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Elias Buchetmann, Hegel and the Representative Constitution. Cambridge, Cambridge University Press 2023

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Published/Copyright: October 1, 2025
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Elias Buchetmann, Hegel and the Representative Constitution. 2023 Cambridge University Press Cambridge, 978-1-009-30596-9, € 105,95


Bei vorliegender Arbeit handelt es sich um eine an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Geschichtswissenschaft angesiedelten Dissertation, die konsequent das Ziel verfolgt, Hegel nicht als riesenhafte Überfigur des deutschen Idealismus zu rekonstruieren, sondern ihn vielmehr aus seinem Kontext heraus als „an active publicist“ (S. 9) in den verfassungstheoretischen Debatten der Zeit zu erfassen. Denn gerade „Hegel’s interaction with broader public debate“ sei in der Forschung „greatly neglected“ worden (S. 9). Um die konkrete „force of his ideas“ (S. 3) historisch wie gegenwärtig angemessen verstehen zu können, sei es indes dringend geboten, „to humanize this towering figure“ (S. 1). Anknüpfend an das methodische Instrumentarium der „Cambridge School“ um Quentin Skinner und John G. A. Pocock soll damit Hegel „against the backdrop of his own historical context” rekonstruiert und lesbar gemacht werden (S. 15).

Der Band konzentriert sich vornehmlich auf die theoretische Frage politischer Repräsentation im Kontext der Verfassungsdebatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – eine Frage, die für Hegel im Zentrum der Reflexion über den „modernen Staat“ nach der Französischen Revolution gestanden habe (S. 37). Dabei habe sein Fokus nicht nur Preußen gegolten; vielmehr nahm Hegel die Entwicklungen der deutschen Mittelstaaten und insbesondere Württembergs in den Blick, um das Verhältnis von Gesellschaft, Ständen und Fürst neu zu vermessen. Und für Hegel waren es gerade die (württembergischen, traditionell starken) Landstände, die mit ihrer Orientierung an den vorrevolutionären, altständischen Verhältnissen (noch) nicht verstanden hätten, dass die Zeit nach 1789 neuen Antworten bieten müsse (S. 37–46). Vor diesem Hintergrund fungiert der Verfassungskonflikt in Württemberg als empirische Basis für Hegels „organischen“ Verfassungsentwurf, der trotz seiner Akzeptanz des Neuen – für die Zeit alles andere als untypisch – das „Geworden-Sein“ der Dinge betont, und sich damit ostentativ von individualistischen, abstrakten und deduktiven Ansätzen distanziert, die man zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Französischen Revolution in Verbindung brachte (S. 52–66): keine Konstruktion top-down, kein contract social von ungebundenen Individuen; kein Mensch- bzw. Bürgersein ohne Staat, keine heterogene Vielheit, sondern Formung von Einheit durch den Monarchen unter Mitwirkung der Stände (S. 61–76).

Aufbauend auf diesen theoretischen Grundannahmen plädiert Hegel für ein Kooperations- und Konsensmodell von Monarch und Ständekammer, die sich repräsentationstheoretisch „organisch“ ergänzen und nicht als Gegenpole begreifen (S. 120–122, passim). Denn es ist die amorphe Masse einzelner Individuen und deren volatile Interessen, die der Einheit des Ganzen zuwiderliefen (S. 169 f.), und – zumindest potentiell – Unsicherheit und Anomie provozierten. Hegels korporative Lösung des Repräsentationsproblems sollte denn auch „contingency“ und „unpredictability“ reduzieren, die mit allgemeinen Wahlen verbunden seien (S. 176). Und so sei es die Verbindung von „alt“ und „neu“, von ständisch-organischem Korporatismus in grundsätzlich veränderten Zeiten, die Hegel von zeitgenössischen Autoren (etwa Adam Müller oder Friedrich Gentz) unterscheide (S. 177 f.).

Es kann vor diesem Hintergrund nicht überraschen, dass Hegel im Fazit sowohl als „a deeply original thinker“ als auch „very much a child of his time“ (S. 211) präsentiert wird. Der Fokus in vorliegender, inhaltlicher wie methodischer lohnender Arbeit liegt mithin darauf, den deutschen Philosophietitanen als Teil eines öffentlichen Diskurses über praktische Fragen von Verfassung und Repräsentation und damit als Antwort auf die durch die Französische Revolution, die Auflösung des Alten Reichs und das Ende der Ära Napoleons auf die Tagesordnung gesetzten Probleme zu profilieren (S. 208–211). In der Tat scheint es nicht nur mit Blick auf diese fundamentale Umbruchszeit zentral, (wieder) an die „indispensability of context“ (S. 210) zu erinnern. Der Band liefert dazu einen wichtigen Beitrag und eine wichtige Anregung.

