Grünewald, Andreas; Noack-Ziegler, Sabrina; Tassinari, Maria Giovanna; Wieland, Katharina (Hrsg.): Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin. Festschrift für Daniela Caspari. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2021 (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). – ISBN 978-3-8233-8461-8. 346 Seiten, € 68,00.

Der mehr als 300 Seiten starke Sammelband, der im Folgenden vorgestellt wird, erschien 2021 in der etablierten Reihe Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik und hat einen besonderen Hintergrund: Es handelt sich um die Festschrift zum 60. Geburtstag von Daniela Caspari, die seit 2002 als Professorin für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Freien Universität Berlin lehrt und forscht. Wie aktiv sie dabei agiert, zeigen ihre verschiedenen Arbeitsfelder, die sie sowohl inhaltlich, organisatorisch und sprachenpolitisch ausfüllt (z. B. in der Leitung des Arbeitsgebietes DaZ an der FU, der Institutsleitung der Romanistik oder der Direktion der School of Education sowie Verbänden wie der DGFF oder dem GMF). Auch über die Beirats- und Herausgebertätigkeiten (u. a. für die Fachzeitschriften ZiF und FLuL) hat sie relevante Impulse gesetzt, die weit in die Fremdsprachendidaktik hineinwirken.

Die beiden wesentlichen Aufgabenfelder der Fremdsprachendidaktik, die Forschung und die Ausbildung, ergänzen sich gegenseitig und werden deswegen seit Jahrzehnten immer wieder auch zusammengedacht. Gerade in Deutschland hat es aber lange gedauert, beide Aspekte als sinnvolle Verschränkung wahrzunehmen und umzusetzen, und Daniela Caspari hat dafür wichtige Anregungen geliefert. Diese werden im Zuge des Sammelbandes an verschiedenen Stellen aufgegriffen und in den jeweiligen Kontexten konkretisiert.

Im Einführungsbeitrag stellen die Herausgeber:innen kurz dar, wie es zur Herausbildung der Fremdsprachendidaktik heutigen Zuschnitts kam, die bis in die 1970er-Jahre stark auf der Basis von Erfahrungen ausgerichtet war und kaum von empirischen Erkenntnissen gestützt wurde (15). Zu einer eigenständigen Forschung kam es dann in den vergangenen 50 Jahren mit der Etablierung der Sprachlehr- und Lernforschung und der Einrichtung fremdsprachendidaktischer Lehrstühle, einer Entwicklung also, die das Nebeneinander von Forschung und Ausbildung begründen kann. Dass diese beiden Ausrichtungen immer schon aufeinander Bezug nahmen, zeigen Publikationen wie das 1989 erstmals aufgelegte Handbuch Fremdsprachenunterricht von Bausch, Christ und Krumm oder das 2010 erschienene Handbuch Fremdsprachendidaktik von Hallet und Königs. Entscheidend für die Entwicklungen waren ebenso die Aktivitäten des Gießener Graduiertenkollegs, an dem auch Caspari Mitte der 1990er-Jahre aktiv war – so ist es kein Zufall, dass in den Gießener Beiträgen über die Jahre immer wieder bestimmte fachdidaktische Aspekte und Tendenzen aufgegriffen wurden (bspw. Legutke und Schart mit dem Band von 2016 zur Lehrendenprofessionalisierung). Laut Aussage der Herausgeber:innen lässt sich in letzter Zeit also trotz aller Ausdifferenzierung in der Fremdsprachendidaktik ein Zusammenwachsen der Disziplin verzeichnen, wobei es weniger die Themen sind, die sich unterscheiden, sondern vor allem die Zugänge und Ziele (17).

In diesem Band nun sind 19 Beiträge von insgesamt 32 Autorinnen und Autoren vereint, die an ganz verschiedenen Universitäten in Deutschland aktiv sind. Die Texte sind ihrerseits in zwei thematische Felder geordnet, die Fremdsprachendidaktik als Wissenschaftsdisziplin (9 Beiträge, 25–174) und die Fremdsprachendidaktik als Ausbildungsdisziplin (10 Beiträge, 175–346). Es fällt dabei auf, dass über die Beitragenden verschiedene Fachdidaktiken vertreten sind, vor allem die Romanistik und die Anglistik, aber auch die Slawistik sowie Deutsch als Fremdsprache. Da eine separate Vorstellung aller Beiträge den hier gegebenen Rahmen sprengen würde, werden im Folgenden einige thematische Schwerpunkte genannt, die in den Texten aufgegriffen bzw. weiterentwickelt werden.

