Heinrichs, Bert; Heinrichs, Jan-Hendrik; Rüther, Markus: Künstliche Intelligenz. Berlin: De Gruyter, 2022 (Grundthemen Philosophie). – ISBN 978-3-11-074627-3. 231 Seiten, € 24,95.

Das rezensierte Buch Künstliche Intelligenz umfasst 231 Seiten und ist in 4 Hauptkapitel gegliedert, denen ein Inhaltsverzeichnis und ein Vorwort vorangestellt sind; ein Anhang mit Literaturverzeichnis, Autoren- und Sachindex schließen das umfangreiche Buch ab. Das Buch scheint auf den ersten Blick nicht viel für Deutschlehrkräfte bereitzuhalten, denn es beginnt mit dem Hervorheben der engen Verflechtung zwischen der KI-Forschung und der Philosophie bzw. Ethik, die jedoch sehr überzeugend dargelegt wird. In dieser Rezension wollen wir zeigen, dass Heinrichs, Heinrichs und Rüther ein Kompendium geschrieben haben, das von allen modernen Menschen gelesen werden sollte, denn es beschäftigt sich mit der wichtigsten Errungenschaft der letzten Jahre, die auch den Fremdsprachenunterricht nachhaltig beeinflussen wird: der Künstlichen Intelligenz. Dass es dabei um Probleme und Fragen der Philosophie geht, die anschaulich und leicht verständlich mit dem komplexen Thema der KI verbunden werden, stellt ein unbedingtes Plus des Bandes dar.

Zunächst verbinden die Autoren die Alan-Turing-Zeit mit der sehr wechsel­vollen Geschichte der KI-Forschung und sorgen damit für einen allgemeinen und leicht zugänglichen Einstieg in das Thema KI. Ob man will oder nicht, man muss sich mit KI beschäftigen, das ist der Grundtenor des Bandes. Die Durchdringung mit KI-Anwendungen in allen Lebensbereichen wird auch im Vorwort betont: KI-basierte Anwendungs­formen sind heute im Alltag vieler Menschen, in den sozialen Medien, in der Wissenschaft, der Medizin, der Wirtschaft bis hin zur Steuerung von Pflegerobotern, Waffensystemen und Autos allgegenwärtig. Die Autoren stellen sich folgende philosophische Kernfrage: Wie weit reichen die Parallelen zwischen Computern und dem menschlichen Gehirn? Anders gefragt: Können Maschinen denken? Diese bisher unbeantwortete Frage wird auch im vorliegenden Band nicht abschließend geklärt, jedoch werden Diskurse in der praktischen und theoretischen Philosophie aufgezeigt. Diese Fragen werden anschaulich mit Gedankenspielen zur KI in vielfältigen Einsatzgebieten verknüpft. Für Fremdsprachenlernende ist der Band nicht nur wegen der inhaltlichen Breite interessant, sondern er bietet eine Reihe von Themen und Fragestellungen, die in der Schule oder Universität mit Lernenden auf Masterniveau oder mit einem hohen Fremdsprachen­niveau besprochen werden könnten. Dabei hilft, dass die Autoren keinen umfassenden Literaturbericht liefern wollen und keine abstrakten Theorien vortragen, sondern aktuelle Forschungsfragen benennen. Für wissenschafts- und forschungsorientierte Lesende gibt es eine gründliche Vertiefung in das Thema KI, wobei, das ist besonders zu betonen, auch lebensnahe Beispiele angeführt werden, etwa das Arzt-Patient-Verhältnis oder Soziale Netzwerke. Es werde jedoch auch umfangreiche und teilweise futuristisch klingende Beispiele wie Superintelligenz oder Gehirnemulation besprochen, was dem Band definitiv mehr Tiefe verleiht. So bietet der Band thematisch sowohl für Neulinge als auch für ExpertInnen eine fundierte Einführung in die Vor- und Nachteile der KI. Besonders interessant ist der historische Abriss, der im Laufe des Buches durchgeführt wird, wobei das vierte Kapitel sicherlich das spannendste Kapitel ist, es ist der Zukunft der KI gewidmet.

