Frühe Neuzeit
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Herausgegeben von:
Astrid Dröse
, Joachim Hamm , Martin Mulsow , Bernd Roling und Friedrich Vollhardt
Die Buchreihe Frühe Neuzeit – begründet 1987 von Jörg Jochen Berns, Gotthard Frühsorge, Klaus Garber, Wilhelm Kühlmann und Jan-Dirk Müller – dient der Grundlagenforschung in Editionen, Monographien und Sammelbänden. Dabei strebt sie nicht die großräumige Überschau an, die vorschnelle Synthese oder prätentiöse Konstruktion, sondern nimmt den Umweg über die Arbeit am Detail und die Erkundung verschütteter Traditionszusammenhänge.
Zusatzmaterial
Fachgebiete
Das Echo ist im 17. Jahrhundert nicht nur im gesamten literarischen Gattungsspektrum anzutreffen, sondern repräsentiert zentrale Aspekte eines modernen dichterischen Selbstverständnisses. Diese Studie macht die Vielfalt der Echo-Symboliken und -Funktionalisierungen im deutschen Barock zugänglich, insbesondere für die Zeit von 1640 bis 1700. Dabei wird das Gebrauchsschrifttum erstmals angemessen berücksichtigt.
Der literarische Echo-Dialog schwankt antithetisch zwischen sozialem Ausschluss und kommunikativer Hoffnungssuggestion. In der italienischen und französischen Renaissance-Lyrik dominiert der Ausschluss: Die Echo-Begegnung im einsamen Naturraum ist Signum des isolierten Subjekts. Diese Poetik wird im deutschen 17. Jahrhundert sukzessive in ihr Gegenteil verkehrt. Ausgehend von konsolatorischen Deutungen wandelt sich das Echo zu einem Paradigma der Diskursivität und Vergemeinschaftung. Mit der Einbettung in neue Gattungen und Kontexte wird es zu einer Form des poetischen Diskurses und verkörpert eine Poetik der Sozialität und des Konsens. Als Natursprache und Landschaftsmetonymie schafft es ästhetische, soziale und politische Identitätsräume; und als metaphysische Stimme und raumzeitliche Transgressionsfigur suggeriert es die Verbindung zum Göttlichen.
Das Buch verfolgt das Ziel, auf Grundlage eines theoretisch elaborierten Polemik-Begriffs die Rolle polemischer Verfahren in der Konstitution der bürgerlich-literarischen Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum um Mitte des 18. Jahrhunderts beispielhaft am Werk und Wirken des frühverstorbenen, von der Forschung bislang vernachlässigten Philosophen und Literaturkritikers Thomas Abbt sowie an den intellektuellen Netzwerken im Umfeld der Berliner Literaturbriefe zu untersuchen. In einem Theorie- und Methodenteil wird Polemik idealtypisch als Kunst der diskursiven Kriegführung bestimmt, die sich durch die Zwecke einer Vernichtung des polemischen Objekts und einer polarisierenden Differenzierung des Publikums, durch epistemische, ästhetische und politische Produktivität sowie durch historische Variabilität und Reflexivität auszeichnet. Auf dieser Basis können die moralphilosophischen, anthropologischen, metaphysischen, theologischen, geschichts- und staatstheoretischen sowie ästhetisch-klassizistischen Konzepte bei Abbt als polemisch-reflexive Einsätze der aufklärerischen Öffentlichkeitsproduktion in den Blick treten. Der Band trägt zu einem adäquateren Verständnis des polemischen Charakters der Aufklärungszeit anhand eines ihrer zentralen Exponenten bei.
OA Transformationspaket 2025
Im Jahrhundert der Aufklärung erweitert sich die Kunstform der Satire in einer bis dahin ungekannten Weise. Dabei liegt der satirischen Schreibweise die Annahme zugrunde, dass sich die Prinzipien aufklärerischer Vernunft nicht allein durch die Kraft des besseren Arguments umsetzen lassen, sondern durch Kritik in allen Bereichen der Gesellschaft erstritten werden müssen. So finden die Stilmittel und Darbietungsformen der Satire Eingang in andere literarische Gattungen, etwa den Roman, aber auch in die Komödie oder die Publizistik der Moralischen Wochenschriften. Im Laufe des Jahrhunderts verbraucht sich die zunächst von der Zuversicht auf Veränderung getragene satirische Energie jedoch und führt zu einer defätistischen Haltung, wie Jörg Schönert v.a. in seiner zweiten großen Studie zur Form und Funktion der Satire gezeigt hat. An seine Untersuchungen knüpfen die Beiträge des vorliegenden Bandes an und erweitern diese in komparatistischer Perspektive. Dabei werden auch neuere theoretische Überlegungen zur Funktion der satirischen Kommunikation einbezogen.
Adam Contzens Methodus Doctrinae Civilis Seu Abissini Regis Historia (1628) ist politisches Denken im Gewand eines Romans. Am Beispiel der Vita eines fiktiven äthiopischen Königs präsentiert Contzen, der als Jesuit auch am Hof des bayerischen Kurfürsten Maximilian I. politisch tätig war, die Prämissen seiner konfessionell geprägten politischen Lehre.
Die vorliegende zweisprachige Edition erschließt erstmals Contzens Roman für eine interdisziplinär arbeitende Frühneuzeitforschung. Eine umfangreiche Einleitung führt aus der Perspektive von Literaturwissenschaft und politischer Theorie in Contzens Werk ein und verortet es im zeitgenössischen Äthiopiendiskurs. Die als Lesetext gestaltete Edition des lateinischen Originals und eine zielsprachenorientierte deutsche Übersetzung vereinfachen die Lektüre von Contzens Roman. Ein ausführlicher Kommentar verortet dessen voraussetzungsreiche Handlung in den relevanten politik-, ideen-, kirchen- und rechtsgeschichtlichen Zusammenhängen.
Auf diese Weise leistet die Edition einen Beitrag zur Geschichte des (neulateinischen) Romans und macht ein weniger konventionelles Werk der katholischen politischen Theorie des 17. Jahrhunderts für die historische und ideengeschichtliche Forschung zugänglich.
Was aber im Rahmen einer modernen Weltbeschreibung ein Nachteil war, entfaltet aus der Perspektive der Latourschen Philosophie und Akteur-Netzwerk-Theorie kritisches Potenzial. Anhand ausgewählter Textbeispiele wird gezeigt, dass die frühneuzeitliche lateinische Lehrdichtung gerade im Hinblick auf die Herausforderungen des Anthropozäns die Möglichkeit bietet, die menschliche Beziehung zur Welt und die gesellschaftliche Bedeutung wissenschaftlicher Naturdichtung zu überdenken.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit den vielfältigen Geistererscheinungen in Andreas Gryphius’ Trauerspielen auf Grundlage des frühneuzeitlichen Geisterwissens und der literarischen Tradition von Geisterdarstellungen in antiken, jesuitischen und niederländischen Dramen sowie in Barockpoetiken. Gryphius’ weitläufiges Interesse an Geistern wird dabei zweifach aufgearbeitet. Erstens anhand der verstreuten Spuren zu Gryphius als Geistergelehrten und Verfasser eines verschollenen Gespenstertraktats über dessen Familienbibliothek sowie die Aussagen über Geister in seinem Brandbericht und Mumientraktat. Zweitens über die poetische Praxis der Geisterdarstellungen in seinen Trauerspielen, die der Geisterpoet im Medium des Traums, Wahns, per Beschwörung und im Chor erscheinen lässt. Dabei sucht Gryphius in seinen, die Trauerspiele begleitenden Paratexten die Geister als poetische Stilmittel zu begründen und zu legitimieren. Mit dem erweiterten Blick auf Gryphius’ Herodes-Epos und den Leichabdankungen lässt sich eine Geisterpoetologie nachzeichnen, in der Gryphius die wissensgeschichtlich eingeschriebene Ambiguität von Geistererscheinungen in seine eigene Konzeption des spiritus ex machina als Ambiguitätsmaschine umbesetzt.
Ist das Neue in der Literaturgeschichte tatsächlich notwendig durch die Absetzung von etablierten Gattungstraditionen zu erklären? Bilden normsprengende Neuerungen in der Literatur und die normative Struktur einer literarischen Gattung notwendig Gegensätze? Welche Rolle spielen Referenztexte sowohl in der Konstitution einer literarischen Gattung wie auch ihrer Überwindung? Der vorliegende Band, der aus der Arbeit der Forschungsgruppe 2305 ‚Diskursivierungen von Neuem‘ und einer von ihr veranstalteten Tagung hervorgegangen ist, will herkömmliche lineare Erzählungen der Literaturgeschichtsschreibung in Frage stellen und in exemplarischen Fallstudien zeigen, wie Gattungen durch komplexe Wiederaufname und Modifikation des vorgängigen Traditionsbestands transformiert wurden. Die Beträge dieses Bandes, deren zeitlicher Horizont von der Antike bis in das frühe 19. Jahrhundert reicht, dokumentieren zugleich, wie die oft absolut genommenen Zeitkategorien ‚alt‘ und ‚neu‘ in der Definition einer Gattung stets relational zu sehen sind und gerade in ihrer wechselseitigen Bezüglichkeit entscheidend zur Genese von Gattungen beitragen.
Der Bogen der Studien spannt sich von der antiken und mittelalterlichen lateinischen Epik, der spanischen ‚novela bizantina‘, den Gedichten Chaucers und der französischen Aktualitätsepik bis zu zur apokalyptischen Poesie Englands aus dem 17. Jahrhundert und der deutschen und litauischen Herder-Rezeption im frühen 19. Jahrhundert.
Der Band visiert als Publikum Literaturwissenschafter*innen aus dem Feld der Klassischen Philologie, der Mittellateinischen Philologie, der Neolatinistik, der Romanistik und der Anglistik an.
Der Band versammelt Beiträge, die bisher weitgehend unbekannte frühneuzeitliche Literatur über Tabak, Bier, Wein und Kaffee kritisch edieren, kommentieren und interpretieren. Darunter sind neulateinische Texte, etwa Lobdichtungen auf den Tokajerwein oder das Nordhäuser Bier, aber auch gegen den Genuss von Tabak oder Alkohol gerichtete Texte, und deutschsprachige wie Johann Christian Günthers „Lob des Knaster-Tobacks" und eine Hirtendichtung Barthold Heinrich Brockes’. Die Sammlung eröffnet somit auch einen kulturhistorischen Blickwinkel auf aktuelle Debatten zur Rauschmittellegalisierung.
Der deutsche Historiker Johannes Sleidanus (1506-1556) hat bis heute hauptsächlich mit seinem ersten Hauptwerk, einer umfangreichen Geschichte der Reformation, im Zentrum wissenschaftlichen Interesses gestanden. Sein zweites Hauptwerk, die ‚De quatuor summis imperiis libri tres‘ (‚Drei Bücher über die vier Weltreiche‘), ein Abriss der Weltgeschichte, bestimmt für den Unterrichtsgebrauch an Universitäten und Gymnasien, in zahlreichen Ausgaben in ganz Europa verbreitet und in mehrere europäische Sprachen übersetzt, fand in der Sleidanus-Forschung bislang nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Vorliegende Publikation bietet die erste wissenschaftliche Edition des lateinischen Textes zusammen mit der ersten Übersetzung in modernes Deutsch und historischen Erläuterungen. Beigegeben wurden die von dem Helmstedter Historiker Heinrich Meibom d.Ä. (1555-1625) zusammengestellten Quellennachweise, da diese seit 1586 fester Bestandteil der Rezeption von Sleidans Weltgeschichte waren. Von den 28 Drucken, die in Deutschland zwischen 1586 und 1713 erschienen sind, enthielten 27 die Quellennachweise Meiboms. Damit bietet die Neuausgabe zugleich einen umfassenden Einblick in den Wissenshorizont der universitären Historiographie der Frühen Neuzeit.
Gegenstand der Untersuchung sind die umfangreichen Anmerkungsapparate des barocken Dichters Daniel Casper von Lohenstein (1635–1638) zu seinen Trauerspielen. Zentrale These der Studie ist, dass in den ‚Anmerckungen‘ ein interpretatorisches Potenzial liegt, das erst durch konsequentes Ausdeuten der intertextuellen Beziehungen zwischen Anmerkungs- und Dramentext ein umfassendes Verständnis von Lohensteins Trauerspielen möglich macht. Neben einer ausführlichen Funktionstypologie der ‚Anmerckungen‘ bietet die Arbeit eine Deutung ihrer Form mit Hilfe dreier Konzepte (‚Bibliothek‘, ‚Hypertext‘ und ‚Kommentar‘), die die Untersuchung in rezente Forschungsdiskurse einbettet. Vorausgegangen ist der Arbeit eine quantitative Erhebung der Anmerkungen, deren Ergebnisse teils als Anhang dem Buch beigegeben sind, teils in die Argumentation eingebunden werden. Anhand exemplarischer Szenenanalysen wird eine Deutung der Trauerspiele von den Anmerkungen her unternommen und wesentliche Fragestellungen der Lohenstein-Forschung diskutiert. Die Studie ist komparatistisch ausgerichtet und an der Schnittstelle zwischen Deutscher und Klassischer Philologie angesiedelt. Der gewählte methodische Zugriff auf die Anmerkungen erlaubt neue Perspektiven auf die Arbeitsweise eines frühneuzeitlichen Gelehrten und Dichters sowie auf die Deutung von Lohensteins Trauerspielen insgesamt.
Der Arzt und Alchemiker Johann Otto von Helbig (1654–1698) verknüpfte in seinen theoretischen Schriften und seiner alchemischen Praxis europäisches mit ostindischem Wissen, das er während seines Aufenthaltes in Ostindien (Batavia) erworben hatte. Er verband beide Wissensbereiche in einer eigenen alchemischen Kosmologie. Mit der Substanz „Tessa" glaubte er den für Gesundung und Transmutation notwendigen Grundstoff geschaffen zu haben, der für kurze Zeit das Interesse der alchemisch interessierten Öffentlichkeit weckte und Helbig den Zugang zu den Fürstenhöfen eröffnete. Dort versuchte er seine naturphilosophischen Vorstellungen im Labor in die Realität umzusetzen.
Eine annotierte Bibliographie, eine kommentierte Edition der bisher weitgehend unbekannten Briefe und Dokumente sowie alchemische Experimentaltexte geben Einblick in die alchemische Praxis Helbigs und die mit dem Scheitern verbundenen Schwierigkeiten. Die Edition leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der frühneuzeitlichen Alchemie an Fürstenhöfen.
Die historische Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und Gewalt in der Frühen Neuzeit steht noch ganz am Anfang. Auf detaillierten Archivrecherchen beruhend, geht diese Studie Sexualdelikten im Jesuitenorden nach, die an Schülern, Studenten, Beichtkindern und anderen Jesuiten verübt worden sind. Dabei werden Muster von sexueller Gewalt deutlich, die sich auf spirituelle Bereiche ausdehnten, aber von den Ordensoberen nur in Extremfällen geahndet wurden. Dieser Ansatz ermöglicht es, ein neues Licht auf die Geschichte jesuitischer Bildungs- und Seelsorgeeinrichtungen zu werfen.
Das Buch widmet sich der Frage, weshalb Krankheitserfahrungen in der frühneuzeitlichen Lyrik zwischen 1490 und 1720 eine beispiellose Prominenz entfalten. Die Basis der Untersuchung bilden Texte bekannter und weniger bekannter deutscher (Spät-)Humanisten (u. a. Konrad Celtis, Paul Schede Melissus, Johann Christian Günther), die in ihren medizinhistorischen, theologischen und / oder frömmigkeitsgeschichtlichen Kontexten verortet werden (Syphilis- und Fieberkunde, Medizinaltheologie und Sterbekunst). Was diese Texte verbindet, so die leitende These der Studie, ist ihre konzeptuelle Nähe zum Paradigma der Selbstsorge (cura sui, epimeleia heautou), wie es zunächst von Pierre Hadot, später von Michel Foucault für die antike Popularphilosophie beschrieben wurde. Die Examination des Körpers, die theologisch informierte Reflexion über den pathologischen Zustand, aber auch die Bereitung zum Sterben beschreiben einige der Praktiken, für die die Krankheitslyrik ein ästhetisches Gefäß im Dienst der Selbstsorge bereitstellt. Mit der vorliegenden Studie wird der frühneuzeitliche Typus des Krankheitsgedichts erstmals im Zusammenhang dargestellt und für Forscher/-innen aus den Bereichen Literaturwissenschaft, Medizingeschichte und Theologie zugänglich gemacht.
Erste moderne Ausgabe und deutsche Übersetzung der Schrift De miseria eruditorum (‚Über das Elend der Gelehrten‘) des niederländischen Gelehrten Martinus Schoockius (1614–1669), Professor für Geschichte und Philosophie an den Universitäten in Utrecht, Deventer und vor allem in Groningen, wo er 1640–1666 lehrte und zweimal Rektor war, schließlich in Frankfurt/Oder in einer herausragenden Stellung als Hofhistoriograph des Großen Kurfürsten (1666–1669). Schoock ist Verfasser zahlreicher Abhandlungen mit historischen und philosophischen Themen. Im ersten Teil werden nach der Lebensbeschreibung die Tradition der Gattung, die Widmung an die staatlichen Autoritäten, die deutlich macht, dass Schoock von der Thematik selbst betroffen war, Aufbau und Gehalt sowie Stil und Quellen untersucht. Der zweite Teil bietet den Text und die Übersetzung sowie einen eingehenden fortlaufenden Kommentar zu dem schwierigen Werk.
In den ersten Wolfenbütteler Jahren veröffentlichte Lessing eine Reihe von religionsphilosophischen Schriften, die sich gegen die Aufklärungstheologie richteten. Um Sozinianer, Neologen und Deisten zu attackieren, nahm der Aufklärer für die dogmatische Theologie Partei. Diese Positionierung Lessings bleibt bis heute eine der umstrittensten Fragen der Forschung: Warum war der bekannte Freidenker ein erbitterter Feind des vernünftigen Christentums?
Lessings Stellungnahme für die Rechtgläubigkeit ist als Unentschlossenheit, Taktik und Heuchelei verstanden worden. Durch die Rekonstruktion der aristotelischen Tradition der doppelten Lehrart der Philosophen zeigt die Studie, dass sich Lessing selbst in seinen theologischen Schriften einer exoterischen und einer esoterischen Schreibart bediente, so dass der Schlüssel zum Verständnis der Orthodoxie Lessings in den Leibniz-Rettungen aufzufinden ist.
Lessings Verteidigung der Orthodoxie erweist sich daher als bloß exoterisch. Der Aufklärer hat das dogmatische Luthertum verteidigt, weil die Rationalisierung des Christentums die Autonomie der Philosophie von der Theologie beeinträchtigt. Nur eine strikte Trennung von Glauben und Vernunft kann nämlich die libertatem philosophandi garantieren.
In den vergangenen Jahren ist der Jansenismus wiederholt in den Interessenfokus der Forschung gerückt, motiviert v.a. durch die Erforschung frömmigkeitlicher Praktiken. Während die Forschungslage für Flandern, Frankreich und Italien seit Beginn der konfessionsgeschichtlichen Forschung vergleichsweise gut ist, wird der Jansenismus im deutschsprachigen Raum erst seit den 1970er Jahren intensiver erforscht, doch hat sich erst in jüngster Zeit die theologische Forschung intensiviert. Dabei ist aus dem Blick geraten, dass der Jansenismus auch im deutschsprachigen Raum (neben unzähligen Gegnern) zahlreiche Fürsprecher und Förderer hatte. Im Sinne der materialitätsgeschichtlich fundierten Netzwerk- und Kommunikationsforschung fragen die Beiträge des vorliegenden Bandes nach den Akteuren, die den Jansenismus im Alten Reich förderten – sei es im Sinne der adligen Patronage (Mäzenatentum), sei es durch Übersetzung oder durch Druck und Vertrieb jansenistischen Schrifttums. Sichtbar werden soll durch einen solchen Zugang das konkrete Interesse am Jansenismus, aber auch die Instrumentalisierung des Jansenismus für unterschiedliche – durchaus divergierende – Zwecke. Auf der einen Seite stehen Ansätze der neueren Studien zur Materiellen Kultur, auf der anderen die klassische Buch- und Lesergeschichte, Sozietätsgeschichte, Netzwerkforschung und Rezeptionsforschung. Über die engeren Fragestellung der (katholischen) Theologie hinausgehen, zeigen die Beiträge die transkonfessionelle Relevanz des Phänomens für Literatur, Kunst, Netzwerkbildung und Buchhandel auf.
In der Zeitspanne von wenigen Jahrzehnten entstanden um 1600 zwei Übersetzungen von Giovanni Boccaccios Elegia di madonna Fiammetta (um 1343/44) unabhängig voneinander im oberdeutschen Sprachraum: beide blieben ungedruckt, vielleicht wegen der Thematik, eines inneren Monologes (»Klage«) einer verheiraten Dame über den Verlust ihres Liebhabers. Die historisch-kritische Edition präsentiert die ältere der beiden Übertragungen Johann Engelbert Noyses aus einem Manuskript im Besitz der Gräfin Maria Katharina Fugger (Bibl. Passau) und zieht stellenweise im Kommentarteil die zweite Übersetzung (Bibl. Bayreuth) des Ludwig Freiherr von Kuef(f)stein zum Vergleich heran. Ein italienischer Paralleldruck (Venedig 1565) erlaubt den Vergleich mit dem italienischen Ausgangstext. Die Ausgabe richtet sich sowohl an ein Fachpublikum als auch an interessierte Leser*innen.
Gegenstand der Arbeit ist die Interpretation patriotisch-allegorischer Heroiden des 16. und 17. Jahrhunderts, in welchen eine personifizierte Germania als Schreiberin oder Empfängerin figuriert. Diese werden hier erstmals zu einer Unterkategorie namens „Germania-Heroide" zusammengefasst.
Im Zuge eines entstehenden Nationalbewusstseins nutzten seit ca. 1530 deutsche Humanisten und Barockdichter ausgiebig diese von Ovid begründete Textgattung, um ihren politischen Sorgen und Wünschen Ausdruck zu verleihen. So ließen sie angesichts einer Notlage (Türkenkrieg, Dreißigjähriger Krieg, andere Konflikte) eine leidende Frau Germania in einem Klagebrief einen oder mehrere Herrscher um die Abwehr einer äußeren Bedrohung und die Wiederherstellung der gestörten Eintracht im Inneren anflehen. Dabei beansprucht Germania für sich die Rolle einer zwar unglücklichen, aber autoritären Mutter und appelliert an den jeweiligen Adressaten, sie vor Misshandlungen und Verwüstungen durch äußere und innere Feinde zu schützen.
Im Fokus der Arbeit steht die argumentative Funktion der Germania-Allegorie, die Spannung zwischen der Form der ovidischen Liebesdichtung und politisch-patriotischer Agitation.
Herrschsüchtige Ehefrauen, wollüstige Jungfern, hässliche Vetteln, männerquälende Hexen und pseudogelehrte Frauen begegnen häufig in satirischen Schriften der Frühen Neuzeit. Indem sie misogyne Topoi und Traditionen aufgreifen und aktualisieren, erweisen sich Frauensatiren als bedeutendes transgenerisches Phänomen der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte im Kontext der europäischen Querelle des Sexes.
Das weit über hundert Texte umfassende Corpus wird in der komparatistisch angelegten Studie erstmals erschlossen. Um die literarischen Konstruktionen ›devianter Frauen‹ systematisch zu erfassen, werden fünf strukturell dominante Genderaspekte – Herrschaft, Sexualität, Hässlichkeit/Schönheit, Diabolik und Bildung – unterschieden und in ihren jeweiligen diskursiven Strukturen und funktionalen Anlagen analysiert. Besonderes Augenmerk gilt dem intertextuellen Profil der Frauensatiren, die antike Vorbilder, mittelalterliche Traditionen und volkssprachliche Muster des frühneuzeitlichen Europa aufgreifen, translatorisch aneignen und modifizieren. Auch wenn sie meist von der Moraldidaxe bestimmt sind, entfalten Frauensatiren zunehmend eine ästhetische Eigendynamik und tendieren zum unterhaltsam-misogynen Selbstzweck.
Gegenstand ist die Rezeption eines genuin volkssprachigen literarischen Phänomens, des Petrarkismus, in derjenigen Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts, die in der lateinischen Gelehrtensprache verfasst ist. Während der Petrarkismus, d.h. das Dichten über die Liebe in der Art des Francesco Petrarca (1304–1375), eines der wichtigsten Vertreter der frühen italienischen Literatur, für die volkssprachigen Literaturen, insbesondere für die italienische, französische, englische und deutsche, bereits gründlich erforscht worden ist, wurde die umfangreiche Liebesdichtung, die in dieser Zeit in petrarkistischer Manier auf Latein verfasst wurde, erst ansatzweise untersucht. Dieser Band ist der erste, in dem ausschließlich Texte, die zwischen dem 15. und dem 17. Jahhundert in verschiedenen europäischen Sprachräumen (italienisch, französisch, englisch, deutsch, niederländisch, polnisch, litauisch, schwedisch) auf Latein geschrieben wurden, im Hinblick darauf untersucht werden, wie in ihnen der Petrarkismus rezipiert, angeeignet, modifiziert, mit Elementen der antiken Literatur amalgamiert wird. Er ist also in die Erforschung der frühneuzeitlichen Statuskonkurrenz des gelehrten Latein mit den innovativen ästhetischen Errungenschaften der vorlkssprachigen Literaturen einzuordnen und verfolgt einen dezidiert interdisziplinären Ansatz. Daher bedient er das Interesse sowohl der Vertreter der lateinischen Literatur als auch der Nationalliteraturen der Frühen Neuzeit.
Die Studie versteht die dramatische Dichtung von Andreas Gryphius (1664-1664) und Daniel Casper von Lohenstein (1635-1683) unter den Voraussetzungen frühneuzeitlicher Episteme als Artikulationen einer Ästhetik des Bösen avant la lettre und eröffnet so neue Perspektiven auf das barocke Trauerspiel. Ausgehend von der Beobachtung, dass das schlesische Trauerspiel den Teufel von der Bühne verabschiedet und das Böse ins verborgene Innere seiner menschlichen Protagonisten verlagert, wird in exemplarischen Lektüren untersucht, wie diese Verschiebung vom malus zum malum zur Darstellung kommt. Die Studie zeigt, dass Gryphius und Lohenstein in ihren Texten auf intrikate Weise aus den Möglichkeiten der Dichtung, des Theaters und deren Traditionen schöpfen, wobei sich beizeiten gar eine Lust am Bösen als literarischem und theatralem Gegenstand beobachten lässt. Die Dramen reagieren damit auf eine anthropologische Verschiebung innerhalb der frühneuzeitlichen Wissensordnung und nehmen eine Internalisierung und Psychologisierung des Bösen vorweg, die bislang erst dem 18. Jahrhundert attestiert wurde
Im 15. Jahrhundert war das lateinische Epos an italienischen Fürstenhöfen zu einem bedeutenden, in der Forschung jedoch bislang wenig erschlossenen Mittel der Herrschaftsinszenierung avanciert. Nördlich der Alpen wurde in weiterer Folge erstmals Kaiser Maximilian I. Gegenstand von breit angelegten epischen Darstellungen. Die Arbeit untersucht die Strategien und Wirkweisen dieser Heroisierungen. Sie zeigt auf, wie Maximilians episches Heldentum einerseits antiken Idealen entsprach und von einer langen Gattungstradition geprägt war, andererseits an seine Person sowie an zeitspezifische Erfordernisse angepasst wurde. Die Epen werden in ihrem Verhältnis zu antiken und spätmittelalterlichen Vorläufern kontextualisiert, sodass die Spezifika der Maximiliansheroik sichtbar werden. Die dabei gewonnen Erkenntnisse ergänzen nicht nur die Forschung zu Maximilians ‚Ruhmeswerk‘ und zur Frühzeit des transalpinen Humanismus, sondern leisten auch einen Beitrag zum Wandel von Heroisierungsmustern in der Geschichte des klassischen Epos. In ihrem adaptierbaren methodischen Zugang liefert die Arbeit darüber hinaus ein neues Instrumentarium für die Analyse epischer Heroisierungen überhaupt.
Weitreichende Veränderungen in Dichtung und Musik zeichnen sich um 1600 ab. Lyrik und Lied lassen sich kaum trennen, da die Lyrik dieser Zeit meist sangbar ist und entscheidend durch das weltliche Lied beeinflusst wird. Der maßgebliche Beitrag, den das Lied zum ästhetischen Wandel, zur Modernisierung und Europäisierung der deutschsprachigen Lyrik leistet, wird anhand von etwa 5200 Liedern in 340 Lieddrucken zwischen 1567 und 1642 herausgearbeitet. Vor dem Hintergrund dieses Quellenkorpus werden in der interdisziplinären Studie Einzellieder und Liedsammlungen aus dem deutschsprachigen Raum musik- und literaturwissenschaftlich analysiert. Neben sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Aspekten kommen Dimensionen der Novität ebenso zur Sprache wie das Verhältnis von Theorie, Poetik und Praxis, Kulturtransferprozesse sowie Fragen nach Kontinuitäten und Dynamiken literarischer und musikalischer Phänomene. Die Fallstudien sowie theoretische und poetische Äußerungen zum Lied erweisen, wie sich zwei Konzeptionen des Liedes profilieren: In der Verselbstständigung werden beide Liedkonzepte in Literatur und Musik aufgewertet. So trägt das weltliche deutschsprachige Lied zur Modernisierung und Europäisierung der deutschen Literatur bei.
Benjamin Veitel Ephraim (1742-1811) war ein wohlhabender Berliner Kaufmann, aber auch der erste jüdische Autor eines Dramas in deutscher Sprache. Er veröffentlichte politische Schriften und eine eindrucksvolle Autobiografie. Während der Französischen Revolution arbeitete er als Geheimagent Preußens in Paris. Das vorliegende Buch bietet eine kommentierte und vollständige Ausgabe seiner Schriften sowie einer Auswahl seiner bisher unveröffentlichten geheimen Dossiers. Eine monografische Einleitung schildert sein abenteuerliches Leben und seine Zeit.
Liliane Weissberg entdeckt hier eine schillernde Gestalt des späten achtzehnten Jahrhunderts wieder, dessen Leben und Werk für die preußische und jüdische Geschichte von großer Bedeutung ist.
Dieser Band bietet erstmals eine moderne kritische Ausgabe und deutsche Übersetzung des lateinischen ‚Lobs der Schwerhörigkeit‘ (Surditatis encomium) von Martinus Schoockius (1614-1669). Martinus Schoockius, geboren in Utrecht, war niederländischer Universalgelehrter, Verfasser von Traktaten über Torf, Butter und Bier, Philosophie- und Theologieprofessor u.a. in Groningen und dort auch Rektor, Kritiker Descartes’ und gegen sein Lebensende Hofhistoriograph des brandenburgischen ‚Großen Kurfürsten‘. Neben einem Kurzporträt des Autors ordnen Einleitung und Kommentar den Text in die Gattungstradition der Paradoxenkomien ein, deren berühmtestes Beispiel Erasmus’ von Rotterdam ‚Lob der Torheit‘ ist, und legen seine Bezüge zu den Krankheitsdiskursen der frühen Neuzeit offen.
In dieser Werkmonographie, die durch archivalische Dokumente, Editionen, Übersetzungen, Kommentare und weitläufige Interpretationen ein besonderes Profil gewinnt, wird mit dem Schulrektor, produktiven lateinischen Dichter und gräflichen Rentmeister N. Rüdinger (1530–1581) eine der bisher zu wenig beachteten Schlüsselfiguren im Netzwerk des pfälzischen Späthumanismus vorgestellt. Zeitkritische Satiren, Facetten der Kasualpoesie, vor allem das weite Feld der elegischen Bibeldichtung gewinnen dabei genaue Konturen in Kontexten der Antike und Frühen Neuzeit.
Die Themen von Mystik und Magie nehmen im paracelsistischen Schrifttum großen Raum ein, sind hier aber in ihrer jeweiligen Konzeption, ihrer Funktion und ihrer gegenseitigen Durchdringung noch wenig erschlossen. Eines der frühesten und anschaulichsten Zeugnisse eines genuin paracelsistischen Mystik- und Magieverständnisses ist der allegorisch-hermetische Traktat 'De tribus facultatibus' (um 1565) aus der Feder Alexanders von Suchten. Obwohl es sich bei Suchten um einen der bedeutendsten Theoretiker des frühen Paracelsismus handelt, hat er in der Forschung bisher verhältnismäßig geringe Beachtung gefunden. Die Erkundung seines theosophischen Weltbilds führt auf der Textgrundlage von 'De tribus facultatibus' und weiterer, vor allem paracelsischer Schriften über die Themenfelder von Kosmologie, Theoalchemie und Logostheologie hin zur Mystik, die in Ansätzen vom Predigtwerk Meister Eckharts, besonders aber von der 'Theologia Deutsch' inspiriert ist. Die Mystik erweist sich als Bedingung einer natürlichen und als wesentliches Element einer himmlischen Magie. Letztere entfaltet Suchten unter dem Eindruck der dionysischen Theologie. Insgesamt wirft die Studie ein neues Licht auf die geistigen Hintergründe des Paracelsismus.
Beiträge eines Freiburger Kolloquiums zur Ariost-Rezeption im deutschen Sprachraum. Während er in Frankreich bereits im 16. Jahrhundert als der moderne Vergil oder Homer gefeiert wurde, setzt eine breitere Auseinandersetzung mit Ariost in Deutschland erst seit dem 18. Jh. ein. Dass erst August von Platen Ariost als neuen Homer würdigt, ist Teil der Verspätung dieses Typs der volkssprachigen Literatur im nachreformatorischen Deutschland.
Die lateinische Lehrdichtung der Frühen Neuzeit ist ein von der modernen Forschung bis heute nur wenig beachtetes Phänomen, dem sich der vorliegende Band auf weiter Ebene widmet: die diskutierten Texte erstrecken sich über einen Raum von Italien bis Brasilien und eine Zeitspanne vom ausgehenden 15. bis zum späten 18. Jahrhundert. Neben grundlegenden Fragen zur Gattung des frühneuzeitlichen Lehrgedichts, das mit seinen vielseitigen Ausprägungen eine Herausforderung für strenge Klassifikationsmodelle darstellt, bieten die Analysen einen Einblick in die Strategien dichterischer Wissensvermittlung, bei der neben wissenschaftlichen Themen nicht zuletzt gesellschaftliche und politische Zusammenhänge im Fokus stehen. Die Publikation richtet sich an ein fachkundiges Publikum, gibt jedoch durch Übersetzungen und ausführliche Paraphrasen der Originaltexte auch Interessierten ohne Lateinkenntnisse die Möglichkeit, dieses in der Frühen Neuzeit beliebte Genre in seiner ganzen kulturellen Bandbreite sowie seinem enormen Einfluss auf volkssprachige Dichtung kennenzulernen und zu erkunden, wie wissenschaftliche Dichtung zu einer Zeit funktionieren konnte, in der Literatur und Wissenschaft noch keine getrennten Bereiche darstellten.
