Sybille Bauer / Juliane Egerer, Vom Schüler einer christlichen Kolonialschule zum Wotansverehrer. Deutsche Kolonialgeschichte im schriftlichen Nachlass von Wilhelm L. G. Elmenhorst. Göttingen, Wallstein 2023

Andreas Greiner

doi:10.1515/hzhz-2025-1280

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Sybille Bauer / Juliane Egerer, Vom Schüler einer christlichen Kolonialschule zum Wotansverehrer. Deutsche Kolonialgeschichte im schriftlichen Nachlass von Wilhelm L. G. Elmenhorst. Göttingen, Wallstein 2023

Andreas Greiner

Published/Copyright: October 1, 2025

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From the journal Historische Zeitschrift Volume 321 Issue 2

Rezensierte Publikation:

Sybille Bauer, Vom Schüler einer christlichen Kolonialschule zum Wotansverehrer. Deutsche Kolonialgeschichte im schriftlichen Nachlass von Wilhelm L. G. Elmenhorst. 2023 Wallstein-Verlag GmbH Göttingen, 978-3-8353-5481-4, € 34,–

Die Grundlage dieses Buches bildet der Nachlass von Wilhelm Elmenhorst (1890–1964). Sein Lebensweg als Farmer, Unternehmer und Amateurschriftsteller zog sich durch verschiedene politische Systeme: vom Hamburg des Kaiserreichs über Namibia unter deutscher und südafrikanischer Herrschaft, die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis in die frühe Bundesrepublik. Minutiös werten die beiden Autorinnen Elmenhorsts weitgehend unveröffentlichte Ego-Dokumente aus und verorten seine Lebens- und Gedankenwelt systematisch in der breiteren deutschen Geschichte.

Kapitel 2 zeichnet die Kolonialbegeisterung im Kaiserreich nach, Kapitel 3 Elmenhorsts Ausbildung an der Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen. 1911 kommt er in die vom Genozid an den Herero und Nama gezeichnete Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Anhand von in Notizbüchern festgehaltenen Gedichten sowie eines Aufsatzmanuskripts liefert Kapitel 4 eine Innenansicht seines positiven Blicks auf die koloniale Herrschaft.

Leider setzen sich Bauer und Egerer nicht eingehender mit Elmenhorsts Tätigkeit in Namibia auseinander. Dabei böte doch die Biographie – das kurz erwähnte „mehrfache Scheitern als Kolonialfarmer“ (S. 19) – ausreichend Anlass, mikrohistorisch das Wirken kolonialer Strukturen vor Ort und insbesondere deren Rückwirkungen auf die Kolonisierer selbst zu untersuchen: Welchen Umgang pflegte er in Namibia – mit Afrikanern einerseits und Europäern andererseits? Wie beeinflussten Elmenhorsts familiäre Wurzeln in den Handelshäusern O’Swald und Woermann seine Handlungsspielräume und Netzwerke vor Ort? Wie fügte er sich in das soziale Leben der deutschen Siedler? Es ist bedauerlich, dass die Autorinnen die einschlägigen Bundesarchivbestände R 1001 und R 151 anscheinend nicht herangezogen haben, um etwa mittels der Akten der zuständigen Verwaltungsbezirke zumindest Hinweise auf diese Fragen zu liefern.

Stattdessen bewegt sich die Studie auf der Ebene der individuellen Weltanschauung. Auch nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg blieb Elmenhorst in Namibia. Die von den Autorinnen in Kapitel 5 nachgezeichnete Radikalisierung seiner Sprache zwischen 1915 und 1923 verdeutlicht, wie die empfundenen Demütigungen – der Verlust der Kolonien, der Versailler Vertrag und die Rheinlandbesetzung – in einer Ablehnung der Weimarer Republik mündeten. Kapitel 6, der stärkste Abschnitt der Studie, analysiert Elmenhorsts eskapistisch anmutende Hinwendung zur nordischen Mythologie. Seine unveröffentlichte Fassung der Mythensammlung Edda liefert „eindrückliche Belege für eine identitätskonstruierende, kolonialrevisionistische Instrumentalisierung nordischer Mythologie“ (S. 135). So wird Elmenhorst überzeugend als „germanischer Kolonisator“ (S. 182) charakterisiert.

In Kapitel 7 widmen sich die Autorinnen Elmenhorsts wissenschaftlicher Tätigkeit. Besonders aufschlussreich ist dabei ihre Darstellung seines wissenschaftlichen Selbstverständnisses. So bezeichnete er sich als „Farmer und Forscher“ (S. 192) und brachte sich durch Netzwerkbildung in eine entsprechende Position: Ohne Abitur verfasste er 1926 an der Universität Hamburg eine auf eigenen Beobachtungen basierende Dissertation über die Lebensgewohnheiten der Herero. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1924 trat er 1933 der NSDAP bei. Während des Zweiten Weltkriegs, das zeigt Kapitel 8, betrieb er eine chemische Fabrik im polnischen Bielsko-Biała, wo er auch Zwangsarbeiter einsetzte.

Der wesentliche Gewinn der Studie liegt in der von den Autorinnen aufgezeigten Verbindung zwischen Kolonialrevisionismus und Germanenbegeisterung, die weiterführende Forschung verdient. Über den Kolonialismus in Deutsch-Südwestafrika liefern sie dagegen wenig Neues. Damit spricht die Studie zwar weniger ein Fachpublikum an, kann aber dennoch einen Mehrwert für eine interessierte Öffentlichkeit bieten, die ausgehend von Elmenhorsts Lebensstationen und Selbstzeugnissen einen Zugang zu den Ereignissen und Diskursen der deutschen Kolonialgeschichte erhält.

Online erschienen: 2025-10-01

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