(a) Bildungspolitik

Im Beitrag von Klippel werden schulische Bildungsziele, Lehrer:innenbildung und ihre Ausrichtung im 19. und frühen 20. Jahrhundert in den Blick genommen, wobei der Reformbewegung eine besondere Beachtung geschenkt wird. Nicht zuletzt entstanden in dieser Zeit die Grundlagen für eine fremdsprachendidaktische Forschung (39 f.). Eine aktuelle Perspektive nehmen Junghanns, Löchel, Pilipp, Rausch und Schinschke ein, indem sie in ihrem Beitrag die bildungspolitischen Vorgaben im Verhältnis zu didaktischer Forschung und Lehre am Beispiel von Berlin-Brandenburg untersuchen und aufzeigen, dass es bei der Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen institutionellen Akteuren noch viel Potenzial gibt (256).

(b) Rolle und Vermittlung von einschlägigen Aspekten der Fremdsprachendidaktik

Der Text von Mertens nimmt – ebenso wie der von Klippel – eine historische Perspektive ein, analysiert jedoch die Grammatik in Französischlehrwerken zwischen 1970 und 2020. Dabei zieht der Autor ein eher ernüchterndes Fazit (58). Die Grammatik ist auch im Beitrag von Kolb der Schwerpunkt, da sie im Spannungsverhältnis zwischen Form und Inhalt im Fremdsprachenunterricht allgegenwärtig ist und zuweilen zu Unklarheiten und Konflikten führt (63). Ihre Rolle wird in diesem Fall über eine Untersuchung von offiziellen Bildungsdokumenten, fachdidaktischen Aufsätzen und gängigen Lehrwerken beschrieben.

Mit der Wortschatzarbeit setzen sich Mehlhorn und Neveling auseinander, indem sie betonen, dass die Arbeit mit dem Vokabular bereits bei Lehramtsstudierenden strategisch angelegt werden sollte (78). Wie dies möglich ist, zeigen sie anhand zahlreicher Beispiele. Ebenfalls mit dem Wortschatz beschäftigt sich Meißner in seinem Text, indem er eine App vorstellt, die zur Interkomprehension beiträgt (96).

Bedeutenden Raum nimmt in diesem Band die Literatur- und Kulturvermittlung ein. Tesch geht in seinem Beitrag auf ihre Bedeutung ein, wobei er sich wiederholt auf die Didaktik des Fremdverstehens stützt (118). Abendroth-Timmer und Schädlich gehen davon aus, dass Literaturarbeit im Fremdsprachenunterricht oft vernachlässigt wird (295), und zeigen mögliche Ansätze auf, wie dem zu begegnen sei. Besonders anschaulich wird das im Beitrag von Koch, in dem sie anhand einer komplexen Lernaufgabe im fortgeschrittenen Französischunterricht die Literaturdidaktik mit dem Ziel der Wertevermittlung verbindet (279).

(c) Forschungsmethodische Überlegungen und Zugänge

In ihrem Beitrag behandeln Bergmann, Breitbach und Küster die berufsbiografische Perspektive bei der Lehrer:innenbildung und gehen dabei besonders auf die Bedeutung von Reflexion und Reflektivität ein (130 ff.). Hallet hat in seinem Text einen ähnlichen Ausgangspunkt, entwickelt diesen aber stärker über das forschende Lernen und exemplifiziert dieses an der ethnografischen Forschung (143). Legutke wiederum zeigt mögliche Forschungsperspektiven anhand des Fort- und Weiterbildungsprogramms DLL auf und benennt dabei gleich zu Anfang seines Beitrags mehrere Desiderate im Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung (158).

Forschung im Kontext von Abschlussarbeiten thematisiert Gödecke und erklärt dabei, welches Potenzial in diesem Zusammenhang für den Nachwuchs genutzt werden kann, sowohl für die Lehre als auch für die Forschung. Vor allem über die Arbeit mit echten, authentischen Situationen wird das Bewusstsein für Lehrendenhandeln und professionelles Agieren gestärkt (313). Dazu ist es hilfreich, bei den Bewertungskriterien für Qualifizierungsarbeiten transparent zu sein (324). Die konkreten Ausrichtungen, die solche Arbeiten nehmen können, werden wiederum von Bechtel genannt, der dafür Beispiele zwischen den Schwerpunkten Theorie, Praxis und Empirie anführt (334).