Die imitatio Christi heroica ist fächer- und epochenübergreifend weder historisch noch systematisch zureichend erforscht. Die Studien in vorliegendem Band, konsequent aus den einschlägigen Quellen erarbeitet, zielen darauf, diese eklatante Forschungslücke für den Zeitraum der Frühen Neuzeit zumindest tentativ zu schließen. So werden die Ergebnisse eines interdisziplinären Kongresses dokumentiert, den der Sonderforschungsbereich 948 Helden – Heroisierungen – Heroismen (Freiburg) und das Graduiertenkolleg 2008 Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit (Hamburg) gemeinsam veranstalteten, um historisch-theologische, geschichtswissenschaftliche, kunsthistorische, musikwissenschaftliche und philologische Expertisen zu bündeln. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Frage, welche geistlichen Heroisierungsstrategien in der Frühen Neuzeit zu beobachten sind und wie sie sich mit Blick auf die Heroisierung Christi und die imitatio Christi heroica in unterschiedlichen Medien bzw. intermedial ausprägten.
Die Arbeit geht u.a. der Frage nach, welchen quantitativ-qualitativen Widerhall Elemente der zeitgenössischen Entwicklungen um den Unabhängigkeitskrieg, wie z.B. die Subsidienverträge (sog. Soldatenhandel), in der Literatur gefunden haben. Darüber hinaus wird die Darstellung der soziopolitischen Rollen verschiedener gesellschaftlichen Gruppen wie Frauen und sozialen Minderheiten (z.B. Afroamerikaner bzw. Sklaven) untersucht.
Ergänzt wird die Abhandlung durch eine digitalisierte und chronologisch und inhaltlich kategorisierte Anthologie von ca. 400 kommentierten Lyrica mit Amerikabezug, darunter zahlreiche Gedichte aus deutsch-amerikanischen Zeitungen, die zum ersten Mal ediert werden.
Der Tagungsband eröffnet neue Perspektiven auf das Gesamtwerk des berühmtesten deutschen Autors des literarischen Barock. Im Zentrum steht eine zeithistorische, staatsphilosophische, theologische und wissenschaftsgeschichtliche Kontextualisierung seines Œuvres, das sich in einem spannungsvollen Feld zwischen christlich-transzendenter Perspektive und ‚säkularer‘ Zeitdiagnostik, zwischen theologischem Sinnhorizont und Realitätsbezug bewegt. Damit setzt der Band im Anschluss an gegenwärtige Tendenzen der Frühneuzeitforschung einen neuen Akzent innerhalb der Gryphius-Philologie, die diskursgeschichtliche Zusammenhänge vernachlässigte und einen zu revidierenden Dualismus zwischen theologischer und säkularer Deutung etablierte. Dabei spielen komparatistische und interkulturelle Aspekte eine bedeutende Rolle: Gryphius war auf seinen akademischen Reisen mit der rezenten französischen, italienischen und niederländischen Literatur bekannt geworden. Deren Rezeption durch Gryphius wird ebenso verstärkt untersucht wie das lateinische Werk des Schlesiers. Gryphius erscheint als Zeitgenosse tiefgreifender Erneuerungsdebatten, die er mit feinem Gespür aufzunehmen und in seinen Dichtungen zu verhandeln weiß.
Die Beiträge in diesem Sammelband widmen sich wichtigen biobliographischen Stationen und Konstellationen, anhand derer gezeigt wird, wie eng Opitz’ Leben und Werk zusammengehören und von welchen Strategien seine Bemühungen um eine nachhaltige Autorschaft geprägt waren. Sie zeigen, wie Opitz’ Texte selbst Netze und Netzwerke bilden, wie auch Übersetzungen oder Vertonungen zu seiner nachhaltigen und prominenten Stellung in der Literaturgeschichte beigetragen haben und wie er sich in Netzwerke einschrieb, die sich nach seinem Tod und in der Aufklärung etablierten. Opitz’ Leben und Werk erweist sich als exemplarischer Ausgangspunkt für interessante Fallstudien, die Praktiken des Netzwerkens in der Frühen Neuzeit variantenreich erhellen.
Das aufgeklärte Sozietätswesen im östlichen Teil Mitteleuropas war bisher nur unzulänglich erforscht. Die Sozietäten erweisen sich als dynamische Wissensräume und typische Kristallisationskerne der Aufklärungsbewegung. Sie sind Träger und Beförderer der aktuellen philosophisch-literarisch-wissenschaftlichen Diskurse und haben die gesellschaftlichen Transformationsprozesse der Zeit gefördert. Basierend auf einer Typologie der Sozietätsbildung (Akademien und Gelehrtengesellschaften; patriotische, ökonomische und gemeinnüzige Sozietäten; Lese- und Volksgesellschaften; Geheimgesellschaften; Salons) wird die Eigenentwicklung des Phänomens, insbesondere in den Habsburgischen Erbländern erarbeitet und die Rolle der Sozietäten und ihrer Mitglieder in den literarischen und wissenschaftlichen Prozessen dieser Region exemplarisch dargestellt, um die Bedeutung der Reformgesellschaften für Literatur und Wissenschaft im Netzwerk der lokalen, regionalen und gesamteuropäischen Aufklärungsprozesse aufzuzeigen, intellektuelle Netzwerke aufzudecken, die Bedeutung der Sozietäten für die Institutionalisierungsprozesse in Literatur und Wissenschaft zu erfassen und dadurch einen Beitrag zum Aufklärungsdiskurs unserer Tage zu leisten.
Bereits vor Martin Opitz gibt es Bemühungen, den Eigenwert des Deutschen in Auseinandersetzung mit den Autoritäten der Antike, aber auch mit den Vorbildern aus der zeitgenössischen Romania zu erweisen – diese Ansätze sind aber keineswegs umfassend erforscht.
Die Studie antwortet auf dieses Desiderat, indem sie das Werk Johann Fischarts im Kontext der Offizin Bernhard Jobin untersucht: Der Druckerverleger arbeitet in einem Kreis aus Literaten und Künstlern dezidiert am Programm einer elaborierten deutschen Sprache, Literatur und Kultur im Zeichen der aemulatio. Erstens analysiert sie die Diskursebenen des humanistischen Kulturpatriotismus und entfaltet ein Panorama der Textgattungen, die hierfür in der Straßburger Offizin eine zentrale Rolle spielen. Zweitens fokussiert sie intermediale Gattungen wie Bilderbibeln, Portrait- und Emblembücher, an denen ganz besonders das Programm eines autochthonen Renaissancehumanismus erkennbar wird. Drittens arbeitet sie Fischarts Schreibstrategien in Übersetzung und Konfessionspolemik heraus und weist deren rinascimentale Voraussetzungen nach.
Die vorgestellten Beispieluntersuchungen ermöglichen so einen interdisziplinär informierten Blick auf eine der produktivsten literarischen Konstellationen am Ende des 16. Jahrhunderts.
Mit seinen allegorischen Auslegungen der Metamorphosen Ovids nach historischen, moralischen und naturkundlichen Aspekten, hervorgegangen aus Vorlesungen an der Universität Königsberg, hat Georg Sabinus (1508–1560), heute vornehmlich bekannt als neulateinischer Dichter, unter Rückgriff auf tradierte Auslegungsverfahren antiken Ursprungs das erste humanistische Standardwerk seiner Art geschaffen. Es hat als solches bis ins 18. Jahrhundert hinein in zahlreichen Nachdrucken, auch in Frankreich und England, weite Verbreitung gefunden.
Das Werk des Sabinus wurde im 19. Jahrhundert fälschlich Philipp Melanchthon zugeschrieben und deshalb in die Gesamtausgabe seiner Werke innerhalb des Corpus Reformatorum aufgenommen, in einem textkritisch nur obenhin bearbeiteten Nachdruck. Die vorliegende Neuausgabe bietet einen auf der Grundlage der zu Lebzeiten des Autors erschienenen Drucke erarbeiteten kritischen Text, Nachweise aller Zitate und Literaturverweise, einen Kommentar und eine Übersetzung. Sie versteht sich als Beitrag ebenso zur Erhellung der frühneuzeitlichen Ovid-Rezeption und des humanistischen Mythenverständnisses wie zur Erschließung des noch viel zu wenig beachteten akademischen Fachschrifttums des deutschen Humanismus.
„Mumiae Wratislavienses“ ist die einzige erhaltene gelehrt-wissenschaftliche Schrift des Barockliteraten. Mit dem vorliegenden Band liegt der Text nun erstmals in einer Neuedition vor. Er wird ergänzt durch eine Übersetzung sowie einen Stellenkommentar und in einer Werkstudie aufbereitet, die Gryphius’ gelehrte Tätigkeit in den Fokus stellt. Zur Kontextualisierung des Werkes wird die Arbeit durch eine umfangreiche Auseinandersetzung mit den Mumienstudien der Frühen Neuzeit eingeleitet.
Wer die sich in Journalen und neuen Geselligkeitszirkeln entfaltende Dialogkultur als Signum der Aufklärungsepoche ansieht, wird Bodmers spielerische, um poetische aemulatio bemühte Beiträge zur Literaturkritik als besondere Facette seiner schillernden Persönlichkeit wahrnehmen. Dazu zeigt die Forschungsliteratur, dass trotz der Präsenz Bodmers in den literarischen Zeitschriften seiner Zeit die diversen Konkurrenzverhältnisse bislang noch nicht gründlich erforscht worden sind, in denen sich der Zürcher mit seinen Dichterkollegen v.a. in Deutschland sah. Bodmers Position im Netzwerk der europäischen Streitkultur und Literaturkritik, die sich in der Auseinandersetzung zwischen Leipzig, Berlin und Zürich entwickelte, wird anhand der immanenten Textanalyse seiner poetischen Palimpseste neu situiert. Mit einer literarhistorisch systematisierenden Fragestellung werden diese originellen dichterischen Literaturkritiken vor dem historischen Hintergrund der Querelle des anciens et des modernes und des sich zu der Zeit parallel entwickelnden satirischen und humoristischen Romans in den Blick genommen und nach den Modellen Jean Starobinskis zur relation critique sowie jenen der Konstanzer Schule textimmanent interpretiert.
Katalysator der Faust-Fabel ist ein Teufelspakt, Erbe der Hexenverfolgung. Diese Vorstellung bot dem anonymen Autor des Faust-Buches von 1587 einen geeigneten Plot. Trotz des Meisterwerks, das Chr. Marlowe auf Grundlage der Übersetzung geschaffen hatte, hielt man den Teufelspakt in der Aufklärung für Aberglauben. Lessing und Goethe schien es notwendig, eine radikale Umformung des Mythos vorzunehmen.
Die vorliegenden Studien eröffnen den Blick auf ein vom ,Spaziergänger‘ Lessing akribisch angelegtes Netz von ,Haupt- und Nebenwegen‘, auf die Verflechtung sozialhistorischer, poetologischer und anthropologischer Aspekte seines europäisch orientierten Theaterpanoramas. Er avanciert zum Gewährsmann, dessen Fallanalysen zum theatralen Spiel deutliche Spuren im späteren Diskurs über den Aufgabenbereich des Theaters hinterlassen.
Die Rezeption des meistgelesenen Buchs des 18. Jahrhunderts – Fénelons "Les Aventures de Télémaque" (1696) – ist nur unzureichend aufgearbeitet, obwohl die Forschung sich seit 150 Jahren darin einig ist, dass sein Einfluss auf Literaturgeschichte und Geistesleben des deutschsprachigen Raumes immens ist.
Dem verschafft vorliegende Studie Abhilfe, indem sie die verschiedenen Aneignungsformen quer durch alle Genres verfolgt: vom Epos und Roman zur Oper und zum Melodram. Die divergierende Rezeptionsinteressen werden sowohl zeitlich wie auch ständisch segmentiert, um geographische Zentren, relevante soziale Milieus und individuelle Rezeptionsprozesse zu rekonstruieren und deren Einbindung in bestimmte Netzwerke der Aufklärung zu thematisieren.
Dadurch erhält die Studie nicht nur den Charakter eines Nachschlage- und Referenzwerks zur Rezeption des „Télémaque" im Habsburgerreich, im Alten Reich und in der Eidgenossenschaft, sondern sie führt systematisch vor Augen, wie diejenigen Aneignungsprozesse ablaufen, die ‚Aufklärung‘ nicht zuletzt als Ergebnis vielfältiger Transfers erscheinen lassen.
Drexels ›Iulianus‹ setzt sich entsprechend mit der Frage auseinander, wie weit gelehrter Forscherdrang aus christlicher Sicht gehen darf und welche Folgen sich aus einer Grenzüberschreitung ergeben können. Während Julian zu Beginn über seine vom lipsianischen Neustoizismus geprägten intellektuellen Ambitionen noch den Christengott stellt, lehnt er – von eitler Ruhmsucht angestachelt – dies später ab. Er leugnet Gott, verfolgt dessen Anhänger und fällt am Ende der ewigen Verdammnis anheim. Somit wird im ›Iulianus‹ ferner nicht nur die Vereinbarkeit von Christentum und Neustoizismus diskutiert, sondern auch die generelle Absage an letzteren, wie sie sich in Jakob Bidermanns ›Cenodoxus‹ findet, ausdifferenziert.
Dieses Buch liefert erstmalig eine Edition des Dramentextes mit Übersetzung sowie einen Kommentar und eine einleitende Analyse des Stücks.
Ajouri zeichnet die Verflechtung von juristischen Diskussionen und literarischen Werken nach, belegt, dass Autoren mit ihren Werken die Diskurse über Gute Policey nicht nur abbildeten, sondern an ihnen teilnahmen. Während im 16. Jh. das Verständnis vom Glauben an obrigkeitliche Regulierung geprägt war, hat dieses Denken am Ende des 18. Jhs. einer Individualitätssemantik, Selbstregulierungen und gewandelten Glücksvorstellungen das Feld geräumt.
Die mnemotechnische Traktatliteratur ist eine der Quellengruppen, die explizit über das vormoderne Verständnis von Anlage, Funktionsweise und Leistungsmöglichkeiten des menschlichen Gedächtnisses Auskunft geben. Die Erschließung dieser Texte ist daher eine unverzichtbare Basis theoriegeleiteter Forschung. Mit dem vorliegenden Band wird die Reihe „Documenta Mnemonica“ fortgesetzt, die die wichtigsten Zeugnisse der Mnemotechnik seit der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit in mehrsprachigen, kommentierten Quelleneditionen, Quellenverzeichnissen und Forschungsbibliographien dem internationalen Wissenschaftsdiskurs bequem und verlässlich zugänglich macht. Aufbauend auf einem Korpus von ca. 100 Texten und über 400 Handschriften werden hier die wichtigsten schulbildenden Traktate des 15. Jahrhunderts präsentiert (u.a. Matthaeus de Verona 1420, Jacobus Ragona Vicentinus 1434 und Jacobus Publicius ca. 1460). Die Texte werden nach Leithandschriften ediert, Varianten der wichtigsten Parallelhss. verzeichnet, deutsche Übersetzungen synoptisch geboten und mit einem Zeilenkommentar versehen. Eine Bibliographie, ein Nachwort, das die Geschichte der Mnemotechnik im Spätmittelalter nachzeichnet, und ein Register beschließen den Band.
Obwohl für das Verständnis der Texte hochrelevant, wurde die spannungsreiche Wechselbeziehung zwischen pikarischem Erzählen und ökonomischem Wissen der Frühen Neuzeit bisher nicht systematisch untersucht. Dies ändert die Arbeit, indem sie an Haupttexten der Gattung - vom "Lazarillo de Tormes" (1554) bis zu den ausgreifenden Romanprojekten H.J.C. von Grimmelshausens (um 1622–1676) und Johann Beers (1655–1700) – wesentliche Schnittstellen und Konfliktkonstellationen dieser Wechselbeziehung analytisch beleuchtet. Es zeigt sich, dass die Dynamik pikarischen Erzählens, die seine Faszinationskraft bis heute ausmacht, nicht zuletzt aus der in ihm performierten Durchkreuzung etablierter ökonomischer Ordnungsvorstellungen resultiert. In ihrem Handeln und Erzählen machen Picaros ein Anderes der Ökonomie sichtbar, das in engem Zusammenhang mit frühneuzeitlichen Prozessen des Wissenswandels einerseits und der sozialen Funktion von Romanliteratur andererseits steht.
Erstmals wurde dem Barockdichter Sigmund von Birken ein international besetzter interdisziplinärer Kongress gewidmet, dessen Akten mit vorliegendem Band zur Publikation gelangen. Literatur-, Musik-, Kunst- und Theaterwissenschaftler sowie Theologen und Historiker vereinen sich zur Erschließung eines ausgebreiteten und vielschichtigen Werkes, das zu großen Teilen nur handschriftlich überliefert ist. Einer zentralen Gestalt im literarischen Leben der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die als Präsident des „Pegnesischen Blumenordens“ eine herausragende Position inne hatte, wird damit die ihr lange vorenthaltene wissenschaftlich-publizistische Aufmerksamkeit zuteil.
Oper und Aufklärung bilden keineswegs einen Widerspruch, sondern stehen in einem produktiven Verhältnis zueinander; nicht zufällig ist die Gattung ein bevorzugtes Streitobjekt der Aufklärer.
Am bündigsten kommen diese Debatten in Francesco Algarottis 'Saggio sopra l'opera in musica' zum Ausdruck, einer Schrift, die zuerst 1755 erschien und bald in ganz Europa Verbreitung fand, heute aber so gut wie vergessen ist. So elegant wie scharfzüngig führt Algarotti darin seine Vorstellungen von einer grundlegenden Reform der Oper nach den Maßgaben einer aufgeklärten Ästhetik aus, wobei er auch auf seine Erfahrungen als spiritus rector der friderizianischen Oper in Berlin und Potsdam zurückgreifen kann.
In vorliegendem Band werden diese Schrift und ihre weitreichenden Wirkungen von Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaftlern sowie Philosophiehistorikern erstmals umfassend analysiert und kontextualisiert. Hinzu kommt eine kommentierte Edition der am weitesten verbreiteten Fassung des 'Saggio' sowie ihrer einflussreichen deutschen Übersetzung durch den umstrittenen Aufklärer Rudolf Erich Raspe.
Der Rhein und seine angrenzenden Städte und Landschaften blühten als Landschaft einer über lange Jahrhunderte verfassten lateinischen Literatur. Die im Band versammelten Aufsätze zeigen den Rhein als Kommunikations-Achse enormer Dynamik, die die Schweiz und den Niederrhein als Literaturlandschaft, Wirtschaftsraum sowie Schul- und Universitätsregion eng verband. Es werden Wandlungsprozesse aufgezeigt, denen die Topoi der Rheinbeschreibung unterworfen waren: von Topoi, die in der antiken Tradition verwurzelt waren, zu denjenigen, die von ihr Abstand nahmen, um den deutschen Charakter des Rheins auch literarisch zu dokumentieren. Als Grenze zwischen Deutschland und Frankreich diente der Rhein zugleich zum poetischen Ausdruck von Gemeinsamkeit und Verschiedenheit. Gerade die in dieser Tradition stehenden Dichtungen veranschaulichen nicht nur die Bruchlinien des zwischen Universalität und beginnenden nationalen Strömungen oszillierenden europäischen Humanismus, sondern auch die vielfältigen kulturellen Gemeinsamkeiten. Diese liegen v.a. in der Bewahrung einer lateinischen Tradition, die erst im 19. Jh. ihr Ende findet. Weitere Themen sind der Rhein als ‚Schulregion‛ und als Raum der Zirkulation von Drucken und Handschriften.
Von der Forschung kaum beachtet, hat sich im 17. Jahrhundert eine florierende literarische Praxis außerhalb des gelehrten Milieus positioniert. Poeten und Leser verweigerten sich den neuen ästhetischen Normen und orientierten sich weiterhin an althergebrachten Vorbildern. Einer der populärsten und bestdokumentierten Vertreter dieser nichtakademischen Poesie war der Nürnberger „Spruchsprecher" Wilhelm Weber (1602–1661). Er wirkte nicht nur als Autor und Verleger, sondern auch als Auftragsdichter und populärer Vortragskünstler.
Ausführlich thematisiert werden Vita, Wirken und Wahrnehmung des Handwerkerdichters in den lebensweltlichen, sozialen und kulturellen Kontexten seiner Wirkungsstätte. Dabei wird das Augenmerk nicht nur auf die Bedingungen einer freischaffenden Dichterexistenz gelegt, sondern werden auch die Wissens-, Erfahrungs- und Werthorizonte des Autors und die Spielräume seines literarischen Schaffens analysiert. Nachgegangen wird weiter der Rezeption Webers in Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung seit dem späten 17. Jahrhundert.
Der Editionsteil enthält die rund 60 überlieferten Texte Webers, die erstmals nach kritischen Maßstäben und ausführlich kommentiert herausgegeben werden.
Die Beiträge des Sammelbands untersuchen den Zusammenhang zwischen den deutschen Antikenübersetzungen des Zeitraums von 1450 bis 1620 und der frühneuzeitlichen Rhetorik und Poetik. Dabei wird der Beitrag der Übersetzungskultur, die unter dem Einfluss der humanistischen Bildungsbewegung entsteht, für die Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur der Frühen Neuzeit neu bestimmt.
Spätmittelalterliche Prosaromane erzählen von Liebe und Ehre, von Verleumdung und Verrat. Werke wie 'Fortunatus' und 'Herzog Ernst', 'Melusine', 'Tristrant' oder 'Hug Schapler' greifen dafür auf ältere Geschichten zurück. Die vorliegende Arbeit demonstriert anhand von Handschriften und Drucken des 15. bis 19. Jahrhunderts, wie sich dieser Prozess auf der Ebene der Textgeschichte einzelner Werke wiederholt. Denn Überlieferungsbeteiligte überarbeiten die Texte weiter, kürzen, ergänzen oder untergliedern sie und fügen mit Illustrationen und anderen Paratexten weitere Dimensionen hinzu. Ganz gleich, ob diese Eingriffe semantisch intendiert sind oder ökonomischen Logiken folgen, sie variieren den Sinngehalt der Werke und schreiben aktiv an der Literaturgeschichte mit.
Sebastian Speth zeigt, wie im vormodernen Bucherzählen haupt- und paratextuelle sowie strukturelle Dimensionen miteinander konkurrieren und dem historischen Rezipienten ein Spektrum möglicher Perspektiven vorgeben, zwischen denen er bei seiner Lektüre wählen kann. Die Arbeit regt auf diese Weise an, Prosaromane ‚überlieferungsgerecht‘ zu interpretieren, das heißt, die Werke in der gleichen Ein- und Vieldeutigkeit ernst zu nehmen, in der sie überliefert sind.)
Intermedialität hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Paradigma der Literatur-, Bild- und Musikwissenschaften entwickelt. Phänomene der Medienkombination und -konkurrenz wurden dabei vor allem für Literatur, Musik und Bildende Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts untersucht. Der hier vorliegende interdisziplinäre Band stellt den ersten Versuch dar, intermediale Formen und ihre theoretischen Grundlagen für die Frühe Neuzeit (1500–1750) zu erfassen. Im Sinne einer literaturzentrierten Intermedialität stehen Wechselwirkungen zwischen der Literatur und den übrigen Künsten im Mittelpunkt. Neben Formen der Bild-Text-Kombination bzw. -transformation wie Emblem, carmen figuratum oder Ekphrasis werden Spielarten musikalischer Intermedialität (Lied, Bühnenmusik, Oper), aber auch die Vorgeschichte der Gesamtkunstwerk-Idee des 19. Jahrhunderts erschlossen. Mit diesem weiten Spektrum füllt der Band nicht nur eine Lücke zwischen historischer Frühneuzeit- und systematischer Intermedialitätsforschung, sondern bildet zudem eine wichtige Grundlage für eine noch zu schreibende Literaturgeschichte der Intermedialität.
Der in Thüringen wirkende Arzt Christoph von Hellwig (1663–1721) hat zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein inhaltlich und zahlenmäßig schwer überschaubares sachliterarisches Werk in den Bereichen Medizin, ‚Physik‘, Alchemie, Pharmazie und Ökonomie veröffentlicht. Seine Schriften popularisierten akademisches Wissen für den ‚gemeinen Mann‘, für angehende Mediziner und Apotheker und für die ‚Curiosi‘. Die vorliegende Studie ergänzt auf der Basis einer intensiven Textlektüre die Biographie des „Vielschreibers“ Hellwig, beschreibt seine Strategien popularisierenden Wissenstransfers, verortet ihn bei Betrachtung von vier Vertretern der ihn maßgeblichen beeinflussenden medizinischen und philosophischen Konzepte (Spätparacelsismus, Lebensgeister-Medizin, praktische Alchemie) als Eklektiker, deduziert spezielle Formen frühneuzeitlicher Fachtexte (offene Form, additive Textkonstitution) und diskutiert Verfasserfragen, insbesondere die (vermeintlichen) Pseudonyme Valentin Kräutermann und Caspar Schröder. In einer umfassenden annotierten Bibliographie erschließt die Studie das Hellwig’sche und Pseudo-Hellwig’sche Werk.
Das Hamburger Akademische Gymnasium, begründet 1612 und 1613 feierlich eröffnet, war eine Hochschule ohne Universitätsprivilegien. Gleichwohl genoss diese Institution bereits nach wenigen Jahren europaweit höchstes Ansehen und gehörte auf den Wissenschaftsgebieten der Orientalistik, der Hebraistik, der Bibel- und Altphilologie, der Religionsphilosophie und der Naturkunde zu den führenden Hochschulen des frühneuzeitlichen Europa. Ihre enorme Anziehungskraft spiegelt sich u.a. darin, dass Gelehrte ersten Ranges, die bereits Professuren an renommierten Universitäten innehatten, Berufungen nach Hamburg annahmen. In vorliegendem Band untersuchen ausgewiesene Expert/innen die Entstehung und die Geschichte dieser Institution, das wissenschaftliche Wirken ihrer Professorenschaft (Vincent Placcius, Sebastian Edzard, Johann Albert Fabricius, Hermann Samuel Reimarus u.a.), die Physiognomie verwandter Hochschulen (London, Straßburg, Thorn, Karlsruhe) und ihrer Bibliotheken. Auf diese Weise wird einem bislang allzu wenig beachteten Bereich der europäischen Wissenschafts- und Bildungsgeschichte das notwendige Augenmerk zuteil.
Der Pikaroroman geht nach kurzer Konstitutionsphase rasch in anderen Erzähltraditionen auf. Dessen ungeachtet hat die Forschung pikareske Motive bis in die Moderne hinein weiterverfolgt. Dieser Band bezieht erstmals systematisch die darin angezeigte nachhaltige Persistenz auf die kurze Geschichte der Pikareske als Gattung, indem er die produktive Verarbeitung einzelner konstitutiver Elemente ihres diskursiv-strukturellen Profils in unterschiedlichen generischen und diskursiven Kontexten des 17. und 18. Jahrhunderts analysiert.
Die Beiträge befragen solche Kontexte jeweils auf die Valenz pikarischer Erzählmuster, wobei das Interesse an spezifisch narrativen Formen von Wissen einen gemeinsamen Fluchtpunkt bildet. Im Fokus stehen neben Grimmelshausen und den frühen deutschsprachigen Adaptationen nicht nur bislang wenig beachtete simplicianische Texte, sondern auch Romane Beers, Weises und Ettners. Studien zu spanischen Texten und deren Bearbeitung im âge classique erweitern das Untersuchungsfeld komparatistisch.
Der Band bietet damit neue Forschungsperspektiven nicht nur zum deutschen und europäischen Schelmenroman, sondern auch zur historischen Narratologie, zu Problemen der Gattungstheorie und zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit.
1687 veröffentlichte der bayerische Rechtsgelehrte Anton Wilhelm Ertl den neulateinischen Roman Austriana regina Arabiae. Darin handelt er in allegorischer Form die Ereignisse rund um die 2. Wiener Türkenbelagerung von 1683 ab und betreibt Propaganda für das Haus Habsburg. Damit war der erste neulateinische Habsburgroman geboren. Dieser Band präsentiert den Text mit Übersetzung und einer Einführung in den neulateinischen (Habsburg-)Roman.
Das vorliegende Werk schließt in knapper Form, aber in weitem Überblick mit vielen Textbeispielen und wegweisenden Anregungen eine neuralgische Lücke der Geschichte der Lehrdichtung, also des versgebundenen, mehr oder weniger ästhetisch ambitionierten Schrifttums zur Vermittlung oder poetischen Nobilitierung von Sach-, Verhaltens- und Orientierungswissen, zwischen Spätmittelalter und Aufklärung. Etablierte Autoren wie M. Opitz und F. Dedekind wie auch fast vergessene deutschsprachige Exempel (etwa von J. G. Schottelius, W. Fabry und G. Wickram) kommen nach Gebühr zur Geltung, doch fällt neues Licht besonders auf das riesige neulateinische Textfeld unter Einschluss der Jesuitendichtung (z. B. Barth, Frischlin, Xylander, Maier, Hohberg, Bidermann, Balde und viele andere). Besonders wird Wert gelegt auf eine funktionale Differenzierung der diversen, oft hybriden Textgenres (vom Merkvers bis zur altepischen Großdichtung) sowie auf exemplarische Analysen der deutschen Rezeption, auch Übersetzung, bekannter antiker wie auch italienischer Modelle (zum Beispiel Palingenius und Vida). Den Rahmen bildet die Behandlung der einschlägigen, oft kontroversen poetologischen Diskussionen von Aristoteles bis Goethe sowie, vor der weitläufigen Bibliographie, ein abschließender Ausblick auf das 18. und frühe 19. Jahrhundert.
Das große Interesse für niederländische und flämische Literatur im deutschen Sprachraum bezeugen zahlreiche Übersetzungen und Adaptationen mittelalterlicher niederländischer Romane im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Neue Übersetzungen und Bearbeitungen niederländischer Romane entstanden im ripuarischen Raum und in der Pfalz. Darüber hinaus wurden Drucke niederländischer Romane in Bayern rezipiert. Bereits 1811 betonte Jacob Grimm in einem Brief an seinen Leidener Kollegen Hendrik Willem Tydeman die enge Verbundenheit der deutschen und niederländischen Literatur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Er interessierte sich dabei im Besonderen für die gedruckte Prosahistorie des im 14. Jahrhundert in Brabant vollendeten Liebes- und Abenteuerromans über Margriete und ihren Bruder Heinric aus dem Herzogtum Limburg. Dieser zählt zu den am meisten verbreiteten und bis weit in den deutschen Raum tradierten niederländischen Erzählstoffen. Die Studie bietet, Philologie, Kultur- und Buchwissenschaft verknüpfend, erstmalig eine komparatistische Untersuchung der Margriete-Romane vor dem Hintergrund des niederländisch-deutschen Literatur- und Kulturtransfers.
Anhand der Bibeldramen Sixt Bircks (1501–1551) lässt sich darstellen, mit welchen Mitteln und Zielen biblische Texte in den Jahren nach der Reformation in Schauspiele transformiert wurden. Im 16. Jahrhundert war dies ein äußerst populäres Verfahren, um einem größeren Publikum Exempla aus der Heiligen Schrift vor Augen zu stellen. Das dramatische Werk Sixt Bircks beschäftigt sich darüber hinaus mit Fragen des öffentlichen Lebens und der Institutionen in einer ‚Respublica christiana‛ – ein republikanisches Gemeinwesen mit Gott an der Spitze. In seinen Dramen spricht sich Birck u.a. für ein Gerichtswesen nach römischem Vorbild aus und leitet die weltliche Obrigkeit an, wie sie zum Wohl der ‚Respublica christiana‛ beitragen könne.
Die Dramen werden in den historischen und geistesgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehung eingebunden, wodurch auch Bezüge zu historischen Ereignissen, Entwicklungen und gelehrten Diskursen an den Entstehungsorten Basel und Augsburg hergestellt werden können. Die interdisziplinär angelegte Studie betrachtet erstmals eine größere Auswahl der Dramen Sixt Bircks unter dem Aspekt politischer (Neu-)Entwürfe. Dadurch können die verschiedenen Aspekte der christlichen Respublica im Zusammenhang betrachtet werden.
Was hat Martin Luther so am ,Frankfurter‘ fasziniert, dass er diesen spärlich überlieferten spätmittelalterlichen Traktat 1516 zunächst in einer Kurzfassung und dann 1518 vollständig im Druck erscheinen lässt? Ausgehend von dieser Fragestellung begibt sich die vorliegende Monographie in das 14. Jahrhundert zurück, um in einer vergleichenden Analyse bestimmte Transformationsprozesse innerhalb des ,mystischen Diskurses‘ und ihre Auswirkungen auf den ,Frankfurter‘ herauszuarbeiten. Inspiriert von Luther Bewertung des Traktats als „opus theologicissimum“, welches Augustinus an die Seite zu stellen sei, werden zwei Komplexe ausführlich behandelt: zum einen die zunehmende Distanzierung mystischer Prosatexte von der positiven Anthropologie Meister Eckharts und die damit einhergehende Annäherung an
augustinisch-antipelagianische Positionen, die sich im ,Frankfurter‘ in besonderer Intensität niederschlagen; zum anderen die zu theologischen Grenzüberschreitungen neigende Gotteslehre des ,Frankfurter‘, die ihn ebenfalls weit von Meister Eckhart entfernt. Ein abschließender Teil führt anhand der frühen Wittenberger Druckausgaben (1516, 1518, 1520) die mediale Umgestaltung des ,Frankfurter‘ zur ,Theologia deutsch‘ vor.
Die berühmte Ringparabel aus G. E. Lessings ›Nathan der Weise‹ hat bis in unsere Gegenwart hinein nichts an ihrer Faszinationskraft und Wirkmacht eingebüßt. Zahlreiche Versuche, die Ringparabel zu aktualisieren, bezeugen zwar die große Bedeutung des Textes in der gegenwärtigen Toleranzdebatte, führen aber zu einer instrumentellen Disqualifizierung der Erzählung zum feuilletonistischen Gemeinplatz. Auf diese Weise gerät nicht nur der komplexe ästhetische Rahmen der Parabel in Lessings ›Dramatischem Gedicht‹ aus dem Blickfeld; es wird auch vergessen, dass die Ringparabel selbst eine lange Überlieferungsgeschichte besitzt und dass sie ein ebenso zentrales Erzählmuster des Toleranz- wie des Intoleranzdiskurses darstellte. Der vorliegende Band möchte gegen die präsentistischen Reduktionen und Missverständnisse der Ringparabel die literarische Geschichte dieses wirkmächtigen Erzählmodells rekonstruieren und an diesem Leitfaden entlang eine Archäologie des europäischen Toleranzgedankens liefern. Erhellt werden zunächst die Transformationen der Parabel von der Antike bis zu Boccaccios Melchisedech-Novelle, um dann auf Lessing einzugehen und dessen Rezeption bis in die Moderne zu verfolgen.
Die Studie widmet sich den frühen deutschen pikaresken Texten des 17. Jahrhunderts (Albertinus’ „Gusman“, Frewdenholds „Guzman. Dritter Theil“ und der „Justina Dietzin Picara genandt“), wobei erstmals systematisch die Frage nach spezifischen Möglichkeiten der frühen pikaresken Romane, Wissen zu formen und zu präsentieren, gestellt wird. Kritisch anknüpfend an die bestehende Forschung, die für die ‚novela picaresca‘ in Deutschland lediglich eine Adaptation für die religiöse Unterweisung annimmt, konzentriert sich die Arbeit darüber hinausgehend auf die erzähltechnischen und semantischen Spezifika der pikaresken Texte. Ausgehend von einem akteurzentrierten dynamischen Wissensbegriff unterscheidet sie ein narrativ geformtes Erfahrungswissen von einem argumentativ geformten festen Wissen. Auf dieser konzeptuellen Unterscheidung aufbauende erzählstrukturelle Analysen werden mit der Rekonstruktion und Kontextualisierung von Quellen sowie der Untersuchung verschiedener Modi ihrer Adaptation verknüpft. Auf diese Weise erfasst die Studie präzise die diskursive und textuelle Eigenart des pikaresken Erzählens und leistet zugleich einen Beitrag zur Historisierung der Relation von Wissen und Erzählen.
