Marc A. Forster, Keeping the Peace in the Village. Conflict and Peacemaking in Germany, 1650–1750. Oxford, Oxford University Press 2024

Gerd Schwerhoff

doi:10.1515/hzhz-2025-1022

Artikel Open Access

Marc A. Forster, Keeping the Peace in the Village. Conflict and Peacemaking in Germany, 1650–1750. Oxford, Oxford University Press 2024

Gerd Schwerhoff

Veröffentlicht/Copyright: 1. Februar 2025

Veröffentlicht von

Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Informationen für Autor*innen Erkunden Sie dieses Fachgebiet

Aus der Zeitschrift Historische Zeitschrift Band 320 Heft 1

Rezensierte Publikation:

Marc A. Forster, Keeping the Peace in the Village. Conflict and Peacemaking in Germany, 1650–1750. 2024 Oxford University Press Oxford, 9780198898474, £ 76,–

Marc A. Forster ist bislang vor allem als Erforscher der katholischen Konfessionskultur in der Frühen Neuzeit im Südwesten des Alten Reiches hervorgetreten. Nun wendet er sich dem Themenfeld Konfliktführung und Friedensstiftung zu. Als zentrale Quellenbasis dienen seriell erhaltene Protokolle der Niedergerichte in vier reichsunmittelbaren Kleinterritorien, nämlich in der Deutschordenskommende Mainau, der Prämonstratenserabtei Rot an der Rot, der Zisterzienserabtei Salem sowie im Hochstift Konstanz. Untersuchungszeitraum ist das Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg. Ausdrücklich will das Buch mehr sein als eine enge Fallstudie, die nurmehr erneut nachweist, dass den frühneuzeitlichen Bauern tatsächlich „agency“ zukam (S. 195). Vielmehr sollen systematisch die Gegenstände und Regeln der Konfliktführung und die Mechanismen der Konfliktregulierung in den Blick genommen werden. Als konzeptueller Leitstern dient die Vorstellung eines „state building from below“ bzw. der „empowering interactions“ (A. Holenstein): Danach stellt das Bedürfnis der Bevölkerung nach Bewahrung bzw. Wiederherstellung des sozialen Friedens eine Hauptquelle für eine Stärkung der Gerichte bzw. allgemein für den Aufstieg des Staates gerade nach der zerstörerischen Phase des großen Krieges dar.

Nach einem Überblick zu den Gerichten und deren Verfahren (Kap. 1) stehen im ersten Teil der Studie zunächst die Akteure, Mechanismen und Arenen des Konfliktes im Zentrum. Einmal mehr wird die zentrale Bedeutung der Ehre betont (Kap. 2), wobei das besondere Profil der weiblichen Ehre Gegenstand eines eigenen, dritten Kapitels ist, organisiert entlang der Leitinvektiven „Hure“ und „Hexe“. Als eine Art von „hothouse for conflicts“ (S. 110) werden die „Tavernen“ beschrieben (ein Begriff, unter dem verschiedene Formen kommerzieller Gastlichkeit subsumiert werden, Kap. 4). Andere öffentliche Orte (zum Beispiel Märkte und Straßen) werden ebenfalls betrachtet, um das ganze Spektrum der „Public Sphere“ auf dem Dorf zu rekonstruieren (Kap. 5). Die letzten beiden Kapitel wechseln dann die Blickrichtung. Unter der Überschrift „A System of Conflict Resolution and the Search for Peace“ stehen die Vielzahl gerichtlicher „Vergleiche“, insbesondere bei Eigentums- und Ehestreitigkeiten, im Mittelpunkt (Kap. 6). Deutlich wird, dass es den dörflichen Gemeinden nicht vorrangig um Vergeltung und Strafe, sondern um pragmatische Konfliktlösung und Wiederherstellung des sozialen Friedens ging. Auch das 7. Kapitel, wo es um die „soziale Disziplinierung“ von abweichender Sexualität, religiösem Aberglauben und Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit ging, zeigt die Abhängigkeit der geistlichen Kleinstaaten mit geringen personellen Ressourcen von der Kooperation der Bevölkerung, wollten sie ihre Ziele durchsetzen.

Das Buch kombiniert auf durchaus originelle Weise viele inzwischen gängige Motive und Themen der Forschung. Nicht zuletzt präsentiert es viele kurzweilige Fallgeschichten, etwa die Dauerfehde zwischen dem Wirt Hans Schön und dem Amtmann Hans Pfalzer, bei der keineswegs ausgemacht ist, dass der Wirt der größere Normabweichler ist (S. 89 ff.). Streckenweise wirkt die Aneinanderreihung der Geschichten aus den Gerichtsprotokollen allerdings auch ein wenig redundant. Offen bleibt zudem die sachliche, räumliche und zeitliche Reichweite der Befunde. Wie typisch sind die geistlichen Kleinterritorien für das Reich? Wie stellt sich der Anschluss der niedergerichtlich traktierten Angelegenheiten zu den schweren Kriminalfällen dar (etwa in Hinblick auf Hexerei oder Eigentumsdelikte)? Und existierte andererseits nicht doch eine Sphäre informeller Regelungen unterhalb der Gerichte? Wie sehr schließlich sind die präsentierten Befunde spezifisch für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg? Insgesamt liegt der Verdienst der Studie so nicht allein darin, dass sie viele Perspektiven der jüngeren Forschung zusammenführt, sondern dass sie zugleich neue Fragehorizonte für die Zukunft eröffnet.

Online erschienen: 2025-02-01

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.

Artikel in diesem Heft

https://doi.org/10.1515/hzhz-2025-1022

Creative Commons

BY-NC-ND 3.0