Susanne Friedrich / Jana Mangold / Susanne Rau (Hrsg.), Wandlungen des Sammelns. Praktiken, Wissen, Anordnungen. Bielefeld, Transcript 2024

Elizabeth Harding

doi:10.1515/hzhz-2025-1238

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Susanne Friedrich / Jana Mangold / Susanne Rau (Hrsg.), Wandlungen des Sammelns. Praktiken, Wissen, Anordnungen. Bielefeld, Transcript 2024

Elizabeth Harding

Veröffentlicht/Copyright: 1. Oktober 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 321 Heft 2

Rezensierte Publikation:

Susanne Friedrich, Wandlungen des Sammelns. Praktiken, Wissen, Anordnungen. 2024 Transcript Verlag Bielefeld, 978-3-8376-3960-5, € 39,–

Wenn ein Forschungsthema Gegenstand eines Readers wird, spricht das für eine gewisse Verankerung im Fach. In der Tat hat sich die historische Sammlungsforschung in den letzten Jahren als dynamisches Feld mit entsprechenden Studiengängen und Forschungsverbünden etablieren können. Diese Entwicklung kann mit der Bedeutung erklärt werden, die man der Kulturgeschichte des Sammelns für das Erzählen und die Erfahrbarmachung von Vergangenheit zuweist. Ein Forschungsthema ist es auch deshalb geworden, weil es einen Zugang zu vergangenen Wissensordnungen bietet. Dadurch gerieten nach den schriftlichen Zeugnissen zu den Sammlungen und den eigentlichen Artefakten in jüngerer Zeit zudem die verwahrenden Regale, Schränke und andere Behältnisse in den Blick.

Reader sind üblicherweise Anthologien von Grundlagentexten zu Inhalten und Methoden, zusammengeführt insbesondere als Lehr- und Lernmaterial für Studierende. Der zu besprechende kulturwissenschaftliche Reader hat aber noch mehr im Sinn. Anliegen und Struktur des Werks, entstanden in Erfurt im Rahmen entsprechender Projekte, werden in der Einleitung erläutert: Das Buch besteht aus sieben Hauptkapiteln, die sich aus sammlungsgeschichtlicher Perspektive unter anderem dem Raum, der Bewertung und der Ordnung der Dinge sowie der Öffentlichkeit widmen. Den Kern jedes Abschnitts machen einander gegenübergestellte Textpaare von einerseits als Referenztexte bezeichnete, für den Band wiederabgedruckte Publikationen und andererseits ihnen jeweils beigestellte Kurzbeiträge aus. Von den bereits veröffentlichten Referenztexten stammen zwei der 21 Texte aus der Frühneuzeit, ansonsten sind eine ganze Reihe der Texte erst in den letzten Jahren entstanden. Vertreten sind etwa Theoretiker wie B. Latour und G. Korff, aus den historischen Fächern sind unter anderem Beiträge von A. Blair und A. te Heesen inkludiert. Die ihnen beigestellten Aufsätze sind dagegen exemplarischer Natur und thematisieren konkrete Sammlungsfälle oder -medien. Ziel dieses Formats von „Vorlage und Anwendung“ (S. 13) sei es, die Möglichkeit des sammlungshistorischen Arbeitens aufzuzeigen und eine Orientierung in die unterschiedlichen Teilbereiche zu geben. Kurze Einleitungen zu den Hauptkapiteln verfasst überwiegend von den Herausgeberinnen verstehen sich als ein Einstieg ins jeweilige Thema und arbeiten Verbindungen zwischen den Beiträgen heraus.

Die ältere Forschung hat in den Sammlungen vor allem Entitäten gesehen, wie die Beschäftigung mit Makro- und Mikrokosmos-Relationen hinsichtlich frühneuzeitlicher Kunst- und Wunderkammern bezeugt. Ebenso standen in Bezug auf moderne (öffentliche) Schausammlungen, den „Ewigkeitsorten“ (S. Rehberg), die Auratisierung des Musealen und die den Dingen entgegengebrachten Verwahrungsversprechen im Vordergrund. Dagegen geht es diesem Band aus praxeologischer Sicht um das eigentliche Zusammenführen – und die Trennung der Dinge. Diese Sammlungspraktiken werden, wie die Einleitung erläutert, als eine Kulturtechnik gefasst, die analytisch in Aufsammeln, Ansammeln und Sortieren zu unterteilen sei. Man kann darüber streiten, ob sämtliche Praktiken rund ums Sammeln, also auch das Aufsammeln, eine besondere, kulturelle Fertigkeit des Menschen sind. Als roter, innovativer Faden zieht sich indes durch das Buch die multiperspektivische Thematisierung des Dynamischen einer Sammlung, geformt durch die jeweiligen Mensch-Ding-Interaktionen. Vor diesem Hintergrund werden klassische Unterscheidungen zwischen Hoch- und Populärkultur ebenso wie zwischen Artefakt und Alltagsgegenstand verworfen bzw. wird ein Perspektivwechsel eingefordert hin zur Historisierung solcher Hierarchisierungen und zur Frage nach den Deutungen und Nutzbarmachungen.

Auch die Gegenüberstellung von Texten macht das Werk zu einem innovativen Projekt: Etwa erweitert Dominic Olariu die institutionengeschichtlich angelegte Analyse der naturgeschichtlichen Wissensproduktion der Frühneuzeit von Paula Findlen (2006) um die wenig thematisierten Pflanzenzeichnungen des 16. Jahrhunderts und die Netzwerke, in denen diese zirkulierten. Patrick Rössler nutzt das Werk „Bereicherung“ von Luc Boltanski und Arnaud Esquerre (2017), um die Besonderheiten des modernen Sammlermarkts der Filmpublizistik herauszuarbeiten. Besonders hervorzuheben ist der stärker diskursiv angelegte Beitrag von Sandra Neugärtner, der in der Auseinandersetzung mit Gottfried Korffs Überlegungen zur Speicherfunktion von Museen (2000) den Blick schärft für die veränderten Machtverhältnisse durch das Digitale, etwa in Bezug auf Diskriminierung.

Bei alledem bleiben aber diejenigen, die sich neu in dem Feld bewegen, leicht auf der Strecke. Wenig erfährt man über den (Forschungs-)Kontext, in dem die Beiträge entstanden sind bzw. auf den sie sich beziehen, editorische Einführungen und Kommentierungen fehlen. Und bisweilen schlagen auch die Aufsätze, die den seminalen Referenztexten beigestellten sind, alternative Pfade ein: Die (pseudo-)satirische Referenzschrift von Leibniz von 1675 zur Gründung eines (Wissens-)Theaters, das durch curiositas soziale Vergesellschaftung vorantreiben könne, würde man ohne entsprechende Erläuterungen sicherlich nicht bedenkenlos Studierenden der sammlungsbezogenen Fächer zur Lektüre empfehlen. Der dazugehörige Aufsatz von Wolfgang Struck, der die Referenzschrift als Ausdruck einer Praxis des „Brainstorming“ (S. 36) am Übergang zur Moderne deutet, ist Diskussionsstoff, aber eher für andere Zielgruppen.

Kurzum: Der Reader stellt eine breite Themenpalette vor, ist durch die diskursive Anlage viel mehr als nur ein Hilfsmittel oder ein Steinbruch für das Fach und liest sich so mit Gewinn. Durch die vielen Brücken, die das Werk zu schlagen sucht, ist er indes nur mit Vorbehalt jenen zu empfehlen, die eine Orientierung im Feld suchen.

Online erschienen: 2025-10-01

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