Noch vor kurzem erschien es kaum denkbar, dass in der westlichen Welt Konflikte entstehen könnten, die an längst vergangene Religionskriege erinnern. Der längere Zeit aus dem Theoriegespräch verschwundene Begriff der Toleranz hat sich hier als ein Konzept angeboten, mit dem nach einem Ausgleich der kulturellen Gegensätze gesucht werden kann. Hier wird nicht selten nach einer Begriffsbestimmung mit größerer historischer Reichweite gesucht. Eine historische Vergewisserung ist notwendig, da Ansätze zur Lösung der sich gegenwärtig stellenden Probleme noch immer in der auf die Frühe Neuzeit zurückgehenden naturrechtlich-politischen Diskussion und Begriffsgeschichte zu finden sind. Die Kriterien zur Rechtfertigung von Toleranz lassen sich aus den Konzeptionen entwickeln und an den Argumenten prüfen, die seit der Reformation die Auseinandersetzung über die Duldung fremder Konfessionen bestimmt haben. Auch die Grenzen der Toleranz und die mit dem Begriff verbundenen Paradoxien lassen sich vor diesem Hintergrund erörtern, wie die in diesem Band versammelten Beiträge zeigen.
In der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur herrschte ein großes Bewusstsein für die Funktion bestimmter Textsorten und ihrer genuinen, zweckgebundenen Verwendungsweise, die sich nicht zuletzt auch an rhetorischen Traditionen orientierte. Das trifft auch auf den Bereich der Verteidigungsschriften, hier vornehmlich der Apologie und der Vindicatio, zu. Beide stehen im Bezugsrahmen gelehrter Streitigkeiten, die in jüngster Zeit vermehrt in den Blick genommen wurden. Allein dominierten bisher Fragestellungen, die sich in erster Linie an Inhalten orientierten. Die Formen und je eigenen Textsorten gelehrten Streitens kamen bisher nicht genauer in den Blick. Die hier zusammengetragenen Analysen nehmen das rhetorische Erbe und die Sensibilität der Gelehrten der Epoche der Frühen Neuzeit für die Verwendung bestimmter Schreibweisen zu ihrem Ausgangspunkt, um agonale Positionsbestimmungen im gelehrten Diskurs in ihren Kontexten verständlich zu machen. Die hier versammelten Beiträge aus Philosophie, Philologie, Theologie und Geschichte zeigen erstmals, dass Verteidigungsschriften in den seltensten Fällen rein defensiv waren, vielmehr eignete ihnen ein ebenso offensives, mitunter gar aggressives Moment.
Obwohl der vielgescholtene Ritterroman „Amadis“ zweifellos ein Bestseller der Frühen Neuzeit gewesen ist, hat er in der germanistischen Forschung bislang wenig Beachtung gefunden. Von umfassenden Untersuchungen dürfte nicht zuletzt die schiere Stoffmenge abgehalten haben – in Deutschland bringt es der Roman auf 26 Bände. Die vorliegende narratologische Untersuchung will nun die noch ausstehende Gesamtinterpretation versuchen, die sicherlich stark auswählend bleiben muss. Dabei werden Konzepte der Serienforschung verwendet (wie z.B. der Cliffhanger-Begriff), die es erlauben, wesentliche Eigenheiten des Amadisromans sinnvoll zu fassen, die oft als künstlerische Unzulänglichkeiten missverstanden worden sind. Die Analyse erfolgt auf drei Ebenen und nimmt neben der gesamten Serie auch exemplarisch ausgewählte Bände in den Blick, deren Organisation eingehend beschrieben wird. Schließlich werden einzelne, wiederkehrende Erzählmuster – „Bausteine“ der Serienproduktion – über den Roman hinweg beobachtet. Deutlich wird, dass mit dem Massenmedium Druck erstmals die Bedingungen für ein serielles Erzählen gegeben sind und dass sich umgehend Erzählweisen herauszubilden beginnen, die auf dauerhafte Rezipientenbindung abzielen.
Erstmals wird mit diesem Band eine wissenschaftlich fundierte Übersicht über das Gesamtwerk Johann Rists geboten, wobei zahlreiche neue Erkenntnisse zu Tage treten. Die Beiträge erkunden das Schaffen eines der führenden Literaten des deutschen Sprachraums der Frühen Neuzeit. Hierbei finden die geistliche und weltliche Dichtung genauso Beachtung wie die Dramatik, die Naturkunde, die Kasuallyrik, musik- und gesangbuchhistorische Aspekte, die Relevanz des Niederdeutschen, die politischen Diskurse bis hin zur druckgraphischen Ausstattung von Rists Publikationen. Besonderes Augenmerk gilt der Einbettung Rists in die gelehrten literarischen Netzwerke (Martin Opitz, Simon Dach, Andreas Tscherning, Sigmund von Birken u.a.) sowie der Wirkung von Rists Dichtung in Gesangbüchern, auf der Bühne und in der Neolatinität. Auf diese Weise werden wichtige Einsichten gewonnen, die dazu beitragen, das Profil eines in der Vielfalt seiner Interessen einzigartigen poeta doctus präziser zu bestimmen.
Im Zentrum vorliegender Untersuchung steht der Briefwechsel zwischen dem Bayreuther Leibarzt Peter Christian Wagner (1703–1764) und dem als städtischem Arzt in Nürnberg tätigen Christoph Jacob Trew (1695–1769). Die Korrespondenz wird als kommentierte Edition vorgelegt und unter medizin- und wissenschaftshistorischen Aspekten analysiert. Der die Briefe dominierende vielfältige medizinisch-naturwissenschaftliche Austausch ermöglicht einen Zugriff nicht nur auf die Zweierbeziehung der Korrespondenten, sondern auch auf das umgebende gelehrte Netz. Daher gilt das Augenmerk nach Vorstellung der Lebensläufe der Briefpartner und der Grundstruktur der Korrespondenz vor allem der vorrangig qualitativen Analyse organisatorischer und inhaltlicher Aspekte des medizinisch-naturwissenschaftlichen Austauschs. Es gelingt so, die Funktion einer Person wie Peter Christian Wagner im frühneuzeitlichen gelehrten Netz herauszuarbeiten und damit die Bedeutung von Netzvertretern, die selbst weder herausragende Wissenschaftler noch Wissenschaftsorganisatoren waren, verstärkt in den Fokus zu rücken. Dergestalt werden Einblicke in den bislang in der Forschung wenig beachteten ‚Unterbau‘ frühneuzeitlicher gelehrter Netze gewährt.
Die Handelsmetropole Magdeburg wurde bisher in der Forschung stets mit der strengen lutherischen Orthodoxie eines Matthias Flacius in Verbindung gebracht. Die vorliegende Studie stellt dagegen erstmals die oppositionelle Gegenseite der Philippisten in den Fokus. Die bedeutenderen Magdeburger Rektoren wie Georg Major, Abdias Prätorius oder Georg Rollenhagen hatten bei Melanchthon in Wittenberg studiert und vertraten dessen mehr dem Humanismus zuneigende Positionen. Daher ziehen sich die theologischen Debatten mit den Gnesiolutheranern wie ein roter Faden durch die gymnasiale Literatur. Untersucht wurden zu verschiedensten Anlässen gehaltene Reden, Lehrbücher, Klassikerausgaben, Schulordnungen, Schuldramen, Flugschriften, Gelehrtenbriefe etc. Die Vermittlung humanistischer Ideen kumulierte in Rollenhagens Opus maximum, dem Froschmeuseler, der hier erstmalig einer Gesamtdeutung unterzogen wird. Über die Konflikte zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten hinaus thematisiert der Band Fragen wie den Ramismus oder die Einführung der Muttersprache in den gymnasialen Unterricht. Aufs Ganze gesehen ergibt sich ein Panorama protestantischer Bildung von der Zeit der Reformation bis zum Dreißigjährigen Krieg.
1779 veröffentlicht Johann Gottfried Herder die Apokalypse-Paraphrase Maran Atha. Ein Jahr später publiziert Johann Caspar Lavater sein hexametrisches Epos „Jesus Messias, oder die Zukunft des Herrn“, gefolgt vom vierbändigen Epos „Jesus Messias, oder die Evangelien und Apostelgeschichte in Gesängen“ (1783–1786). Herders und Lavaters Werke zeigen, dass die Tradition der christlichen Dichtung nicht, wie es die bisherige Literaturgeschichtsschreibung annimmt, mit der Vollendung von Klopstocks „Messias“ (1773) zu Ende geht. Wie die ausführliche kulturhistorische, intertextuelle und theologiegeschichtliche Analyse belegt, entwickeln Herder und Lavater in der Auseinandersetzung mit dem großen Vorgänger Klopstock ihre eigenen Vorstellungen darüber, wie die biblischen Quellen in stilistisch und inhaltlich angemessener Weise zur poetischen Darstellung gebracht werden müssen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag in der Diskussion um literarästhetische und poetologische Maximen. Zugleich ist ihre Bibelpoesie theologiegeschichtlich bedeutsam, da sie darin neue exegetische Ansätze entwickeln, bei denen die Verbindung von historisch-kritischer Analyse mit empfindsamer Bibellektüre im Vordergrund steht.
Die interdisziplinär ausgerichteten und kulturhistorisch perspektivierten Studie widmet sich der intellektuellen Biographie des Journalisten, Übersetzers und Lieddichters Georg Greflinger (um 1617–1677), eines faszinierenden und in vieler Hinsicht exemplarischen Autors der deutschen Literatur- und Musikgeschichte des 17. Jahrhunderts. Auf eine umfassenden Darstellung seiner Laufbahn, seines Wirkens in verschiedenen kulturellen Zentren des Alten Reiches, seines sozialen Netzwerks sowie seines Gesamtwerks folgt in einem zweiten Komplex Greflingers Lieddichtung – jener Bereich, in dem der Autor in seiner Epoche und darüber hinaus größtes Ansehen genoss. Untersucht werden sowohl musikalische und literarische Aspekte des Repertoires als auch Fragen der Funktion und Aufführungssituation. Die Studie beinhaltet darüber hinaus eine kommentierte Werkbiographie sowie Transkriptionen von Notenmaterial.
Die Beiträge des Bandes schreiten das Corpus des ‚Ruhmeswerks‘ Maximilians ab, das verschiedene literarische und künstlerische Gattungen adaptiert. Der Entwurf des Kaisers als ‚uomo universale‘ wird in Beziehung zu den Selbstentwürfen der Renaissance gesetzt, die in den letzten Jahren unter dem Schlagwort ‚self-fashioning‘ untersucht wurden. Dabei geht es auch um die Veränderungen der medialen Bedingungen im Gefolge der Erfindung des Buchdrucks.
Die politische Literatur der Frühen Neuzeit ist durchzogen von medizinischer Terminologie, da mehrere ihrer Autoren praktizierende Ärzte waren. Die Struktur des Staates, die Steuerung sozioökonomischer Prozesse und politisches Handeln finden ihre Erklärung in physiologischen, diagnostischen und therapeutischen Konzeptionen. Mit der Medikalisierung des Regierungshandelns gerät die Figur des Arztes in den Blick, dessen medizische Verfahren ein Modell für die Pragmatik des gouvernementalen Handelns gemäß den Lehren der Staatsräson liefert. Ausgehend von der Darstellung der Herrschaftstechnik als medizinischer Praxis untersucht „Politische Medizin der Frühen Neuzeit“ systematisch die Verschränkung von Medizin und Politik im frühen 17. Jahrhundert, wie sie sich etwa in den Debatten um politische Krisen, Aufstände und Epidemien zeigt. Ergänzt um die Analyse des Konnexes zwischen Physiologie und politischer Theorie und dem Diskurs um die Lebensverlängerung von Staaten und Körpern rekonstruiert die Arbeit die umfassende Konzeption der politischen Theorie als praktischer ‚Erfahrungswissenschaft‘ und steckt den Rahmen zur Erforschung des politischen Körpers neu ab.
Die Studie unternimmt die Einbettung von Leo Armenius, Catharina von Georgien, Æmilius Paulus Papinianus und Carolus Stuardus in den Kontext der zeitgenössischen Rechts- und Staatstheorien. In seinen politischen Dramen vollzieht Andreas Gryphius die kritische Auseinandersetzung mit den Lehren politischer Klugheit Niccolò Machiavellis und Justus Lipsius' ebenso wie mit dem Naturrechtsdenken eines Hugo Grotius. Besonders die erstmalige ausführliche Kontextualisierung des schlesischen Dichterjuristen mit dem Staatsrechtsdenken seiner unmittelbaren Lehrer Georg Schönborner, Johan Heinrich Boecler und Claude Saumaise erlaubt vielfache Aufschlüsse über Gryphius' Zugang zu politischen Theoremen und Theologemen. In seinen politischen Trauerspielen nimmt Andreas Gryphius in bestimmter Weise Stellung zu Fragen des Souveränitäts- und Widerstandsrechts, die sich von den Entwürfen einflussreicher Zeitgenossen wie Lipsius', Johannes Althusius', Bartholomäus Keckermanns u.a.m. unterscheidet. Seine nicht allein konservative, sondern Innovationen auf dem Gebiete theoretischer wie praktischer ratio berücksichtigende Haltung führt auf eine speziell gryphsche Ausprägung politischer Theologie hin.
Zwischen 1718 und 1740 erschien ein deutschsprachiges Journal in Dialogform, dessen Einfluss auf die europäische Zeitschriftenliteratur lange unterschätzt wurde. An den äußerst erfolgreichen „Gesprächen in dem Reiche derer Todten“ wird gezeigt, wie politische Kommentare zum aktuellen Zeitgeschehen mit einem umfassenden historischen Bildungsprogramm und populären Gesprächsthemen verknüpft wurden. Im Gegensatz zu gelehrten und häufig noch lateinischen Zeitschriften boten die deutschsprachigen Totengespräche des Hofhistoriographen und Diplomaten David Fassmann eine eklektizistische Mischung von Themen, Figuren und stilistischen Zitaten, was Zeitgenossen wie Gottsched als Kritiker auf den Plan rief. Trotzdem gehörten die Totengespräche mit zu den erfolgreichsten Organen auf dem europäischen Journalmarkt und lösten eine Art ‚Renaissance‛der antiken Gattung aus. Gerade an der Darstellung ‚exotischer‛ Figuren wie Süleyman oder Kleopatra wird deutlich, in welchem Spannungsfeld zwischen Eigenem und Fremden sich zeitgenössische Nachrichtenorgane zu Beginn der Frühaufklärung befanden.
Die kulturhistorisch ausgerichtete Arbeit leistet einen Beitrag zur deutsch-jüdischen Geschichte, indem sie Konstruktionen, Vorstellungen, Deutungsweisen und Rezeptionen des Jüdischen in der deutschsprachigen Literatur des 17. Jahrhunderts analysiert und einordnet. Herangezogen wird ein umfangreiches und heterogenes Textkorpus, so dass nicht nur Differenzen, Gemeinsamkeiten und Interdependenzen zwischen den einzelnen Gattungen in Bezug auf Konstruktionen des Jüdischen aufgezeigt werden können, sondern auch wie und unter welchen Bedingungen sich das Reden und die Redeweisen von Juden und Judentum konstituieren. So kann gezeigt werden, dass das Gros der Texte mit antijüdischen Entwürfen und Stereotypen operiert, diese affirmiert und weitertradiert, so dass ihnen auch über das 17. Jahrhundert hinaus eine große Wirkmächtigkeit beschieden war. Zugleich kommt es jedoch auch zu einer neuen, offenen, vorurteilsfreieren Form der Hinwendung zum Judentum: Alte Erzählweisen werden dekonstruiert und Freiräume ausgelotet, mit der Folge, dass sich ‑ wenn auch vereinzelt ‑ durchaus Erprobungen neutraler und sogar positiver Entwürfe jüdischer Figuren finden.
An nur wenigen Orten Deutschlands blühte die Theaterkultur der Frühen Neuzeit wie an der Straßburger Akademie unter der Ägide des Caspar Brülow (1585–1627). Diese erste ausführliche Monographie über den Dramatiker schließt eine umfassende Werkbibliographie sowie eine Rekonstruktion der Vita des Dichters inklusive seiner sozialen Vernetzung mit dem Bürgertum, lutherischen Klerus und pommerschen Landsmännern in Straßburg mit ein. Ausführliche Einzelinterpretationen seiner Werke analysieren stoff- und motivgeschichtliche Zusammenhänge und intertextuelle Beziehungen zu antiken Dichtern wie Seneca, Vergil oder Horaz sowie frühneuzeitlichen Poeten wie Georg Sabinus, George Buchanan oder Nicodemus Frischlin. Erstmals wird auch die soziodidakische Funktionalisierung von Brülows Œuvre anhand seiner diskursiven Berührungen mit der lutherischen Dogmatik, dem akademischen Curriculum und reichsstädtischen Umfeld nachgewiesen. Brülows Dramen stellen ein bislang ungewürdigtes Bindeglied in der Gattungsgeschichte vom terentianisch-plautinischen Schuldrama des 16. Jahrhunderts zu den Haupt- und Staatsaktionen des schlesischen Kunstdramas dar.
Alle drei Bände der von Jörg Jochen Berns herausgegebenen Edition Von Strittigkeit der Bilder. Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahrhundert sind als preisreduziertes Set zu erwerben.
Die Bände geben verlässlich Einblick in eine deutschsprachige, theologisch grundierte Mediendebatte. Singulär ist die umfassende Zusammenstellung zum einen wegen ihres Umfangs von neunundneunzig historischen Texten auf mehr als zweitausendeinhundert Seiten, zum andern wegen der regionalen Vielfalt und konfessionellen Vielstimmigkeit dieser Zeugnisse: von Amling, Bucer, Buchstab, Bullinger bis hin zu Quad, Schwenckfeld, Zwingli. Nicht nur werden viele der Dokumente hier erstmals seit vier Jahrhunderten wieder ediert, sondern auch zum ersten Mal zusammengestellt und so miteinander konfrontiert, dass es möglich wird, Gemeinsamkeiten und Differenzen zu erkennen, Leitbegriffe zu verfolgen und argumentative Muster freizulegen. Die Texte werden durch Anmerkungen und umfängliche Nachworte kommentiert und durch umfangreiche Register erschlossen.
Als Handwerkszeug bildwissenschaftlichen Forschens, insbesondere auf kunsthistorischem, kirchengeschichtlichem, volkskundlichem, psychologiehistorischem, mediengeschichtlichen oder germanistisch-linguistischem Terrain, ist die Sammlung unverzichtbar.
Die rasch zum Standardwerk avancierte Sammlung Von Strittigkeit der Bilder. Texte des deutschen Bildstreits zum 16. Jahrhundert wird nun um einen dritten Band erweitert. Mit den 39 neu erfassten Texten liegen somit insgesamt 99 deutschsprachige Zeugnisse aller Konfessionen (Katholiken, Lutheraner, Calvinisten) vor. Als Autoren, deren bildtheologische Äußerungen bislang ungewürdigt waren, kommen zu Wort: Alberus, Amling, Blarer, Crato, Eberlin, Isaak, Leucht, Miller, Neudorffer, Osiander, Palladius, Pezelius, Russ, Scultetus, Spreter, Sylvanus, Taurer, Unwerth, Viёtor oder Walasser. Das Nachlese- und Nachschlagwerk eröffnet einen ebenso weitreichenden wie detailreich eindringlichen, vermöge seiner Authentizität verlässlichen Einblick in das deutschsprachige Bilddenken der Frühen Neuzeit. Damit wird erstmals möglich, die Bilderfrage multiperspektivisch − aus kunsthistorischer, mediengeschichtlicher, frömmigkeitspsychologischer, erkenntnisphysiologischer, begriffsgeschichtlicher, kirchen- und konfessionshistorischer Sicht – zu studieren und fortzudenken und mit der zeitgenössischen Bildproduktion in Beziehung zu setzen.
Die zweibändige Edition macht kenntlich, was im 16. Jahrhundert im deutschsprachigen Europa über Bilder - vor allem über kultisch genutzte Bilder - gedacht wurde. Die Zusammenstellung der 60 Texte von 47 Autoren dient der Rekonstruktion der ersten Mediendebatte, die fast ausschließlich in deutscher Sprache geführt wurde. Viele der Texte werden hier nach mehr als 400 Jahren erstmals wieder publiziert, wobei das Ziel war, möglichst viele konfessionell und politisch verschiedenartige Autoren zu Wort kommen zu lassen, z.B. Johannes Butzbach, Geiler von Kaysersberg, Hieronymus Emser, Ludwig Hätzer, Martin Bucer, Hugo von Hohenlandenberg, Paracelsus, Sebastian Franck, Martin Chemnitz, Johann Arndt, Hippolyt Guarinonius u. a. m. Die Texte werden durch Anmerkungen und ein umfängliches Nachwort kommentiert. Ausführliche Begriffsregister bieten Möglichkeiten gezielten Zugriffs auf die deutsche Fachterminologie zu fachhandwerklichen, kunsthistorischen, wahrnehmungspsychologischen, frömmigkeitsgeschichtlichen, ästhetischen und bildtheologischen Themen. Der Herausgeber J. J. Berns ist bekannt durch Forschungen zur Geschichte des Verhältnisses von Ästhetik und Technologie, zur Mnemonik und zur Geschichte der höfischen Kultur in der Frühen Neuzeit.
In einer den geistesgeschichtlichen Kontext und die ideengeschichtlichen Voraussetzungen berücksichtigenden Kommentierung der Lessingschen Frühschriften gelingt es, einen Modus der Aneignung gelehrten Wissens herauszuarbeiten, der sich den nur scheinbar überkommenen Techniken gelehrt-humanistischer Barockliteratur verdankt. Was in der Arbeit am Beispiel Lessings, der gelehrte Auseinandersetzung und literarische Produktion anschaulich in einer Person vereint, demonstriert wurde, darf Anspruch auf Verallgemeinerung über weite Strecken des 18. Jahrhunderts erheben.
Die frühneuzeitliche Pluralisierung von Religions- und Wissensformen verdankt dem Corpus Hermeticum wesentliche Impulse. Ausgehend von den Quellen seiner Kritiker rekonstruiert diese Studie das Profil des hermetischen Diskurses in den Jahren zwischen 1530‑1730 und analysiert quellennah seine ambivalente Rolle zwischen verborgener Weisheit und Demokratisierung des Heilswissens. Die Einzelanalysen zu Sebastian Franck, Valentin Weigel, Jacob Böhme und Conrad Dippel verfolgen die Rezeption hermetischer Texte an der Schnittfläche zu Patristik, mittelalterlicher Mystik und neuer Naturphilosophie jenseits von philologischer Kritik. Oszillierend zwischen Heilshoffnung und Häresie geben die Texte zugleich Impulse zu einer in die Aufklärung weisenden Reflexion der unterschiedlichen Enkulturation religiösen Wissens und leisten damit einen unterschätzten Beitrag zur Toleranzdebatte. In ihrer Neudeutung von Systemstellen der christlichen Heilserzählung, des Zeitkonzepts sowie der Integration eines weiblichen Prinzips in Gott werden die oft pauschal zu esoterischen Geheimlehren verkürzten Schriften auf ihr innovatives und machtkritisches Potenzial hin transparent.
Für die Ästhetik des 18. Jahrhunderts bezeichnet G.E. Lessings Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie (1766) einen markanten Höhe- und Wendepunkt. In Dichtung und Wahrheit äußert sich Goethe rückblickend: „Man muß Jüngling sein, um sich zu vergegenwärtigen, welche Wirkung Lessings Laokoon auf uns ausübte, indem dieses Werk uns aus der Region eines kümmerlichen Anschauens in die freien Gefilde des Gedankens hinriß. Das so lange mißverstandene ut pictura poesis war auf einmal beseitigt, der Unterschied der bildenden und Redekünste klar, die Gipfel beider erschienen nun getrennt, wie nah ihre Basen auch zusammenstoßen mochten.“
Der Band verfolgt das Anliegen, im interdisziplinären Dialog die produktive Offenheit dieser ‚unordentlichen Collectanea‘ (Laokoon, Vorrede) als konstitutives Element der Lessing’schen Ästhetik neu herauszuarbeiten. Lessing will keine systematische Ästhetik vorlegen, sondern ‚fermenta cognitionis‘, die in ihrer Summe jedoch nichts weniger als ein umfassendes Panorama der ästhetischen, kunst- und kulturhistorischen Problemlagen der Zeit bieten.
Der obeschwäbische Jesuit, Dichter, Prediger und Historiograph Johannes Bisselius (Bislin, 1601–1682) veröffentlichte 1638 den ersten Band seiner Jahreszeitendichtung unter dem Titel Deliciae Veris. Diese „Frühlingsfreuden“, ein subtil komponierter, stilistisch einzigartiger und von mannigfachen Anregungen gespeister Gedichtzyklus, werden hier erstmals in einer modernen Edition mit deutscher Übersetzung und umfassend erschließendem Kommentar vorgelegt. 65 teils umfangreiche Elegien, die hagiographische Themen aber auch Natureindrücke, religiöse Festtage aber auch regionales Brauchtum, biblische Sujets aber auch autobiographisches Erleben des Dichters poetisieren, lassen einen barocken Lyriker erkennen, dessen Duktus und Ausdruckswille nicht nur in der neulateinischen Literatur ganz unverwechselbar ist.
Die Geschichte um Apollonius von Tyrus gilt als ‚Lieblingsbuch des deutschen Mittelalters‘. Die vorliegende Studie bietet nun erstmals eine synoptische Paralleledition der ‚Apollonius‘-Fassung, die der Ulmer Stadtarzt und Frühhumanist Heinrich Steinhöwel 1460 nach zwei lateinischen Vorlagen anfertigte. Auf der Basis eines detaillierten Material-Anhangs, der sämtliche Informationen zu Überlieferung, Textgenese und Übersetzungsverfahren versammelt, situiert der Forschungsteil Autor und Werk im sozialhistorischen Umfeld. Dabei werden sowohl literarhistorische als auch sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte miteinander verknüpft, wobei insbesondere die literarischen, kulturellen und politischen Vernetzungen fokussiert werden.
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die vermeintliche Epochenschwelle um 1500 (besonders im deutschen Frühhumanismus) zu eklatanten Fehleinschätzungen geführt hat, weshalb die Termini ‚Fiktionalität‘ und ‚Historizität‘, ‚Roman‘ und ‚Historiographie‘ für Texte dieser Zeit grundsätzlich neu überdacht werden sollten. Gleiches gilt für den Humanismus-Begriff, der in Bezug auf Heinrich Steinhöwel und den ‚Apollonius‘ im Speziellen nachhaltige Probleme verursacht hat.
Der Band Norm und Poesie versammelt 17 Beiträge internationaler Fachgelehrter, die sich mit dem unterschiedlichen Verständnis von Dichtung sowie mit den Interdependenzen zwischen Dichtungstheorie und Dichtung in der Frühen Neuzeit befassen. Eine Reihe von poetologischen Traktaten, die mehrheitlich in lateinischer Sprache verfasst und der antiken Tradition verpflichtet sind, werden als Beispiele expliziter Regel-Poetik analysiert. Der Bezug der Poetik zur zeitgenössischen Poesie wird dabei ebenso in den Blick genommen wie das Verhältnis der Poetik zu den anderen Künsten, namentlich der Schwesterkunst der Rhetorik. Diese Beiträge werden ergänzt durch solche, in denen aufgezeigt wird, wie einzelne Dichtungen über ein Verweissystem intertextueller Bezüge u.a. Reflexionen über poetologische Maximen transprotieren und auf diese Weise eine implizite Poetik bieten. Die Kombination von Untersuchungen sowohl zur expliziten oder normativen Poetik als auch zur impliziten oder selbstreflexiv inhärenten Poetik erlaubt einen facettenreichen Blick auf das spannungsvolle Wechselspiel der beiden sich gegenseitig beeinflussenden Formen der Poetik.
Das Buch ergänzt die achtzehnbändige Ausgabe der ‚Sämtlichen Werke‘ Philipps von Zesen (1619–1689). Erstmals wird im Rahmen einer Monographie das vielgestaltige Gesamtwerk des barocken ‚poeta doctus‘ vorgestellt und in seinen Kontexten erläutert: Lyrik, Poetik, Romane, Geschichtswerke, Astronomie, philologische Mythenforschung, Übersetzungen, Erbauungs- und Toleranzschriften.
Der ›Roman in Briefen‹ gehört zu den erfolgreichsten literarischen Gattungen des 18. Jahrhunderts; er gilt als Inbegriff des ›europäischen Sentimentalismus‹. Bei näherem Hinsehen aber erweist sich dieses Urteil als trügerisch, wird es doch weder der reichen Tradition des Briefromans vor Richardson noch seinen vielgestaltigen Ausprägungen im 18. Jahrhundert gerecht. Diese lassen sich einer empfindsamen Tradition ebenso wenig zurechnen wie bedeutende philosophische Reflexionsformen der Gattung um 1800. Selbst Goethes ›Werther‹, einer der Gründungstexte des modernen Bewusstseinsromans, ist in seiner poetischen Logik nur unzureichend erfasst, wenn man ihn als Ausdruck einer Epoche liest.
Der komparatistisch angelegte Band stellt den Facettenreichtum des europäischen Briefromans in exemplarischen Einzelinterpretationen vor und fragt nach den Gründen für seine erstaunliche Karriere, indem er wissens- und mediengeschichtliche Kontexte der Gattung in den Blick rückt. So werden Konturen einer Gattungsgeschichte sichtbar, die das Verhältnis von Einzeltext und Gattung neu bestimmt.
Die „Asiatische Banise“ (1689) von Heinrich Anshelm von Zigler und Kliphausen (1663‑1697) war der erfolgreichste Roman der deutschen Barockliteratur und der berühmteste deutsche Roman vor Goethes Werther“. Wie dieser überschritt er nicht nur Gattungs-, sondern auch Sprachgrenzen. Der Roman und seine 1724 erstmals aufgelegte Fortsetzung von Johann Georg Hamann wurden im 18. Jahrhundert ins Schwedische, Russische, Niederländische und Französische übersetzt. Die einzigartige Rezeptionsgeschichte der „Asiatischen Banise“ wird in dem interdisziplinär angelegten Sammelband erstmals dokumentiert und analysiert.
Die Beiträge zur deutschsprachigen Wirkungsgeschichte befassen sich u.a. mit den Banise-Opern, -Dramen und -Gedichten, der Fortsetzung des Romans und seiner Bewertung der im 18. und 19. Jahrhundert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der europäischen Rezeption. Am Beispiel der zahlreichen Übersetzungen werden u. a. Fragen des Kulturtransfers und der Rezeption eines deutschen asiatischen Romans in anderen kulturellen Kontexten beleuchtet.
Die historisch-kritische und kommentierte Edition der „Asiatischen Banise“ ist in der Reihe „Frühe Neuzeit“ erschienen.
Der Späthumanismus gehört zu den bis heute nur unzureichend erforschten Gebieten der deutschen Literaturgeschichte. Ein glanzvolles geistiges Zentrum dieser Epoche war die 1576 gegründete Universität Helmstedt. Zu den Gelehrten, die dieses ‚Athen der Welfen‘ in seinen ersten Jahrzehnten intellektuell prägten und seinen ausgezeichneten Ruf mitbegründeten, gehörte Heinrich Meibom d.Ä. (1555‑1625), der über 40 Jahre lang den Helmstedter Lehrstuhl für Poesie und Geschichte innehatte und 1590 von Kaiser Rudolf II. zum Dichter gekrönt wurde. Mit vorliegender kritischer Edition wird erstmals sein lyrisches Werk vorgestellt, in repräsentativer Auswahl von Texten in allen von ihm kultivierten Spielarten neulateinischer Poesie: Horaz-Parodie, Vergil-Cento, Gelegenheitsdichtung, geistliche Lyrik, Herrscherlob in annalistisch angelegten Epigramm-Serien. Alle Texte sind übersetzt und kommentiert. Ein Anhang mit poetologischen Selbstzeugnissen und lebensgeschichtlichen Dokumenten (Nachrufen, Vorlesungsankündigungen und besonders interessanten Archivalien der Personalakte) vermittelt dem Leser einen Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt des Autors. Die Einleitung bietet einen Abriß seiner Vita und eine Einführung in sein lyrisches Gesamtwerk.
Die Wirkung der Schriften Jakob Böhmes reicht bis weit in das 20. Jahrhundert, sie betrifft sowohl die Religions- und Philosophiegeschichte als auch die Literatur und Kunst in ganz Europa. Der vorliegende Band versammelt ausgewählte Plenar- und Sektionsbeiträge einer Tagung, in denen erstmals die verzweigten und konträren Auseinandersetzungen mit dem Werk Böhmes zwischen dem frühen 17. und dem späten 18. Jahrhundert auf breiter Materialgrundlage dargestellt werden. Dabei wird erkennbar, welche Bedeutung die theosophisch-hermetistische Weltsicht ‑ die sich mit Elementen der new science des 17. Jahrhunderts verband ‑ für die Entwicklung des modernen Denkens gewonnen hat.
Die in der Kirche zu Bad Teinach/Schwarzwald 1673 errichtete Lehrtafel Antonias von Württemberg (1613–1679) bietet eine ebenso originelle wie anspruchsvolle Synthese jüdischer Kabbala, christlicher Mystagogie und lutherischer Theologie. Die vorliegende Sammlung von Studien und Dokumenten erschließt vielfach zum ersten Mal erhaltene, zumeist handschriftliche Dokumente zur Entstehung dieses Kunstwerkes wie seiner zeitgenössischen literarischen Beschreibungen in ihrem kulturellen Kontext. Rekonstruiert werden die Wege, auf denen Antonia und ein Kreis gelehrter Mitarbeiter auf den Spuren Reuchlins die kabbalistische Sefirotlehre in einer Interpretatio Christiana mit zentralen Themen reformatorischer Theologie zu einer heilsgeschichtlichen Konzeption verbanden, die als barocke Enzyklopädie auf einen Blick bei gleichzeitiger Detailfülle noch heute nicht nur Regional-, Kunst- und Religionshistoriker faszinieren kann, sondern auch der Wissenschaftsgeschichte, Literaturwissenschaft, Judaistik und nicht zuletzt der Frauenforschung neue Einblicke in eine längst noch nicht ausgeforschte Epoche bietet.
Galanterie ist ein spannungsvolles Konzept: Es bezeichnet nicht nur sexuelle Libertinage, sondern meint vor allem ein höfisch geprägtes Verhaltensideal, das sich im Frankreich des 17. Jahrhunderts ausbildet. Wesentlich für die galante Conduite ist es, seine Affekte so zu kontrollieren und zu inszenieren, dass man im geselligen Umgang Gefallen erregt und seine Zugehörigkeit zur sozialen Elite sichert. Ein zentrales Medium der spielerisch-unterhaltsamen Vermittlung galanten Verhaltens ist die Literatur.
Der Sammelband präsentiert aktuelle Ergebnisse der Galanterie-Foschung, die sich neuerdings als ein viel versprechender Ansatz für die Erforschung der Kultur um 1700 profiliert. In interdisziplinärer Perspektive diskutieren führende Experten Herkunft und Programmatik der Galanterie, ihren Transfer nach Deutschland und ihre Modellierung in bildender Kunst, Oper und Tanz, vor allem aber in der Literatur. Dabei werden etablierte Annahmen in Frage gestellt: Ist etwa Castigliones „Cortegiano“ tatsächlich für das Konzept der Galanterie so prägend wie bislang angenommen? Oder gibt es verdeckte Traditionslinien, die ins Mittelalter zurückreichen? Wie galant war der deutsche Adel -‑ und wie ‚weiblich‘ war Galanterie in Deutschland?
