Averil Cameron, Transitions. A Historians Memoir. Turnhout , Brepols 2024

Hartmut Leppin

doi:10.1515/hzhz-2025-1255

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Averil Cameron, Transitions. A Historians Memoir. Turnhout , Brepols 2024

Hartmut Leppin

Veröffentlicht/Copyright: 1. Oktober 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 2

Rezensierte Publikation:

Averil Cameron, Transitions. A Historians Memoir. 2024 Brepols Publishers Turnhout, 978-2-503-61298-0, € 129,95

Averil Cameron gehört zum Kreis jener, die die Spätantikeforschung seit den sechziger Jahren erneuert, ihre räumlichen wie zeitlichen Horizonte erweitert und die Vielfalt der Epoche herausgearbeitet haben. Nach ihrem Lehrer und Mitstreiter Peter Brown legt nun auch sie ihre (deutlich weniger umfangreichen) Erinnerungen vor. Einiges ist schon aus ihrem autobiografischen Artikel „An Accidental Scholar“ (Catholic Historical Review 107, 2011, 2–27) bekannt. Averil Cameron stammte aus einem Arbeitermilieu, doch die Mutter engagierte sich für die intellektuelle Entwicklung der einzigen Tochter, deren Begabung auch an der Schule erkannt wurde, so dass sie schon früh alte Sprachen und das Klavierspiel lernte. Es war ihr nicht in die Wiege gelegt, aber doch folgerichtig, dass sie 1958 nach Oxford ging (es hätte auch Cambridge sein können), dort mit Glanz studierte, im Studium zudem viele spätere Angehörige der britischen Elite kennenlernte. Dort traf sie auch Alan Cameron, den sie nach Glasgow begleitete, wo sie die Gelegenheit erhielt, ihre Dissertation über Agathias zu verfassen, die sie später aus äußeren Gründen am University College London einreichte, wo Arnaldo Momigliano – eine für ihre intellektuelle und berufliche Entwicklung prägende Gestalt – sie unterstützte. Peter Brown war ihr zweiter Prüfer. Am King’s College London erhielt sie 1965 eine erste Stelle für Classics und stieg dort auf, bis zur Professorin für Spätantike und Byzanz – die Anerkennung als Byzantinistin war ihr stets wichtig. Immer ausgeprägter wurde freilich ihr Profil als Historikerin. 1994 kehrte sie nach Oxford zurück, wo sie als Warden des Keble Colleges wirkte.

Staunenswert ist die Vielfalt der Aufgaben, die Cameron auszufüllen vermochte. Sie wirkte als Zeitschriftenherausgeberin und Wissenschaftsorganisatorin, leitete überdies zahlreiche Gremien in der British Academy, der Church of England und anderswo. An Keble College musste sie sich ebenso um die Orgel wie um den Garten, um die Qualität des Essens wie um den akademischen und sportlichen Leistungsstand ihrer Collegestudierenden kümmern, sie musste die Entwicklung der Immobilien genauso im Blick haben wie die Rolle der Theologie, zudem zahlreiche Verpflichtungen als Rednerin und Gastgeberin in Oxford wie außerhalb wahrnehmen, zunehmend sich auch im Fundraising engagieren – das Ganze in einer Gruppe von Fellows, von denen nicht wenige sie mit Misstrauen und Missgunst sahen.

Dass sie sich auch für die „collegiate university“ engagierte, versteht sich. Nüchtern beschreibt sie den Wandel Oxfords mit der wachsenden Bedeutung von Studiengebühren und der stärkeren Rolle messbarer Forschung, auch in Projektform, die alten Idealen des Fellowdaseins widersprachen.

Ein Schlüsselthema ist ihre Rolle als Frau: Oft war sie in Institutionen eine von wenigen Frauen, nicht selten die einzige. Sie musste sich in Princeton sagen lassen, dass ihr Kleid zu kurz sei, vor allem aber erfuhr sie als Frau etliche Zurücksetzungen und stand stets unter dem Druck zu zeigen, dass sie in der Lage war, ihre vielfältigen Aufgaben zu erfüllen. Schon vor ihrer Scheidung war sie faktisch alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Sie bedauert, ihre Rolle als Frau nicht gründlicher reflektiert zu haben, so dass sie weniger als erforderlich zu strukturellen Veränderungen beigetragen habe. Ihre Bedeutung als Rollenmodell für jüngere Forscherinnen kann indes kaum überschätzt werden.

Das Buch ist auch ein Sittenbild der Universität: Mit wenigen Strichen vermittelt Cameron, der man gewiss keine Konfliktscheu nachsagen kann, Charakterisierungen von zahlreichen namentlich genannten Personen, die bisweilen recht scharf ausfallen und menschliche Schwächen ins Licht setzen – manch einer wird das Fehlen eines Personenregisters, das sicherlich gerne und hämisch genutzt würde, bedauern. Die Feindschaften, die etwa ihre Herausgebertätigkeit beim Journal of Roman Studies ihr eingetragen hat, geben auch einen Eindruck von der Bedürftigkeit selbst eminenter Gelehrter.

Mit Wärme redet die Autorin von ihren Kindern. In honoriger Weise spricht sie über ihren Ex-Mann Alan Cameron. Sie betont, wie viel sie von ihm gelernt hat – nicht zuletzt den Weg in die Spätantike verdankt sie Alan. Sie verschweigt aber auch nicht die Verletzungen, die sie von ihm erfuhr. Gelegentlich beeindrucken genaue Beobachtung, so die Dauer der Badbenutzung als Indiz der Klassenzugehörigkeit während ihrer studentischen Collegejahre. Gleichwohl sind die Memoiren kein Buch des evokativen Stils oder der raffinierten narrativen Strategie, sondern eines der dichten Information (bis hin zu Wohnungsadressen und Hotels, in denen Cameron unterkam) und analytischen Präzision, auch der Bereitschaft, Niederlagen, etwa bei der Abschaffung von Classics an Keble College, einzugestehen; dass ein Buch zu Byzanz ungeschrieben blieb, verheimlicht die Autorin ebenso wenig. Sie will ein ungeschminktes Bild von Oxford bieten, und das gelingt ihr.

Man erfährt einiges über verschiedene Richtungen der britischen Althistorie vor allem in den siebziger und achtziger Jahren. Oft hätte der althistorische Leser sich indes eine stärkere Kontextualisierung ihrer Forschung gewünscht. Hier bleibt es häufig bei Andeutungen, zum Teil erlauben Namen wie jener Arnaldo Momiglianos Rückschlüsse. Deutlich wird, wie stark Cameron durch Reisen zu Ausgrabungsstätten angeregt wurde.

Insgesamt bedient das Buch nicht so sehr spezifisch althistorische und byzantinistische Interessen, sondern stellt vor allem in den detaillierten Kapiteln zu Keble College eine herausragende Quelle zur britischen Universitätsgeschichte der letzten Jahrzehnte dar. Camerons Memoiren sind zudem ein eindringliches Zeugnis dafür, was es bedeutete, als eine Frau in den akademischen Strukturen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu wirken, und der Leser kann nur darüber staunen, was Averil Cameron, die alleinerziehende Mutter, die energische Organisatorin, die brillante Forscherin geleistet hat.

Online erschienen: 2025-10-01

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