Sini Kangas, War and Violence in the Western Sources for the First Crusade. (History of Warfare, Vol. 143.) Leiden, Brill 2024

Tim Weitzel

doi:10.1515/hzhz-2025-1261

40% Rabatt

auf Fachbücher bei De Gruyter Brill *

Artikel Open Access

Sini Kangas, War and Violence in the Western Sources for the First Crusade. (History of Warfare, Vol. 143.) Leiden, Brill 2024

Tim Weitzel

Veröffentlicht/Copyright: 1. Oktober 2025

Veröffentlicht von

Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Informationen für Autor*innen Erkunden Sie dieses Fachgebiet

Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 2

Rezensierte Publikation:

Sini Kangas, War and Violence in the Western Sources for the First Crusade. History of Warfare, Vol. 143. 2024 Brill Leiden, 978-90-04-69033-2, € 169,95

Wie umgehen mit der massiven Gewalt in der Geschichte der Kreuzzüge? Diese drängende Frage treibt die Kreuzzugsforschung bereits seit Dekaden um. Die Antworten haben sich im Laufe der Zeit verblüffend, ja zuweilen diametral gewandelt. In diesen Diskurs hat sich nun auch die finnische Historikerin Sini Kangas mit ihrer jüngsten Monographie eingeschrieben. Der Autorin geht es dabei um die Verbindung bzw. den „link“ zwischen Gewalt, Glauben und Kreuzzug: „Modern research admits a connection between Christian belief, outbursts of violence, and high medieval crusading, but what exactly were the structures and schemes that formulated the link between theory, faith, convention, and act?“ (S. 1.) Um diese Frage zu beantworten, untersucht die Historikerin in drei größeren Abschnitten jeweils einen spezifischen Aspekt des Phänomes, wofür sie jeweils unterschiedliche Quellengattungen heranzieht. Im ersten Teil, der als „Canonical Theory“ betitelt ist, werden, wie bereits der Name verrät, kanonische und kanonistische Normtexte in den Blick genommen, um die Perspektive der Kirchenrechtler auf den Untersuchungsgegenstand zu dechiffrieren. Der zweite Teil („Military Tradition“) nimmt sich hingegen der Sichtweise der laikalen Hierarchie an, wofür Kangas weltliche Rechtstexte, Kreuzzugschroniken und Chansons de geste in den Blickpunkt rückt. Im dritten Teil geht es hingegen um die Sichtweisen breiterer Bevölkerungsschichten, was unter dem Titel „Crusader Belief“ untersucht wird. Mit diesen drei Teilen ist zugleich die Gliederungssystematik der Arbeit umrissen, die durchaus überzeugt – auch wenn sich die drei analytischen Ebenen in der Empirie nicht immer trennscharf voneinander unterscheiden lassen. Obgleich der Aufbau des Bandes insgesamt einleuchtet, gilt es im Folgenden jedoch auch deutliche Kritik an Kangas’ Studie zu üben.

Zunächst fällt auf, dass die Autorin einige neuere quellenkritische Erkenntnisse zu ihrem Quellencorpus unberücksichtigt lässt. So hat sie etwa die wichtige Studie von Thomas J. H. McCarthy von 2018 übersehen, was den Effekt hat, dass sie weiterhin Ekkehard von Aura als Autoren eines der frühesten Kreuzzugsberichte hält, was nun aber nicht mehr tragbar ist. Diese bibliographische Leerstelle will man Kangas jedoch angesichts der unüberblickbaren Fülle an Literatur zu ihrer Thematik nicht nachtragen. Schwerwiegender sind hingegen andere bibliographische Lücken, weil diese Kangas’ Forschungsgegenstand im Kern betreffen. Beispielweise hat sie die wegweisende Studie des Kirchenrechtlers und Historikers John T. Gilchrist aus dem Jahr 1985 übersehen, worin dieser die Bedeutung der in der Kreuzzugsforschung bis dahin überbewerteten augustinischen bellum-iustum-Lehre für die Kreuzzüge dekonstruiert, ja als „red herring“ der Forschung entlarvt hat. Denn in kaum einer Kreuzzugschronik, die ja auch das primäre Quellencorpus von Kangas’ Studie bilden, wird explizit Bezug auf die augustinische Kriegslehre genommen, um den Kreuzzug zu rechtfertigen, ebenso wenig wie die Kreuzzüge den Kanonisten der Zeit als Musterbeispiele eines bellum iustum dienen, weshalb auch die These der Autorin zweifelhaft ist, dass „[i]n the medieval context, crusade was understood as a narrow case of Christian holy war, whereas holy war was an extension of just war“ (S. 110). Zudem ist an dem Zitat der unreflektierte Umgang mit dem Label „Heiliger Krieg“ bzw. „Christian holy war“ problematisch, gibt es doch mittlerweile eine ganze Reihe von Studien, die diesbezüglich zur Vorsicht mahnen, unter anderem aus der Feder des Rezensenten, welche am nämlichen Ort wie diese Besprechung publiziert wurde (HZ 311/2, 2020, 321–350).

Der negative Eindruck des Buchs wird auch durch dessen Schluss bestärkt. Denn die Studie weist zwar drei Zwischenfazits und ein Nachwort auf, jedoch werden die jeweiligen Zwischenergebnisse am Ende nicht zusammengeführt – was den Leser etwas ratlos hinsichtlich des Zusammenhangs der drei analytischen Ebenen lässt. Der Rezensent klappt das über 400 Seiten lange Buch also etwas enttäuscht zu.

Online erschienen: 2025-10-01

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

Artikel in diesem Heft

https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1261

Creative Commons

BY 4.0