Im dritten Band des Corpus Paracelsisticum werden 75 Texte der Jahre 1569 bis 1613 ediert, kommentiert und aus dem Lateinischen übersetzt sowie mit dichten Biogrammen der Verfasser, Adressaten und erwähnten Personen versehen. Sie führen in jene Schlussphase des Frühparacelsismus, in der sich dieser zugleich in verschiedene epistemologische Dominanten, Interessen und geistige Anbindungen differenzierte.
Von der Literatur- und Wissensgeschichte bislang kaum zur Kenntnis genommen, markierte die volkssprachliche Buntschriftstellerei einen höchst erfolgreichen Sektor frühneuzeitlicher Wissensliteratur und -kultur. Er wird mit dem Band erstmals grundlegend und interdisziplinär erschlossen. Jenseits der Ordnungsdiskurse streng akademischer Enzyklopädien bediente die Buntschriftstellerei die polyhistorischen Kenntnisansprüche eines breiteren Publikums. Auf dynamische Weise verband sie konvergierende Wissensformen sowie alte und neue Medien.
Paul Fleming (1609‑1640) gehört zu den bedeutenden Dichtern der Frühen Neuzeit, schon seine Zeitgenossen haben ihn in einer Reihe mit Martin Opitz genannt. Der vorliegende Sammelband dokumentiert eine internationale Fachtagung aus Anlass seines 400. Geburtstags. Er versammelt Beiträge, die Flemings Werk dezidiert auf literaturgeschichtliche Traditionen und und kulturgeschichtliche Kontexte (darunter insbesondere politische, religiöse und medizinische Diskurse) beziehen. Dabei werden neue Forschungsparadigmen für die Analyse fruchtbar gemacht und Teile insbesondere aus dem Korpus von Flemings lateinischen Gedichten erstmals für die Diskussion erschlossen.
Die Arbeit stellt die erste umfangreiche Werkmonographie zu dem galanten Dichter Christian Friedrich Hunold alias Menantes (1680‑1721) dar. Sie beinhaltet auch ein aktualisiertes Verzeichnis seiner Schriften Ausgehend von der Konjunktur eines galanten Interaktions- und Kommunikationsmodells zwischen 1680 und 1730 werden an der exemplarischen Textproduktion Hunolds zentrale Elemente dieses Modells für die deutsche Literaturgeschichte untersucht. Neben der Frage, inwiefern sich die galante Literatur im deutschsprachigen Raum von derjenigen in Frankreich unterscheidet, gilt besonderes Augenmerk ihrer transitorischen Funktion an der Schwelle zur kulturellen Ausdifferenzierung modernen Gesellschaften. Dieser wird auf verschiedenen Feldern wie Verhaltenslehre, Epistolographie, Poetik, Rhetorik und Theologie nachgegangen, wobei jeweils nach den prozessualen Dynamiken gefragt wird, die ein galantes Modell entfalten konnte.
Johann Georg Jacobi (1740‑1814) ist ein bedeutender Repräsentant der deutschen Aufklärung in ihren unterschiedlichen Erfahrungsräumen, ästhetischen, politischen und religiösen Optionen. Akkulturiert im protestantischen Norden (Düsseldorf, Göttingen, Halle, Halberstadt), Mitglied des empfindsamen Dichterkreises um Johann Wilhelm Ludwig Gleim, und bis 1784 engster Vertrauter seines Bruders Friedrich Heinrich, propagierte Jacobi auch als Professor der Schönen Wissenschaften im katholischen Vorderösterreichischen Freiburg die Idee der Toleranz und einer bürgerlichen Kultur. Vorliegende Bibliographie erschließt erstmals Jacobis Werk und literarischen Nachlass. Ein Verzeichnis der über 2000 Briefe erhellt neben Jacobis zahlreichen Bekanntschaften (Heinse, Michaelis, Wieland, La Roche, Goethe, Schiller) und intensiven Briefgesprächen (Gleim, Pfeffel, Schlosser, Voß) die internationale Vernetzung der Aufklärung im deutschen Südwesten (Baden, Frankreich, Österreich, Schweiz).
Als Vermittler zwischen dem lateinischen Epos, wie es in Vergils „Aeneis“ idealtypische Form gefunden hat, und der Bibel als dem Buch der für Christen einzigen und unverbüchlichen Wahrheit gehört das Bibelepos seit der Spätantike zu den vitalsten literarischen Genera. Es wurde sowohl in der lateinischen Gelehrtensprache als auch in den Volkssprachen gepflegt und bildete mit der Epyllion, der Versparaphrase, der Harmonie und dem am „ordo artificialis“ orientierten Epos im engeren Sinne qualitativ wie quantitativ unterschiedene poetische Formen aus.
Die vorliegende Studie widmet sich der von der Forschung bislang vernachlässigten Bibelepik vom Beginn des Buchdrucks bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und unternimmt eine Einbettung der zum überwiegenden Teil in den protestantischen Territorialstaaten Deutschlands entstandenen epischen Bibeldichtungen in den Kontext einer europäischen Gattungsgeschichte. Zeitlich schließt sie an die grundlegenden Arbeiten von Herzog und Kartschoke an. Neben gattungstheoretischen Überlegungen werden Fragen nach Formen und Funktionen europäischer Bibelepik und nach der Rezeption von Bibelstoffen erörtert. Ein ausführliches Repertorium erschließt das Genre unter systematischen Aspekten.
Menasseh ben Israel (1604‑1657) war einer der bekanntesten Rabbiner des frühneuzeitlichen Europa. Berühmtheit erlangte er vor allem durch die Verhandlungen, die er mit Oliver Cromwell über die Rückkehr der Juden nach England führte. Doch die Englandverhandlungen machten nur den letzten Schritt in einer Reihe von Vermittlungsbemühungen aus. Menasses ganzes Schreiben und Wirken war von dem Programm bestimmt, christlichen Gelehrten Wissen über das Judentum zukommen zu lassen und den Sefarden so zu Anerkennung und einer Verbesserung ihrer politischen Situation zu verhelfen. Damit reagierte Menasseh als einer der Ersten auf das große Interesse, das in der christlichen Welt des 17. Jahrhunderts an Hebraica herrschte. Im vorliegenden Buch wird untersucht, wie genau Menasseh vorging und wie er sein Wissen so „übersetzte“, dass es für christliche Leser interessant wurde. Gleichzeitig werden die Reaktionen von Menassehs Lesern in den Blick genommen, die die Informationen des Rabbiners ihrerseits „rückübersetzten“. Am Ende wird Menasseh als ein jüdischer Gelehrter vorgestellt, der trotz aller Erfolge auch scheiterte, weil sein Weg zwischen Vermittlung und Selbstbehauptung nur von wenigen Zeitgenossen verstanden wurde.
Der französische Gelehrte Isaac La Peyrère (1596‑1676) galt schon seinen Zeitgenossen als ‚Enfant terrible‘. Bis in die jüngste Forschung haben seine skandalumwitterten Schriften zu polarisierenden Deutungen geführt, die ihn entweder als Kryptojuden oder als frühen Atheisten ausweisen. Erstmals untersucht die vorliegende Studie ihn und sein Werk nicht nur theologiegeschichtlich, sondern auch im spezifischen Kontext der sozialen Praktiken der europäischen Gelehrtenrepublik des 17. Jahrhunderts. In diesem Spannungsfeld erweisen sich klare Zuordnungen dann als unzulässige Vereindeutigungen: La Peyrères Bibelkritik und sein auffälliges Interesse an den Juden erklären sich sowohl vor dem Hintergrund seiner Patronagebeziehung zum Prinzen Condé wie durch seine spiritualistische Pauluslektüre. Sein ‚Du Rappel des Juifs‘ kann damit in den Rahmen zeitgenössischer Diskurse religiöser Ambiguität eingeordnet werden. Insgesamt versteht sich die Studie auch als Beitrag zum Umgang mit problematischen biographischen Materialien der Frühen Neuzeit wie zur Reflexion moderner Wahrnehmungskategorien zu Wissen, Wissenschaft und Identität.
Zwischen 1514 und 1663 wurde die antike Gattung des Heroidenbriefes nahezu ausschließlich von neulateinischen Dichtern gepflegt. Da der genannte Zeitraum in der Gattungsgeschichte bislang kaum behandelt ist, erschließt diese Studie die Heroidensammlungen der wichtigsten Autoren Eobanus Hessus, Andreas Alenus, Jacob Bidermann, Baudouin Cabiliau, Jean Vincart, Jacob Balde, indem es ihre literaturhistorischen Kontexte (mittelalterliche Vorläufer, Bedingungen und Medien der Ovid-Rezeption, zeitgenössische poetologische Diskussionen) aufzeigt und sie in Einzelanalysen jeweils exemplarischer Briefgedichte zugänglich macht. Dabei spielen v.a. die Modi der christianisierenden Transformation ihres antiken Vorbildes, Ovids Heroides, die mannigfachen intertextuellen Bezüglichkeiten ‑ auch untereinander ‑ sowie die Frage nach der funktionalen Bestimmung dieser Gattung im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Genera eine zentrale Rolle. Auch die Wandlungen der Gattung durch innovative Auswahl biblischer, hagiographischer oder profangeschichtlicher Stoffe, durch die Ausweitung formaler Darstellungsmöglichkeiten (Zyklusbildung, Allegorie, Text-Bild-Kombinationen) oder durch poetologische Reflexionen der Autoren werden aufgezeigt.
Das Werk des lateinisch schreibenden Jesuiten Famiano Strada (1572–1649) bietet zahlreiche Ansatzpunkte für Forschungen zur neulateinischen Philologie und zur Geschichte der Geschichtsschreibung. In der vorliegenden Arbeit stehen die Fragen im Vordergrund, wie nach Auffassung Stradas geschichtliche Ereignisse erforscht und wie sie sprachlich vermittelt werden können. Strada hat sich dazu zunächst in verschiedenen Abhandlungen (Prolusiones Academicae, 1617) geäußert. In ihnen schreibt er über Rhetorik, Poetik und Historik und verdeutlicht an Beispielen, wie unterschiedlich Redner, Ependichter und Historiker geschichtliche Ereignisse darstellen. In seinem seinerzeit viel diskutierten Geschichtswerk über den Aufstand der Niederlande gegen Spanien (De Bello Belgico, 1628 u. 1646) hat Strada dann ein Werk geschaffen, das er an den Interessen der zeitgenössischen Leserschaft ausrichtet: Er kombiniert die klassische Form lateinischer Geschichtsschreibung mit Anekdoten und politischen Lehrsätzen. In der Zusammenschau mit den zahlreichen Kritiken an seiner Darstellungsweise bildet Stradas Werk einen idealen Ausgangspunkt für eine Analyse von Methodik und Stilistik in der Geschichtsschreibung der Frühen Neuzeit.
Das vorliegende Buch nimmt die Verbindung von Späthumanismus und Militärtheorie anhand der zentralen Kulturen der Niederlande und Frankreich in den Blick: Die Gelehrten konzeptualisierten an den Naht- und Schnittstellen militärpolitischer Kulturen und waren in die Konstitutionszusammenhänge antiquarischen Wissens eingebunden. Unter dem Gesichtspunkt interner Brüche und Synergien in der späthumanistischen Gelehrtenrepublik werden neben anderen die Werke von Justus Lipsius, Joseph Scaliger, Isaac Casaubon, Claude de Saumaise und Gabriel Naudé sowie die philologisch-antiquarische Praxis im 'Kabinett' der Brüder Dupuy und bei Claude Fabri de Peiresc beleuchtet. Militärs und Politiker wie die Nassau-Oranier, Henri de Rohan, René Lenormant und Kardinal Richelieu sind in den Transfer und die Kommunikation taktischer und strategischer Lehren eingebunden. Damit sind Querverbindungen zwischen strategischen Konzeptionen, politischer Pragmatik und späthumanistischer Gelehrtenkultur zu konstatieren. In diesem Kontext wird die philologische und antiquarische Tradition stärker berücksichtigt als bisher geschehen, die Verengung auf den theoretisch-praktischen Reformkomplex der Heeresreform der Oranier aufgebrochen und dessen Schlüsselstellung in der Argumentation von Staatsbildung, Sozialdisziplinierung und Militärischer Revolution relativiert. Statt einer einfachen Antikerezeption und statt einer Rezeption der oranischen Heeresreform in Frankreich ist ein komplexer Kulturtransfer strategischer und taktischer Theorien zu veranschlagen, der im Kontext der frühneuzeitlichen Pluralität von Methoden, Wissensordnungen und Lehren zu sehen ist. Besonders in den Blick genommen wird eine Revision antiker militärtheoretischer Tradition und moderner Kommentare im Kontext eines zwischen Frankreich und den Generalstaaten abgeschlossenen Militärbündnisses und während der französisch-schwedischen Phase des Dreißigjährigen Kriegs.
Das 18. Jahrhundert rückt zunehmend als ein Jahrhundert der Religionsphilosophie ins Bewusstsein der ideengeschichtlichen Erforschung der Aufklärung. In diesem Kontext bietet es sich an, den ‚Fragmentenstreit‘, eines der größten Medienereignisse des Jahrhunderts, neu auf sein Potential für eine philosophisch begründete Hermeneutik der Bibel zu befragen. Während die ‚Fragmente‘ als Quellentext aus der Feder des Hamburger Gelehrten Hermann Samuel Reimarus (1694-1768) zu analysieren sind, muss der Diskussionsbeitrag des Wolfenbütteler Bibliothekars Gotthold Ephraim Lessing als religionsphilosophische und hermeneutische Weiterführung dieser Kritik ohne eine Fixierung auf die lutherischen theologischen Gegner untersucht werden, um zu verstehen, was diese öffentliche Kontroverse für eine aufgeklärte Adaptation des Konzepts einer ›natürlichen Religion‹ bedeutet. Von den Schriften Lessings stehen dabei die Axiomata (1778) und die entstehungsgeschichtlich teils frühere, teils spätere Schrift Die Erziehung des Menschengeschlechts (1777/80) im Mittelpunkt, es zeigt sich jedoch, dass schon die frühe Dichtung Die Religion (1751) und Akzente in Emilia Galotti (1772) religionsphilosophisches Gewicht haben.
Georg Philipp Harsdörffer, der studierte Jurist, Philologe und Mathematiker, der Patrizier, Diplomat und Richter, ist einer der meistbehandelten Barock-Autoren der letzten beiden Jahrzehnte. Sein Wirken trifft auf die Wissenschaftsagenda unserer Gegenwart: Interdisziplinarität und Internationalisierung. Sein etwa fünfzig Bände umfassendes Gesamtwerk durchdringt nahezu alle Wissens- und Praxisbereiche, mit denen ein Mensch des 17. Jahrhunderts überhaupt in Berührung kommen konnte: ob Anthropologie oder Andacht, Tischsitten oder Technik, Verwaltung oder Verbrechen. Dazu orientiert sich Harsdörffer gleichermaßen an der humanistischen Gelehrtenkultur, am italienischen Manierismus, der französischen Erzählkunst, der spanischen Mystik und der englischen Wissenschaftstheorie. Harsdörffers Arbeiten sind solchermaßen eine Drehscheibe europäischer Literaturbeziehungen und ein Knotenpunkt sämtlicher Diskursfäden seines Zeitalters. Das entspricht dem sozialen Habitus des Berufspatriziers, dessen öffentliche Gesamtverantwortung keine Einschränkung vorsieht. Der vorliegende Band dokumentiert diese Vielfalt von den Voraussetzungen im Humanismus bis zu den ‚letzten Dingen' der Religion.
Dieses Buch beschreitet und vermisst Neuland, indem es die Entwicklung der oratio historica als spezifische Ausdrucksform der politischen Rhetorik in der frühen Neuzeit beschreibt, die ihre Wurzeln in der Antike hat und zugleich an der Schwelle der modernen (Geschichts-)Wissenschaft steht. Im Kontext des niederländisch-spanischen Unabhängigkeitskrieges entstand eine lebendige Redekultur, in der die orationes historicae Teil der aktuellen epideiktischen oder memorialen Diskurse wurden und das Selbstverständnis der Konfliktparteien reflektieren. Mit der Ausleuchtung rhetorikgeschichtlicher Traditionsstränge ist die Analyse von einzelnen Reden, intertextuellen Zusammenhängen und die Verortung in der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur verknüpft. Redner und Reden aus den nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen werden solchen der spanisch gebliebenen Provinzen vergleichend gegenübergestellt und in eine diachron angelegte Darstellung geordnet. Variationen und Transformationen des rhetorischen Reportoires werden erhellt, ebenso das kreative Spannungsfeld von Rhetorik und Geschichtsschreibung. Ein Corpus von ca. 80 Reden und ihren Autoren wird dem Leser im Anhang bio-bibliographisch erschlossen. Es bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen.
Der ostpreußische Dichter Simon Dach (1605‑1658) gilt als Meister der barocken Gesellschaftsdichtung. Doch das lyrische Ich in seinen zahlreichen Gelegenheitsgedichten lässt sich nicht immer als Rollen-Ich der rhetorischen Konvention deuten, sondern ist vielmehr Träger verschiedener Diskurse, die in Zeiten einer persönlichen Krise des Dichters miteinander konfligieren können. Die diskursanalytische Studie deutet solche Transgressionen als Identitätsproben eines lyrischen Ich, dessen Relationen zu den gesellschaftlichen Instanzen prekär geworden sind. Die drei Teile der Studie widmen sich jeweils einem Thema mit identitätsstiftender Bedeutung in Dachs Lyrik: dem Garten, dem Dichterlob und der Krankheit. Zunächst wird das jeweilige Thema auf seine Grundlage in kultur- und literaturgeschichtlichen Quellen zurückgeführt. Sodann werden anhand von Einzelanalysen Bedeutung und Funktion des Themas in Dachs Lyrik erläutert. Schließlich wird unter Gebrauch eines auf Karlheinz Stierles Theorie zur Identität des Gedichts basierenden Modells so genannte Krisengedichte analysiert. Dabei wird festgestellt, inwiefern vorgegebene Gattungs- und Diskursschemata überschritten werden und in welcher Hinsicht dies zur Identitätsbildung des Ich beiträgt.
Der Esopus des ehemaligen Franziskaners und protestantischen Pfarrers Burkard Waldis ist eines der bedeutendsten literarischen Werke der Reformationszeit. 400 äsopische (Tier)Fabeln, Schwänke, Fazetien und Anekdoten mit über 22.000 Versen machen den Esopus zu einer einzigartigen Sammlung europäischer Fabel- und Erzählstoffe. Im ersten Band ist der Esopus nach dem Erstdruck von 1548 vollständig neu ediert. Der zweite Band enthält neben einem Variantenverzeichnis insbesondere einen ausführlichen Kommentar, der sprachlich schwer verständliche Stellen und (kultur)historische, naturkundliche und literaturgeschichtliche Sachverhalte erläutert. Zudem sind hier auch die 281 lateinischen Fabeln des Aesopus Dorpii abgedruckt, die Waldis als Vorlage dienten. Eine Einleitung gibt erste Lektürehinweise und informiert über die Biographie des Autors, über die Drucke des 16. Jahrhunderts sowie über Vorlagen und die Rezeption des Esopus. Umfangreiche Register zu Bibel- und Klassikerzitaten, Sprichwörtern, Redensarten, Fabelakteuren, Themen, Moralia und Erzähltypen erschließen diese einzigartige Fundgrube frühneuzeitlicher Erzählkunst.
Mit der Edition dieses Briefwechsels wird eines der wichtigsten Dokumente für die Geschichte des Göttinger Hains erstmals vollständig zugänglich. Die fast lebenslange, vertrauliche Korrespondenz zweier seiner wichtigsten Mitglieder aus den Jahren 1774‑1810 differenziert das Bild der beiden Persönlichkeiten und Ihres Schaffens. Sie spiegelt deren vielfältige Kontakte zu namhaften Zeitgenossen vor dem Hintergrund der historischen Umbrüche, die besonders einschneidende Folgen für Millers Heimatstadt Ulm hatten. Einbezogen werden erstmals vollständig auch die Briefe dieser Korrespondenz von Ernestine Voß, die seit 1802 oft die Feder für das Voßsche Ehepaar führte und deren schriftstellerische Begabung größere Aufmerksamkeit verdient.
Die Asiatische Banise war einer der erfolgreichsten Barockromane und der meistgelesene deutschsprachige Roman vor Goethes Werther. Dem Erstdruck von 1689 folgten im 18. Jahrhundert neun weitere Auflagen sowie eine „neue ganz verbesserte Ausgabe“. Die enorme Popularität des Romans spiegelt sich zudem in einer Vielzahl von Rezeptionsdokumenten ‑ darunter mehrere Bühnenfassungen sowie eine Fortsetzung des Romans ‑ und Übersetzungen ins Schwedische, Russische, Niederländische und Französische.
Die vorliegende Edition bietet erstmals eine historisch-kritische Edition des Texts der Erstausgabe unter Berücksichtigung der wirkungsgeschichtlich bedeutsamen Folgedrucke sowie einen umfassenden Kommentar, in dem die zahlreichen historiographischen und poetischen Quellen des Romans detailliert nachgewiesen werden.
Die Studie formuliert erstmals systematisch und historisch die verbreitete Annahme aus, die Fürsten der Frühen Neuzeit hätten einander beständig überboten: in der Bemühung um die strahlendste Entfaltung höfischer Pracht ebenso wie in der Bemühung um die höchste kulturelle Reputation. Der erste Teil der Untersuchung fragt nach den möglichen Funktionen von ‚Kultur‘ in den symbolischen Rivalitäten zwischen Adeligen um 1600. Der zweite Teil bestimmt, komplementär dazu, die ästhetische Bedeutung und den Stellenwert von ‚Konkurrenz‘ und ‚Wetteifer‘ in der sozialen Grammatik der Adelskultur. Entwickelt werden die Befunde auf der Basis eines breiten Materialkorpus, im Mittelpunkt steht immer wieder exemplarisch Landgraf Moritz der Gelehrte von Hessen-Kassel (1572‑1632). Nach einführenden Problemaufrissen folgen detaillierte Studien über das Monumentum Sepulcrale als Medium dynastischer Rivalität, über höfische Ausstattungskonkurrenzen, den Redewettstreit in Hans Wilhelm Kirchhofs Orationes der alten Helden sowie über das Verständnis des Turniers als einer paradigmatischen Institutionalisierung adeliger 'aemulatio' in den frühneuzeitlichen Turnierbüchern von Rüxner und Modius ebenso wie in der Praxis des Wettkampfs.
Die Studie widmet sich einem eng begrenzten, aber folgenreichen Moment der Intellectual History des 18. Jahrhunderts: Untersucht wird, wie die Philosophie Kants in den ersten Jahren nach Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft (1781) in Deutschland zur herrschenden Denkrichtung aufstieg. Die Darstellung zielt darauf ab, die Debatte möglichst vollständig nachzuzeichnen, also z.B. auch die vielen an der Diskussion beteiligten anonymen Zeitschriftenartikel und Rezensionen zu berücksichtigen und miteinander zu vernetzen. Dabei wird deutlich, dass die Durchsetzung der neuen Philosophie keine geradlinige Erfolgsgeschichte, sondern ein verwickelter Prozess war, der nicht ohne heftige Kontroversen und erbitterte Widerstände (etwa von seiten der zeitgenössischen Popularphilosophie) ablief. Der kontroversengeschichtliche Ansatz der Arbeit wird mit einem metapherngeschichtlichen Ansatz verbunden, indem die besondere Aufmerksamkeit den kollektiven Metaphern gilt, in denen sich zentrale Argumente der Debatte symbolisch kondensieren ‑ häufig mit polemischer Stoßrichtung (z.B. Gerichtshof der Philosophie, Grenzen der Vernunft). Insgesamt entsteht so ein plastisches Bild des intellektuellen Kräftefelds im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts.
Seit der Antike galt die Musik als eine mathematische Kunst. Um 1700 beginnen die musikalischen Denker, sich an einer anderen Leitwissenschaft zu orientierten: dem Rechtsdenken der Zeit. Diesen Paradigmenwechsel lotet der Band in elf Beiträgen aus musikgeschichtlicher, literaturgeschichtlicher, philosophischer und rechtsgeschichtlicher Perspektive aus. Die musikalische Praxis des Komponierens, Spielens und Hörens bekommt einen neuen und stärkeren Stellenwert für die Musiktheorie. Kriterien der Zweckmäßigkeit, des Geschmacks und des Erfolgs bestimmen nun die musikalische Norm. Der Band zeigt auf, wie sich die Musiktheorie um 1700 an den neuen Wissensformen des galanten Diskurses, der Naturrechtsdebatten des gesellschaftlichen Modebewusstseins orientiert. Beleuchtet wird die Debatte in Deutschland, Frankreich und England. Die neue Form des musikalischen Wissens hat weitgehende Wechselwirkungen mit der musikalischen Praxis. Der neue musikalische Stil um 1700 wird fassbar als kompositorische Umsetzung eines gewandelten Verständnisses musikalischer Norm, die sich nicht mehr aus überzeitlichen musikalischen Gesetzmäßigkeiten speist, sondern den Wandel von musikalischem Empfinden und musikalischem Geschmack selbst als normatives Prinzip enthält.
Gegenstand der vorgelegten Edition, Übersetzung und Untersuchungen ist das 1631 zu Straßburg in vier ‚Büchern‘ (ca. 1600 Hexameter) erschienene alchemische Lehrepos des Arztes, Alchemikers und Apothekers Johannes Nicolaus Furichius (1602‑1633). Diskurs- wie formgeschichtlich betrachtet ist der Autor den bedeutenden Vertretern einer teils weit über das Schrifttum der europäischen Renaissance hinausreichenden Literatur- und Wissenstradition zuzurechnen, welche sich von Plato und Aristoteles über Ariost und Ronsard, von den hermetischen Schriften und Neuplatonikern, antiken und humanistischen Kommentatoren zu zeitgenössischen Forschungsreisenden und den Paracelsisten erstreckt. An diesem in Aemulatio der ‚Chrysopoeia‘ Augurellis verfaßten Carmen beeindrucken daher nicht nur die metrische Verarbeitung spagyrischer Fachliteratur sondern auch die narrativ-fiktionale Darstellung mythoalchemischer Exegese und Bildlichkeit in Verbindung mit Topoi von der Visionsliteratur bis zur Epik. Das solchermaßen weitgespannte inter- und paratextuelle Bezugsfeld nimmt der titelgebenden alchemisierten Proserpina-Mythos immer wieder zum Anlaß, auf wissenschaftlichen Diskussionen der Zeit zu rekurrieren.
Der Einfluß Christian Wolffs (1679‑1754) auf die deutsche Aufklärung beruhte auf einem Netzwerk von Anhängern, die Wolffs Werk in der gelehrten Öffentlichkeit propagierten und gegen Kritiker verteidigten. Mit Ernst Christoph von Manteuffel (1676‑1749), dem Reichsgrafen, Kabinettsminister Sachsen-Polens und habsburgischen Agenten, rückt die Studie den langjährigen vertrauten Berater Wolffs in den Mittelpunkt, der sich als der Initiator und die „graue Eminenz“ dieses Netzwerkes erweist. In einem biographischen Kapitel werden individuelle Prägungen und äußere Rahmenbedingungen herausgearbeitet, die die Entwicklung Manteuffels zum „Mäzen der Aufklärung“ bestimmten. Sodann werden die zahlreich überlieferten, bislang weitgehend unbeachtet gebliebenen Briefwechsel Manteuffels, Wolffs und seiner Anhänger ausgewertet, um die Rolle des Wolffianismus bei den entscheidenden Umbrüchen in der Mitte des 18. Jahrhunderts nachvollziehbar zu machen - beim Herrschaftsantritt Friedrichs II. von Preußen, im „Monadenstreit“ der Berliner Akademie und in den Debatten über Freidenkerei, Deismus und Religionskritik. Neben der Untersuchung dieser Auseinandersetzungen der gelehrten Öffentlichkeit wird das Netzwerk des Wolffianismus systematisch in seinen sozietären, universitären und epistolären Ausprägungen dargestellt. Ein ausführlicher Anhang identifiziert und beschreibt erstmals die aus diesen Kreisen hervorgegangenen Schriften.
Der vorliegende Band behandelt die deutsche Rezeption der letzten Novelle von Boccaccios Decameron. Sie handelt von Griselda, einer armen Bauerntochter, die von Gualtieri geehelicht, verstoßen und unmenschlich gedemütigt wird, bis sie nach allen geduldig bestandenen Proben erneut zur Gemahlin und Markgräfin wird.
Der Band erschließt die deutsche Rezeption der Novelle, die ihre nachhaltige Wirkung Petrarcas lateinischer Adaption verdankte, vom Mittelalter bis zur Moderne. Im Zentrum der Beiträge steht die soziale ‚Figuration‘ des Griselda-Stoffes, an der das Geschlechterverhältnis während einer bald 700 Jahre andauernden Rezeptionsgeschichte durchgespielt wurde. Der Begriff ‚Figuration‘ scheint geeignet, die ästhetischen Metamorphosen der Griselda im Wandel ihrer Beziehungen zu ihrem Ehemann, aber auch zu ihren Eltern, ihrer Familie, ihren Kindern und zu anderen gesellschaftlichen Gruppen wie Hofleuten und den Untertanen des Grafen zu beschreiben. Zugleich impliziert die Kategorie der ‚Figuration‘ in ihrer ursprünglich rhetorischen wie modern performativen Bedeutung das Potential literarästhetischer Anschaulichkeit, mit der abstrakte soziale Strukturen und Genderdifferenzen als Figurenbeziehung inszeniert werden.
Mit dieser Arbeit wird erstmals das literarische und poetologische Schaffen von Johann Jakob Bodmer (1698-1783) umfassend analysiert. Aus ideengeschichtlicher Perspektive werden lokale und europäische Debatten miteinander in Bezug gesetzt und so ein neues Profil des Meinungsführers der Zürcher Aufklärung entworfen, das die negativen Urteile der Literaturgeschichte revidiert.
In moralischen Wochenschriften, biblischen Epen, politischen Dramen und Kinderschauspielen propagierte Bodmer anthropologische und soziale Modelle der ‚Empfindsamkeit‘, die er ‑ weit radikaler als die meisten deutschen Dichter ‑ als politische Basis einer jeden Gesellschaft verstand. Seine Dichtungen nutzte Bodmer, um in wechselnden historischen Milieus sein vom Naturrecht geprägtes Ideal des natürlichen Menschen als ewig geltendes moralisches und politisches Vorbild zu preisen.
Ähnlich wie später Herder oder Schiller sah bereits Bodmer die Literatur als wirkungsvollstes, gesellschaftserneuerndes Medium an. Das Herzstück seiner ars popularis bildet die „Grundwissenschaft der Character“, die Bodmer methodologisch aus der Historiographie, Sittenlehre und Dichtkunst ableitete. Hierdurch leistete er einen innovativen Beitrag zur Geschichte der modernen Poetik.
Die Bedeutung Augsburgs für die Rezeption von Humanismus und Renaissance nördlich der Alpen ist breit dokumentiert. Indes mangelt es an Überblicksdarstellungen, die die Ergebnisse der Spezialforschung zu einem Panorama Augsburger Kultur im 15. und 16. Jh. bündeln. Diesem Anliegen folgen die 19 Beiträge des Bandes: Unter Rückgriff auf neuere kulturwissenschaftliche Ansätze und einen Humanismusbegriff, der stärker als früher die kommunikative Interaktion von dessen Akteuren im Blick hat, stecken sie aus historischer, kunsthistorischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive relevante Felder humanistischer Aktivität und rinascimentaler Kunstproduktion in Augsburg ab. Dabei deuten sie die Existenz einer untereinander vernetzten Kommunikationsgemeinschaft an, über die die verschiedenen hier vorgestellten humanistischen Aktivitäten in Beziehung zueinander stehen und die diese mit vergleichbaren Zielsetzungen betreibt. Auf diese Weise eröffnet der Band Perspektiven einer weiteren Erschließung humanistischer und rinascimentaler Kultur Augsburgs, die deren spezifische Signatur nicht allein in einem Set typischer Themen und Interessengebiete, sondern insbesondere in diesen gemeinsamen Funktionen und Wirkabsichten suchen sollte.
Die Bestimmung des Traumes zog spezifische Einsichten über die Seelenkräfte und den leibseelischen Zusammenhang, d.h. gewisse Vorstellungen von der persönlichen Identität und von der Realität nach sich. Am Beispiel des Traumes lässt sich demnach hinterfragen, wie sich kulturelle und wissenschaftliche Grundzüge mit Identitätsfragen verknüpfen konnten. Dieses Buch ergänzt daher die Ansätze der historischen Anthropologie durch eine wissenschaftsgeschichtliche Perspektive.
Es zeigt, dass hinter der ‚wissenschaftlichen Revolution‘ jene wechselnden Vorstellungen der Einbildungskraft und der geistigen Substanzen lag. Fast scheint es, als habe sie einerseits zu einer Abkehr von jeglichem ontologischen Gesichtspunkt und zu einer neuen Methode zur Erforschung der Seele ‑Beobachtung, Experiment ‑ angeregt, oder beim Hinterfragen von Naturgesetzen und Materie zunehmende Unsicherheiten hinsichtlich der geistigen Natur des Menschen und eine wachsende Sensibilität für die sogenannte Schwärmerei ausgelöst. Dabei spielte der Traum als Indikator solcher Veränderungen eine Schlüsselrolle.
Im Laufe der frühen Neuzeit wurde der Traum gewissermaßen psychologisiert. Die theoretische Diskussion über die passende Methode der Traumanalyse geschah jedoch vor der praktischen.
Das christliche Dogma von der unteilbaren Einheit der Seele wird in der barocken Anthropologie durch vielfältige Hinweise auf eine Pluralität des Psychischen in Frage gestellt. Während dies in der philosophischen Begrifflichkeit zu unüberwindlichen logischen Widersprüchen führt, gelingt es der zeitgenössischen literarischen Bildlichkeit ohne Schwierigkeiten, das Seelische als ‚mannigfaltige Einigkeit‘ zu entwerfen. Mit Hans Blumenberg kann man die plural-einheitlichen Seelenmetaphern der Frühen Neuzeit als unbegriffliche Antwort auf die begrifflich nicht zu beantwortende Frage nach der psychischen (In-)Kohärenz betrachten. An den Seelenbildern barocker Lyrik untersucht die Studie die Varianten und besonderen Bedingungen einer solchen seelischen ‚Viel-Einheit‘, deren Zustandekommen sich wesentlich aus der gleichzeitigen Offenheit des Psychischen für Gott und die Welt erklären lässt. Im Vordergrund stehen dabei Gedichte, in denen die Seele als klar raumbezogenes Gebilde bzw. als Raum entworfen wird. Betrachtet werden aus syn- wie aus diachroner Perspektive u.a. Seelentafeln, -punkte und -strahlen, psychische Abgründe, Häuser, Gärten, Städte und Reiche, fließende und unendlich geweitete, leere und mannigfach gefüllte Seelenräume.
