5) anhand einer Studie an zwei brasilianischen Sprachschulen sehr eindrücklich, wie sprachideologische Vorstellungen auf Sprachlehrende und ihren Unterricht wirken, indem z. B. auch mehrsprachige Lehrpersonen nach dem Prinzip des maximalen Sprachkontakts keine anderen Sprachen als die zu lernende im Unterricht zulassen und selbst als native speaker der zu vermittelnden Sprache gesehen werden möchten. Die Konzeptualisierung von Mehrsprachigkeit und die didaktischen Prinzipien, die im GER postuliert werden, bleiben an diesen Stellen unbeachtet; der GER wird lediglich zur Bestimmung von Sprachniveaustufen herangezogen (vgl. Galante, 414 f.). Ähnliche Beispiele ließen sich wahrscheinlich auch aus der Lehr- und Unterrichtspraxis an Sprachschulen im deutschsprachigen Raum heranziehen. Diese und weitere Diskussionen zum GER (u. a. zu Herausforderungen des Testens und Prüfens in plurilingualen Settings, vgl. Abschnitt V.19) bieten Lesenden also zahlreiche Anknüpfungspunkte und einen Einblick in die aktuelle, internationale Fachdebatte rund um Plurilingualität und den GER.

Eine besondere Stärke des Routledge Handbook of Plurilingual Language Education ist die tiefgründige und im gesamten Handbuch konsequent verankerte Arbeit an Begrifflichkeiten, die sich im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung aufgrund der vielfältigen theoretischen Bezüge und divergenten Denk- und Forschungsschulen (z. B. im Vergleich der Forschungsliteratur auf Deutsch und auf Englisch und in ihrer theoretisch-begrifflichen Entwicklung über die letzten Jahrzehnte hinweg) als notwendig und komplex erweist. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf den überaus gelungenen Beitrag „Plurilingualism and the Tangled Web of Lingualisms“ (Marshall, 46–64) verwiesen, in dem in kompakter Form Begriffe und Konzepte wie Bilingualismus, Multilingualismus, Plurilingualität, aber auch Translanguaging, Plurilanguaging, Code Switching, Code Crossing, Code Mixing, Codemeshing eingeführt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei verweist der Autor in kompakter Form auch auf dahinterstehende Konzeptualisierungen (z. B. Fokussierung auf das Individuum vs. Fokussierung auf Gesellschaft), ohne begriffliche Weiterentwicklungen (z. B. des Terms Multilingualism) bei der Einordnung des Terms Plurilingualism zu verschweigen.

Diese begrifflich-konzeptionelle Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit ist auch für das Fach DaF/DaZ bedeutsam: Die Fragen, wie sich die Bereiche Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache eigentlich zueinander verhalten, wann eine Person Deutsch noch als Erstsprache oder schon als Zweitsprache erwirbt, was den Fremdspracherwerb gegenüber dem Zweitspracherwerb auszeichnet, wer wann welche Sprache(n) nutzt, thematisieren letztlich auch die Konzeptualisierung von Mehrsprachigkeit, wobei der Fokus auf das Deutsche gerichtet wird (vgl. Riehl/Schroeder 2022: 69 f., die für das Konzept Deutsch im Mehrsprachigkeitskontext statt DaF bzw. DaZ plädieren, um eine mögliche Verengung der Diskussion zu vermeiden). Die Lektüre des besprochenen Handbuchs lädt zur weiteren Auseinandersetzung mit diesen Fragen ein; nicht zuletzt, da der Blick beim Lesen weg von DaF/DaZ und hin zu ganz unterschiedlichen, international ausgerichteten fachlichen Perspektiven und Lehr-Lern-Kontexten gelenkt wird. Und auch die mahnende Erinnerung daran, dass Mehrsprachigkeit in der englischsprachigen, ‚westlichen‘ Forschungsliteratur nur allzu oft als relativ neues Phänomen moderner Gesellschaften präsentiert wird, wohingegen Mehrsprachigkeit in anderen Kontexten als Normalfall konzipiert wurde und wird, scheint für die Diskussion um Mehrsprachigkeit im Kontext DaF/DaZ sehr wertvoll (vgl. beispielsweise die Ausführungen von Rabbi & Canagarajah zu südasiatischen und südafrikanischen Perspektiven auf Plurilingualismus, 82–95).

Insgesamt stellt das besprochene Handbuch also ein wichtiges Nachschlagewerk zum Thema Mehrsprachigkeit dar, welches den Lesenden aktuelle Forschung und vielfältige Perspektiven präsentiert und dabei auch für die Diskussion um Mehrsprachigkeit und Sprachdidaktik in DaF/DaZ wichtige Anstöße liefern kann. Es sollte auch im Fach DaF/DaZ stärker wahrgenommen werden.

Literatur

Europarat (Hrsg.) (2020): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen (Begleitband). Stuttgart: Klett. Search in Google Scholar

Riehl, Claudia Maria; Schroeder, Christoph (2022): „DaF/DaZ im Kontext von Mehrsprachigkeit“. In: Deutsch als Fremdsprache 2, 67–76.10.37307/j.2198-2430.2022.02.02Search in Google Scholar

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2024-0047