(d) Unterrichtsplanung und Unterrichtsentwicklung

Auf den Unterricht beziehen sich vier Beiträge direkt. Bei Roters steht der frühe Fremdsprachenunterricht im Mittelpunkt und dabei besonders die Frage, wie dieser anhand digitaler Lernumgebungen sinnvoll gestaltet werden kann. Diehr hingegen stellt die Unterrichtsplanung als eine Kernkompetenz für Lehrpersonen dar und regt an, diese bei der Lehrer:innenbildung noch stärker zu berücksichtigen (195 ff.). Um die Ausbildung von Fremdsprachenlehrpersonen geht es auch im Beitrag von Bergfelder-Boos, Noack-Ziegler, Franke, Deutsch und Morys, bei dem die Prinzipien von Lehrkräftebildung in hochschuldidaktischen Settings aufgezeigt werden. Im Beitrag von Kräling, Pachale und Wieland geht es um das Praxissemester als Verbindung von Theorie, Praxis und Unterrichtsentwicklung, das dabei helfen kann, die starke Diskrepanz „zwischen den beiden Welten Universität und Schulpraxis“ (227) zu überbrücken.

(e) Weitere Aspekte

Einen besonderen Punkt der Fremdsprachendidaktik nimmt Martinez auf, indem sie die Sprachlernberatung als Professionalisierungsinhalt in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrpersonen thematisiert. Die zunehmend geäußerte Forderung nach mehr Lernendenautonomie determiniert auch eine wichtigere Rolle der Beratung (259), für die notwendige Kompetenzen aber nicht automatisch vorhanden sind, sondern eingeübt werden müssen.

Die Nutzung digitaler Tools und Anwendungen scheint in einer ganzen Reihe von Beiträgen auf, so u. a. bei Mehlhorn und Neveling, Meißner und Roters, in Bezug auf das vorgestellte Programm auch bei Legutke. Hier zeigt sich, dass die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Medien und Konnektivität die Fremdsprachendidaktik auch ganz direkt betreffen.

Anknüpfend an die letztgenannten Aspekte lässt sich abschließend fragen, welche neuen Impulse bzw. Entwicklungen mit diesem Sammelband angestoßen werden. Zunächst fällt auf, dass immer wieder die Professionalisierung von Lehrkräften angesprochen wird, u. a. mit Verweis auf Legutke & Schart 2016 (211) – bei mehr als einem Drittel der Texte ist eine Variante von „profession“ bereits im Titel genannt. Dass diese weiter erforscht werden muss, auch und gerade in der Fremdsprachendidaktik, ist Tenor der meisten Beiträge. Gleichzeitig kann konstatiert werden, dass mit der Gründung neuer Zeitschriften (wie bspw. KONTEXTE und ZIAF) oder der von Legutke (170 f.) eingeforderten Etablierung eines Forschungsnetzwerks in den letzten Jahren einige Schritte in diese Richtung gegangen worden sind.

Als nächstes wird die Bedeutung von Reflexion und reflexiver Handlungspraxis (238) deutlich, die in einigen Beiträgen aufscheint. Dies gilt vor allem (aber nicht nur!) für die Aus- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrpersonen und wird nicht zuletzt durch die Menge der Publikationen deutlich, die sich diesem Thema aus nationaler und internationaler Perspektive nähern (zuletzt z. B. Baumann 2023 oder Voerkel, Vaz Ferreira und Drescher i. Dr.).

Schließlich ist sichtbar, wie stark bestimmte Themen die Fremdsprachendidaktik unabhängig von der Zielsprache beeinflussen, und wie wichtig deswegen sprachenübergreifende Aktivitäten sind. Einige Best-Practice-Beispiele haben sich bereits bewährt, in denen die unterschiedlichen Fachdidaktiken bewusst zusammengedacht werden, wie bspw. die Tagung unterricht_kultur_theorie (vgl. König, Schädlich und Surkamp 2022), die im Februar 2024 wieder stattfindet, oder thematische Befassung mit Themen wie Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE (z. B. bei der DGFF-Tagung im September 2023). Letztendlich, und das zeigen die Beiträge eindrücklich, lebt die Fremdsprachendidaktik durch eine enge Kooperation – diese zwischen den verschiedenen Akteur:innen gerade auch über Institutions- und Fachgrenzen hinweg zu stärken ist und bleibt eine Aufgabe, die ebenso herausfordernd wie erfüllend ist und zu welcher der vorliegende Sammelband einen wichtigen Beitrag leistet.