Mit Nikolaus/Miklos Zrínyi d.Ä. (gest. 1566) und dessen gleichnamigem Urenkel (gest. 1664), dem Feldherrn, Politiker, Dichter und gebildeten Weltmann, werden nicht nur große Gestalten der ungarischen Geschichte zum Thema, sondern zugleich Figuren von kaum zu überschätzender europäischer Strahlkraft. Davon zeugen im Kulturraum des alten Reiches bis ins 19. Jahrhundert zahlreiche Berichte, Gedichte, Flugschriften, Predigten, Erzählungen, Romane, auch Dramen wie die Tragödie von Theodor Körner. Der internationale Tagungsband dokumentiert genau den Forschungsstand und rekonstruiert im weiten Umblick Grundlagen, Formen, Stadien und Sichtweisen dieses europäischen Nachruhms, erschließt dabei schwerpunktmäßig bekannte und unbekannte Werke der deutschen Literatur.
Der Mediziner, Naturphilosoph und Laientheologe Paracelsus (1493‒1541) behandelte Bilder in verschiedenen Kontexten. In seinen frühen theologisch-polemischen Schriften, die ihn als radikalen Reformer zwischen Luther, Karlstadt und Calvin ausweisen, argumentierte er u. a. streng biblizistisch und attackierte den Bildgebrauch der alten Kirche als Aberglauben. Umfassende systematische Darlegungen finden sich im deutsch geschriebenen, doch lateinisch betitelten Traktat Liber de imaginibus. Dieser erstrangige und im Anhang abgedruckte Referenztext einer historischen Bildwissenschaft hat, bedenkt man die aus diversen Traditionen zusammengeführten und in die Zukunft ausstrahlenden Inhalte, nicht annähernd die Aufmerksamkeit erfahren, die ihm vonseiten der Natur- und Geisteswissenschaften zusteht. Er handelt von Bildern, die „Kraft“ und „Tugend“ haben, also nicht zum ästhetischen Genuss, sondern zum wirksamen Gebrauch einladen und als Wegweisungen ‒bis hin zum Seelenheil ‒ verstanden werden sollen. Im Hauptwerk Astronomia magna verbindet Paracelsus naturkundliche und medizinische Elemente zu einem enzyklopädischen Wissenschaftsprogramm auf biblisch-hermetischer Grundlage. Entsprechend breit gefächert sind die Erörterungen über Bilder und Zeichen, die von der Natur, den Sternen, der Gottheit und dem Künstler als „signator perfectus“ erzeugt werden.
Die komparatistische Studie unternimmt es erstmalig, Geselligkeit als soziale und diskursive Praxis zu bestimmen, indem sie die sozialen Konstellationen und kommunikativen Verfahren beschreibt, die gesellige Situationen kennzeichnen. Sie zeigt, dass sich grundlegende Prinzipien geselliger Interaktion schon in der mittelalterlichen Literatur ausbilden und dann im Verlauf ihrer literarischen Geschichte je neu konfiguriert werden. Die zentrale These lautet, dass literarische Entwürfe von Geselligkeit nicht ohne spezifische Ordnungsmuster auskommen können. Diese zeigen sich im Bereich der sozialen Interaktion z.B. als gesellige Spielregeln ebenso wie in der narrativen und disputativen kommunikativen Praxis. Im Zentrum der Untersuchung stehen neben Beispielen aus der mhd. Artusepik (Hartmanns Iwein, Strickers Daniel, Heinrichs von dem Türlin Crône) vor allem zwei Texte Giovanni Boccaccios (der frühe Prosaroman Il Filocolo und das Decameron), an denen sich brennpunktartig Kontinuitäten und Brüche literarischer Geselligkeitsentwürfe zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit aufzeigen lassen. Exemplarische Ausblicke auf die europäische Boccaccio-Rezeption schließen den Band ab. Die Studie leistet einen dezidiert literaturwissenschaftlichen Beitrag zur Erforschung vormoderner Kommunikationspraktiken, der den literarischen Charakter der geselligen Inszenierungen stets bewusst hält.
Die Arbeit entwirft ein Mehrebenenmodell kommunikativer Gattungen, das universalistische, soziale und historische Aspekte unterscheidet. Damit wird eine medientheoretische Ausweitung der Gattungstheorie und ein genuines Modell der Historizität literarisch-künstlerischer Gattungen vorgeschlagen. Exemplarisch durchgeführt wird dies am Beispiel der europäischen Geschichte des Sonetts von dessen mittelalterlicher ,Erfindung‘ am Hof Kaiser Friedrichs II. in Sizilien bis zum romantisch-modernen Sonettmodell August Wilhelm Schlegels. Die ,gattungstopische‘ Darstellung ermöglicht eine grundlegende Historisierung des Gattungsmodells: Neue Thesen zur Sonettentstehung, zu deren mediengeschichtlichen und numerologischen Voraussetzungen (mit Parallelen zur staufischen Herrschaftsarchitektur), und zur historischen Vielfalt der Gattungsentwicklung pluralisieren das überkommene Bild der Sonettform. Als historische Paradigmen werden die mittelalterliche, kombinatorisch angelegte Sonettstanze, das frühneuzeitliche epigrammatisch konturierte Sonett und das genuin moderne, an der Liedform und der formalen Tektonik orientierte, ,rationalisierte‘ Sonettmodell des 18. Jahrhunderts unterschieden. Ein eigenes Kapitel ist der petrarkistischen Tradition der deutschen Sonettistik der Barockzeit gewidmet.
Im späten 16. Jahrhundert stieg Frankreich nach Jahrzehnten des religiösen Bürgerkriegs zur europäischen Großmacht auf. König Heinrich IV. stützte sich dabei auf hochqualifizierte Gesandte und Berichterstatter. Jacques Bongars (1554‒1612) war einer dieser Diplomaten. Er war Diener der Krone, zugleich Gelehrter und Humanist. Dank seiner Ausbildung, seiner Reisen und Korrespondenzen unterhielt er Beziehungen in viele Länder Europas. Die Untersuchung verbindet die Biographie des Gesandten mit dessen intellektuellem Wirken und kosmopolitischem Hintergrund. Bongars taucht in den internationalen Krisen um 1600 ebenso auf wie in den Diskursen des Späthumanismus. Dabei hat es Bongars verstanden, seine familiären, wirtschaftlichen und gelehrten Kontakte nach Deutschland, den Niederlanden, England, Böhmen und Ungarn für seine politischen Missionen zu nutzen. Die Untersuchung skizziert die Karriere und das geistig-weltanschauliche Profil des Reformierten Jacques Bongars inmitten eines europaweiten Milieus, der respublica litteraria. Es gelingt der Autorin, internationale Politik im Konfessionellen Zeitalter mit dem individuellen Umfeld eines politischen Beamten der zweiten Reihe in Beziehung zu setzen.
Die deutschsprachige Erzählliteratur des 16. Jahrhunderts, die an der Schwelle zur Poetik des Barock steht, wird in der germanistischen Forschung in ihrer kulturellen und poetischen Bedeutung nach wie vor unterschätzt und vernachlässigt. Die vorwiegend germanistischen Beiträge dieses Bandes, die auch romanistische und kunsthistorische Perspektiven einbeziehen, richten sich auf Prosaromane, Schwänke, Tierepik und historiographische Großformen. Sie setzen sich zum Ziel, die Strukturen und Semantiken der Texte zu erschließen und erproben neue Sichtweisen, indem sie den Leistungen des Erzählens als eigenständige Formen der Speicherung, Konfiguration und Transgression von Wissen nachgehen. Deutlicher als bisher läßt sich so profilieren, wie die volkssprachige Literatur die epochalen epistemischen Umbrüche der frühneuzeitlichen Kultur, die Pluralisierungen und Neuordnungen des Wissens reflektiert. Da hier Fragen nach der spezifisch literarischen Inszenierung von Wissen leitend sind, führen die Beiträge literaturwissenschaftliche und epistemologische Problemstellungen zusammen. In diesem Sinne steht die Frage nach einer Poetologie des Wissens im Zentrum.
Die Studie beschäftigt sich mit der Wiederentdeckung und Geschichte der Erforschung des Evangelienbuchs Otfrids von Weißenburg vom Ende des 15. bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, also in der Zeit vor der Institutionalisierung und Etablierung der Germanistik als universitäre Disziplin. Den zeitlichen Rahmen bilden die Erwähnungen Otfrids in den Schriftstellerverzeichnissen des Johannes Trithemius (1494/95) und der Otfridartikel von Karl Lachmann in Erschs und Grubers Allgemeiner Encyclopädie (1836).
Im Zentrum der Untersuchung stehen die Wiederentdeckungen der Überlieferungsträger, Aspekte kodexgebundener Rezeption (Abschriften, textkritische Arbeiten, Handschriftenbeschreibungen) sowie editorische und interpretatorische Bemühungen um den Liber Evangeliorum, von den Ausgaben durch Matthias Flacius Illyricus (Basel 1571) und Johann Schilter (Ulm 1726) bis hin zur ersten, nach modernem Verständnis kritischen Edition durch Eberhard Gottlieb Graff (Königsberg 1831).
Ein umfangreicher Anhang macht darüber hinaus Materialien verfügbar, die bislang nur schwer zugänglich waren. Das Buch leistet damit an einem konkreten Fallbeispiel einen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in der frühen Neuzeit.
Die vorliegende Studie fragt nach der Relevanz ,mittelalterlicher‘ Sujets in der Oper der frühen Neuzeit und versucht mithin den Beitrag des Genres, das sich mit Blick auf seine humanistisch-renaissancezeitlichen Wurzeln gemeinhin eher als Sachwalter und Vermittler antiker (Stoff-)Traditionen darstellt, für eine Rezeption des ,Mittelalters‘ als einer historischen Periode an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert zu bestimmen.
Ihren Ausgangspunkt nimmt die interdisziplinär angelegte Untersuchung von einer ausgreifenden heuristischen Erschließung entsprechender Stoffe und Werke an 15 bedeutenden Opernzentren im Reich, in Italien, Frankreich und England. Ein signifikantes Resultat dieser Bestandsaufnahme ist der speziell für das norddeutsche Musiktheater um 1700 charakteristische Typus der ,dynastischen Mittelalteroper‘, der sich für die Fragestellung und Perspektive der Arbeit als überaus fruchtbar erweist und dem sich die detaillierten Analysen des Hauptteils in ihrer jeweiligen Zusammenschau von konkretem Libretto (Haupt- und Paratexte), Partitur, zeitgenössischer Inszenierungspraxis und kulturgeschichtlichen Kon-texten eingehend widmen. Dabei werden nicht nur die Verschiebungen aufgezeigt, die zwischen höfischer (Braunschweig, Hannover) und städtischer bzw. stadtrepublikanischer (Hamburg) Repräsentations- und Memorialkultur zu Tage treten, sondern auch Spielräume des Dramma per musica – das im Anschluss an den aktuellen historisch-wissenschaftlichen Diskurs der Zeit auf das ,Mittelalter‘als Ursprungs- oder Frühraum der je eigenen Geschichte rekurriert – zwischen politisch motivierter Funktionsoper einerseits und genuiner Historienoper andererseits offengelegt.
Anhand des 1572 erstmalig gedruckten und bis ins 18. Jahrhundert weit verbreiteten Schwankromans Historien von Claus Narren erläutert die Studie den Begriff der natürlichen Narrheit und dessen didaktische Funktionalisierung durch den protestantischen Verfasser Wolfgang Büttner. Mit Hilfe von diskursanalytischen und ritualtheoretischen Ansätzen wird herausgearbeitet, welche Funktionen den als mental different begriffenen natürlichen Narren in Mittelalter und Früher Neuzeit zukamen. Natürliche Narren repräsentieren eine institutionalisierte Form der Liminalität. Zwar wurden sie zusammen mit den Schalks- bzw. künstlichen Narren an Höfen gehalten, galten aber nicht nur als zu verlachende Objekte, sondern gleichzeitig auch als Wunder, Wunderzeichen und Exempel. Büttners Werk baut auf dieser Narrenkonfiguration auf und integriert sie in sein Werk, das 626 Historien mit jeweils angehängten Lehren umfasst. Im Mittelpunkt steht der ebenfalls historisch nachweisbare ernestinische Hofnarr Claus Narr. Die Narrenfigur dient in den Historien von Claus Narren dazu, Normen und Normenübertretung zu problematisieren, um daraus religiöse und moralische Verhaltensvorschriften zu gewinnen.
Der Orpheus-Mythos gehört zu den wirkungsgeschichtlich bedeutendsten Mythen der Antike. Bisher kaum untersucht ist jedoch seine Rezeption in der deutschen Barockliteratur, zu der diese gattungsspezifische Studie einen Beitrag leistet. Gegenstand der Untersuchung sind sieben geschlossene literarische Mythos-Verarbeitungen in barocken Libretti, die in dieser Arbeit zum Teil erstmals erschlossen, in ihrer jeweiligen Spezifik diskursanalytisch bestimmt und mit zeitgenössischen Kontexten korreliert werden. Am Beispiel der Bearbeitungen und Verwendungsweisen des Orpheus-Mythos in Musikdramen werden die epochenspezifischen Besonderheiten der frühneuzeitlichen Antikenrezeption innerhalb einer innovativen Gattung erhellt.
Antiquarianismus ist eine gleichermaßen aktuelle wie wissenschaftshistorisch belastete Kategorie. Nach Maßgabe des traditionellen ideengeschichtlichen Primats des Theoretischen und abgeschreckt von den sich damit assoziierenden monumentalen Formen galten die altertumskundlichen Bestrebungen des 17. Jahrhunderts lange Zeit als Ausdruck einer Krise der Historiographie, welche von den skeptizistischen Erwägungen René Descartes’ ihren Ausgang genommen habe. Die Studie hingegen beruht auf der Hypothese, dass die Lebendigkeit, die von den Antiquaren der Zeit in das Feld des Historiographischen hineingetragen wurde, die Fundamente historiographischen Tuns in materieller und intellektueller Hinsicht nachhaltig veränderte. Die Studie stützt sich auf gedruckte wie ungedruckte Materialien, die aus der Arbeit an den von dem Antwerpener Jesuiten Jean Bolland (1596–1665) begründeten Acta Sanctorum hervorgegangen sind. Mit Blick auf die in jüngerer Zeit an Kontur gewinnende „Geschichte des Wissens“ gilt die Aufmerksamkeit u.a. dem verwickelten Verhältnis von editorischer Theorie und Praxis, den begriffsgeschichtlichen Konturen von Ausdrücken wie Quelle (fons) oder Denkmal (monumentum), der Charakteristik gelehrter Netze oder den publizistischen Implikationen der von den Bollandisten ausgefochtenen Kontroversen.
Das Werk Philipp von Zesens (1619–1689) wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten editorisch gut aufbereitet, von der Frühneuzeitforschung aber bislang in seiner thematischen Breite noch nicht hinlänglich erschlossen. Diese Lücke sucht der Sammelband, der die ausgearbeiteten Referate einer im Herbst 2006 in Basel ausgerichteten Tagung enthält, zu schließen, indem er Zesens Werk in einer großen Fülle von Aspekten neu beleuchtet und neben seinen dichtungs- und sprachtheoretischen Innovationen vor allem auch seine Stellung in den zeitgenössischen Wissensdiskursen in den Blick nimmt: Zesen wird nicht nur als Dichter und Poetologe, sondern auch als Naturphilosoph, Mythologe und als Politiker vorgestellt; sein Werk wird komparatistisch in neue Zusammenhänge gestellt, und vielfältige Quellen seiner Streitigkeiten mit der Fruchtbringenden Gesellschaft werden erstmals zugänglich gemacht; das Projekt einer kommentierten Neuedition von Zesens lateinischem Coelum astronomico-poeticum wird vorgestellt und Zesens Versuche einer "Selbstnobilitierung" werden umrissen.
Der Band fasst die Ergebnisse des 3. Arbeitsgesprächs der "Deutschen Neulateinischen Gesellschaft" zusammen, das im Februar 2007 in Bochum stattfand und das lateinische Drama der Frühen Neuzeit zum Gegenstand hatte. Die neuere interdisziplinäre Forschung nimmt neben den traditionellen Themen (frühhumanistische Anfänge, protestantisches Schuldrama, Jesuitentheater) und deren Verankerung vor allem im pädagogischen und konfessionellen Diskurs der Zeit verstärkt auch poetische Sonderformen, intertextuelle Phänomene und metaliterarische Dokumente in den Blick. Beachtung finden etwa die sogenannten Schülergespräche, insofern sie mit den voll ausgearbeiteten Bühnenstücken die pädagogische Funktion teilen. Dramatisierungen antiker Epenstoffe (z.B. Dido) sind sowohl aus gattungsspezifischer wie aus intertextueller Perspektive ein ergiebiger Forschungsgegenstand. Ähnliches gilt für das vielfach zu beobachtende Nebeneinander von lateinischen und volkssprachlichen Dramentexten (z.B. Jedermann-Stoff). Die Relevanz des lateinischen Theaters noch bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts lässt sich anhand akademischer Disputationsthemen aufzeigen.
Galt die barocke Reformpoetik lange als umfassendes Regulierungssystem, zeigen sich im Einzelnen immer wieder eklatante Normierungslücken. Diese wurden in vielen Breichen durch dichtungstheoretische Paratexte aufgefüllt, deren hohen Geltungsgrad im dichtungstheoretischen Diskurs des 17. Jahrhunderts diese Untersuchung systematisch nachweist. Gleichwohl gelingt es der Vorredenpoetik nicht, die augenfälligen Defizite im System der praecepta auch nur annähernd zu kompensieren. Dieser Befund wirft letztlich die Frage nach dem prinzipiellen Stellenwert poetologischer Normen für die barocke Dichtungspraxis auf. Wenn sie vielfach nur erstaunlich offen gehaltene Anweisungen vermittelt, so gewährt die Poetik beträchtliche künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten, deren Bedeutung für die barocke Dichtungsauffassung bislang unterschätzt wurde. Die Studie bietet eine umfassende Analyse der gattungstheoretischen Normvorgaben, welche in poetologischen Lehrbüchern und Vorreden formuliert wurden. Die materialreiche Inventarisierung macht den Band zugleich als gattungsgeschichtliches Kompendium nutzbar.
Rhenanus (1485–1547), der zuvor fast ausschließlich als Philologe und Editor hervorgetreten war, legte 1531 mit den Res Germanicae ein Geschichtswerk vor, das an Methodik und Zuverlässigkeit alle vergleichbaren Versuche deutscher Provenienz übertraf. Die vorliegende Ausgabe, die auch die Rhenanus-Vita von Sturm enthält, erschließt den Text durch Übersetzung, Quellennachweise und Indices. Die kommentierenden Studien berücksichtigen den Briefwechsel des Autors, erläutern seine Methode und untersuchen den Text auf Einflüsse italienischer und deutscher Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts.
Die Aufsätze des Bandes behandeln zentrale Aspekte des poetischen Gesamtwerks von Simon Dach. Ein Schwerpunkt liegt auf intensiven Textinterpretationen, die aktuelle Forschungsfragen aufgreifen und methodisch an ausgewählten Texten Dachs exerzieren. Dabei gerät auch ganz besonders die neulateinische Dichtung Dachs in den Blick, die bislang von der Forschung vernachlässigt wurde. Viele Texte werden durch diesen Band erstmals der Forschung zugeführt. Dachs pro-loco-Disputation, seine Einladung zur Antrittsvorlesung sowie zahlreiche neulateinische und deutschsprachige Gedichte sind ediert und kommentiert. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf Aspekten der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte. Mit diesem Band liegt die bislang umfangreichste wissenschaftliche Publikation zu Simon Dach vor, die erstmals einen Gesamteindruck seines poetischen Schaffens und seines Nachwirkens vermittelt.
Um 1700 verbreitet sich von Frankreich aus das Ideal des Galanten als stilistisches und ethisches Leitmodell in Europa. Dabei dient vor allem der Roman als Schule eleganter Lebensart. Die komparatistische Studie versteht sich als Baustein zu einer Kulturgeschichte des Galanten. Ausführlich wird die Aufnahme des „galanten Diskurses” in der deutschen Erzählprosa nachgezeichnet: von den französischen Quellen (Scudéry) über Autoren wie Bohse und Hunold bis zu Weiterführungen bei Christoph Martin Wieland. So entsteht ein Gesamtbild des „romanesken Erzählens“ im 18. Jahrhundert.
Der Sammelband führt den Begriff der 'Spätrenaissance-Philosophie' für diejenigen intellektuellen Strömungen in Deutschland bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ein, die sich als Erben der – vor allem italienischen – Renaissance fühlten und dennoch deren Spekulationen mit lutherischer oder reformierter Schulmetaphysik amalgamierten. In dreizehn Fallstudien wird von namhaften Forschern die ganze Breite dieses Prozesses in Metaphysik und Anthropologie, Ästhetik und Ethik, Philologie und Religionsphilosophie beschrieben.
Diese Studie leistet Pionierarbeit in der Erforschung der Patristikrezeption im deutschen Humanismus. Auf der Grundlage sämtlicher im 15. und 16. Jahrhundert im deutschen Sprachraum erschienener Drucke wird die Wirkungsgeschichte des Kirchenvaters Basilius Magnus (329-379) systematisch aufgearbeitet und historisch kontextualisiert. Die druckhistorischen, literaturwissenschaftlichen und überlieferungsgeschichtlichen Analysen ermöglichen, die verschiedenen Facetten der Rezeption der griechischen Patristik in der Zeit des Umbruchs zwischen Spätmittelalter und Neuzeit zu erfassen. Motivationen und Verfahrensweisen von Druckern und Verlegern, Herausgebern und Übersetzern sowie von Lesern und Besitzern werden sowohl für die griechisch-lateinischen Editionen als auch für die volkssprachlichen Übertragungen anhand der Druckdaten, Paratexte und Benutzerspuren identifiziert. Unterschiedliche Rezeptionsstränge lassen sich nach sozialen Funktionsorten und Trägern, von Kloster und Kirche über Schule und Universität hin zu Bibliothek und Studierzimmer, diversifizieren. Diese Fallstudie liefert mit der detailliert dokumentierten Drucküberlieferung nicht nur ein unverzichtbares Instrumentarium für die einschlägige Forschung, sondern korrigiert und differenziert zugleich grundlegend das geltende Bild der humanistischen Antikerezeption.
Die erste gedruckte deutsche Rätselsammlung, das sog. »Straßburger Rätselbuch«, gehört mit 39 erhaltenen Ausgaben und einer 280 Jahre währenden Druckgeschichte (um 1510–1789) zu den besonders erfolgreichen volkssprachlichen weltlichen Büchern der Frühen Neuzeit. Die in der Sammlung enthaltenen Rätsel und Scherzfragen, die verschiedenen Titelholzschnitte sowie die sonstige Mitüberlieferung geben Auskunft über die vor allem in Bürgertum und Adel zu suchende Zielgruppe des Buches. Bereits 1535 veranlasst dessen Beliebtheit den Prediger Johann Behem, als Gegenpublikation ein »Christliches Ratbüchlein für die Kinder« zu konzipieren, welches eine eigene erfolgreiche Tradition des Christlichen Rätselbuchs begründet. Spätestens mit dem neulateinischen »Aenigmatum libellus« des Johannes Lorichius, der 1540 etliche Rätsel der Straßburger Sammlung übernimmt und zugleich ein selbständiges Rätselbuch kreiert, ist aus dem Bucherfolg ein Buchtyp 'Rätselbuch' entstanden, der 1602 mit Nikolaus Reusners »Aenigmatographia« den Durchbruch erlebt und dessen Vertreter zahlreiche oft als 'volkstümlich' apostrophierte Rätsel bis in die Gegenwart schriftliterarisch überliefern. Für die Geschichte des deutschen Rätsels stellt das »Straßburger Rätselbuch« nicht nur das Bindeglied zwischen Mittelalter und Neuzeit dar, sondern führt auch die Gattung 'Rätsel' einem neuen Medium, dem Buchdruck, zu.
Als Sohn jüdischer Eltern, der als junger Mann zum Christentum übertrat, wurde Paulus Ritius/Paolo Ricci († 1541), der Leibarzt der habsburgischen Kaiser und Freund des Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlins, zu einem der wichtigsten Vermittler der italienischen Renaissancephilosophie in Deutschland. Seine Übersetzungen aus dem Hebräischen, seine Arbeiten zur Beweistheorie und seine christianisierende Aufarbeitung der Kabbalah vereinigte Ricci zu einer eigenwilligen Philosophie, die der der christlichen Dogmatik eine rationale Rechtfertigung an die Seite zu stellen versuchte und den Forderungen des zeitgenössischen Averroismus, wie er an der Universität zu Padua vertreten wurde, gerecht werden sollte. Riccis Werke, zu deren wichtigsten Autoritäten neben Averroes vor allem Giovanni Pico della Mirandola und Moses Maimonides wurden, brachten ihn in Konflikt mit den deutschen Universitäten und gipfelten in einer öffentlichen Kontroverse um die Weltseele, die Ricci mit dem Theologen Johannes Eck austrug. Zum letzten Vorhaben seines Lebens wurde die Aussöhnung von Katholiken und Protestanten, deren Scheitern Ricci endgültig zu einem akademischen Außenseiter werden ließ.
Riccis bewegtes Leben und seine ungewöhnliche Karriere machen ihn zu einer der faszinierendsten Gestalten des 16. Jahrhunderts. Die Arbeit würdigt seine Schriften und seine Bedeutung für die Geistesgeschichte der Frühen Neuzeit umfassend.
Das Phänomen der Intertextualität in der Frühen Neuzeit - und damit auch in der neulateinischen Dichtung - ist Literaturwissenschaftlern seit längerer Zeit vertraut. Gleichwohl fehlte es bislang an Studien, die sich in historischem oder systematischem Zugriff mit speziellen Verfahren der Adaptation von Einzeltexten oder Textklassen auseinandersetzen. Auf der Grundlage neuerer texttypologischer und funktionsgeschichtlicher Forschungsansätze wird jetzt erstmals eine Sequenz von Fallstudien zur Verwendung intertextueller Schreibstrategien wie Parodie, Kontrafaktur oder Cento in der lateinischen Literatur Europas zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert vorgelegt.
Die Studie rekonstruiert die Geschichte, wie sich gelehrte Autoren des Späthumanismus mit ihren in Texten artikulierten Ideen an einem Problem abarbeiten: dem Problem, wie man die beschleunigt anwachsende Menge der Bücher und des Wissens ordnen und kanalisieren kann. In vierfacher Hinsicht schließt die Arbeit eine Forschungslücke: Erstens rekonstruiert sie den Zeitraum von 1580 bis 1630 als zentrale Periode der Geschichte imaginierter Bibliotheken. Zweitens zeigt sie so, inwiefern die Konzeption imaginierter Bibliotheken eine zentrale Rolle für die Konstruktion von Ordnungen des Wissens in der Frühen Neuzeit spielt. Drittens argumentiert die Studie dafür, dass die Geschichte von Bibliotheken in Literatur als Geschichte von Ideen gelesen werden muss, mit denen Autoren auf Probleme reagieren. Viertens macht sie deutlich, dass der Vorstellungsraum imaginierter Bibliotheken in der untersuchten Periode im Hinblick auf eine Reihe zentraler Aspekte textsortenübergreifend große Homogenität aufweist, dass es aber textsortenintern starke Traditionslinien gibt, die sich untereinander beträchtlich unterscheiden.
Der Band versammelt 36 Beiträge eines internationalen transdisziplinären Kolloquiums, das anlässlich des 700. Geburtstags von Francesco Petrarca (1304-1374) im Jahre 2004 an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg/Breisgau stattfand. Erstmals wird umfassend die immense Wirkung bestimmt, die Petrarca und sein Werk auf die Literatur, Kunst und Musik in Deutschland vom neulateinischen Humanismus bis zur Gegenwartslyrik ausübten.
Die historische Bedeutung der religiösen Heterodoxien der Frühen Neuzeit - der vergessenen wie der fortwirkenden - für die Entwicklung des europäischen Denkens kann kaum überschätzt werden. Nicht zuletzt im Kontext dieser minoritären Positionen werden erstmals die Werte und Normen und die anthropologischen Vorstellungen artikuliert, die die Aufklärung systematisieren und durchsetzen wird und die noch immer unsere Gegenwart bestimmen. Der vorliegende Band, hervorgegangen aus einem Kolloquium an der Universität Passau, behandelt einige der Aspekte dieses Prozesses in der Frühen Neuzeit.
Die komparatistische Studie bietet erstmals einen Überblick, wie französische Romane im Deutschland des 18. Jahrhunderts rezipiert wurden. Während der Einfluss englischer Autoren ausführlich untersucht wurde, ist bislang kaum bekannt, dass auch französische Romane während des gesamten Zeitraums lebhaft und konstant rezensiert und übersetzt wurden. Dieser literarische Transfer wird hier am Beispiel freizügiger Romane vorgeführt, welche die Gattung in Frankreich zwischen 1730 und 1800 dominieren und in Deutschland bald als Paradigma der französischen Literatur überhaupt gelten. Bedeutende libertine Romanciers wie Crébillon fils, Marivaux und Laclos, aber auch populäre Schriftsteller wie Rétif de la Bretonne werden kontrovers als literarische Vorbilder oder abschreckende Exempel unmoralischer Literatur beurteilt. Untersucht wird die Entwicklung der literarischen Kritik, unterschiedliche Typen und Phasen der Übersetzung und der Einfluss französischer Werke auf deutsche Schriftsteller. Zusätzlich dokumentiert eine kommentierte Übersetzungsbibliographie mit Standortnachweisen die Breite der Rezeption.
Die Gattung des 'Kommentars' erlebt in der Frühen Neuzeit einen erstaunlichen Aufschwung. Einerseits besinnen sich die Gelehrten auf seine antiken Grundlagen, andererseits antworten sie mit dem Kommentar auf aktuelle Herausforderungen im literarischen und wissenschaftlichen Feld. Ohne die Praxis des Kommentierens sind Transformationsprozesse wie Modernisierung und Säkularisierung nicht vorstellbar. Der Band versammelt die Beiträge eines Wolfenbüttler Arbeitsgesprächs und liefert Bausteine zum Verständnis einer unterschätzten gelehrten Praxis zwischen Innovation, Subversion und Tradition.
Auf den ersten Blick hat die Kategorie 'Aufrichtigkeit' mit der Kultur des 17. Jahrhunderts wenig gemein. Im Gegenteil, der Wunsch, die ästhetischen Konventionen und die Künstlichkeit der Zeichensysteme zu verlassen, gilt als Charakteristikum der historisch anschließenden Epoche, die sich vom Barock vehement abzuheben suchte: der Aufklärung. Das Buch relativiert diese geistesgeschichtliche Trennung, indem es nach Formen und Strategien des Authentischen, Natürlichen und Unverstellten in der Literatur und den Künsten, in Verhaltenslehren und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit fragt. Im Zentrum stehen die religiösen und theologischen Dimensionen der Aufrichtigkeit, die sakrale und weltliche Rhetorik, die Verhaltensformen der Unverstelltheit, die Spezifik 'teutscher' Redlichkeit sowie die Funktionen der Aufrichtigkeit in den Wissenschaften und Künsten der Frühen Neuzeit.
Mit Beiträgen von Wilfried Barner, Claudia Benthien, Thomas Borgstedt, Miroslawa Czarnecka, Lutz Danneberg, Klaus Garber, Nicola Kaminski, Heidrun Kugeler, Ursula Kundert, Steffen Martus, Marie-Thérèse Mourey, Dirk Niefanger, Ernst Osterkamp, Gerhild Scholz-Williams, Johann Anselm Steiger, Ingo Stöckmann und Stephanie Wodianka.
Die neuscholastische Metaphysik spielt für die Philosophie im 17. Jahrhundert eine herausragende Rolle; zeitgleich formieren sich die Anfänge des modernen wissenschaftlichen Weltbildes. Diese Studie untersucht die Bedeutung der Schulmetaphysik für die Entstehung der neuen Naturphilosophie. Entgegen einer verbreiteten Ansicht in der Historiographie wird gezeigt, dass die Schulphilosophie nicht bloß einen Störfaktor qualifizierten Wissenserwerbs darstellt. Am Beispiel Francis Glissons (ca. 1597-1677) weist die Arbeit stattdessen nach, wie einer der führenden Wissenschaftler seiner Zeit das Projekt einer scholastisch rückversicherten Naturphilosophie verfolgte, um seine innovative Forschung auf eine neue theoretische Grundlage zu stellen. Francis Glisson, Medizinprofessor in Cambridge, Präsident der Londoner Ärztekammer und Gründungsmitglied der Royal Society, führte über Jahrzehnte die anatomische Forschung in England an. 1672 veröffentlichte er allerdings eine Substanztheorie, die der Neuscholastik des Francisco Suárez (1548-1617) verpflichtet war. Unter Aufarbeitung zeitgenössischer originalsprachlicher Literatur sowie unveröffentlichen Manuskriptmaterials wird vorgeführt, unter welchen philosophischen und methodologischen Grundannahmen Glisson sein Selbstverständnis als Wissenschaftler mit seiner retrospektiven Substanztheorie vereinbaren konnte.
Der Naturbegriff ist unzweifelhaft einer der Grundbegriffe frühneuzeitlicher Wissenschaft und Literatur. Die hier versammelten Beiträge stellen semantische Perspektiven des Naturbegriffs in der Frühen Neuzeit vor. In eingehenden Analysen werden seine philosophischen und wissenschaftsgeschichtlichen Funktionen ebenso diskutiert wie seine theologischen, magisch-alchemischen, musiktheoretischen und literarischen Bedeutungsspektren.
Der Band bietet die erstmalige Edition der handschriftlich überlieferten Autobiographie des mystischen Spiritualisten und religiösen Nonkonformisten Friedrich Breckling (1629-1711), der, aus der Nähe von Flensburg stammend, recht früh in Konflikt mit der ortsansässigen lutherischen Geistlichkeit geriet, aufgrund von Repressalien floh und den größten Teil seines Lebens in den Niederlanden verbrachte. Die Quelle, die in diesem Band detailliert kommentiert wird (Personen, Orte, Sachen etc.), enthält nicht nur exakte genealogische Daten zu Brecklings familiären Verhältnissen, sondern gibt zudem u.a. Aufschluss über die Beschaffenheit von Brecklings dichtem radikal-spiritualistischem Kommunikationsnetz. Brecklings Autobiographie bringt Licht in bislang ungelöste bibliographische Fragen sein Oeuvre betreffend und ist zugleich Chronik des zeitgenössischen Geschehens, listet weltgeschichtlich bedeutsame Daten (Kriege und Friedensschlüsse, Ableben von Potentaten und Päpsten u.Ä.) auf und kontextualisiert somit den Mikrokontext der persönlichen Biographie mit der Makrostruktur der weltbewegenden Historie. Autobiographie, Chronik und apokalyptischer Traktat verbinden sich in dieser Schrift zu einer literarischen Mischgattung, die unter den frühneuzeitlichen "Ego-Dokumenten", die in den letzten Jahren zunehmend das Interesse der Forschung auf sich gezogen haben, eine wenn nicht einzigartige, so doch besondere Stellung einnehmen dürfte. Detaillierte Register erschließen das Werk.
