Hennig, Mathilde: Nominalstil. Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2020 (narr Studienbücher). – ISBN 978-3-8233-8270-6. 254 Seiten, € 24,99.

Manuela von Papen

doi:10.1515/infodaf-2024-0028

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Hennig, Mathilde: Nominalstil. Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2020 (narr Studienbücher). – ISBN 978-3-8233-8270-6. 254 Seiten, € 24,99.

Manuela von Papen

Published/Copyright: April 16, 2024

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 51 Issue 2-3

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Hennig, Mathilde: Nominalstil. Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2020 (narr Studienbücher). – ISBN 978-3-8233-8270-6. 254 Seiten, € 24,99.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich den Begriff Nominalstil bis jetzt eigentlich nur als Funktionsverbgefüge (im Sinne von in Betracht ziehen oder zum Abschluss bringen) verstanden hatte. Weit gefehlt. Jetzt weiß ich, dass viel mehr zur Nominalisierung gehört. Es geht nicht allein darum, ein Nomen aus einem Verb abzuleiten (abschließen à zum Abschluss bringen), sondern auch darum, „aus einem Satz neben dem Verb auch seine Ergänzung(en) und ggf. auch Angaben in eine nominale Struktur zu überführen“ (57).

Um es gleich vorwegzunehmen, wird im vorliegenden Buch nicht auf Stil im Sinne von Ästhetik oder Textsorten eingegangen. Hennig geht es um „eine linguistische [...] Aufarbeitung des Konzepts ‚Nominalstil‘ auf der Basis der einschlägigen linguistischen Forschung“ mit dem Schwerpunkt „auf der grammatischen Seite des Phänomens“ (11). Mit anderen Worten befasst sich Hennig exklusiv mit Nominal-. Folglich ist der Titel m. E. verwirrend und lenkt möglicherweise die Erwartung des Lesers in die falsche Richtung (meine jedenfalls).

Abgesehen von diesen potenziellen Missverständnissen führt uns Hennig in ihrem wiederholt als Studienbuch bezeichneten und an Studierende der Germanistik gerichteten Buch anschaulich durch die Welt der Nominalisierungen. Mit Hilfe einer gründlichen Begriffsklärung im ersten Kapitel lernen wir, dass der Terminus Nominalisierung „den Prozess der Überführung eines Lexems einer nicht substantivischen Lexemklasse in die nominale Domäne“ bedeutet (22).

Das mag auf den ersten Blick verwirrend klingen, bedeutet aber letztlich: Wie kann ich etwas durch Nominalisierung ausdrücken, das vorher vielleicht durch Verben oder Attribute ausgedrückt wurde? Mit einigen ist vermutlich jeder vertraut. So wird zum Beispiel im Satz „Die Raupe verwandelte sich in einen Schmetterling“ à „die Verwandlung der Raupe in einen Schmetterling“ (136) die Nominalisierung mit Hilfe eines Genitivattributs erreicht. Ein anderes gängiges Beispiel wäre „weil es regnete“ à „wegen des Regens“ (126).

Folglich arbeitet das Buch mit der Prämisse, dass Nominalstil als „Komplementärbegriff“ (82) zum Verbalstil betrachtet wird. In den einzelnen Kapiteln analysiert Hennig, wie bestimmte Satztypen nominalisiert werden können, welche Mittel dabei angewendet werden und unter welchen Umständen davon abzuraten ist.

Als besonders positiv hervorzuheben ist der logische Aufbau und die minutiös erklärte Progression des Buches (die aber keinesfalls belehrend wirkt), da sie stets darauf bedacht ist, an bereits Gelesenes anzuknüpfen und auf noch zu Lesendes hinzudeuten. Alle Kapitel haben einen Überblick am Anfang und eine Zusammenfassung am Ende. Durch eingeschobene Kästen werden Tabellen und Schemata kenntlich gemacht, Begriffsdefinitionen werden in ähnlicher Weise aufgeführt. Besonders gelungen fand ich die „Diskurse“ in jedem Kapitel. Durch vertikale Linien hervorgehobene Einschübe geben einen Überblick über beispielsweise die Forschung oder die Begriffs(er)klärung. Dieses Prinzip ist nicht nur visuell ansprechend, sondern auch flüssiger als traditionelle Fußnoten, da es den Lesefluss nicht unterbricht. Wer mag, kann diese Diskurse auch überschlagen, aber sie eignen sich gut zur weiterführenden Lektüre.

Zur Illustration und Analyse greift Hennig auf reichhaltige Beispiele aus verschiedenen Texttypen der Gegenwart zurück, aber verweist auch auf unterschiedliche Epochen (was faszinierende Vergleichsmöglichkeiten für die diachrone Sprachbetrachtung bietet). Dabei kann es sich um die Betrachtung einzelner Sätze handeln, aber auch um Textvergleiche. Letztere finden wir am Ende mehrerer Kapitel. Allerdings – und das ist ein riesiger Pluspunkt – bekommen wir keine umfangreichen Korpora präsentiert, sondern selektive Beispiele. Mit anderen Worten: Die Analyse erspart uns die (wie oft in anderen Werken anzutreffende) ermüdende quantitative Auszählung, sondern konzentriert sich aufs Wesentliche.

Das Buch ist ausgesprochen anschaulich, aber wahrscheinlich nur begrenzt alltagstauglich. Da es aber immer wieder hervorhebt, ein Studienbuch zu sein, erhebt es auch keinen Anspruch auf allgemeine Zugänglichkeit. Trotzdem ertappt sich auch der nicht studierende Leser dabei, möglicherweise das eigene Sprachverhalten oder dasjenige der von ihm/ihr gelesenen Zeitung o. ä. zu hinterfragen und sich zu überlegen, wie weit die Nominalisierung gehen sollte, ohne dass dies zu Verständnisschwierigkeiten und Kopfschütteln führt. Ich zum Beispiel habe teilweise meine eigenen Sätze in Gedanken nominalisiert, um zu sehen, wie weit ich gehen konnte, bevor es unauthentisch klang.

Hennigs Fazit ist dann letztendlich auch, dass das, was theoretisch machbar ist, nicht unweigerlich gemacht werden sollte, denn Nominalisierungen funktionieren nicht immer. Die übersichtliche Analyse von Beispielssätzen in jedem Kapitel zeigt, wie Sätze in Nominalgruppen überführt werden können, und als wie verständlich sie dann empfunden werden. Das bedeutet, und Hennig zeigt dies überzeugend, dass nicht alle Nominalgruppen tatsächlich produktiv sind. Manche Satztypen können besser nominalisiert werden als andere. In diesem Zusammenhang bezieht sich Henning auf eine von ihr selbst durchgeführte Untersuchung mit Germanistikstudent:innen. Die Probanden sollten eine Reihe von Sätzen in Nominalisierungen überführen und dann auf einer Skala von 1 bis 5 angeben, wie verständlich die nominalisierte Version ihnen erschien. Nicht verwunderlich, dass zum Beispiel die Überführung von „Das Buch gehört mir“ zu „Das mir Gehören des Buches“ als „grenzwertig“ bzw. „nicht möglich“ eingestuft wurde (135 f.). Schlussendlich – und das ist beruhigend – ist eben nicht alles „nominal sagbar“ (205), auch wenn es theoretisch möglich ist.

Online erschienen: 2024-04-16

Erschienen im Druck: 2024-03-25

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2024-0028