Altmayer, Claus: Kulturstudien. Eine Einführung für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: J. B. Metzler, 2023. ‒ ISBN 978-3-476-02656-9. 383 Seiten, € 24,95.

Christine Becker

doi:10.1515/infodaf-2024-0012

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Altmayer, Claus: Kulturstudien. Eine Einführung für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: J. B. Metzler, 2023. ‒ ISBN 978-3-476-02656-9. 383 Seiten, € 24,95.

Christine Becker

Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

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Altmayer, Claus: Kulturstudien. Eine Einführung für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: J. B. Metzler, 2023. ‒ ISBN 978-3-476-02656-9. 383 Seiten, € 24,95.

Das Erscheinen von Altmayers Monografie Kultur als Hypertext: Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache im Jahr 2004 markiert in gewisser Weise einen Paradigmenwechsel in dem Bereich des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, der sich mit kulturellem, vormals landeskundlichem Lernen auseinandersetzt. Der Verdienst dabei liegt vor allem darin, einen wissens- und bedeutungsorientierten Kulturbegriff für das Fach fruchtbar gemacht zu haben und die ehemalige Landeskundedidaktik zu einem eigenen Wissenschaftsbereich im Bereich DaF/Z gemacht und mitgestaltet zu haben – den Kulturstudien. Das nun von Altmayer vorgelegte Buch Kulturstudien. Eine Einführung für das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache wendet sich primär an Studierende des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, aber auch an Lehrende und Wissenschaftler*innen, und fasst Problemstellungen und Lösungsansätze zusammen, die zum Teil bereits in Kultur als Hypertext entwickelt wurden. Zugleich wird nun auch an diskurstheoretische Überlegungen und diskursanalytische Verfahren angeknüpft und in detaillierter Weise der Begriff der Diskursfähigkeit definiert, der sich inzwischen als Zielvorstellung auch in anderen Bereichen der Fremdsprachendidaktik etabliert hat.

Der Band ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel führt in die Rolle des kulturellen Lernens im Kontext des Fremdsprachenlernens ein, das zweite Kapitel in zentrale Begriffe der Kulturstudien (v. a. Kultur und kulturelles Deutungsmuster), die Altmayer bereits in anderen Publikationen ausführlich sowohl in ihrer Genese als auch in Bezug auf das Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache erläutert hat. Dabei wird auf konkrete Unterrichtssituationen und Lehrwerke verwiesen und so aufgezeigt, inwiefern Kultur ein inhärenter Teil von Fremdsprachenunterricht ist. Das Unterkapitel zu kulturellen Deutungsmustern schließt ab mit einer „funktionalen Typologie kultureller Deutungsmuster“ (77), die den „(mindestens) vier verschiedene[n] Dimensionen des menschlichen Lebens“ entspricht und in kategoriale, topologische, chronologische und axiologische Muster gegliedert ist (ebd.).

Kapitel 3 („Inhalte der Kulturstudien: Kulturthemen – Diskurse – Deutungsmuster“) orientiert sich an dieser Typologie, aus der sich vier verschiedene große Themenfelder für kulturwissenschaftliche Forschung ergeben, die „den Gegenstand der Kulturstudien genauer bestimmen“ (79). Exemplarisch möchte Altmayer aufzeigen, wie kulturbezogene Forschung in den Kulturstudien aussehen kann. Die Unterrichtsthemen sollen so wissenschaftlich fundiert werden. Mit über zweihundert Seiten macht dieses Kapitel zumindest vom Umfang das Herzstück der Einführung aus; es ist kurzweilig geschrieben und zeigt nicht zuletzt, wie Deutungsmuster sich im Laufe der Zeit verändern und dass deshalb oft auch die Auseinandersetzung mit geschichtlichen Themen erkenntnisbringend ist.