Mit dem Begriff Festbeschreibung wird ein breites Spektrum von Phänotypen zusammengefasst (Neue Zeitung, lateinisches Epos, Pritschmeisterdichtung, Anthologie diverser Textsorten, illustriertes Diarium), deren gemeinsame Funktion die Vermittlung des höfischen Festes unter zeremoniellen Gesichtspunkten ist. Die Studie zeigt, dass die Topik der Festbeschreibung – im Gegensatz zur Überwältigung der Sinne im Fest – auf eine deutliche Reduktion der sinnlichen Komplexität zielt und allein zeremoniell bedeutsame Zeichen, Handlungen und Namen in den Blick nimmt. Die Funktion der Festbeschreibung wird im Kontext der Wirkungsästhetik des Zeremoniells bestimmt, die sich anhand der Zeremoniellwissenschaft des frühen 18. Jahrhunderts rekonstruieren lässt. Die Untersuchung der Paratexte fokussiert das aporetische rhetorische Selbstverständnis der Textsorte zwischen den Stilansprüchen von Casualrhetorik und Historiographie.
Nach einer überblicksartigen Darstellung von Topik und Disposition der Festbeschreibung, die neben dem Text auch Typographie und Illustrationen berücksichtigt, konzentriert sich die Studie auf die Konstituierungsphase der Textsorte im 16. Jahrhundert und ihre topische Revision im späten 18. Jahrhundert: Am Beispiel der Münchener Fürstenhochzeit von 1568 und der Berliner Doppelhochzeit von 1793 werden exemplarisch vier Beschreibungen analysiert, die auf unterschiedliche Weisen das Fest als Utopie entwerfen. Das umfangreiche, kommentierte Verzeichnis der Hochzeitsbeschreibungen im Anhang erschließt detailliert auch die Ausstattung der Drucke.
Im Jahr 1499 erscheint bei Kaspar Hochfeder in Metz der deutschsprachige Prosaroman »Florio und Bianceffora«. Diese Übersetzung des Boccaccio-Frühwerks »Il Filocolo« partizipiert an dem im Mittelalter überaus beliebten und in unterschiedlichen Versionen über ganz Europa verbreiteten Florisstoff. In der germanistischen Literaturwissenschaft hat dieser Text dennoch kaum Beachtung gefunden, seine Kenntnis ist auf gelegentliche beiläufige Erwähnungen beschränkt.
Die Studie leistet daher in Auseinandersetzung mit der spezifischen Überlieferungssituation des Textes erstmals eine detaillierte Übersetzungsanalyse, die die sprachlichen Strukturen und kommunikativen Mittel des Prosaromans im Vergleich zum Ausgangstext untersucht und den Roman in den Kontext der zeitgenössischen Übersetzungsliteratur stellt. Die abschließende Einordnung des Textes in die deutschsprachige Erzählliteratur des ausgehenden 15. und 16. Jahrhunderts zeigt thematisch und strukturell zahlreiche Parallelen zu zeitgenössischen deutschen Prosaromanen auf, insbesondere zu den Minneromanen.
Friedrich Hölderlin (1770-1843) hat nur einen einzigen Roman geschrieben. Nach langem Zögern und durch vielfältige Varianten hindurch gestaltete er die publizierte Endfassung des »Hyperion« in der Form des Briefromans. Die Studie rekonstruiert die Entwicklung dieses Romanprojekts, indem sie erstmals alle Textteile der Vorstufen einer eingehenden Untersuchung unterzieht. Ermöglicht wird diese Betrachtung, die in eine Interpretation der Endfassung auf der Grundlage der Entwicklungsgeschichte mündet, durch eine Einbettung in den systematischen Zusammenhang der philosophischen, politischen und literarischen Kontexte der 1790er Jahre.
Dabei bietet ein Rückblick auf die Geschichte des Briefromans im 18. Jahrhundert sowie die Stellung des »Hyperion« in dieser neue Einblicke in dessen poetische Form. Erst die Korrelation dieser formgeschichtlichen Entwicklung mit den Wandlungen von Hölderlins philosophischen Erkenntnissen kann darüber hinaus eine stärkere Anbindung an Kants praktische Philosophie nachzeichnen als bisher angenommen wurde. Hölderlin erkannte nämlich im Briefroman ein adäquates Medium für die von Kant in der »Kritik der praktischen Vernunft« gestellte Aufgabe, »wie man den Gesetzen der reinen praktischen Vernunft Eingang in das menschliche Gemüt, Einfluß auf die Maximen derselben verschaffen, d.i. die objektiv praktische Vernunft auch subjektiv praktisch machen könne.« Dieser unendlichen Aufgabe, der sich Hölderlin auch als Erzieher verpflichtet sah, schien ihm erst sein Roman wirklich gewachsen.
Es gibt eine Vielzahl germanistischer Studien zum Themenkomplex »Streit/Streitkultur«. Die Anfänge des medial vermittelten Streitens in der Volkssprache sind bisher aber nicht von literaturwissenschaftlicher Seite untersucht - anders als etwa von der historischen Dialoganalyse. Diese Lücke soll mit diesem Buch geschlossen werden. Deswegen stehen in seinem Zentrum rhetorikgeschichtliche Studien zu den Religionsstreitigkeiten des 16. Jahrhunderts. Im ersten Teil wird aus den Streitschriften selbst - sie sind als Textsorte der Polemik nicht Gegenstand rhetorischer Lehrbücher - deren rhetorische Physiognomie entwickelt. Es folgen drei darstellende Einzelfalluntersuchungen: 1. Der Streit um Martin Luthers »Adelsschrift« (1520), 2. der zunächst lateinisch, dann deutsch geführte Streit um Friedrich Staphylus' »Theologiae Martini Lutheri Trimembris Epitome« (1558), 3. der Streit um Lucas Osianders »Warnung Vor der Jesuiter blut durstigen Anschlägen« (1585). Im zweiten Teil wird nach den Intentionen und Dimensionen der Religionsstreitigkeiten gefragt und eine kulturhistorisch-soziologische Einordnung vorgenommen. Im dritten Teil werden exemplarisch Konversionsberichte, Predigten, katechetische Texte, Lieder, Gebete und das Theater im Hinblick auf ihr religionspolemisches Potential untersucht. Abschließend wird ein Ausblick auf den Fortgang der Religionsstreitigkeiten im 17. Jahrhundert gegeben.
Ökonomisch zu handeln heißt in der westlichen Moderne, den eigenen Vorteil zu verfolgen, aber - so das übliche Vertrauen in eine produktive Eigendynamik des Marktes - mit dem Ergebnis eines indirekten Nutzens für alle. Analysiert wird, wie sich ein solches Marktvertrauen in der "späten Frühen Neuzeit" herausbildete. Den literarischen Bezugspunkt bildet die Komödie, deren Geldaffinität nicht nur motivisch hervorsticht. Vielmehr lassen sich ihre Handlungsstrukturen als Modelle marktwirtschaftlichen Verhaltens und der entsprechenden Weltverlaufserwartungen interpretieren, denn die Komödie basiert auf Lizenzen zu normwidrigem Verhalten, vermittelt trotzdem aber das Vertrauen in einen guten Ausgang. Methodisch setzt die Studie mit einer gattungstheoretischen Explikation der Strukturhomologie von Komödie und Geldwesen an. Historisch verfolgt werden beider Interferenzen in mehreren Wissens- und Sozialbereichen: in der Wirtschaftstheorie bis zu Adam Smith, im Konzept des kaufmännisch-strategischen Politicus sowie im Spiel (mit einem Spektrum von der Mutwilligkeit bis zum Providenzvertrauen). Besondere Berücksichtigung finden die (Denk-)Formen sozialer Theatralität sowie die Marktsituation des Theaters. Einzelanalysen von »The Merchant of Venice« bis »Minna von Barnhelm« fächern die Vielfalt der Komödientypen im Schul- und Wandertruppentheater, unter moraldidaktischer Zwecksetzung oder in der Commedia dell'arte-Tradition, im Dienste höfischer Repräsentation oder bürgerlicher Sozialprogrammatik exemplarisch auf, zentriert auf das Reich, aber unter Einbezug französischer und englischer Vorlagen. Anhand der Komödie des Barocks und der Aufklärung wird damit zugleich die Möglichkeit einer post-sozialgeschichtlichen Gattungsgeschichtsschreibung erprobt.
Die heilige Katharina von Alexandria galt wegen ihres rhetorischen Sieges gegen fünfzig heidnische Philosophen seit dem Mittelalter als eine Leitfigur christlicher Bildung. Ihre Legende lieferte auch den Stoff für zahlreiche literarische Bearbeitungen. Die hier erstmals edierten Dramen sind die Hauptzeugnisse für die spannende Rezeption des Katharinenstoffs auf der frühen Bühne des Jesuitentheaters. Ausgehend von der Tragödie »Catharina« des belgischen Humanisten Grégoire de Hologne (ca. 1531-1594), stehen die Bearbeitungen von 1576 und 1577 am Beginn des jesuitischen Märtyrerdramas, das in der Folgezeit die Bühne der Gesellschaft Jesu beherrschen sollte. Der enge Zusammenhang aller drei hier präsentierten Stücke war bis jetzt unbekannt, bei der zeitlichen Einordnung der Spieltexte und bei der Bestimmung ihres Verhältnisses zueinander unterliefen zahlreiche Fehler. Dabei ergibt sich gerade aus der Abhängigkeit der späteren Texte von dem bzw. den früheren eine bisher nicht gebotene Gelegenheit, die "Wanderung" eines Stücks durch verschiedene dramaturgische Stile und sich ändernde historische Voraussetzungen zu beobachten. Dem kritisch herausgegebenen Text sind ein Similienapparat und eine metrische Übersetzung beigegeben. Einleitung und Kommentar liefern die wesentlichen Informationen zur Einordnung und zum Verständnis der Stücke.
Das deutsche "Barocklied" unterscheidet sich vom "Volkslied" durch den unverzichtbaren Generalbaß und durch die speziellen Ansprüche von Text- und Melodieverfassern, die den ungeregelten Gebrauch ihrer Arbeiten verabscheuten. Außerdem verlief das neue weltliche und geistliche Lied keineswegs immer einstimmig. Das ad libitum-Verfahren erlaubte wechselnde Satzdichten. Die "Canzonette" steht als Strophenmadrigal gewissermaßen "rechts" am Rande des Liedbereichs, der "Thon" oder die anonyme Modellweise "links". Dazwischen erstreckte sich eine Fülle von Formen und Stilen. Der derbe Lebensvollzug, dem die Volkskunde nachgeht, wird durch subtilere Aufgaben in Romanen, Dramen und Festspielen ergänzt. Martin Opitz schuf die literarischen Muster. Doch die kompositorische Umsetzung erwies sich als schwierig, denn die eine Musikstrophe kann den gedanklichen Fortgang der Textstrophen nicht mitvollziehen. Das italienische Verfahren der "Durchkomposition" mittels beibehaltenem Baßmodell widersprach der deutschen Liedtradition und den neueren westlichen Einflüssen. Aus den ungezählten Autoren der Gelegenheitskunst ragen die Organisatoren und Poeten Johann Rist und Philipp von Zesen heraus. Aber überall stößt die Systematik angesichts der deklamatorischen Möglichkeiten der "Monodie", der begleitenden oder gliedernden Melodieinstrumente und der Gebote des Kontrapunkts an Barrieren. Der Ausweg heißt: "Eingrenzung und Einzelanalyse".
Die Studie untersucht die Entstehung der modernen Philosophiegeschichte, wie sie sich im Übergang vom Barock zur Aufklärung als philosophische Disziplin innerhalb des gelehrten Diskurses der historia literaria konstituierte. Die Auffassung, daß Philosophie ein Produkt menschlicher Verstandestätigkeit sei und mit dem Denken der Griechen beginne, erweist sich dabei als Resultat eines Traditionsbruchs, mit dem die entstehende Aufklärung sich vom christlichen Aristotelismus der Schulphilosophie sowie von den platonisch-hermetischen Spekulationen der Schwärmer und Pansophen absetzte. In der Umbruchphase zwischen Barock und Aufklärung entsteht so der moderne philosophiegeschichtliche Kanon, der sich fundamental von der zuvor gültigen historischen Logik der Wissenschaftsgeschichte unterscheidet. Die Geschichte der Philosophie wird nun nicht länger als Sammelbecken unterschiedlich perfekter Ausformulierungen einer archetypischen Weisheit verstanden, sondern im Kontext der 'Entdeckung der geschichtlichen Welt' (E. Cassirer) als ein kontingenter temporaler Prozeß menschlicher Wissenschaftsentwicklung begriffen.
Wie es zu dieser Entdeckung der Philosophiegeschichte kam und worin ihre wissenschaftsgeschichtlichen Implikationen bestehen, ist Gegenstand der Darstellung, die gegenüber der bisherigen Forschung verstärkt die Interdependenzen zwischen theologischem, philosophischem, rechts- und literärgeschichtlichem Diskurs berücksichtigt.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zu einer gefühlsästhetisch motivierten Opposition gegen den "kalten" Rationalismus Gottschedscher Prägung. Unter Rückgriff auf antike und humanistische Konzepte von Liebe, Freundschaft und Gefühl sowie im Anschluß an medizinisch-anthropologische Theoreme zum Sensualismus entfaltete sich nach 1740 ein Schrifttum, das traditionell durch Zuschreibungen wie "Gefühlskultur" und "Empfindsamkeit" klassifiziert wird. In 14 Einzelstudien gehen die Beiträger dieses Sammelbandes Konzepten empfindsamer Geselligkeit nach, untersuchen einschlägige Beispiele aus unterschiedlichen literarischen Gattungen und setzen sich mit der zeitgenössischen Rezeption der Gefühlskultur auseinander.
Der reformierte Genfer Psalter gehört zu den wirkungsgeschichtlich bedeutendsten Literatur- und Musikwerken des 16. Jahrhunderts. Die Psalmendichtungen des Clément Marot und Théodore de Bèze erfuhren - nicht zuletzt dank der kongenialen Vertonungen - seit Erscheinen der ersten Gesamtausgabe (1562) sowohl in der französischen Originalversion als auch in zahlreichen Übersetzungen europaweite Verbreitung und gewannen vor allem im deutschsprachigen Raum erheblichen Einfluß auf die Entwicklung der modernen Nationalliteratur. Der Sammelband faßt die Ergebnisse dreier internationaler Tagungen zum Genfer Psalter und seiner Rezeption im 16. bis 18. Jahrhundert zusammen.
Rutger Sycamber von Venray an der niederländischen Maas (1456-1514?) trat mit 20 Jahren in die Windesheimer Kongregation des Ordens der Augustiner-Chorherren ein. Doch statt in dem abgeschiedenen und einsamen Kloster Höningen in der Haardt zu bleiben, begann er als Wanderbruder ein unstetes Leben, das ihn während mehr als 10 Jahren durch eine stattliche Anzahl von Klöstern seines Kapitels von Norddeutschland bis in die Schweiz führte. 1494 begann er zu schreiben; bis zu seinem Tod vollendete er gegen 200 Bücher. In den 36 Werken, die noch erhalten sind, zeichnet er ein exaktes und oft erstaunlich genaues Bild vom Leben in den Klöstern seiner Zeit.
Obwohl sich Rutger für ein Genie hielt und die Nähe zu den berühmten Gelehrten seiner Zeit überall zu erreichen versuchte, blieben ihm Erfolg und Anerkennung weitgehend versagt. Während er darauf zählte, daß sich der Erfolg früher oder später von selbst einstellen würde, stieß er in seinen eigenen Kreisen auf schärfste Kritik.
Unter seinen Werken ragt Rutgers Autobiographie als authentisches und aussagekräftiges Dokument hervor; es wird hier zum ersten Mal in einer sorgfältigen Edition mit Übersetzung zugänglich gemacht.
Georg Michael Lingelsheim (1557/8-1636) gehörte zu den zentralen Gestalten der europäischen Gelehrtenrepublik um 1600. Er unterhielt über mehr als fünfzig Jahre überaus umfangreiche Korrespondenzen, die ihn nicht nur mit den führenden Gelehrten in den protestantischen Reichsständen und europäischen Metropolen der späthumanistischen res publica litteraria verbanden, sondern ebenso mit den führenden Diplomaten jener Mächte, die sich im konfessionellen Zeitalter zum Kampf gegen die katholische Allianz um das Haus Habsburg formierten. Als kurpfälzischer Oberrat war er selbst in exponierter Stellung in die konfessionellen und politischen Konflikte, die damals im Reich und in Europa eskalierten, involviert. Diese Konflikte, aber ebenso die Formierung der Gelehrtenrepublik, die Antworten darauf suchte, werden in den verschiedenen Briefwechseln zwischen den Gelehrten und Diplomaten diskutiert. Diese Briefe sind somit eine ganz wichtige Quelle für die Geschichte des Späthumanismus im konfessionellen Zeitalter.
Ausgehend von den gegenwärtigen Forschungsdiskussionen um den Späthumanismus bietet der erste Teil der Arbeit ein umfangreiches Lebensbild Georg Michael Lingelsheims, in dem seine Rolle in der kurpfälzischen Regierung, seine Stellung in der Gelehrtenrepublik und seine Schriften analysiert werden; im zweiten Teil wird sein Korrespondentenkreis eingehend vorgestellt, der in die verschiedenen gelehrten Kreise im Heiligen Römischen Reich und in Europa führt. Im Anhang der Arbeit findet sich ein Verzeichnis sämtlicher erhaltener Briefe von und an Lingelsheim sowie die Editionen zweier unbekannter Gelegenheitsdrucke, darunter eines von der germanistischen Forschung lange verschollen geglaubten Druckes aus dem Jahre 1616 mit Gedichten Zincgrefs.
Johann Arndt (1555-1621), ein zu seiner Zeit zwar berühmter, aber nicht unumstrittener lutherischer Erbauungsschriftsteller, greift in seinem Werk auf verschiedene naturphilosophische und mystische Traditionen zurück, um die Streittheologie seiner Zeit hin zu einer Reformation christlicher Lebenspraxis zu überwinden.
Die naturphilosophischen Implikationen von Arndts Schriften haben in der bisherigen Forschung jedoch kaum Beachtung gefunden. Daher untersucht vorliegende Arbeit hauptsächlich den naturphilosophischen Hintergrund Johann Arndts. Dabei geben insbesondere die frühen Schriften Arndts Aufschluß über dessen Rezeption diverser naturphilosophischer Strömungen des 15./16. Jahrhunderts. Dazu gehören sowohl der Neuplatonismus in der Prägung des Florentiner Philosophen Marsilio Ficino, als auch Pico della Mirandolas »Theologia poetica«, Paracelsus' »Philosophia Magna«, der nach letzterem benannte Paracelsismus und Heinrich Khunraths mystisch-theosophische Alchemie. Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, inwiefern sich die bei Arndt vorfindlichen und von ihm verwerteten mystischen Quellen mit seinen naturphilosophischen und theologischen Ansichten vereinbaren lassen. Mit einer systematischen Darstellung des Zusammenhangs von Naturphilosophie und Mystik in der frühen Neuzeit schließt vorliegende Studie, um damit einen Themenkomplex zu erschließen, der für das Verständnis des religiösen Denkens und Fühlens der frühen Neuzeit unerläßlich ist.
Der interdisziplinäre Sammelband dokumentiert die kulturelle Vielfalt und Offenheit um 1700 im deutschsprachigen Raum. Die Autoren stellen diese Schwellenzeit als eine produktiv-experimentierende Phase dar, in der neue kulturelle Spielräume ausgeschritten werden. Sie zeigen, inwiefern tiefgreifende soziale Wandlungsprozesse diese Innovationsleistungen begünstigen. Die versammelten Beiträge wenden sich vielfältigen Formen kultureller Orientierung zu, wie sie in den Bereichen Literatur (Poesie, Literaturkritik u.a.), Architektur, Theologie oder Verhaltenslehre stattfindet.
Die Studie widmet sich erstmalig in breiter angelegter Form dem noch weitgehend unbekannten Würzburger Übersetzer Johann Sieder und dessen Übersetzung der »Metamorphosen« des Apuleius aus dem Jahr 1500, die dieser in Form einer Handschrift Johann von Dalberg widmete und somit seine Nähe zu einem Zentrum des frühen Humanismus in Deutschland, dem "Heidelberger Humanistenkreis", demonstrierte. Anhand dieser Handschrift, der Editio Princeps der Siederschen Übersetzung von 1538 sowie einem jüngeren Druck von 1605 werden nicht nur wichtige übersetzungstechnische und buchgeschichtliche Entwicklungen, sondern auch drei grundlegende Rezeptionsrichtungen dieses antiken Romans in exemplarischer Weise offenbar. Die vorliegende Studie stellt diese Befunde nicht nur dar, sondern macht sie vor dem Hintergrund der antiken und mittelalterlichen Traditionen der »Metamorphosen«-Rezeption verständlich. Zudem verfolgt sie die zum Teil auf Sieders Übersetzung fußende deutsche Rezeption des »Goldenen Esels« bis zum Ende des 17. Jahrhunderts weiter, wobei drei Linien unterschieden werden, die schließlich in Grimmelshausens simplicianischen Schriften gebündelt, neu akzentuiert und um eine weitere Dimension ergänzt werden, wodurch Apuleius' »Metamorphosen« eine große Bedeutung bei der Entwicklung des modernen deutschsprachigen Romans zukommt.
In den letzten Jahrzehnten ist in der Forschung viel über den "Tod" oder das "Weiterleben" der Rhetorik im 18. Jahrhundert gestritten worden, ohne daß es zu einem Konsens gekommen wäre. Der Autor versucht die Frage durch einen theoretischen Neuansatz, der im ersten Teil der Studie hergeleitet wird, zu lösen: Rhetorikgeschichte wird verstanden als Auseinandersetzung verschiedener widerstreitender Konzepte von Rhetorik. Vor diesem Hintergrund werden im umfangreichen zweiten Teil die wesentlichen Stationen einer Theoriegeschichte der Rhetorik im Zeitraum von etwa 1600 bis um 1800 dargestellt.
Mit der Frage nach Formen und Funktionen der literarischen Todesmeditation bewegt sich die komparatistisch ausgerichtete Studie im Rahmen einer thematischen Untergruppe der religiösen Meditation, die zunächst nur mit dem allgegenwärtigen Topos der Vergänglichkeit von Interesse zu sein scheint. Sie stellt jedoch die Betrachtungen des Todes bzw. die Bildlichkeit des Todes in der Meditation in ihren Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Herausbildung eines "meditativen" Gewissenskonzeptes, um deren Potential zur Individualisierung von Erinnerung zu zeigen. Das meditierende Ich findet hier jenseits des Vanitas- und Memento-mori-Topos ein Strukturmodell für Selbsterinnerung, das subjektiv-individuelle und rollenhaft-exemplarische Selbstthematisierung verschränkt. Das Konzept des "meditativen Gewissens" ist als verinnerlichter Anspruch an sich selbst zu beschreiben. Dieser führt dazu, daß Sünde als Selbstentfremdung empfunden und in den Bildern von Tod, Verfall und Verwesung als "körperliche" Selbstentfremdung thematisiert wird. Auf der Basis eines umfangreichen deutsch-, französisch- und englischsprachigen Quellencorpus wird so das Potential der meditatio mortis für die Individualisierung von Erinnerung untersucht. Die Arbeit zielt insbesondere auf die literarisch-poetologischen Konsequenzen, die die Meditation als Textstruktur impliziert: Charakteristisch ist vor allem das hohe Maß an Selbstreflexivität und die Bedeutung der anatomischen Perspektive, die die Selbstbetrachtung des meditierenden Ich prägen.
In einem auf drei Bände angelegten Dokumentationswerk werden Entstehung und Ausbreitung des Paracelsismus in den kontroversen Verflechtungen der Wissenschafts-, Literatur- und Sozialgeschichte des späten 16. Jahrhunderts verankert. Die kritische Edition aufschlußreicher, oft in unbekanntes Terrain führender Texte ist begleitet von umfangreichen Kommentaren sowie von biographischen Darstellungen der Urheber, Adressaten, Gegner bzw. Sympathisanten der paracelsistischen Reform und Protestbewegung. Der zweite Band des »Corpus Paracelsisticum« erschließt das weitläufige Oeuvre von Michael Toxites und Gerhard Dorn, wirkmächtige Gründergestalten des oberrheinischen Paracelsismus. Von da aus fällt der Blick quer über die Konfessionsgrenzen auf andere kulturelle Zentren in Bayern, Sachsen, Schlesien, Böhmen und am Niederrhein. Mit Verfassern wie G. Fedro, M. Ambrosius, L. Span, B. Flöter, G. Etschenreutter, B. Scultetus, P. Perna, Th. Zwinger und J. Albrecht eröffnet sich ein epochaler, äußerst weitläufiger Diskurszusammenhang. In ihm lassen sich doxographische, methodische, hermeneutische, sprachtheoretische und überlieferungsspezifische Auseinandersetzungen ebenso beobachten wie Tendenzen einer theosophischen Spiritualisierung und heterodoxen Aufladung der in Paracelsus' Namen entwickelten Anthropologie und Kosmologie. Direkte Verbindungen ergeben sich unter anderem zu führenden Vertretern der sogenannten Schwenckfelder, damit auch zu Fraktionen aktiver protestantischer Dissidenten. Der Band wird neben dem weiterführenden Kommentar begleitet von einer ausführlichen Einleitung und erschlossen nicht nur durch mehrere Register, sondern auch durch wissenschaftshistorische Zusammenfassungen zu jedem Autorcorpus.
Die Untersuchung rekonstruiert eine Episode aus der moralphilosophischen Diskussion im Übergang vom späten Mittelalter zur Frühen Neuzeit, die auch die Ausprägung der späteren, bürgerlichen Moralvorstellungen beeinflußt: Es geht um die eudaemonia, um das glückliche Leben im Diesseits. In diesem Rahmen läßt sich auch eine Aufwertung der Lust (voluptas) sowie ein neues Interesse der Zeitgenossen an der Ethik Epikurs beobachten.
Im Durchgang durch ein vielfältiges Textcorpus wird ein Diskussionszusammenhang über Diskurstypen und Gattungsgrenzen hinweg aufgezeigt: vom Aufbäumen des Ackermanns aus Böhmen gegen den Tod über die teils hitzigen Debatten zwischen Stoikern, Aristotelikern und Epikureern bis hin zur skeptischen Infragestellung dieser Positionen bei Erasmus, Thomas More und im »Fortunatus«. Nach der Rebellion der Lust und ihrer Bändigung im Kontext der Reformation mündet die frühneuzeitliche Eudämonie-Debatte in das närrische Treiben und die karnevaleske Komik im »Lalebuch«.
Ziel der Arbeit ist nicht die doxographische Darstellung philosophischer Positionen, sondern die Analyse ihrer jeweiligen textuellen Inszenierung und argumentativen Auseinandersetzung: So zeigt sich, daß Konzepte von Lebensgenuß und Tugend, voluptas und virtus, einander nicht frontal gegenüberstehen. Vielmehr wird ein Dialog zwischen ihnen eröffnet, der vielschichtige Allianzen ermöglicht, aber auch zu Inkonsistenzen und Brüchen führt.
Die Rückkehr der baltischen Staaten nach Europa ist inzwischen von einer Flut vor allem historischer Literatur begleitet. Der vorliegende Band versucht sich erstmals an einer kulturgeschichtlichen Synopsis. Buch- und bibliotheksgeschichtliche Arbeiten, raumkundliche Expertisen, sprach-, literar- und wissenschaftsgeschichtliche Studien und Porträts und nicht zuletzt Erkundungen zu den Memoria prägenden Medien vermessen den baltischen Kulturraum der Frühen Neuzeit mit Ausblicken in die Moderne neu.
The main aim of the work is to present emblematics in Hungary in its European context, and to show the reciprocal influence between that phenomenon and mainstream literature. The description of the theoretical and historical development in Hungary is supplemented by a series of case studies examining the effect of emblematics upon various literary genres. The final chapter analyzes the link between literary emblematics and the visual arts by looking at a specific example. As in most European countries, emblematics in Hungary is part of a complex labyrinth of literary modes of thought and expression. A relative poverty of theoretical writing went hand in hand with a considerable range of emblematic practice. The emblem proved to be a transitional form between the period when signs and motifs were regarded as having specific and fixed meanings and the modern period when we have developed a different and shifting concept of language and meaning. At the same time as emblems began to penetrate the more popular levels of national culture and literature, they also became more specialized. Hungarian emblematics used, for the most part, existing pictorial and textual combinations of pictures and texts. They employed the emblem notably in genres and texts of the genus demonstrativum, which referred to matters which were topical at the time.
Mit seinem großangelegten Alterswerk, der Elegiensammlung »Urania Victrix« (1663), legte Jacob Balde, der bedeutendste deutsche Jesuitendichter, weit mehr als ein frommes Erbauungswerk vor. Indem die fünf Sinne des Menschen im konfliktreichen Dialog mit der menschlichen Seele ihre je eigene neuzeitliche Welterfahrung ausbreiten, entsteht in geistreicher poetischer Verdichtung ein enzyklopädisches Panorama barocker Wissens- und Verhaltenskultur. Vorgelegt werden in kritischer Edition die beiden ersten, in Faktur und Programm ausschlaggebenden Bücher über den Gesichts- und Gehörssinn. Dem lateinischen Text sind eine deutsche Übersetzung, ein ausführlicher Zeilenkommentar sowie eine Einleitung beigegeben, die neue poetologische, entstehungsgeschichtliche und kulturgeschichtliche Forschungen zu diesem Werk, seinem Autor und seinem nationalen wie internationalen Umfeld vorlegt. So versteht sich diese Edition als wichtiger Schritt zur weiteren philologischen und historischen Erschließung der frühneuzeitlichen Literatur des katholischen Kulturraums.
Zentraler Gegenstand dieser Untersuchung ist die anonyme, 1522 bei Pamphilus Gengenbach in Basel gedruckte Flugschrift »Der gestryfft Schwitzer Baur«. Ziel ist es, die spezifische Qualität dieser in der Forschung bis jetzt kaum beachteten Flugschrift so umfassend wie möglich darzustellen - einer Schrift, die sich als wichtiges Dokument der Literatur und bildenden Kunst der Zeit erweist. Einleitend wird die Gattung der reformatorischen Flugschrift anhand ausgewählter Schriften aus der Offizin Pamphilus Gengenbachs skizziert. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Produktions- und Rezeptionskontext der Flugschriften, was zur Frage führt, ob der gemeine Mann vermehrt auch als Subjekt des reformatorischen Kommunikationsprozesses betrachtet werden muß. Der zweite Teil bringt neben einer rhetorischen Analyse des Textes eine - reich bebilderte - Interpretation des Titelholzschnitts. Erweist sich die mittelalterliche Homiletik als zentral für die Konstitution des Textes, so läßt sich auch die Ikonographie des Holzschnitts in Bildtraditionen einordnen. Neue reformatorische Ideen in altem Gewand - ein Rezept, das große Wirksamkeit garantiert. Der dritte Teil greift drei Themen und Sinnbilder der Flugschrift auf und stellt sie in einen weiten literar- und sprachhistorischen sowie kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Kontext: Laienbildung und das Verhältnis der Sprachen Deutsch und Latein, die Darstellung der biblischen Bileams-Eselin in Wort und Bild und die Frage nach der Bedeutung der metaphorischen Wendung »gestryfft«. Letzteres erhellt einen blinden Fleck historischer Semantik. Eine ausführlich kommentierte Edition der Flugschrift »Der gestryfft Schwitzer Baur« schließt die Untersuchung ab.
Die Studie geht der Frage nach Konstituierung, Artikulation, Zielsetzung und Interferenz literarisch aktiver Gruppen in einem zeitlich, räumlich und sozial genau abgegrenzten Untersuchungsfeld nach. Exemplarisch wird für die historische Region Hessen-Darmstadt (mit der Universität Gießen und der Residenz Darmstadt als kulturellen Zentren) eine Rekonstruktion und sozialhistorische Analyse des sogenannten 'literarischen Lebens' zur Zeit der Spätaufklärung und Empfindsamkeit unternommen.
Der zugrunde liegende erweiterte Literaturbegriff bedingt die Auswertung umfangreicher, auch archivalischer Quellen, die von Schulordnungen und Berufungsakten über Briefe, Zeitschriften und Kalender bis zum genuin literarischen 'Werk' eines Goethe oder Klinger, aber auch manches heute vergessenen Hofpoeten reichen. Nach den staatlichen Institutionen Gymnasium und Universität, wo mit den bürgerlichen Gelehrten die größte Trägergruppe der Literatur ausgebildet wurde, wendet sich die Untersuchung den volksaufklärerischen, verlegerischen oder kritisch-publizistischen Aktivitäten jener Intellektuellen zu, wobei problemorientierte Kurzporträts und ein längeres monographisches Kapitel zu Johann Heinrich Merck das für diese Personengruppe symptomatische Spannungsfeld von Kompetenz, Motivation und Erfolgsdruck ausleuchten. Die im 18. Jahrhundert zunehmende Integration der höfischen Gesellschaft und der Frauen in die Strukturen des Literaturbetriebs lenkt den Blick zudem auf komplexere Phänomene wie Liebhaberaufführungen, kultische Dichterverehrung und empfindsame 'Inszenierungen' in mehr oder minder stabilen, von punktuell übereinstimmenden Interessen geleiteten Gruppen. Es zeigt sich, daß literarische Aktivität im 18. Jahrhundert auf allen Ebenen in funktionalem Bezug zu den übergeordneten Bemühungen des Individuums um seine Identitätsfindung innerhalb der Ständegesellschaft zu sehen ist.
Johann Beer (1655-1700) gilt in der Literaturgeschichte der Frühen Neuzeit als der begabteste Nachfolger Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausens und zugleich als eines der großen Erzähltalente einer barocken und grotesken Menschlichkeit. Der musikalisch begabte Autor, dessen Eltern als Protestanten früh aus Österreich vertrieben wurden, erhielt eine gründliche musikalische Ausbildung im Benediktinerkloster in Lambach 1662-1665 und bei den Augustiner Chorherren in Reichersberg 1665-1669. Diese Ausbildung und das damit einhergehende Nebeneinander protestantischer und katholischer Traditionen sollte den Autor bis ans Ende seines Lebens deutlich prägen. Neben seiner Tätigkeit als Musiker und Musiktheoretiker in Weißenfels verfaßt er mehr als zwanzig längere und kürzere Erzähltexte, die durch eine ungewöhnliche Mischung aus brillanten Realitätspartikeln, grotesken Details, Obszönitäten und einem von Anfang bis Ende durchgehaltenen Willen zur pädagogischen Belehrung charakterisiert sind. Die vorliegende Monographie versucht, die Vielgestaltigkeit seines Werks und dessen zum Teil paradoxen Konstruktionen durch eine narratologische Analyse miteinander vergleichbar zu machen. Es stellt sich dabei heraus, daß Beer durch sein ganzes Werk hindurch Lösungsentwürfe für das Problem der Integration von delectare und prodesse formuliert, wobei er zwischen den Extremen misogyner Satire und rhetorisch ausgefeilter Erzählstrategie in pädagogischer Absicht oszilliert.
Die Untersuchung zur Rezeption der stoischen Philosophie in zentralen Tragödien des 17. Jahrhunderts von Andreas Gryphius (1616-1664) (»Leo Armenius«, »Catharina von Georgien«, »Papinian«) und Daniel Casper von Lohenstein (1635-1683) (»Cleopatra«, »Agrippina«, »Epicharis«) nimmt sich vor, die ideellen Fundamente der beginnenden Neuzeit aus der Warte der Tradition aufzudecken. Die stoische Philosophie wird von ihrer bisherigen in der Barockforschung topischen Reduzierung auf eine ars moriendi und auf das Phänomen der constantia befreit und als Kulturphilosophie ernstgenommen, wie sie sich im gesamten Werk Senecas, in seinen Briefen, Dialogen und Tragödien, manifestiert. Dort entwickelt sie unter der Prämisse des secundum naturam vivere eine Ethik Lebens und Handelns auf der Basis des traditionellen Naturrechts und des Gewissens.