Im Folgenden sollen einige wichtige Aspekte des Buches herausgearbeitet werden. Ein unbedingter Pluspunkt ist die Quellenbasis des Buches. Die Autoren versuchen, die Frage Was ist Künstliche Intelligenz? und den Begriff KI mithilfe von KI-ForscherInnen wie Kevin Knight, Elaine Rich, Shivashankar Nair, Stuart Russel, Peter Norvig u. a. umfassend zu beantworten und zu definieren. Sie systematisieren den Begriff nachvollziehbar mit zwei Definitionen von Russel und Norvig aus deren Einführung in die KI (2010). Ähnlich wird der KI-Begriff im politischen Kontext von den Autoren kritisch diskutiert. Beispielweise analysieren die Autoren Turings Bestimmung, die ihrer Meinung nach sehr breit bleibt. Neben der Definition der KI führen sie auch den Begriff des maschinellen Lernens (ML) ein. Beim maschinellen Lernen handelt es sich um lernende Systeme, diese beleuchten sie jedoch nicht weiter, da dies nicht in den Kompetenzbereich der Philosophie, sondern in den der Informatik fällt. Durch die vielen Anknüpfungspunkte in den Definitionen ist vor allem die anfängliche Diskussion, was genau KI ist, auch für Fremdsprachenlernende und -lehrende interessant. Natürlich brauchen die Lernenden dafür ein hohes Fremdsprachenniveau, doch mit Lernenden ab dem Niveau B2 sind Diskussionen über KI durchaus realistisch. Die gesamte Diskussion zeigt, in welchen Bereichen sich KI durchsetzen wird und vermittelt Inspirationen, dies auch im Unterricht zu behandeln. Auch für Informatikstudierende wären die im Band aufgeführten Diskussionen durchaus lohnenswert.

Das Hauptaugenmerk des Bandes liegt auf der Philosophie und den damit verbundenen ethischen Fragestellungen. Im zweiten Kapitel werden philosophische Grundkonzepte wie zum Begriff AkteurIn, dem in der Diskussion um KI am häufigsten verwendeten Begriff, und zum Begriff Handlungstheorie mit unterschiedlichen Bezügen zum Thema KI angeboten, die von den Autoren stimmig analysiert und auch für Laien verständlich gemacht werden. Dieses Kapitel scheint für Fremdsprachenlehrende und -lernende weniger relevant. Die Autoren sind der Meinung, dass zu prüfen sei, ob KI-Systeme Ziele haben oder über geeignete mentale Zustände verfügen. Wieder einmal zeigt sich die große Bandbreite der Philosophie- und Ideengeschichte, aus der im Band zitiert wird, denn die Autoren knüpfen ihre Überlegungen an Handlungstheorien und die Philosophie des Geistes bis hin zur Rationalitätstheorie an, die umfassend und gut recherchiert beleuchtet werden. Insgesamt gelingt es den Autoren erstaunlich gut, das doch sehr theoretische und komplexe Thema immer wieder anschaulich und lebensnah auf den Punkt zu bringen. Das ist ein unbedingter Pluspunkt des Buches.

Soll im Fremdsprachenunterricht praktisch über philosophische Themen, verbunden mit KI, diskutiert werden, empfehlen wir einen Blick in das dritte Kapitel. Von der theoretischen Philosophie im zweiten Kapitel kommen die Autoren im dritten Kapitel zur praktischen Philosophie und damit zu folgenden Themen: Soziale Netzwerke, selbstfahrende Autos, Roboter und KI in der Medizin. Die Verknüpfung zwischen den realen Anwendungsbeispielen und den dahinterstehenden ethischen Fragen und Herausforderungen ist in diesem Kapitel besonders gut gelungen. Obwohl von den Autoren nicht intendiert und nicht didaktisch aufbereitet, finden Lehrkräfte in diesem Kapitel viele Anregungen, wie das Thema im Unterricht mit Lernenden behandelt werden könnte: Angefangen mit den Sozialen Netzwerken und den damit verbundenen Fragen wie Datenschutz und Privatsphäre, wird eine philosophische Analyse der damit einhergehenden Bedenken vorgenommen. Je nach Sprachniveau kann das auch mit den Lernenden zusammen gelesen und diskutiert werden. Die Lehrkraft müsste das Thema für das jeweilige Sprachniveau anpassen. Auch der Abschnitt zum Verlust der Beziehungsfähigkeit gehört sicher zu den lesenswertesten Teilen des Buches. Besonders ist, dass Themen, die auf den ersten Blick eher weniger mit künstlicher Intelligenz assoziiert werden wie soziale Ausgrenzung und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, mit dem Thema KI verknüpft werden, nämlich wenn der KI-Algorithmus vorgibt, was der/die NutzerIn in den Sozialen Netzwerken sieht und was von dem entsprechenden Sozialen Netzwerk in der Timeline oder im Feed angezeigt wird. So gelingt es den Autoren immer wieder, die abstrakten Diskussionen und Begriffe um die KI in die Lebenswelt der Lesenden zu holen. Gerade für junge Menschen sind die angesprochenen Themen sehr relevant. Bestimmt kann man so im Unterricht Diskussionen anstoßen und Blickwinkel zeigen, die die Lernenden bisher noch nicht durchdacht haben.