Zunächst widmet sich Altmayer in diesem Kapitel dem kategorialen Muster Zugehörigkeit und analysiert, ausgehend von einem Diskursfragment – einem Plakatmotiv der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (108) –, das Deutungsmuster deutsch und die Frage der Zugehörigkeit. Durch eine historische Perspektive wird die Genese des Musters nachgezeichnet, die Relevanz im Kontext von Deutsch als Fremd- und vor allem als Zweitsprache wird in der Analyse deutlich. In Kapitel 3.2 steht das chronologische Deutungsmuster Zeit im Mittelpunkt, herausgearbeitet u. a. am Beispiel des Deutungsmusters Sonntag. Spätestens das darauffolgende Kapitel zu dem mnemologischen Deutungsmuster 1989 macht deutlich, dass die Analyse, wie im Rahmen einer Einführung auch zu erwarten ist, nur exemplarisch geschehen kann. Dennoch erscheint die Auswahl der Diskursfragmente hier recht beliebig. In diesem Kapitel findet auch eine (allerdings skizzenhaft bleibende) Anknüpfung an das Konzept der Erinnerungsorte statt, das nicht zuletzt aufgrund seiner Eignung für die Unterrichtspraxis neben den Kulturstudien der wichtigste Ansatz in der kulturwissenschaftlich transformierten Landeskunde ist. Kapitel 3.3 behandelt nach einer Einführung in das Thema Raum in den Kulturstudien beispielhaft das topologische Deutungsmuster Mitteldeutschland. In Kapitel 3.4 wird das vor allem im DaZ-Kontext brisante Thema der Wertevermittlung aus Sicht der Kulturstudien erörtert, wobei Werte zu den axiologischen Deutungsmustern gehören. Indem sie als diskursiv vermittelte Werteordnungen betrachtet werden und gefragt wird, wie bestimmte Werte in Diskursen verwendet werden, werden sie wissenschaftlich beschreibbar. Somit sind Werte dann nicht mehr so unspezifisch, wie sie es im Kontext von DaZ und der curricular vorgeschriebenen Übernahme von Werten in der Regel sind.

Auf den letzten achtzig Seiten des Bandes widmet sich Altmayer schließlich dem kulturbezogenen Lernen im Kontext von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Kapitel 4) und Forschungsperspektiven der Kulturstudien (Kapitel 5). In Kapitel 4 wird das kulturbezogene Lernen in Beziehung gesetzt zu lerntheoretischen Ansätzen und kulturbezogenes Lernen vorläufig definiert, sodann in Beziehung gesetzt zur Diskursfähigkeit. Es handelt sich meines Erachtens um eines der zentralen Kapitel der Einführung, wobei die formulierten Dimensionen von Diskursfähigkeit durchaus noch Fragen offenlassen ‒ beispielsweise nach den Unterschieden zwischen der Wissensdimension und der kulturellen Dimension von Diskursfähigkeit.

Wer hoffte zu erfahren, wie eine Unterrichtspraxis nach den Prämissen einer solchen kulturwissenschaftlich fundierten Landeskunde-Didaktik gestaltet werden könnte, wird enttäuscht. Potenzielle Leser*innen, die einen deutlichen und konstruktiven Praxisbezug suchen, sind mit der Einführung des von Altmayer herausgegebenen Lehrwerks Mitreden (2016) und den darin enthaltenden Ausführungen zu methodisch-didaktischem Vorgehen und zentralen Unterrichtsprinzipien besser beraten. Die Anwendungsorientierung des vorliegenden Bandes zeigt sich vielmehr darin, dass die Unterrichtspraxis aus einer theoretischen Perspektive reflektiert wird, wobei die Grenzen der Kulturstudien stets aufgezeigt werden. So werden beispielsweise Diskursfragmente vorgeschlagen, mit denen eine unterrichtliche Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenwürde als Teil des Orientierungskurses stattfinden könnte. Doch wird sogleich darauf hingewiesen, dass eine solche Auswahl „hohe sprachliche Anforderungen an die Teilnehmenden stellt“ (347) und dass „kulturbezogenes Lernen, das seine eigenen Ansprüche ernst nimmt und die Lernenden ernsthaft zu einer Auseinandersetzung mit einem wichtigen Thema wie ‚Menschenwürde‘ oder anderen Wertorientierungen anregen will, [...] innerhalb des vorgegebenen zeitlichen und curricularen Rahmens nicht umsetzbar“ (ebd.) sei.

Im Hinblick darauf, dass der Band sich über zweihunderten Seiten der exemplarischen Darlegung von sinnvollen Themenfeldern der Kulturstudien widmet, ist es schade, dass die Umsetzung in der Praxis, die viele Studierende und Lehrende interessieren dürfte, nur auf wenigen Seiten abgehandelt wird. Denjenigen aber, die sich über die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Kulturstudien informieren möchten, sei die Einführung ans Herz gelegt.

Literatur

Altmayer, Claus (2004): Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium.Search in Google Scholar

Altmayer, Claus (Hrsg.) (2016): Mitreden. Diskursive Landeskunde für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: Klett. Search in Google Scholar

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2024-0012