Die ideengeschichtliche Analyse zeigt, wie diese Konstanten in den frühneuzeitlichen Tragödien auftreten und die Anforderungen der modernen staatstheoretischen Entwürfe und des neuen konstruierten Naturrechts einer Kritik unterziehen. Die Dramen reflektieren dabei die zeitgenössischen wissenschaftlichen Entwicklungen, deren Naturverständnis die Grundlagen für das moderne konstruierte Naturrecht schaffen. Sie zeigen auf vielfältige Weise, daß es keine echten Stoiker mehr geben kann, da den Voraussetzungen für eine praktische stoische Philosophie in der Frühen Neuzeit der Boden entzogen ist.
Seit der Frühzeit des Humanismus hatten antike Weissagungen, Mythen und Orakel eine beträchtliche Rolle bei die Begründung der "Wahrheit der christlichen Religion" gespielt. Die Entwicklung der kritischen Philologie im konfessionellen Zeitalter zeigt jedoch, daß das Wahrheitspostulat in zunehmendem Maße durch eine historische Hermeneutik ersetzt worden ist. Argumente für eine christliche Apologetik waren so kaum noch aus den heidnischen Traditionen, ihrer Mythologie und Kosmologie, zu gewinnen.
Dieser bewußtseinsgeschichtliche Wandel hat auch das Dichtungsverständnis in unterschiedlichsten konfessionellen und intellektuellen Zusammenhängen geformt. Auf der breiten Basis gedruckter und handschriftlicher Quellen, die hier erstmals zugänglich gemacht werden, greift der Autor die hauptsächtlichen Entwicklungslinien auf und rekonstruiert exemplarische Diskussionszusammenhänge innerhalb der europäischen Gelehrtenkultur. Vor dem Hintergrund der am intensivsten in den Vereinigten Niederlanden ausgebildeten philologischen Kritik führt das Buch unter anderem zu einem neuen Verständnis von Martin Opitz' Dichtwerk und gibt Einblick in die kognitiven Voraussetzungen der Poetik des Konvertiten und vatikanischen Bibliothekars Lucas Holstenius in den Jahren um Galileis zweite Verurteilung. Antiquarianismus, Astronomie und Sprachforschung der Zeit werden ebenso berücksichtigt wie die Sozialisation frühneuzeitlicher savants in den "Akademien". Eingehend wird die Interpretationsgeschichte der sibyllinischen Gesänge analysiert und gezeigt, welche Funktion mosaische Kosmologie und die neue Astronomie Keplers innerhalb des Hamburger Gelehrtenzirkels um Barthold Heinrich Brockes und Johann Albert Fabricius am Beginn des 18. Jahrhunderts eingenommen haben.
Die Serie »Documenta Mnemonica« wird in insgesamt 8 Bänden die Quellen von Gedächtnislehre und Gedächtniskunst von der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit zugänglich machen. Band I stellt der interdisziplinären Forschung erstmals die wichtigsten philosophischen, rhetorischen, theologischen und medizinischen Zeugnisse der Mnemonik zur Verfügung. Der jetzt erscheinende erste Teilband (von insgesamt drei) bietet 33 Texte von Autoren in historischer Folge aus der Entstehungs- und Frühgeschichte der Mnemonik.
Vertreten sind die Autoren und Texte:
(Anon.), »Dialexeis«. - Platon/Marsilio Ficino, »Menon«; »Phaidon«; »Theaitetos«. - Aristoteles/Johannes Argyropoulos, »De memoria et reminiscentia«. - Cicero, »De oratore«. - (Anon.), »Rhetorica ad Herennium«. - Seneca maior, »Controversiae«. - Seneca minor, »De beneficiis«. - Plinius maior, »Historia naturalis«. - Quintilian, »Institutio oratoria«. - Galen, »Opera medica«. - Sextus Empiricus/Gentien Hervet, »Adversus mathematicos«. - Tertullian, »De anima«. - Alexander von Aphrodisias/Guillelmus Dorotheus, »In VIII Libros Topicorum Aristotelis Commentatio«. - Alexander von Aphrodisias/Johannes Genesius Sepulveda, »Commentaria in duodecim Aristotelis libros de prima Philosophia«. - Alexander von Aphrodisias/Gentien Hervet, »Quaestiones naturales, de anima, morales«. - Alexander von Aphrodisias/Hieronymus Donatus, »De anima liber cum mantissa«. - Plotin/Marsilio Ficino, »Enneades«. - Chirius Fortunatianus, »Ars rhetorica«. - Claudius Julis Victor, »Ars rhetorica«. - Nemesius/Nicasius Ellebodius, »De natura hominis«. - Augustinus, »De rhetorica«; »Epistulae«; »Confessiones«; »De trinitate«. - Martianus Capella, »De nuptiis Philologiae et Mercurii«. - Claudianus Mamertus, »De statu animae«. - Cassiodor, »De anima«. - Gregor der Große, »Registrum epistolarum libri«. - Beda, »Liber de loquela per gestum digitorum, et temporum ratione«; »De elementis philosophiae«. - Alkuin, »De anima ratione liber ad Eulaliam virginem«. - Eriugena, »De divisione naturae«.
Der Band wird abgeschlossen durch mehrsprachige Begriffs- und Namensindices, ein reiches Literaturverzeichnis und ein perspektivierendes Nachwort.
Das Stammbuch gilt seit geraumer Zeit als fächerübergreifendes Forschungsfeld par excellence. In den verschiedenen beteiligten Disziplinen zieht man den Gegenstand dabei allerdings in erster Linie als Quelle für fachspezifische Fragestellungen heran, nicht als Erkenntnisgegenstand sui generis. Erstmals wird deshalb der Versuch unternommen, die verschiedenen Zugänge und disparaten Ergebnisse systematisch aufeinander zu beziehen und in ein Gesamtkonzept einzubinden.
Ausgangspunkt ist die Grundfeststellung, daß es sich beim Album Amicorum um eine Sammelform für spezifisch gebaute, situativ und funktional bestimmbare Texte handelt. Nachgegangen wird der Konstitution dieser Textsorte, die im Wittenberg Luthers und Melanchthons aus verschiedenen älteren Traditionslinien entwickelt wurde. Hier liegen auch die Ursprünge der Sammelform, die sich seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts etabliert hat. Unter steter Rückbindung an kultur-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche Kontexte werden die historische Entwicklung und Ausdifferenzierung von Sammelgegenstand und Sammelmedium verfolgt. Beide haben von Anfang an eine Reihe konkurrierender milieuspezifischer Ausprägungen erfahren, die sich aber auch gegenseitig überschneiden oder ineinander aufgegangen sind. Besonderes Augenmerk gilt der methodischen Unterscheidung von Aspekten der Textualität, Medialität, Pragmatik und Rezeption. Dadurch kann nicht nur künftigen neuen Forschungsergebnissen ein systematischer Ort zugewiesen, sondern auch die jüngere Form des >Poesiealbums< klarer als bisher in eine historische Kontinuität gestellt werden.
Der Band vereinigt 15 Beiträge, in denen aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen methodischen Zugängen Formen und Funktionen neulateinischer Texte untersucht werden, die sich unter einem weiten Lyrikbegriff subsummieren lassen. Im Mittelpunkt stehen deutsche Dichter (z.B. Paul Schede Melissus, Jacob Bidermann, Martin Opitz, Paul Fleming), aber auch italienische, französische, angelsächsische und spanische werden berücksichtigt. Jedem Beitrag folgt eine Edition des/der besprochenen Texte(s) mit deutscher Übersetzung im Paralleldruck.
Der deutsche 'Erzhumanist' Konrad Celtis (1459--1508) ist einer der großen Archegeten der neueren deutschen Literaturgeschichte. Durch seine lyrischen Zyklen (Oden, Elegien, Epigramme) wie durch seinen lebenslangen Einsatz für die studia humanitatis wird der erste gekrönte Dichter auf deutschem Boden zur Schlüsselfigur des Humanismus nördlich der Alpen. Ein Jahrhundert vor Opitz unternimmt er den wegweisenden Versuch, im Anschluß an Tendenzen des italienischen Humanismus antike Gattungen, Diskurse und Geselligkeitsformen systematisch in die deutsche Literatur einzuführen. So ist Celtis nicht nur Autor der ersten humanistischen Poetik (»Ars versificandi et carminum«), er legt mit den »Amores« (Nürnberg 1502) auch den ersten bedeutenden Zyklus neulateinischer Dichtung in Deutschland vor, dessen Initialwirkung für die Folgezeit kaum zu überschätzen ist.
Ziel der Studie ist es, Celtis' Projekt einer deutschen Dichtung lateinischer Sprache umfassend vor seinem geistes- und literarhistorischen Horizont nachzuzeichnen. Von der »Ars versificandi« über die Ingolstädter Rede bis zu den »Amores« werden dabei erstmals alle bedeutenden Texte und Bilddokumente in einer systematischen, diskursorientierten Monographie erfaßt. In ihrem Mittelpunkt steht der große Zyklus von Liebeselegien (»Amores«), der nach seinen wichtigsten Aspekten (Gattungsfragen, Nationaldiskurs, lyrische Selbstdarstellung) untersucht wird. Auf diese Weise zeichnen sich Konturen eines Werkes ab, das als Gründungsdokument der neueren deutschen Literatur gelten kann.
Als "innerweltliche Askese" beschrieb Max Weber die reformierte Religion und Lebensführung. Für deutsche und "frankophone" Texte (Lehrbücher, Essays, Periodika, Reden/Rededramen, philosophische Romane) des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts zeigt diese vergleichende, literatur- und denkgeschichtliche Untersuchung, daß die Beschreibung Webers zwar zutrifft, aber zu kurz greift: Wenn reformierte Gelehrte wie der Naturrechtler Jean Barbeyrac, der Prediger-Philosoph Jean Henri Samuel Formey, der Mathematiker Jean Pierre de Crousaz und der Mediziner-Dichter Albrecht von Haller "rationalen" Morallehren (Hugo Grotius, Samuel Pufendorf, Christian Wolff) zuneigten, dann bestand ihre Leistung darin, diese "empirisch" zu prüfen, die "Bedrohung" durch die Skepsis abzuwehren und das Ergebnis in "angenehmer Form" zu verbreiten. Sie pflegten den Austausch mit Gelehrten unterschiedlicher Herkunft und Anschauung, traten für Toleranz und für die Vereinigung der protestantischen Kirchen ein. Deutsche Autoren wie Johann Christoph und Luise Adelgunde Victoria Gottsched teilten ihre Anliegen und folgten dem französisch-reformierten Vorbild. Christoph Martin Wieland aber kritisierte die "rationalen" Morallehren im philosophischen Roman - um sie als eine Denkmöglichkeit zu erhalten. Denn die "empirische" und gemäßigte Aufklärung betrachtete sich bereits als durch radikale Philosophien gefährdet. In der Literatur suchte sie eine Zuflucht.
Diese Studien untersuchen auf wissenssoziologischer Basis den Natur- und Wissenschaftsbegriff sowie die naturwissenschaftliche Methode Albrecht von Hallers (1708-1777) in ihrer Entstehung im Rahmen des naturrechtlichen Denkens der Frühaufklärung. Von Relevanz ist dabei Hallers Beziehung zum Newtonianismus Willem Jacob 'sGravesandes, der Newtons mathematische Naturwissenschaft experimentalistisch umdeutet und die wissenschaftliche Erkenntnislehre auf der "moralischen" Evidenz aufbaut. Dies bildet den Hintergrund für Hallers Beurteilung der Hypothesen um 1750 und für seinen dichterischen Neuansatz um 1730. Ausgangspunkt der Arbeit und bedeutend für die Revolution des wissenschaftlichen Weltbildes ist die Newtondebatte in der Bibliothèque Italique von 1731/32. In der Nachzeichnung des Wandels des cartesianischen Begriffsystems wird das Scheitern der cartesianischen Kosmologie in ihren Akkomodationsversuchen an die Resultate der Newtonschen Weltmechanik aufgezeigt. Hallers Etablierung einer "positiven" Wissenschaft der Physiologie auf dem Grundbegriff der "Kraft", seine neue Organismustheorie in der Irritabilitätslehre und seine embryologischen Studien erfolgen unter der Voraussetzung metaphysischer Annahmen über die Normen der societas civilis, in der er lebte, und über den "moralischen" Menschen und seiner Stellung in der von Gott nicht autonomen Natur. Der Zusammenschluß der Wissenschaften von der Natur und der Wissenschaften des Menschen, deren Analogie von der naturrechtlichen Matrix begründet wird, liegt somit konstitutiv dem Hallerschen Verständnis der Physiologie und ihrer sozialethischen Bedeutung zugrunde, die der gläubige Naturforscher gegen "neospinozistische" bzw. materialistische Naturinterpretationen verteidigt.
Erste zweisprachige (lat./dt.), kritische Neuedition eines der wichtigsten neulateinischen Jesuiten-Dramen, der »Pietas victrix« von Nicolaus Avancini (1611--1686). Das historische Drama bezieht sich auf den Sieg Konstantins des Großen über seinen Widersacher Maxentius (Schlacht bei der Milvischen Brücke, 312 n.Chr.). Der Text folgt der Editio princeps (Wien 1650), die jene für die Theatergeschichte wertvollen Regieanweisungen und die als Kupferstiche überlieferten Bühnenbilder (als Abbildung dem Band beigegeben) enthält. Eine ausführliche Einleitung (mit Bibliographie der Forschungsliteratur) informiert über den Autor, sein Werk und insbesondere die »Pietas victrix« als Bühnenstück. Neben dem kritischen Text werden die Varianten der Folgeauflagen und geänderte Passagen dokumentiert und übersetzt. Die deutschsprachige Perioche sowie das Verzeichnis der Schauspieler der Uraufführung ist beigegeben. Die Anmerkungen zum Text erläutern in knapper Form die wichtigsten Realien zum Text.
Die »Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae« sind der in Spätmittelalter und Früher Neuzeit wichtigste Pilgerführer für die Stadt Rom; sie beschreiben in aller Regel die sieben Hauptkirchen (S. Croce, S. Giovanni in Laterano, S. Lorenzo fuori le Mura, S. Maria Maggiore, S. Pablo fuori le Mura, S. Pietro in Vaticano, S. Sebastiano) sowie einige weitere Gotteshäuser Roms. Die Beschreibungen konzentrieren sich vor allem auf die Reliquien und Ablässe der Kirchen, enthalten jedoch auch Angaben zu deren Gründungsgeschichten, Ausstattung und liturgischen Funktionen (etwa als Stationskirchen).
Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich vor allem den lateinischen Fassungen der »Indulgentiae« gewidmet. Es zeigt sich jedoch, daß deren Übersetzungen den Vorlagen keineswegs wörtlich entsprechen, sondern eigene Schwerpunkte setzen und bereits aus diesem Grund besondere Aufmerksamkeit verdienen. Im vorliegenden Band werden deswegen (nach einer Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Textes) mehrere deutsche und niederländische Fassungen der »Indulgentiae« erstmalig kritisch ediert; die wichtigste dieser Fassungen ist wohl der in den Frühdrucken überlieferte deutsche Text, der unter dem Titel »Mirabilia Romae vel potius Historia et descriptio urbis Romae« bekannt ist. Die nachfolgenden Untersuchungen zu den Quellen des Textes zeigen u.a., daß die in den römischen Kirchen befindlichen Weiheinschriften des 12./13. Jahrhunderts als Basis für die Angaben in den »Indulgentiae« gedient haben könnten; darüber hinaus wertet der Kommentar aus, welche neuen Informationen die »Indulgentiae« zu den Themen Ablaßerwerb und Reliquienverehrung bereithalten. In einem Kapitel zur ›Pilgerfahrt im Geist‹ wird schließlich gezeigt, wie die »Indulgentiae« die Andachtsübungen der Gläubigen auch außerhalb Roms beeinflußten.
Ausgehend von systemtheoretischen Grundannahmen wirft der Verfasser einen neuen, sozialhistorisch akzentuierten Blick auf die Gattungsgeschichte der literarischen Idylle im 18. Jahrhundert. Es ergibt sich eine Neuanordnung der Quellen, die einen Bruch in der Entwicklung der Gattung statt mit der empfindsamen Idyllik Geßners erst mit den auf ihn folgenden kritischen Auseinandersetzungen mit seinem Werk konstatiert. Leben und Werk Geßners werden hingegen einer als "komplementär" ausgewiesenen Tradition sozialer Theorie zugeordnet, die eingangs aus den Grundlagenschriften des säkularen Naturrechts hergeleitet wird: Die "kleinen Gesellschaften" emotional verbundener Gruppen wurden hier in die Theorien der "großen Gesellschaft" integriert, die auf die selbstbezüglichen Neigungen und Interessen der einzelnen zurückgriffen. Dies ging einher mit einem beschränkten Geltungsanspruch "schöner Literatur", in der sich das Ideal harmonischer Geselligkeit Ausdruck verschaffte. Sobald dieser beschränkte Geltungsanspruch in Frage gestellt und schließlich offen abgelehnt wurde, mußte sich daher auch der soziale Status des Idyllischen einschneidend verändern. Der Verfasser verfolgt diese Veränderungen anhand zentraler Autoren der Idyllentheorie von Geßner bis Goethe und greift ausführlich auf deren sozialtheoretischen Kontext zurück, wobei auch bislang wenig beachtete Texte, etwa die Einsamkeitsschriften J. G. Zimmermanns und J. H. Obereits, einer ausgiebigen Betrachtung unterzogen werden.
Der Band gibt erstmals eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig von ihren Anfängen (1697) bis zu ihrer Erneuerung unter der Leitung von Johann Christoph Gottsched (ca. 1730). Da die Leipziger Gesellschaft das Vorbild für die spätere Gründung zahlreicher gleichartiger Gesellschaften im gesamten deutschen Sprachgebiet abgab, ist die historiographische Erschließung ihrer Entwicklung eine Voraussetzung für die noch ausstehende intensivere Beschäftigung mit dem Sozietätstyp Deutsche Gesellschaft. In kritischer Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur wird gezeigt, daß die Geschichte der Gesellschaft bis zum Auftreten Gottscheds keineswegs nur das eher belanglose Vorspiel der "eigentlichen" Historie der dann so berühmten Sozietät gewesen ist. Eingehend wird die kulturelle Bedeutung der Oberlausitz als Heimat aller frühen Mitglieder der Gesellschaft berücksichtigt. Es folgen Analysen der handschriftlich überlieferten dichterischen Produktion der Gesellschaft und biographische Darstellungen zu ihren Mitgliedern. Den Schwerpunkt im zweiten Teil des Werkes bildet die Schilderung der von Gottsched initiierten, aber nicht allein von ihm getragenen Reform der Gesellschaft. Abschließend wird ein Blick auf die Initiativen der erneuerten Sozietät gerichtet, die ihren Namen bald in Deutschland bekannt werden ließen. Die Untersuchung beruht weithin auf der Auswertung bisher kaum oder überhaupt nicht herangezogener Quellen (Drucke und Handschriften). Einige der wichtigsten Stücke werden im Anhang des Buches ediert.
Im Barockzeitalter zog nach Richard Alewyn ein »bacchantischer Festzug« durch Europa mit pompösen Theater- und Opernspektakeln im Schlepptau. Anders als weithin angenommen machte der Festzug allerdings nicht nur an den Höfen Station. Dies zeigt das erstmals dargestellte Beispiel der bislang unbekannten theatralen Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, das die vorherrschende Auffassung von der fürstlich geprägten Theaterkultur im Barock korrigiert und demgegenüber den Blick auf die lebendige reichsstädtische Festkultur dieser Zeit richtet.
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich im urbanen Raum eine Vielfalt theatralischer Präsentations- und Unterhaltungsformen, die im Rahmen eines paradigmatischen Aufrisses aufgezeigt werden: vom Ballett und Trauerspiel über Schuldramen, Haupt- und Staatsaktionen sowie Hanswurstiaden bis hin zu Festspielen und Opernspektakeln - wobei Nürnberg längere Zeit die heimliche Opernhauptstadt unter den Reichsstädten im Süden Deutschlands war. Vielfach getragen vom Mäzenatentum der Stadtobrigkeit und Großkaufleute bildete die theatrale Kunst einen wesentlichen Faktor im öffentlichen Leben der Reichsstadt. Dies gilt sowohl für die Gastspiele der Wandertruppen, das Schultheater oder die Opernaufführungen zu festlichen Anlässen als auch für die (oft vernachlässigten) theatralen Kleinformen im Kreis geladener Gesellschaften. Beispiele aus all diesen Bereichen belegen, in welch hohem Maße Theater als offizielle Gebrauchskunst für repräsentative und politische Zwecke instrumentalisiert wurde. Dies soll als Anstoß und Beitrag zu einer Neubewertung der Reichsstädte als Zentren und Vermittler von Literatur, Musik und Theater im 17. Jahrhundert verstanden werden.
Mit Stichworten wie die Entdeckung Amerikas, der Zerfall der konfessionellen Einheit, die zunehmende Bedeutung neuer Handelsbeziehungen und die Zentralisierung staatlicher Macht ist eine komplexe Problemkonstellation beschrieben, die die vielfältigen theoretischen Bemühungen der Spanischen Spätscholastik herausgefordert hat. Eine neugewonnene Ordnung der Praxis sollte dabei geeignet sein, christliche Tradition einerseits und frühneuzeitliche Modernität andererseits zu vermitteln. Der Band versammelt die Beiträge einer internationalen und interdisziplinären Tagung, die 1998 in Basel stattgefunden hat.
Conrad Celtis' (1459-1508) »Germania generalis« führt nicht nur zu einem zentralen Thema in seinem OEuvre, sondern des deutschen Humanismus insgesamt: zum Diskurs um die deutsche Nation. Innerhalb seines Gesamtwerks kommt der »Germania generalis« dabei die Bedeutung zu, Celtis' dichtesten Beitrag zu dieser humanistischen Diskussion um 1500 darzustellen.
Das lateinische Gedicht wird hier erstmals zusammen mit Übersetzung und Kommentar herausgegeben und durch Studien zu seinen Inhalten erschlossen. In einem ersten Teil werden mit der Sichtung der Überlieferung und ihrer Dokumentation sowie mit Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte die Vorarbeiten für die Edition der »Germania generalis« geleistet. Anmerkungen zur formalen Gestaltung des Gedichts und ein ausführlicher Stellenkommentar runden den Editionsteil ab.
Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit sind Studien zu Celtis' Deutschlandkonzeption. Sie gehen den Ursprüngen von Celtis' Plan einer historisch-geographischen Darstellung Deutschlands seit dem Ingolstädter Bildungsprogramm von 1492 nach und stellen die maßgeblichen Modelle einer humanistischen Landeskunde, Flavio Biondos »Italia illustrata« und die Deutschlandbeschreibungen Enea Silvio Piccolominis, vor. Im Zentrum der Studien steht die Interpretation der »Germania generalis«, die die zentralen historischen und geographischen Aspekte von Celtis' Deutschlandkonzeption herausstellt. Ausgehend davon wird unter Berücksichtigung des übrigen OEuvre, vor allem der »Amores« und der »Norimberga«, Celtis' nie realisiertes Projekt einer »Germania illustrata« methodisch und inhaltlich umschrieben. Ein Ausblick auf die Entwicklung der humanistischen Landesbeschreibung in Deutschland nach Celtis' Tod schließt die Studien ab.
Seit der ersten umfassenderen Bio-Bibliographie Michael Maiers (1568--1622) durch J.B. Craven (1910) verschwand die Gestalt des Arzthumanisten zunehmend hinter einem Geflecht mystifizierender Legenden, die ihn zum politischen Agenten der Rosenkreuzer und zum Sekretär Rudolfs II., gar zum intimen Freund Robert Fludds machten. Nach den kürzeren Vorarbeiten K. Figalas und U. Neumanns werden nun - ausgehend von Darlegungen zur Maierrezeption - Leben und Werk Maiers detailliert auf dem Hintergrund ihrer geistes- und mentalitätsgeschichtlichen Determinanten dargestellt. Flankiert wird dies durch die Erstpublikation eines Briefautographs Maiers an den Frankfurter Arzt J.H. Beyer und eine kommentierte Werk- und Überlieferungsbibliographie, welche das personelle Umfeld Maiers erstmals stärker konturiert.
Im Zentrum der Arbeit steht der lateinische Gedichtzyklus der »Cantilenae intellectuales« (1622). Mit ihm liegt nun ein zentrales Dokument der neulateinischen hermetischen Poesie wieder vor. Erstmals wird eine Dichtung dieser Art ausgiebig kommentiert. Der Zyklus scheint auf den ersten Blick eine Adaptation antiker Phoenixdichtungen darzustellen; doch zeigt der Kommentar, daß dieser Zyklus einen Metatext etabliert, der im Horizont allegorischer Bildtheorien klassizistisch-humanistische, alchemische, theosophische und physikotheologische Traditionen zu einem vielschichtigen Aussagekomplex verschmilzt und eine subtile Analogie zwischen alchemischer Prozeßlehre und biblischer Heilsbotschaft herstellt.
Heroische Entwürfe sind in der Barockzeit in allen Abteilungen der "Künste und Wissenschaften" reich vertreten. Worin ihr Wesen besteht, scheint unmittelbar einsichtig zu sein. Wenigstens in politischen Zusammenhängen, die hier im Mittelpunkt stehen, wird aber bei näherem Hinsehen vieles unklar. Vor allem naheliegende moralische Definitionsversuche erweisen sich als unzulänglich, sobald das Heroische in den Dienst der "Politik" genommen wird. Zwar ordnet sich dem Helden eine funktionale Bestimmung zu: Als Statthalter des Ursprünglichen und Allgemeinen erfüllt er eine wichtige Legitimationsaufgabe. Doch in der Zeit der Interessenpolitik und des Zerfalls abendländischer Universalität in auseinanderstrebende Partialgebilde verliert gerade die Behauptung interessenübergreifender Integrität an Überzeugungskraft. "Politische" Mittel müssen deshalb die moralische Überlegenheit glaubwürdig machen. So wird das Heroische Teil einer auf Konkurrenz und Überbietung angelegten politischen Psychologie. So sehr es sich der Stabilisierung einer unüberschaubar gewordenen politischen Szenerie verschreibt, so sehr partizipiert es doch selbst an Modernisierungs- und Dynamisierungsprozessen. Daß das 17. Jahrhundert einen Gipfelpunkt, zugleich aber auch eine Selbstauflösung heroischer Symbolik in der Politik erlebt, möchte das Buch an Ethiken, Politiken, Hofmannslehren, heroischen Romanen und genealogischer Literatur zeigen.
Wissenschaft ist bis zum 18. Jahrhundert vornehmlich eine Tätigkeit gewesen, die sich mit "gelehrtem" Wissen beschäftigt hat, mit dem Lesen, Einüben, Exzerpieren, Kompilieren, Edieren und Auslegen von überliefertem Wissen. Dreizehn internationale Wissenschaftler untersuchen in den Beiträgen dieses Bandes die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit sowie ihre sozialen und kulturellen Bedingungen und Kontexte. Es geht um die Wissenstechnik und ihre Medien ("Lesen und Kompilieren"), den Zusammenhang zwischen der gelehrten Tätigkeit von Editoren, Philologen oder akademische Lehrern und den Endprodukten ihrer Tätigkeit ("Forschen und Lehren"), die Praktiken des Transfers von Wissen an Adressaten ("Kommunizieren und Repräsentieren") und schließlich das Überwachen der gelehrten Kommunikation und ihre Regularien.
Im Oktober 1997 fand, zum Gedenken an den Geburtstag von Martin Opitz am 23.12.1597, ein Kolloquium in Görlitz statt, mit einem internationalen und auch interdisziplinären Teilnehmerkreis. Die Tagung, deren Referate hier vorgelegt werden, versuchte ihrem Anlaß gemäß, ein Gesamtbild von Opitzens Wirken in seiner Zeit vorzustellen. Sie ging dabei von einer Konzeption der "Lebenswelt" aus, »als einer wahrgenommenen Wirklichkeit, in der soziale Gruppen und Individuen sich verhalten und durch ihr Denken und Handeln wiederum Wirklichkeit produzieren« (Rudolf Vierhaus). Im Kontext der Frühen Neuzeit vollzieht sich eine solche Wirklichkeitskonstruktion allerdings in genau zu umschreibenden Textsorten, die durch traditionale und normative Vorgaben strukturiert sind. Die Text- und Wahrnehmungsmuster sind dabei selbst gerade nicht an Konzepten des "Wirklichen" oder "Authentischen", wie sie historisch später formuliert werden, ausgerichtet, sondern an solchen einer durch verbindliche Muster repräsentierten Wirklichkeit. Die einzelnen systematischen, gattungs- und themengeschichtlichen wie auch auf einzelne Werke konzentrierten Beiträge fächern die Facetten dieser Leitthematik auf; sie öffnen damit einen neuen Zugang zum Leben wie zum Werk dieses "Vaters der Deutschen Dichtung".
Ein erster Teil gilt der Gattung "geistliche Erzählprosa", die über die jesuitische Meditationsliteratur auf der einen, das "Exemplum" auf der anderen Seite aufgeschlossen wird. Ein Forschungsbericht bringt zahlreiche sonst nicht greifbare Titel aus den östlichen Sprachen mit in die Debatte. Der zweite Teil ist dem Leben und Werk von Johannes Nádasi (1614-1679) gewidmet, der neben Drexel, Vogler und Masen mit seinen rund sechzig moralischen und meditativen Schriften als einer der Großen der mitteleuropäisch-jesuitischen Prosa gilt. Der Biographie mit den Stationen in Ungarn, Rom und Wien folgt eine Typologie der in zahlreiche Nationalsprachen übersetzten Werke, eine Analyse seiner Anlässe, Motivationen, sozialen Zirkulationen, eine Untersuchung seiner Quellen, der Verwendung der Exempel und eine Betrachtung der stilistisch-rhetorischen Merkmale. Im Zentrum des dritten Teils steht die Rezeptionsgeschichte. Der räumlichen und zeitlichen Erschließung der Verbreitung vor allem in Deutschland, Italien, Böhmen, Polen und Ungarn folgt die Analyse der Übersetzungen mit Schwerpunkt im deutschen Sprachgebiet. Ein Kapitel ist dem Anteil der Titelkupfer und Illustrationen an der Verbreitung gewidmet. Umfangreiche Register helfen bei der Erschließung des Lesepublikums.
Der Band versammelt die Beiträge der internationalen und interdisziplinären Tagung »Zu Begriff und Problem der Philologie (ca. 1580 - ca. 1730)« vom Juli 1998. Sie geben einen Einblick in die ideen-, sozial- und begriffsgeschichtlich konnotierte Wandlungsfähigkeit des Konzepts in der Frühen Neuzeit und bestimmen den denkgeschichtlichen "Ort", den philologische Praxis in einigen konkreten Lebens- und Werkzusammenhängen zwischen Textkritik, Komparatistik und Polymathie in dem genannten Zeitraum eingenommen hat.
Wie entwerfen frühneuhochdeutsche Prosaromane Ehe, Liebe und Freundschaft? Wie verändern sich diese Entwürfe zwischen 1474 und 1556? Und wie lassen sich diese Veränderungen erklären? Solche Fragen geht die Untersuchung über eine systemtheoretische Rekonstruktion des Problemhorizonts und eine diskursanalytische Aufbereitung der Lösungsstrategien an. Die Gesellschaft Oberdeutschlands beginnt sich um 1500 von stratifikatorischer auf funktionale Differenzierung umzustellen, was in literarischen Texten wie dem ›Fortunatus‹ und im realhistorischen Geschehen fassbar ist. Das schwächt ältere soziale Bindungen (Geschlecht, Verwandtschaft, Gemeinde, Genossenschaft), und erzeugt Bedarf an neuen Formen der Vergesellschaftung, dem sowohl Traktate als auch Romane Rechnung zu tragen suchen. Ältere Romane entwerfen Ehe als Bündnis zweier Dynastien, während diejenigen Georg Wickrams sich an den moralphilosophischen Ehediskurs anlehnen, der die gestiegene Komplexität der Gesellschaft durch ein hierarchisches Ordnungsmodell wieder einzufangen sucht. Dagegen verleiht die Liebe – sie tendiert zur Passion – dem Einzelnen Halt, indem sie ihn in totalem Sinn an das geliebte Du verweist. Ein Seitenspross zur passionierten Liebe ist Freundschaft, die an die Stelle der Waffenhilfe unter Kriegern die empfindsame Kommunikation setzt. Die Arbeit leistet gleichzeitig einen Beitrag zur historischen Semantik und zur Literaturgeschichte der Frühen Neuzeit.
In einem auf drei Bände angelegten Dokumentationswerk werden Entstehung und Ausbreitung des Paracelsismus in den kontroversen Verflechtungen der Wissenschafts-, Literatur- und Sozialgeschichte des späten 16. Jahrhunderts verankert. Die kritische Edition aufschlußreicher, oft in unbekanntes Terrain führender Texte ist begleitet von umfangreichen Kommentaren sowie von biographischen Darstellungen der Urheber, Adressaten, Gegner bzw. Sympathisanten der paracelsistischen Reform und Protestbewegung. Der erste Band des vorliegenden Werkes präsentiert im wesentlichen Briefe und Widmungsschreiben maßgeblicher Propagatoren des frühen Paracelsismus (um 1560). Damit gelingt zum ersten Mal eine ebenso doxographische wie wissenschafts- und sozialgeschichtliche Erschließung der Konstitutionsphase einer bis ins 18. Jahrhundert äußerst einflußreichen, ebenso naturkundlich wie religiös inspirierten Reformbewegung. Die Texte werden philologisch-kritisch in ihrem Überlieferungszusammenhang dokumentiert, ggf. mit einer Übersetzung aus dem Lateinischen dargeboten, außerdem mit ausführlichen Erläuterungen versehen, die bisher dunkle Zonen der deutschen, ja auch der europäischen Kulturgeschichte erhellen. Diese Erläuterungen umfassen einen Zeilenkommentar sowie jeweils ausführliche, auch bibliographisch ergiebige Biogramme der Autoren und der angesprochenen Adressaten des In- und Auslandes (darunter z.B. Cosimo von Medici), soweit wie möglich auch der sonst erwähnten historischen Personen. In das Kommentarwerk sind die Ergebnisse weitläufiger Recherchen eingearbeitet, welche am Leitfaden der kontroversen Paracelsus-Rezeption den wissenschaftlichen Pluralismus des späten 16. Jahrhunderts sichtbar machen und in sozialen Konfigurationen verankern. Im Mittelpunkt stehen erste Spuren der Paracelsus-Rezeption (u.a. bei G.J. Rheticus), dann vor allem das umfangreiche zweisprachige Corpus (1560 ff.) des Basler Arztes Adam von Bodenstein. Ihm folgen ausgewählte Zeugnisse der Ärzte, Naturphilosophen und paracelsistisch orientierten Publizisten Alexander von Suchten, Valentius de Retiis, Valentius Antrapassus, Christophorus Pithopoeius, auch des Nürnberger Stadtarztes Heinrich Wolff, dies alles ergänzt durch anonyme Schriften. Der Band wird eingeleitet von einer ausführlichen Darstellung des frühen Paracelsismus und seiner späteren Ausstrahlung, enthaltend auch die bibliographische Dokumentation des europäischen Forschungsstandes. Dazu kommen Zusammenfassungen zu jedem Autorencorpus sowie mehrere Register.