Das abschließende vierte Kapitel ist der Zukunft gewidmet. Beginnend mit dem sehr alten Narrativ, dass irgendwann die Maschinen und damit auch die Künstliche Intelligenz die Herrschaft über die Menschen übernehmen könnten, werden sowohl die Literatur als auch ausgewählte Filme zum Thema KI und Maschinen besprochen. Hier ist der Anknüpfungspunkt für den Fremdsprachenunterricht ab Niveau B1 offensichtlich: Warum nicht einen Ausschnitt aus den Filmen Matrix und Zurück in die Zukunft schauen und anhand der Filme das Thema diskutieren? Die Filme, die auch im Band hinsichtlich des Themas KI eingeordnet werden, könnten dabei als Diskussionsgrundlage dienen. Interessanterweise verlieren sich die Autoren bei der Filminterpretation nicht in Träumereien, sondern schaffen es immer wieder, ihre Vermutungen auf eine Textbasis zu stellen und damit sowohl Vorteile der zukünftigen Entwicklung als auch Kritik und Schwierigkeiten aufzuzeigen. Die Textbasis mag für Fremdsprachenlehrende zu weitgehend sein und manches Mal zu tief in die Materie gehen, jedoch ist den Autoren ein Kompendium gelungen, das als Inspirationsquelle sehr gut geeignet ist. Mit Zitaten, Buch- und Filmempfehlungen wartet der Band auf, und das sehr umfangreiche und gut recherchierte Literaturverzeichnis kann als Who is who der KI-Forschung angesehen werden. Es bietet den Lesenden, die sich tiefer in die Materie einlesen möchten, Gelegenheit dazu.

Zusammenfassend ist der Band von Heinrichs, Heinrichs und Rüther ein exzellent ausgearbeitetes Buch, das verschiedene Aspekte zur Künstlichen Intelligenz miteinander verknüpft und philosophisch und ethisch diskutiert. Dabei gelingt es den Autoren außerordentlich gut, die theoretischen und teilweise abstrakten Diskussionen der Philosophie auf das Thema künstliche Intelligenz herunterzubrechen und anschaulich zu zeigen, wie das Alltagsleben fast jedes Menschen bereits von der Künstlichen Intelligenz geprägt ist. Das Buch lässt die Lesenden staunend zurück und man fragt sich das ein oder andere Mal bei der Lektüre, wie man die von den Autoren nachvollzogenen Fragen und Diskussionen bisher in seinem eigenen Verhalten hat ignorieren können. Damit bietet es für den Fremdsprachenunterricht eine nicht enden wollende Inspirationsquelle an Theorien, Zitaten und Ideen, die mit den Lernenden im Unterricht besprochen werden könnten. Der Band ist eine Bereicherung und ein Standardwerk für alle, die Soziale Medien und Computer nutzen! Speziell für den Fremdsprachenunterricht ab Niveau B1 sind viele Themen und Diskussionen, die im Band behandelt werden, interessant. Sie könnten didaktisiert und als Unterrichtsthema im Bachelor- und Masterbereich eingesetzt werden. Damit könnte die Lehrkraft an die Lebensrealität der Lernenden anknüpfen und aktuelle Bezüge im Fremdsprachenunterricht herstellen.