Pieter D’Hoine / Geert Roskam / Stefan Schorn et al. (Eds.), Polemics and Networking in Graeco-Roman Antiquity. (Studies in the Transmission of Texts and Ideas, Vol. 12.) Turnhout , Brepols 2022

Nils Steffensen

doi:10.1515/hzhz-2025-1240

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Pieter D’Hoine / Geert Roskam / Stefan Schorn et al. (Eds.), Polemics and Networking in Graeco-Roman Antiquity. (Studies in the Transmission of Texts and Ideas, Vol. 12.) Turnhout , Brepols 2022

Nils Steffensen

Veröffentlicht/Copyright: 1. Oktober 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 2

Rezensierte Publikation:

Pieter D’Hoine, Polemics and Networking in Graeco-Roman Antiquity. Studies in the Transmission of Texts and Ideas, Vol. 12. 2022 Brepols Publishers Turnhout, 978-2-503-59688-4, € 169,95

Dass Gelehrte mitunter eigensinnige, ja konfrontative Gestalten sind, dürfte Lesern dieser Zeitschrift kaum verborgen geblieben sein. Was Akademiker und Intellektuelle über alle Zeiten und Disziplinen hinweg vereint, ist ein markanter Zug zur Agonalität: jenem Bestreben, die Ergebnisse ihrer Forschungen nicht nur mit argumentativer Leidenschaft, sondern auch mit schonungslosem Furor als wissenschaftlichen Konsens zu etablieren.

Der Sammelband, der aus einer im Dezember 2018 an der Universität Leuven abgehaltenen Tagung hervorgegangen ist, fügt sich – wie die Herausgeber hervorheben – in einen Forschungstrend ein, der in den letzten Jahren angesichts einer sich rasant verändernden Diskurslandschaft an Intensität gewonnen habe: dem Interesse an der Funktion der Polemik für das intellektuelle Leben in der griechischen und römischen Antike. Die 15 Beiträge spüren teils den unterschiedlichen Ausdrucksformen polemischer Rede in antiken Kontroversen nach, teils untersuchen sie die Funktion der Polemik als Mittel intellektueller Netzwerkbildung. Das Spektrum der analysierten Texte erstreckt sich von der politischen Beredsamkeit über Traktate, Biographien, wissenschaftliche Kommentare bis hin zu Romanen sowie philosophischen Abhandlungen, Dialogen und Briefen. In den Auseinandersetzungen standen sich nicht nur Einzelpersonen mit ihren individuellen Interessen, sondern auch ganze Berufsgruppen, philosophische Lager und religiöse Schulen gegenüber.

Die vorgestellten Fallbeispiele zeigen ein facettenreiches Bild an Strategien von Polemik, deren definitorische Bandbreite die Herausgeber in der instruktiven Einleitung systematisch entfalten. Zwischen diskret artikulierter Skepsis – höflich in der Form, ausgleichend im Argument – und kämpferischer Vehemenz eröffnet sich ein Panorama der Polemik, das in philosophischen und religiösen Kontroversen – also dort, wo die Verteidigung von als wahr erkannten Einsichten gegen den vermeintlichen Irrtum anstand – zur höchsten Intensität gelangte. Ob auch willkürliche Verzeichnung gegnerischer Positionen oder gar freie Erfindungen als ein probates Mittel zur Durchsetzung der Wahrheit anzusehen seien, blieb indes umstritten. Subtiler als die klassischen Varianten der Polemik wirkt ihre indirekte Spielart, eine implizite Form der Auseinandersetzung, die Kritik mittels Einseitigkeit, Auslassung und forcierter Sachlichkeit vorträgt. Diese spezifische Art der Polemik, deren Nachweis stets methodisch herausfordernd bleiben wird, begegnet nicht nur in wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern gerade auch im biographischen Format.

Wo Polemik zur Bildung von „in-“ und „out-groups“ eingesetzt wurde, diente sie als Mittel kollektiver Identitätsbildung und intellektueller Selbstvergewisserung, zunächst im internen Ringen um Deutungshoheit innerhalb einzelner Philosophenschulen und im Wettbewerb zwischen konkurrierenden Schulen, später aber auch in weltanschaulichen Auseinandersetzungen zwischen Paganen und Christen.

Die Omnipräsenz von Polemik in der Antike sichtbar zu machen, diese Erwartung der Herausgeber löst der Sammelband souverän ein. Er demonstriert nicht nur die Vielfältigkeit polemischer Verfahren in den Kulturen des Altertums, sondern situiert sie auch jeweils in ihrem kulturgeschichtlichen Diskurszusammenhang. Die oftmals interdisziplinär angelegten Beiträge bestechen durchweg durch ihren hohen argumentativen Gehalt: am stärksten dort, wo sie sich konsequent an der vorgegebenen Fragestellung orientieren. Von Gepflogenheiten gegenwärtiger Diskurse, mit einem Hauch Pessimismus in der Einleitung skizziert, sticht – so ließe sich die Lektüre bilanzieren – die Antike im Kern kaum ab. Nicht die bloße Präsenz von Polemik, sondern ihre Praxis verdient folglich Interesse: als Strategie, als Habitus, als Stil. In dieser Perspektive erscheint die Geschichte der Polemik nicht als ein Verfallsprozess, sondern als ein fortdauerndes Ringen um adäquate Formen des Denkens, Argumentierens und Überzeugens.

Online erschienen: 2025-10-01

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