Berkel-Otto, Lisa; Peuschel, Kristina; Steinmetz, Sandra (Hrsg.): Theorie-PraxisVerzahnung in der Lehrkräftebildung. Ergebnisse aus dem Netzwerk „Stark durch Diversität“. Münster: Waxmann, 2021 (Sprachliche Bildung, 9). – ISBN 978-3-8309-4355-6. 240 Seiten, € 34,90.

Werner L. Heidermann

doi:10.1515/infodaf-2024-0015

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Berkel-Otto, Lisa; Peuschel, Kristina; Steinmetz, Sandra (Hrsg.): Theorie-PraxisVerzahnung in der Lehrkräftebildung. Ergebnisse aus dem Netzwerk „Stark durch Diversität“. Münster: Waxmann, 2021 (Sprachliche Bildung, 9). – ISBN 978-3-8309-4355-6. 240 Seiten, € 34,90.

Werner L. Heidermann

Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

Rezensierte Publikation:

Berkel-Otto, Lisa; Peuschel, Kristina; Steinmetz, Sandra (Hrsg.): Theorie-Praxis-Verzahnung in der Lehrkräftebildung. Ergebnisse aus dem Netzwerk „Stark durch Diversität “. Münster: Waxmann, 2021 (Sprachliche Bildung, 9). – ISBN 978-3-8309-4355-6. 240 Seiten, € 34,90.

Mehr Fokus war nie! In den zwölf hier zur Rede stehenden Beiträgen geht es fünfzig Mal um „fokussieren“, um den „Fokus“ und um die „Fokussierung“; es gibt da auch noch den „expliziten Fokus“ (19) und den „spezifischen Fokus“ (28) und schließlich die „Fokusschülerin“ (23), die sogar von toleranter Textverarbeitung unverzüglich warnrot unterstrichen wird. Auf Seite 222 dann gerät die „sprachliche Bildung mit dem Fokus Bildungssprachliche Kompetenzen immer mehr in den Mittelpunkt bildungsinstitutioneller Deutschfördermaßnahmen“. Diese winzige Polemik zur Optik in der Darstellung wissenschaftlicher Arbeit soll nicht davon ablenken, dass es sich bei den im darzustellenden Band vorgestellten Reflexionen um relevante Bemühungen handelt. Sprachkritik ist wahrscheinlich zweitrangig, wo es um als grundlegend notwendig erkannte Veränderungen in der Erziehung allgemein und speziell in der LehrerInnenausbildung geht. Worum geht es also? Der Titel des von Berkel-Otto, Peuschel und Steinmetz herausgegebenen Bandes ist da sehr umfassend und informativ: Theorie-Praxis-Verzahnung in der Lehrkräftebildung. Ergebnisse aus dem Netzwerk „Stark durch Diversität“. Der Sammelband erschien 2021 im Verlag Waxmann als Band 9 der Reihe Sprachliche Bildung des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.

Die Diskussion des Verhältnisses von Theorie und Praxis in der Lehrkräftebildung und nicht nur dort dürfte so alt sein wie institutionelle Bildung und Ausbildung überhaupt. Schlagwörter wie weltfremd und kopflastig haben die Kritik von Generationen von Lehramtsstudierenden geprägt. Das Anliegen des Bandes ist aber keine zeitlose und larmoyante Bilanzierung von Defiziten. Es geht um die Theorie-Praxis-Beziehung im Hier und Heute. Und das Hier und Heute ist von dem geprägt, was als letztes Element im Titel erscheint: die Diversität.

Diese Diversität scheint in beinahe allen Titeln durch: Es geht unter anderem um „transkulturelle Sensibilität“ (37), um Ausbildung in der „Migrationsgesellschaft“ (81), um „Fachunterricht mit Neuzugewanderten“ (125), um ein „außerschulisches Interventionsprojekt“ (169), um das „Projekt ‚Starke Mädchen, starke Frauen‘ – Durch Sprache fördern“ (193) und um die „Verwebung fachlichen, unterrichtskulturellen und sprachlichen Lernens“ (207).

