Jacob Tovy, Israel and the Question of Reparations from Germany. Post-Holocaust Reckonings (1949–1953). Berlin/Boston, De Gruyter 2023

Constantin Goschler

doi:10.1515/hzhz-2025-1044

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Jacob Tovy, Israel and the Question of Reparations from Germany. Post-Holocaust Reckonings (1949–1953). Berlin/Boston, De Gruyter 2023

Constantin Goschler

Veröffentlicht/Copyright: 1. Februar 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 1

Rezensierte Publikation:

Jacob Tovy, Israel and the Question of Reparations from Germany. Post-Holocaust Reckonings (1949–1953). 2023 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston, 9783110995794, € 94,95 / open access

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat sich das Recht des Siegers auf Kriegskontributionen schrittweise in ein moralisch aufgeladenes Recht auf Reparationen verwandelt. In dieser Geschichte spielen die Reparationsvereinbarungen, welche die Bundesrepublik 1952 mit dem Staat Israel und der Jewish Conference on Material Claims in Wassenaar aushandelte und in Luxemburg unterzeichnete, eine besondere Rolle. Denn hier wurden in Anerkennung der nationalsozialistischen Judenverfolgung materielle und finanzielle Leistungen an einen Staat geleistet, der während des Zweiten Weltkriegs noch gar nicht existiert hatte. Zudem wurde als Stellvertretung der jüdischen Diaspora eine Nichtregierungsorganisation als Vertragspartner anerkannt.

Die Geschichte dieser Abkommen ist bereits mehrfach erzählt worden, wobei meist der Schwerpunkt auf der Perspektive einer der drei Hauptakteure – Israel, die Claims Conference und die Bundesrepublik – liegt, während die DDR in diesem Zusammenhang meist nur eine Nebenrolle spielt. Auffällig ist auch die Konstanz der Fragestellungen, die den zeitgenössischen Problemhorizont meist nur wenig überschreitet: Immer wieder geht es um die Frage, ob nun die Bundesrepublik aus freien Stücken und getrieben von den moralischen Erwägungen des Bundeskanzlers Konrad Adenauer in dieses Abkommen eingewilligt habe oder ob nicht eher (unter mehr oder weniger großem Druck der westlichen Alliierten) ein deutsch-israelisches Tauschgeschäft – moralische Rehabilitierung der Bundesrepublik gegen wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Israel – stattgefunden habe.

Zu dieser Auseinandersetzung bietet nun Jacob Tovy einen bemerkenswert unaufgeregten Beitrag, der den Schwerpunkt auf die israelische Perspektive legt. In einer eher traditionellen politikhistorischen Herangehensweise unterteilt er den diplomatischen Prozess der Jahre von 1949 bis 1953 in zwölf chronologisch geordnete Kapitel und schildert detailliert den durchgehend schwierigen Weg von der Kontaktaufnahme über die diplomatische Anbahnung direkter Gespräche und Verhandlungen im niederländischen Wassenaar bis hin zur Ratifizierung des Luxemburger Abkommens in Israel und der Bundesrepublik.

Die angenehme Nüchternheit der Darstellung, die sich insbesondere auf umfangreich ausgewertete israelische Archive stützt, wird allerdings ein Stück weit damit erkauft, dass der Verfasser äußerst thesenarm auftritt. Im Ergebnis verändert dieses Buch das bestehende Bild nicht grundsätzlich, sondern bietet vor allem punktuelle Ergänzungen. Mit Blick auf Israel wird dabei besonders das bekannte Argument nochmals bekräftigt, dass die katastrophale ökonomische Krise des nach dem Krieg mit den arabischen Nachbarn 1948 vor dem Kollaps stehenden Staates die Bereitschaft, ja die Notwendigkeit innenpolitisch höchst umstrittenen Verhandlungen mit der Bundesrepublik über die Reparationsfrage erzwang.

Neue Facetten betreffen insbesondere die Darstellung des komplizierten Verhältnisses zwischen Israel und der Claims Conference. Tovy betont die der israelischen Reparationspolitik zugrunde liegende „palästinazentrische“, zionistische Sichtweise, welche der Diaspora und den individuellen jüdischen Opfern eine nachrangige Rolle zuwies, was die Claims Conference schließlich nicht ohne Widerstände akzeptiert habe. Einiges Neues bietet dieses Buch auch zur Krise der Wassenaar-Verhandlungen, nachdem Bonn diese mit den Ergebnissen der parallel stattfindenden Londoner Schuldenkonferenz verklammern wollte, wogegen Jerusalem heftig protestierte. Der Autor zeigt, dass die israelische Regierung jedoch die Verhandlungen nicht scheitern lassen konnte, da dies unweigerlich zu ihrem Zusammenbruch geführt hätte. Die Devise „Failure is not an option“ ließe sich in gleicher Weise auch auf die Politik Adenauers beziehen, der den einmal eingeschlagenen Weg zu Verhandlungen vermutlich nur unter großen außenpolitischen Kosten hätte wieder verlassen können. Jacob Tovy bietet damit vor allem wichtige Bausteine zu einer vollständigeren Erklärung, warum trotz enormer innenpolitischer Widerstände, die in beiden Ländern im Ratifizierungsprozess noch einmal kulminierten, weder die Bundesrepublik noch Israel die Verhandlungen scheitern lassen konnten.

Wer also ein thesenstarkes Buch zum deutsch-israelischen Verhältnis oder gar Munition für aktuelle Debatten zur deutschen Israelpolitik sucht, muss dieses Buch nicht zwingend in die Hand nehmen. Wer jedoch daran interessiert ist, sich eine ausgewogene und umfassende Darstellung eines trotz zahlreicher Unwahrscheinlichkeiten und Widerstände letztlich erfolgreichen Prozesses der Aushandlung von Reparationen für ein so monumentales Verbrechen wie die nationalsozialistische Judenverfolgung zu lesen, dem sei dieses Buch sehr empfohlen.

Online erschienen: 2025-02-01

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https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1044

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