Online erschienen: 2025-10-01

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  20. David M. Pritchard (Ed.), The Athenian Funeral Oration. After Nicole Loraux. Cambridge, Cambridge University Press 2024
  21. Giovanni Parmeggiani, Ephorus of Cyme and Greek Historiography. Cambridge, Cambridge University Press 2023
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  24. Selen Kılıç Aslan, Lycian Families in the Hellenistic and Roman Periods. A Regional Study of Inscriptions: towards a Social and Legal Framework. Leiden, Brill 2023
  25. Frederik Juliaan Vervaet, Reform, Revolution, Reaction. A Short History of Rome from the Origins of the Social War to the Dictatorship of Sulla. Zaragoza, Universidad de Zaragoza 2023
  26. Thomas Blank, Religiöse Geheimniskommunikation in der Mittleren und Späten Römischen Republik. Separatheit, gesellschaftliche Öffentlichkeit und zivisches Ordnungshandeln. Stuttgart, Steiner 2024
  27. Giulia Vettori, Bonae matronae e bona matronarum: donne e capacità patrimoniale tra Repubblica e Principato. Bari, Edipuglia 2022
  28. Jan-Markus Kötter, Hannibal. Roms größter Feind. München, C. H. Beck 2024
  29. Peter Scholz, Lucullus. Herrschen und Genießen in der späten römischen Republik. Stuttgart, Klett-Cotta 2024
  30. James B. Rives, Animal Sacrifice in the Roman Empire (31 BCE – 395 CE). Power, Communication, and Cultural Transformation. Oxford, Oxford University Press 2024
  31. R. R. R. Smith / Christian Niederhuber, Commodus. The Public Image of a Roman Emperor. Wiesbaden, Reichert Verlag 2023
  32. Averil Cameron, Transitions. A Historians Memoir. Turnhout , Brepols 2024
  33. Stefan Esders / Massimiliano Bassetti / Wolfgang Haubrichs (Hrsg.), Verwaltete Treue. Ein Verzeichnis vereidigter Personen aus dem Norden des „regnum Italiae“ zur Zeit Ludwigs II. Berlin/Boston, De Gruyter 2024
  34. Matthew Gabriele, Between Prophecy and Apocalypse. The Burden of Sacred Time and the Making of History in Early Medieval Europe. Oxford, Oxford University Press 2024
  35. Janel M. Fontaine, Slave Trading in the Early Middle Ages. Long-Distance Connections in Northern and East Central Europe. Manchester, Manchester University Press 2025
  36. David Bates / Julie Barrau (Eds.), Lives, Identities and Histories in the Central Middle Ages. Cambridge, Cambridge University Press 2021
  37. Christoph Waldecker (Bearb.), Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Erzbistum Mainz 3: Die Mainzer Erzbischöfe von 1089 bis 1200. Herausgegeben von Jasmin Hoven, Bärbel Kröger, Nathalie Kruppa und Christian Popp. (Germania Sacra. Die Kirche des Alten Reiches und ihre Institutionen. Dritte Folge, Bd. 23.) Berlin/Boston, De Gruyter 2024
  38. Sini Kangas, War and Violence in the Western Sources for the First Crusade. (History of Warfare, Vol. 143.) Leiden, Brill 2024
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  42. Thomas Steinfeld, Goethe. Porträt eines Lebens, Bild einer Zeit. Reinbek, Rowohlt 2024
  43. Britt Schlünz, Pastoral und Politik. Katholische Frömmigkeit im Spanien des 19. Jahrhunderts. (Schriftenreihe „Religion und Moderne“, Bd. 29.) Frankfurt am Main, Campus 2024
  44. Konstantina Zanou, Transnational Patriotism in the Mediterranean, 1800–1850. Stammering the Nation. Oxford, Oxford University Press 2023
  45. Elias Buchetmann, Hegel and the Representative Constitution. Cambridge, Cambridge University Press 2023
  46. Jonas Schuster, Karl Theodor von Heigel (1842–1915). Geschichtswissenschaft in Bayern zwischen Politik und Öffentlichkeit. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der wissenschaften, Bd. 113.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2024
  47. Ute Frevert, Verfassungsgefühle. Die Deutschen und ihre Staatsgrundgesetze. Göttingen, Wallstein 2024
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  52. Roger Chickering, The German Empire, 1871–1918. Cambridge, Cambridge University Press 2024
  53. Benjamin Ziemann, Gesellschaft ohne Zentrum. Deutschland in der differenzierten Moderne. Ditzingen, Reclam 2024
  54. Benoit Vaillot, L’invention d’une frontière. Entre France et Allemagne, 1871–1914. Paris, CNRS Éditions 2023
  55. Christine Bold, „Vaudeville Indians“ on Global Circuits, 1880s–1930s. (The Henry Roe Cloud Series on American Indians and Modernity.) London, Yale University Press 2022
  56. Cornelia Jöchner / Christin Nezik / Gáspár Salamon u. a., Museale Architekturdörfer 1880–1930. (Das Eigene in transnationalen Verflechtungen. Visuelle Geschichtskultur Bd. 21.) Dresden, Sandstein 2023
  57. Sybille Bauer / Juliane Egerer, Vom Schüler einer christlichen Kolonialschule zum Wotansverehrer. Deutsche Kolonialgeschichte im schriftlichen Nachlass von Wilhelm L. G. Elmenhorst. Göttingen, Wallstein 2023
  58. Laura Carter, Histories of Everyday Life. The Making of Popular Social History in Britain, 1918–1979. Oxford, Oxford University Press 2024
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  61. Michael Thöndl, Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, die „Paneuropa-Union“ und der Faschismus 1923–1944. Leipzig, Leipziger Universitätsverlag 2024
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  66. Robert Gildea, Backbone of the Nation. Mining Communities and the Great Strike of 1984–85. London, Yale University Press 2023
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  68. Eingegangene Bücher
  69. Eingegangene Bücher
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