In einem Forschungsbericht heißt es, es sei „eine wichtige Aufgabe der lehramtsbezogenen Studiengänge, angehende Lehrer*innen aller Schularten auf die Berufsrealität in heterogenen Klassen und ‚auf einen konstruktiven und professionellen Umgang mit Diversität‘ (HRK & KMK, 2015, S. 2) vorzubereiten, entsprechend müsse der Umgang mit Heterogenität ein fester Bestandteil der Lehrer*innenbildung in den Ländern werden (KMK, 2013, S. 6). Dazu gehören Querschnittskompetenzen wie die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Medienkompetenz und -erziehung oder auch Gendersensibilität (Gesetzblatt für BW, 2015)“ (169).

Dieses längere Zitat beschreibt den Bogen der aktuellen Anforderungen ganz gut. Und ein zweites, ebenfalls längeres Zitat aus demselben Bericht liest sich wie die Präambel zu einem Text über neue Anforderungen, die an die Lehrkräftebildung zu stellen sind: „Die Studierenden sollten für die Besonderheiten des Lehrens und Lernens in heterogenen Klassen sensibilisiert und dazu befähigt werden, fachintegriert Sprachförderung und Sprachbildung für alle Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer Herkunft und sozialer Prädispositionen durchzuführen und damit einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit zu leisten“ (170).

Um nichts Geringeres geht es: um Bildungsgerechtigkeit! Die 25 Autorinnen beschreiben die sehr vielfältigen Projekte, die an verschiedenen deutschen Hochschulen durchgeführt worden sind und unter dem gemeinsamen Motto „Spracherwerb stärken – Lehramtsstudierende gewinnen“ standen. Diversität ist ein Faktum, Inklusion eine Aufgabe unserer Zeit: Der hier nur skizzenhaft dargestellte Band gehört in die Bibliografie aller Studienseminare, und die Innovationen im Blick auf die Sprachförderung in einer neu sich gestaltenden Gesellschaft gehören gelesen und studiert. Denn es geht ja um Großes: um Bildungsgerechtigkeit und um Bemühungen, dieser Utopie Tag für Tag etwas näher zu kommen. Beim Nachvollzug dieser Projekt-Bemühungen sollten sich Leserinnen und Leser auch nicht von einer gewissen Sprödigkeit in der Sprache abhalten lassen: Wissenschaft ist (oft) so – etwas trocken, nicht sehr anschaulich und lebendig, Passivkonstruktionen überall, wo eigentlich Menschen agieren. Und dann das sich auch in den Erziehungswissenschaften heranpirschende Fachenglisch: vom „Mentee“ (17) ist immer wieder die Rede, und von „meinem Mentee“ (27). Aber okay, ist „mein Flüchtlingskind“ (31) besser?

Zu kritisch? Vergessen wir nicht Walter Benjamin (1991: 151–153): „Kritisieren ist eine gesellige Kunst. Auf das Urteil des Rezensenten pfeift ein gesunder Leser. Aber was er im Tiefsten goutiert, ist die schöne Unart, uneingeladen mitzuhalten, wenn der andere liest. Das Buch auf solche Weise aufzuschlagen, so daß es winkt wie ein gedeckter Tisch, an dem wir mit all unseren Einfällen, Fragen, Überzeugungen, Schrullen, Vorurteilen, Gedanken Platz nehmen, so daß die paar hundert Leser (sind es so viele?) in dieser Gesellschaft verschwinden und gerade darum sich’s wohl sein lassen – das ist Kritik. Zumindest die einzige, die dem Leser Appetit auf ein Buch macht.“

Literatur

Benjamin, Walter: „Neues von Blumen. Die literarische Welt vom 23. 11. 1928“. In: Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Band III Kritiken und Rezensionen. Herausgegeben von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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