Manja Quakatz, Osmanische Kriegsgefangene im Römisch-deutschen Reich im 17. und 18. Jahrhundert. Leipzig, Leipziger Universitätsverlag 2023

Alexander Schunka

doi:10.1515/hzhz-2025-1025

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Manja Quakatz, Osmanische Kriegsgefangene im Römisch-deutschen Reich im 17. und 18. Jahrhundert. Leipzig, Leipziger Universitätsverlag 2023

Alexander Schunka

Veröffentlicht/Copyright: 1. Februar 2025

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Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 1

Rezensierte Publikation:

Manja Quakatz, Osmanische Kriegsgefangene im Römisch-deutschen Reich im 17. und 18. Jahrhundert. 2023 Leipziger Universitätsverlag Leipzig, 978-3-96023-316-9, € 33,–

Die vorliegende Studie von Manja Quakatz zu osmanischen Gefangenen im Alten Reich ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen und ihrer gegenseitigen Wahrnehmungen in der Frühen Neuzeit. Zugleich knüpft sie in akteurszentrierter Perspektive an Debatten über Sklaverei in Mitteleuropa und Inklusionsmöglichkeiten von (Zwangs-)Migrant*innen an. Dem Buch, das auf einer umfangreichen, teils geradezu detektivischen Spurensuche in 14 verschiedenen Archiven und Handschriftenabteilungen beruht, liegt eine Münsteraner Dissertation aus dem Jahr 2015 zugrunde. Aus gesundheitlichen Gründen hat die Verfasserin die Drucklegung nicht mehr ohne Unterstützung abschließen können. Dass die Untersuchung jetzt erscheinen konnte, ist – so viel sei vorweggenommen – ein großer Gewinn für die Forschung.

Aufgrund der politisch-militärischen Rahmenbedingungen sowie der Quellen- und Forschungslage konzentriert sich die Darstellung zeitlich auf das ausgehende 17. und frühe 18. Jahrhundert; räumlich liegt ein gewisser Schwerpunkt auf Wien. In drei größeren Abschnitten werden erstens die Rahmenbedingungen, das heißt insbesondere Form und Ablauf von Gefangennahme/Versklavung und Loskauf von Musliminnen und Muslimen im „Großen Türkenkrieg“ nach 1683 umrissen. Zweitens kommen Übertritte zum Christentum sowie drittens schließlich die Bedeutung einer osmanisch-islamischen Vergangenheit in den späteren Lebensentwürfen Konvertierter zur Sprache. Das Fazit nimmt nochmals eine Einbettung des Themas in die aktuelle Forschung zu frühneuzeitlicher Sklaverei im Alten Reich vor.

Die Untersuchung präsentiert ein breites Spektrum von Gefangenenschicksalen – zwischen Zwangsarbeit und höfischer Repräsentation sowie von sozialer Marginalität bis zum Aufstieg durch Patenschaften, Patronage und Eheschließungen im Adel. Spannende Archivfunde werden kontextualisiert durch existierende Forschungen, etwa zu den sogenannten „Türkentaufen“. Aus der interkonfessionellen Zusammenschau wird deutlich, dass diese Taufakte im katholischen Bereich eher in Form einer „Bühnenshow“ (S. 187) ein ständisches Repräsentationsbedürfnis illustrieren. Dagegen überwog auf protestantischer Seite der Gemeindebezug. Die Verfasserin hebt hervor, dass mit der Taufe von Kindern vor allem ein missionarischer Anspruch verbunden war, was in den wichtigen und bislang von der Forschung stark vernachlässigten Bereich innereuropäischer Mission führt.

Während das Umfeld der Konversionen oft relativ dicht dokumentiert ist (insbesondere die verhältnismäßig wenigen protestantischen Taufen, unter anderem durch publizierte Taufpredigten), hat man bislang über das spätere Leben Konvertierter kaum etwas gewusst. Hier nun greift die Studie unter anderem berufliche Karrieren im Wiener Kaffeegewerbe oder prekäre Existenzen am Rande der Legalität heraus, die in die schillernden Lebenswelten frühneuzeitlicher Minderheiten führen. Die genauer analysierten Beispiele der Gräfin von Castell sowie zweier Pfarrersfrauen legen demgegenüber nahe, dass im christlichen Zusammenhang eine osmanisch-islamische Herkunft später nur noch selten eine Rolle spielte.

Mögen die Protagonist*innen zeitgenössisch – etwa im Kontext von Taufen oder bei Hof – zum „Objekt“ (S. 166) degradiert worden sein, so macht die vorliegende Studie immer wieder deren vielfältige Handlungsspielräume deutlich. Angesichts der disparaten Quellenlage werden die Ergebnisse häufig aus der Beobachtung von Einzelfällen extrapoliert, gelegentlich mit einem gewissen Hang zum Anekdotischen, wobei sich daraus gleichwohl zahlreiche weiterführende Perspektiven ergeben. Sicherlich hätte sich der Text hier und da noch verdichten lassen, und in den Fußnotennachweisen geht manches gelegentlich durcheinander. Doch muss man hier die besonderen Publikationsumstände dieser Untersuchung in Rechnung stellen, deren Vorliegen ein Glücksfall ist – nicht zuletzt aufgrund ihrer wertvollen Anregungen für die weitere Erforschung des Themas.

Online erschienen: 2025-02-01

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