Auf der Grundlage der bislang breitesten und erstmals systematischen Quellendokumentation (rund 85 Texte, 260 Hss.) werden Untersuchungen zur Überlieferung der mnemotechnischen Traktate, ihren Gebrauchsräumen und zu den Konzeptualisierungen der Gedächtniskunst im Spätmittelalter unternommen. Seit ihrer Ursprungszeit im 5. Jahrhundert v. Chr. und ihrer in hellenistischer Zeit nachweisbaren intensiven Rezeption gewinnt die Ars memorativa jetzt, zum dritten Mal, formale und sachliche Eigenständigkeit, d.h., sie verläßt ihren angestammten Ort als mehr oder weniger obligatorischer, untergeordneter Bestandteil der Rhetorik, bringt wieder eine nennenswerte Anzahl an Texten hervor und zeichnet sich gegenüber den klassischen Rhetoriken, die bis heute gemeinhin als ihre wesentlichen Konstituenten gelten, durch ein modifiziertes theoretisches Selbstverständnis und ein substantiell erweitertes und elaboriertes praktisches Instrumentarium aus.
Die vorliegende Arbeit sucht unter Hinzuziehung der parallel verlaufenden wissenschaftssystematischen und wissenschaftstheoretischen Debatten das Interesse zu qualifizieren, das zu Beginn des 15. Jahrhunderts die intensive Beschäftigung mit dieser Disziplin auslöste und in der Folge zu ihrer Umrüstung für die Zwecke verschiedener Gebrauchsräume führte. Als integraler Bestandteil der gebrauchsgeschichtlichen Perspektive werden anhand deutscher Übersetzungen, die zusammen mit ihren lateinischen Vorlagen ediert werden, die Frage nach dem Verhältnis von Latein und Volkssprache sowie die Problematik des gebrauchsfunktionalen Paradigmawechsels beim Eintritt eines Texts in ein neues sprachliches Umfeld diskutiert.
Das Problem der politischen Legitimität wurde in der Philosophie des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts überwiegend als Frage nach der gültigen und allgemeinverbindlichen Begründung von Normen verhandelt. Grundlegend waren dabei Naturrechtsvorstellungen, die sich in einem komplizierten Prozeß und daher erst relativ spät von der dominierenden Begründungskompetenz der Theologie emanzipieren konnten. Die Studie will sich diesem Prozeß annähern, indem sie einen dreistufigen Diskussionszusammenhang rekonstruiert, der für das ausgehende 17. Jahrhundert charakteristisch ist: Während es zunächst um die kritische Würdigung von dezidiert theologischen Legitimationsmustern (Veit Ludwig von Seckendorff, Valentin Alberti) geht, wird in einem zweiten Schritt deren Überwindung durch eine säkularisierte Rechtstheorie vorgeführt (Hugo Grotius, Samuel Pufendorf). Dabei wird dem für die deutsche Diskussion einflußreichen Niederländer besondere Aufmerksamkeit geschenkt, gilt sein Werk doch seit dem Beginn der Aufklärung als unverzichtbare Etappe in der Enttheologisierung des Naturrechts. Erst mit dem Wirken von Christian Thomasius - ihm ist der letzte Schritt der Untersuchung gewidmet - kommt dieser Prozeß nach dessen eigener Einschätzung zu seinem Ende. Zudem erhält der epochale Wandel in der Rechtsbegründung durch Thomasius' dezidiert aufklärerisches Engagement neue Perspektiven, die er selbst zu einer eigenen Version des >aufgeklärten Absolutismus< ausbaut. Mit Blick auf die Verbindung von Normbegründung und politischer Legitimität geht es bei allen vorgestellten Ansätzen nicht nur um eine detailgenaue Analyse der theoretischen Mittel der Normbegründung, sondern auch um die politischen Folgen und Funktionen, die sich in den Kontexten der jeweiligen Staatstheorien daraus ergeben.
In 28 Aufsätzen deutscher, polnischer, russischer und estnischer Fachwissenschaftler werden neueste Forschungsergebnisse zu verschiedenen Aspekten der ostpreußischen Kulturgeschichte behandelt. Die Aufsätze widmen sich der Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, den historischen Beziehungen des Herzogtums Preußen zu seinen Nachbarn und den konfessionellen Konflikten des 16. und 17. Jahrhunderts, der Universität, den bildenden Künsten und der Musik sowie der Historiographie und Literaturgeschichte. Der Band zeichnet sich außerdem dadurch aus, daß zahlreiche Quellen hier erstmals ediert bzw. bibliographisch erfaßt werden, darunter beispielsweise das Liederbuch Abrahams von Dohna.
Die humanistische und frühbarocke Rezeption des Sophokles im deutschen Sprachraum ist weniger erforscht als diejenige anderer antiker Dichter. Die hier angezeigte Monographie erkundet zunächst die Wege der Aneignung und Kanonisierung der griechischen Tragödie durch die frühen Humanisten, die vornehmlich nach chrestomathischen Kriterien erfolgte. Sodann wird die dichtungstheoretische Würdigung des Sophokleischen Werks in der humanistischen Stillehre und Dramentheorie und in den frühbarocken Poetiken der Jesuiten erörtert, die das Schultheater maßgeblich beeinflußten. Der allmähliche Abbau der Sprachbarriere des Griechischen und die Rezeption der Aristotelischen Poetik trugen entscheidend zur produktiven Anverwandlung der Sophokleischen Dramatik bei. Schließlich wird die Umformung der Sophokleischen Gestalten und Texte in mythologischen Handbüchern und Lexika, in Übersetzungen und in Schultheateraufführungen, etwa an den Gymnasien von Altdorf und von Straßburg, exemplarisch dargestellt. Am Vergleich mehrerer Bearbeitungen desselben Stoffes lassen sich divergierende Deutungsmuster einer von verschiedenen intellektuellen Positionen bestimmten Zeit dokumentieren. Als Höhe- und Wendepunkt dieser Entwicklung verweist Opitzens "Verteutschung" auf die stärker als bisher in der Forschung angenommenen humanistischen Wurzeln und Absichten seines Sophokles-Verständnisses, das zugleich das erste Kunstdrama in deutscher Sprache hervorbrachte.
Der Siegeszug der Osmanen bis vor die Tore Wiens schlug sich in einem weitverzweigten, bis heute kaum überschaubaren Schrifttum nieder, das alle materiellen Mittel der Kommunikation umfaßt und als transnationales Paradigma frühneuzeitlicher Öffentlichkeit angesehen werden muß. Die in diesem Band vereinigten Studien, Ergebnisse eines Kolloquiums, das der Wolfenbütteler Arbeitskreis für Renaissanceforschung zusammen mit der Ungarischen Akademie der Wissenschaften veranstaltete, wenden sich im interdisziplinären Ausgriff und in internationaler Perspektive sowohl den Akteuren der osmanisch-europäischen Konfrontation wie auch den Autoren, Schreibweisen, Problemlagen, Traditionslinien und Rezeptionsmodalitäten der einschlägigen Literatur zu.
Die Studie entfaltet eine Typologie der höfischen Maskeradenformen vom 15. bis 18. Jahrhundert in Deutschland. Sie unterscheidet vier Typen - Mummereien, Ritterspiele, Verkleidungsbankette und Maskenbälle -, die wiederum jeweils spezifische Spielformen aufweisen. Für die Erstellung der Maskeradentypologie wurden unterschiedliche Medien, darunter z.T. erstmals publizierte literarische und bildliche Festdokumentationen, Entwürfe, Archivalien, Tagebücher und Briefe, aber auch Gemälde, erhaltene Kostümierungen und Requisiten ausgewertet. Die Analyse konzentriert sich auf die sozialsymbolische Funktion der Maskeraden und zeigt auf, wie sich je nach dem repräsentativen Anspruch der Hofveranstaltung und dem Status der verschiedenen Teilnehmer aus einem breiten Spektrum von Verkleidungs- und Spielformen flexibel auswählen ließ. Verkleidungsfeste boten den Teilnehmern unterschiedliche Möglichkeiten, das Hofzeremoniell in feinen Abstufungen zu reduzieren oder in neue Kommunikationssituationen zu überführen, ohne es jemals gänzlich aufzuheben. Maskeraden waren 'verkleidetes' Zeremoniell. Neben die Funktionsbestimmung der Maskeraden tritt die detaillierte Vorstellung der Ausstattungspraxis höfischer Verkleidungsfeste vom Entwurf über die Realisierung bis zur Aufbewahrung der verwendeten Kostümierungen. Am Beispiel des Dresdner Ausstattungsfundus, der im Stallgebäude verwahrt wurde, wird die ökonomisch bewußte Wiederverwendung von Textilien, Attrappen und Requisiten vorgestellt und das Forschungsklischee vom Fest als 'Kunst der Verschwendung' relativiert.
Die Geschichte des modernen politischen Denkens ist zum großen Teil die Geschichte des Naturrechts, das dem neuzeitlichen Staat seine erste rationale Begründung lieferte. Dennoch ist das Naturrecht viel älter und geht auf die Antike zurück. Wie sah es im 16. Jahrhundert aus, bevor es zur offiziellen Staatstheorie wurde?
Die Vorstellung zweier feindlicher konfessioneller Lager - protestantisches Naturrecht von Melanchthon versus katholisches Naturrecht der Schule von Salamanca - verkennt den topologischen Charakter des frühneuzeitlichen Wissens. Eher als nach Konfessionen läßt sich das Naturrecht im 16. Jahrhundert nach Disziplinen rekonstruieren, die durch besondere Fragestellungen und Methoden gekennzeichnet sind.
Alle Varianten dieser Naturrechtslehre teilen ein gemeinsames Gedankengut. Sowohl von Theologen als auch von Philosophen und Juristen wird das ius naturae als eine Reihe von angeborenen Geboten verstanden, die mit dem Dekalog und den Grundregeln der Ethik identisch sind, von Gott in die Herzen der Menschen geschrieben wurden und, obwohl getrübt, auch nach dem Sündenfall wirken. Unterschiede treten erst dann auf, wenn die formalen Eigenschaften dieser Gebote festzulegen sind: Sind sie angeborene Ideen oder sollen sie als ein inhaltsloses Vermögen verstanden werden? Indem sie auf diese Fragen antwortete, konnte die humanistische Jurisprudenz durch eine langwierige Diskussion diesselbe Gliederung entwickeln, die vom modernen Naturrecht im 17. Jahrhundert verwendet wurde. Dennoch blieb das Naturrecht des 16. Jahrhunderts weit entfernt von der >modernen politischen Wissenschaft<, der eine rational-individualistische und säkularisierte Auffassung von Recht und Gerechtigkeit zugrunde liegt.
Die Biographie über den schlesischen Dichter und Breslauer Ratsherrn Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679) stützt sich auf weitgehend unbekanntes Quellenmaterial und trägt durch die Einbeziehung der politischen, wirtschaftlichen, sozialgeschichtlichen und vor allem geistesgeschichtlichen Verhältnisse in Schlesien im allgemeinen und in Breslau im besonderen dem merklich zugenommenen Interesse an einer Kulturgeschichte der Stadt Rechnung. Eingeordnet in die Traditionslinien der europäischen Renaissance- und Barocklyrik wird das Charakteristische der Dichtung Hoffmannswaldaus herausgearbeitet und werden Beziehungen zu den Zeitgenossen aufgezeigt. Wissenschaftlich ertragreich war insbesondere die Auswertung Breslauer Ratsakten, die neue Erkenntnisse über die politische Tätigkeit des Dichters und seine soziale Lage brachte und sein Leben und Werk im Spannungsfeld von Politik und Literatur darzustellen erlaubt. Hoffmannswaldau, der mehr als dreißig Jahre als Ratsherr die Breslauer Schulen beaufsichtigte und schließlich als Ratspraeses auch dem städtischen Kirchenwesen vorstand, hatte seine Übersetzungen und Gedichte fast ausnahmslos nur handschriftlich im Kreise seiner Freunde kursieren lassen. Durch Raubdrucke zu deren Veröffentlichung gezwungen, ließ er eine autorisierte Ausgabe ausgehen, in welcher er aus Rücksicht auf seine politische Stellung seine Liebesgedichte vom Druck ausschloß und andere Werke einer hier ausführlich dokumentierten Umbearbeitung unterzog.
Man kann die Bedeutung der antiken Mythologie für die Dichtung, das Theater, die Musik, die bildenden Künste, die Emblematik, die Feste in der Zeit der Renaissance kaum überschätzen. Das vom Wolfenbütteler Arbeitskreis für die Renaissanceforschung veranstaltete Kolloquium über »Renaissancekultur und antike Mythologie« (Herzog August Bibliothek, 7. bis 10. Oktober 1996, Leitung B. Guthmüller), dessen Ergebnisse der vorliegende Band sammelt, setzte sich einerseits zum Ziel, eine Reihe von neuen und weniger bekannten Aspekten des Mythos in der Renaissancekultur genauer zu beleuchten, andererseits in umstrittenen Fragen neuen Deutungen und Bewertungen Raum zu geben.
Die Arbeit stellt das Entstehen von Geschichtsbildern dar, deren Funktion für die Entwicklung eines spezifischen historischen Selbstverständnisses untersucht wird. Besonders interessiert die Bewertung der Zeit, die heute als 'Mittelalter' bezeichnet wird. Gegenstand der Untersuchung ist die stadtgeschichtliche Überlieferung Regensburgs in der frühen Neuzeit. Die Benennung und Zuordnung der zahlreichen ungedruckten Manuskripte ergab, daß im wesentlichen zwei um 1600 entstandene chronikalische Werke bis etwa zum Jahr 1790 immer wieder kopiert, verändert und erweitert wurden. Sie repräsentieren die konkurrierende protestantisch-reichsstädtische bzw. katholisch-bayerische Sichtweise auf die Stadtgeschichte. Die Jahrhunderte zwischen dem Ende der römischen Herrschaft und der Reformation bilden den Schwerpunkt in der jeweiligen Darstellung der Chronisten, mit deutlicher Hervorhebung der Zeit des Hochmittelalters. Auch in Regensburg war das 'Mittelalter' also keine 'Entdeckung' des 19. Jahrhunderts. Die Überlieferungsgeschichte der Texte zeigt, daß beide historischen Traditionen gerade auch durch die Beschreibung der Architektur und des Denkmalsinventars der Stadt um 1600 die Realitätswahrnehmung ihrer Träger und Rezipienten über fast zwei Jahrhunderte hinweg prägten.
Die interdisziplinär angelegte Untersuchung befaßt sich mit John Barclays (1582-1621) neulateinischem Staatsroman "Argenis" (1621), einem tagespolitischen Schlüsselroman auf dem Hintergrund der französischen Religionskriege. Die "Argenis" ist ein parteipolitisches Pamphlet gegen die Monarchomachen, speziell gegen die militanten Hugenotten; zugleich wird untersucht, inwiefern dieser höchst komplexe Roman aber auch Entwurf und Utopie des idealen Staates, Fürstenspiegel für Ludwig XIII. sowie Manifest und Proklamation der absolutistischen Staatslehre ist. Grundlage der Interpretation, die den Roman im Kontext des politischen Denkens und der 'politischen' Schriften seines Autors untersucht, ist die Beschäftigung mit denjenigen staatstheoretischen Werken aus Mittelalter und Früher Neuzeit, die Barclays Denken prägten (u.a. die Schriften seines Vaters William, Jean Bodins und Jakobs I. von England). Als unabdingbar erwies sich dabei auch eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Staatsrechtfertigung, also der Frage nach dem Grund und der Grenze des dem Staat geschuldeten Gehorsams, vor dem Hintergrund der konfessionellen Bürgerkriege und der Suprematieansprüche des Papsttums über die weltlichen Fürsten. Hier wurden erstmals auch die im vatikanischen Geheimarchiv und in der Vatikanbibliothek aufbewahrten Quellen zu Barclay herangezogen.
Im Vergleich zu anderen 'humanistischen Landschaften' Deutschlands blieb der Humanismus im Gebiet des historischen Mittelrheins in manchen Feldern der Forschung lange vernachlässigt. Im besonderen trifft dies auf den monastischen Bereich zu, dessen verstärkte Beachtung in seiner Gesamtheit nicht zuletzt P.O. Kristeller mit Nachdruck für die Humanismusforschung gefordert hat. Durch die Wiederauffindung der verlorengeglaubten, hier erstmals vorgestellten Chronik des Mainzer Benediktinerhumanisten Hermannus Piscator ist es jetzt möglich geworden, das Phänomen des Humanismus (mittel-)rheinischer Benediktinerklöster auf neugewonnener Überlieferungsbasis eingehend zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Studie steht die Frage nach Entstehungssituation, Überlieferung, Strukturen und Quellen des über 500 Seiten umfassenden Geschichtswerkes, in dem Piscator über sein eigentliches Thema einer Geschichte von Stadt und Bistum Mainz weit ausgreift und im besonderen auch nach der Vergangenheit Deutschlands in Altertum und Mittelalter fragt. Ein Schwerpunkt der Monographie liegt auf der Untersuchung von Quellenverwendung und Arbeitsweise des Humanisten, die Licht auch auf jenen Kreis gleichgesinnter Dichter und Historiographen in den umliegenden Benediktinerklöstern wirft, in dem Piscator sich bewegte. Zugleich zeigt sich - dies das wohl überraschendste Ergebnis -, daß Hermannus Piscator der erste nachzuweisende Geschichtsschreiber ist, der ein Geschichtswerk in fortlaufend gezählte Jahrhunderte eingeteilt hat, was die Forschung bislang den späteren, berühmten Magdeburger Zenturiatoren zugeschrieben hat, durch die dieses Einteilungsschema in der neuzeitlichen Geschichtsschreibung verbreitet wurde.
Johannes Bocer (1526-1565), seinem Geburtsort (Hausberge bei Minden) nach dem westfälischen Humanismus, seinen Hauptwirkungsstätten nach aber eher dem Humanismus des Ostseeraums (speziell Mecklenburgs) zuzurechnen, war zu seiner Zeit einer der produktivsten und geschätztesten deutschen Dichter in lateinischer Sprache. Mit der Edition seiner in den Jahren 1562-1564 entstandenen neun Eklogen wird die 1996 mit der Veröffentlichung der "Bucolia" von Simon Lemnius in der Reihe "Frühe Neuzeit" begonnene Dokumentation neulateinischer deutscher Eklogen-Dichtung fortgesetzt. Die Texte Bocers vermitteln einen guten Eindruck von der thematischen und formalen Vielfalt dieser schwer faßbaren, bis ins 17. Jahrhundert hinein sehr beliebten und besonders im Rahmen der Gelegenheitsdichtung viel genutzten literarischen Spezies. Neben einer deutschen Übersetzung ist auch dieser Edition ein Kommentar beigegeben, in dem, abgesehen von der notwendigen Erläuterung von regional- und zeitgeschichtlichen Zusammenhängen und sonstigen Realien, hauptsächlich Anklänge an die klassische bukolische Tradition bzw. an zeitgenössische Muster nachgewiesen werden. Da zu Bocer wie zu vielen anderen prominenten deutschen Dichtern des 16. Jahrhunderts kaum Forschungsliteratur vorhanden ist, schien es dem Herausgeber sinnvoll, dem Editionsteil eine möglichst stoffreiche, aus den Quellen erarbeitete Einführung in Vita und Gesamtwerk Bocers beizugeben und sowohl hiermit wie mit der erstmaligen Zusammenstellung eines auf Vollständigkeit angelegten Werkverzeichnisses (mit Standortnachweisen) weitere Forschungen zu diesem nicht nur als Bukoliker interessanten und lesenswerten Autor zu erleichtern.
Die historische Aufklärung hat eine Reihe ihrer wichtigsten Leitgedanken im Feld der Praktischen Philosophie entwickelt. Aus der Orientierung an der Praxis erwuchsen Veränderungen, die das überkommene System der Wissenschaften und das Gefüge der gesellschaftlichen Institutionen ebenso betrafen wie die Formen der Kommunikation und nicht zuletzt die Regeln der individuellen Lebensführung. Der vorliegende Band versucht im Ausgang von Einzelanalysen und aus der Eigenperspektive der Epoche wichtige Grundzüge des denkgeschichtlichen und kulturellen Wandels zu beschreiben, um der Frage nach den Wirkungen der aufklärerischen Praxislehren eine historische Grundlage zu geben.
Johann Georg Wille (1715-1808), ein deutscher Kupferstecher aus Hessen, der sich 1736 in Paris niederließ, dort Mitglied der königlichen Kunstakademie wurde und seine eigene Zeichenschule gründete, wurde bald zur zentralen Figur eines weitverzweigten Korrespondentennetzes, das sich von Paris aus über ganz Europa erstreckte. Künstler, die anschließend in den Kunstakademien von Dresden und Wien als Lehrer unterrichteten, wurden in seiner Pariser Werkstatt ausgebildet. Sein Haus galt als wichtige Anlaufstelle vieler deutscher Parisreisender. Werke Johann Joachim Winckelmanns und Salomon Geßners wurden durch seine Vermittlung in Frankreich eingeführt und übersetzt, Gemälde von Anton Raphael Mengs und Christian Wilhelm Ernst Dietrich mit seiner Unterstützung ausgestellt und verkauft. In diesem Sinne spielte der seinerzeit als "Voltaire de l'art" bezeichnete Künstler eine grundlegende Rolle als Vermittler deutscher Kultur in Frankreich. Sein Briefwechsel enthält die präzise Chronik seiner umfangreichen Beziehungen zu Deutschland, Italien, der Schweiz, Dänemark, England usw. Er wirft ein bezeichnendes Licht auf die Soziabilität der Aufklärung und stellt ein wichtiges Dokument zu den europäischen Kunst- und Kulturtransfers in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar, das nicht nur die Bedingungen des Kunstmarktes, sondern auch die Literatur- und Buchgeschichte erhellt.
Der Band präsentiert die 21 wichtigsten Enzyklopädie- und Lexikonartikel des 16. bis 19. Jahrhunderts zum Themenfeld "Gedächtnis, Gedächtnislehre, Gedächtniskunst" mit Kommentaren, Übersetzungen (aus dem Lateinischen, Italienischen und Spanischen), ausführlicher Bibliographie und einem Nachwort, das das Verhältnis von frühneuzeitlicher Mnemonik und Enzyklopädik erörtert. Vertreten sind die Autoren und Editoren Gregor Reisch (1503), Raffaele Maffei (1526), William Caxton (1527), Paulus Scalichius (1559), Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1589), Thomaso Garzoni (1589), Petrus Gregorius (1610), Rudolph Goclenius (1613), Christóbal Suárez de Figueroa (1615), Robert Fludd (1619), Francis Bacon (1662), Johann Heinrich Alsted (1630), Sebastian Izquierdo (1659), Antoine Furetière (1690), Gerg Pasch (1700), Daniel Georg Morhof (1708), Johann Georg Walch (1726), Johann Heinrich Zedler (1735), Denis Diderot/Jean le Rond d'Alembert (1751), Johann Georg Krünitz (1779) und Johann Samuel Ersch/Johann Gottfried Gruber (1852).
Die Sammlung gibt umfassend Auskunft über das im frühneuzeitlichen Europa gängige Wissen und Meinen zum Problem der künstlichen Optimierung des Gedächtnisses mittels verschiedener Mnemotechniken von der Rhetorik bis hin zu Kombinatorik und ars inveniendi. Eröffnet wird hiermit zugleich eine mehrbändige Reihe »Documenta Mnemonica« (ca. 6 Bände), die die wichtigsten einschlägigen Zeugnisse seit der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit in mehrsprachigen, kommentierten Quelleneditionen, Quellenverzeichnissen und Forschungsbibliographien dem internationalen Wissenschaftsdiskurs bequem und verläßlich zugänglich macht.
Der Band enthält die Beiträge einer interdisziplinären Tagung, die anläßlich des 200. Todestages von Johann Peter Uz in Ansbach stattfand. Das Interesse galt sowohl den relevanten philosophischen und theologischen Grundlagen der anakreontischen und philosophischen Dichtung Uzens als auch den in ihr wirksam gewordenen literarischen Traditionen so gut wie den ereignis- und sozialgeschichtlichen Kontexten. An einem repräsentativen Beispiel der Dichtungsgeschichte des 18. Jahrhunderts konnte so die Konstanz der Aufklärung hallescher Prägung "in der Provinz" über die Jahrhundertmitte hinaus sichtbar gemacht werden. Ein Anhang u.a. mit einem bisher unveröffentlichten Brief Alexander Gottlieb Baumgartens, Quellentexten zur Reaktion auf das Erdbeben von Lissabon im deutschsprachigen Raum und einer Werkbibliographie rundet den Band ab.
Im 17. Jahrhundert wird der Begriff der conservatio sui (Selbsterhaltung) durch Hobbes und Spinoza zu einem der philosophischen Leitkonzepte der Neuzeit. Doch wie ist es zu dieser Konjunktur gekommen? Das Buch verfolgt die Entwicklung des Begriffs innerhalb der Naturphilosophie der Renaissance, insbesondere bei Bernardino Telesio (1509-1588). Gegen die Interpretationen von Dilthey und Blumenberg und die Schlagworte von 'Stoa-Rezeption', 'Renaissance-Pantheismus' und '-Animismus' wird die Herkunft von Telesios Denken aus der Transformation des Aristotelismus seit dem 15. Jahrhundert vorgeführt. Ausführlich die Kontexte von Medizin, Optik, Astronomie und Theologie berücksichtigend, schlägt die Studie einen Bogen von den 'Oxford Calculatores' und ihrer Rezeption in Italien bis zu den naturphilosophischen Metaphysikern von Patrizi, Bruno und Campanella. Begriffe wie Spiritus, Antiperistasis, Species oder Calidum innatum (Lebenswärme) stellen sich als Impulsgeber für die philosophische Theoriearbeit dar. Und es wird deutlich: neuzeitliche Selbsterhaltung entsteht als 'defensive Modernisierung', nämlich als Naturalisierung spiritualistischer Entwürfe im Norditalien des frühen 16. Jahrhunderts.
Die vorgelegten Beiträge beruhen auf einem 1990 in Osnabrück mit Unterstützung der DFG abgehaltenen internationalen Kongreß. Er war geprägt durch die zumeist erstmalige Teilnahme zahlreicher Wissenschaftler aus Lettland und Estland, Litauen und der Ukraine, Polens und Rußlands. Erstmals wurde es derart möglich, der auf den Westen und die Mitte Europas konzentrierten Forschung den Beitrag aus dem alten deutschen Sprachraum des Ostens zur Seite zu stellen. Konzentriert auf die Zeitspanne zwischen 1560 und 1730/40 gibt der Band für die mittlere Phase frühneuzeitlicher kommunaler Literatur und Kultur erstmals einen materialintensiven Führer an die Hand, der der ausstehenden Geschichte der deutschen Literatur nach Städten und Regionen vorarbeiten soll.
Eine Alltagsweisheit: Der Reisende in der Fremde führt das Gepäck des Eigenen mit sich, und der Lesende liest vor dem Horizont seiner eigenen Interessen und Erwartungen. Die vorliegende Studie nimmt ihren Ausgang von einer theoretischen Vertiefung dieser Gedanken. Die Frage, wie Spanien im 18. Jahrhundert im deutschen Sprachraum wahrgenommen wurde, wird erweitert durch die Frage nach den kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Bedingungen und Interessen im Umgang mit der Fremde. In Reiseberichten - als Artikulationsort einer primären Erfahrung des fremden Reiselandes - und Romanzen - als exemplarischer Form einer literarischen Aneignung spanischer Kultur - wird das je spezifische Verhältnis von Eigenem und Fremdem, die wechselnde Abgrenzung, Definition und Bewertung des Fremden analysiert.
Der erste Hauptteil der Arbeit bietet eine Dokumentation der deutschsprachigen Berichte von Spanienreisen, die in die Entwicklung der Reiseliteratur der Aufklärungszeit eingeordnet und hinsichtlich gattungsspezifischer und individueller Wahrnehmungsweisen untersucht werden (u.a. C.C. Plüer, J. Hager, Chr.A. Fischer, H.F. Link und W. von Humboldt). Im Überblick zur Präsenz spanischer Literatur in Deutschland skizziert der Verfasser den Horizont der Rezeption spanischer Kultur in Deutschland und zeigt Perspektiven für die weitere Erforschung der deutsch-spanischen Kulturbeziehungen auf. Der zweite Hauptteil greift einen Teilbereich der Adaption spanischer Literatur auf. Im historischen Überblick wie in Detailanalysen (u.a. J.W.L. Gleim, D. Schiebeler, J.G. von Herder) wird die Funktion der Rezeption spanischer Romanzen in der Frühgeschichte der Kunstballade untersucht.
Christian Thomasius gehört zu jenen Autoren der Frühen Neuzeit, an die sich die Wissenschaft nicht nur bei Gelegenheit von Gedenktagen erinnert. Der hier dokumentierte Stand der Forschung zeigt, daß sich mit den historischen Erkenntnissen nicht nur das Themenspektrum erweitert hat, sondern auch die Probleme gewachsen sind. Die Vermehrung unseres Wissens hat dazu beigetragen, das Bild des Frühaufklärers schärfer zu profilieren und stereotype Einzelzüge aufzulösen, womit Raum für die Kombination neuer Fragen und Erklärungen geschaffen wurde.
Der vorliegende Band vereinigt die Beiträge eines interdisziplinären Kolloquiums, das im Juni 1995 in Magdeburg stattgefunden hat.
Am Schicksal der Figur des Diogenes von Sinope, des berühmten kynischen Philosophen der Antike, ist in hervorragender Weise die spätantike, mittelalterliche und frühneuzeitliche Rhetorik des Exemplums darzustellen, sind doch sämtliche Anekdoten, die über das Leben des Kynikers berichten, moralisierende Exempelerzählungen. Es läßt sich so anhand verschiedener Kontexte, in denen die Exempla verwendet werden (Predigten, Lehrbücher, Fabeln, Geschichtsbücher), eine Logik des Exemplums rekonstruieren, die uns zugleich eine longue durée moralphilosophischer Rhetorik vor Augen treten läßt. Dabei zeigt sich einerseits eine erstaunliche Kontinuität, die bis ins späte 20. Jahrhundert reicht, und zugleich eine Vielfalt an Erzählvarianten und Deutungsmöglichkeiten, anhand derer sich Traditionen der Allegorese, aber etwa auch der Übergang vom pragmatisch-exemplarischen zum novellistisch-unterhaltenden Erzählen neu verstehen lassen.
Die vorliegende Studie sichtet und analysiert erstmals die breite und fast unüberschaubare Masse an Quellen des 4. bis 17. Jahrhunderts, die Diogenesanekdoten und -exempel überliefern. Ein großer Teil dieser Quellen wird in der Arbeit ediert, ebenso eine von Diogenes handelnde, von Erasmus abhängige Historia des 16. Jahrhunderts. Die Texte dokumentieren die Faszination des Kynikers vor allem als moralphilosophische Exempelgestalt des Mittelalters und als Kulturkritiker der Frühen Neuzeit. Sie machen zugleich das intertextuelle Feld faßbar, in dem der Kyniker als kultureller Typus Gestalt annimmt und in dem er in Beziehung steht zu ähnlichen Figuren (Narr, Heiliger).
Der Erzählstoff von Renaud de Montauban bzw. der Haymonskinder hat sich von Frankreich aus in vielen europäischen Literaturen seit dem hohen Mittelalter verbreitet. 1535 erschien in Simmern der Druck "Die Haymonskinder", die älteste gedruckte hochdeutsche Fassung. Ihr ungenannter Autor ist Johann II. von Simmern. Die Edition macht zum ersten Mal diesen Text wieder zugänglich. Wort- und Sacherklärungen sowie eine Bibliographie ergänzen die Ausgabe. Das Nachwort stellt Entstehung, Verbreitung, Überlieferung und Rezeption des Erzählstoffes in Europa dar und geht auf die Reinhold-Legende als einer daraus entstandenen Erzähl- und Überlieferungstradition ein.
Die Studie beschäftigt sich mit der höfischen Gelegenheitslyrik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts am Beispiel des Dresdner Hofes August des Starken. Erstmals wird der Gelegenheitslyrik an den regierenden Adel eine systematische Untersuchung gewidmet, die die sozialen, politischen und literarischen Zusammenhänge dieser Gattung erhellt.
Die Untersuchung basiert auf weitgehend unerschlossenen Quellen. Sie arbeitet mit fast 250 Gedichten den gesamten Textkorpus der an Friedrich August I. adressierten Casualgedichte auf. Auf Grund dieser regional, institutionell und zeitlich umgrenzten Fragestellung eröffnen paradigmatische Funktionsanalysen konkrete Einblicke in die Wirkungsabsichten und Funktionsmechanismen panegyrischer Casuallyrik an deutschen Territorialhöfen um 1700.
Die Casualdichtung erweist sich als ein Teilbereich der multimedialen Selbstdarstellung und Prachtentfaltung der höfischen Kultur, und sie ist als solcher der Repräsentation des Regenten als ein idealer Herrscher verpflichtet. Indem die Gedichte diese soziale Rolle zeichnen und auf den konkreten Adressaten projizieren, wird der Fürstenspiegelcharakter panegyrischer Casuallyrik deutlich. Die Interpretationen repräsentativer Einzeltexte zeigen, daß theologische, politische und ästhetische Diskussionen der Zeit in panegyrische Casuallyrik Eingang finden. Erweisen sich die Gedichte aus dem Umkreis des Dresdner Hofes als eng an das tradierte Ideal des 'barocken Kriegsheros' gebunden, so rücken in Gottscheds Schaffen Zentralbegriffe der Wolffschen Sozial- und Staatstheorie in den Mittelpunkt der Regentenerziehung. Entgegen der verbreiteten Forschungsansicht wird die Panegyrik Gottscheds und der 'Deutschen Gesellschaft in Leipzig' als konsequente Weiterführung des sozialreformerischen Programms der Frühaufklärung erkennbar.
Erasmus Alberus begann noch vor Luther und Waldis, Fabeln zu publizieren. Er stellte diese wiederholt in den Dienst seiner streitbaren konfessionellen Publizistik und erprobte erzählerisch neue Möglichkeiten jenseits der Gattungskonvention. Die hier erstmals unternommene Kommentierung macht deutlich, welche lateinischen Traditionen Alberus' Fabeln voraussetzen, und klärt im Detail seine Anspielungen auf die Zeitumstände. Der hier erstmals edierte Text der schmaleren Erstausgabe von 1534 war - nur in einem einzigen Exemplar überliefert - der Forschung bisher kaum zugänglich.
Welche Aufgaben kann die Literaturwissenschaft im interdisziplinären oder kulturwissenschaftlichen Bereich erfüllen, wenn die Zugehörigkeit der untersuchten Texte zur Literatur durch keinen Kanon garantiert ist? In einer umfangreichen Einführung wird die Funktion der Topik auf diese Fragestellung hin bestimmt. Die Wahl der Topik hat zwei Gründe: erstens nimmt eine Reihe von traditionellen literarischen Fragestellungen auf das Phänomen der uneigentlichen Rede Bezug, zweitens schlägt diese durch ihre Zugehörigkeit zum System der Rhetorik eine Brücke zu einem wissenssoziologischen Kulturbegriff. Der Hauptteil von Werte und Worte liefert eine exemplarische Anwendung dieser theoretischen Überlegungen auf den Topos des Geld-Sprach-Vergleichs. Im Anschluß an die Darstellung des ökonomischen Denkens bei Leibniz, Hamann und Müller werden aus den wissenschaftshistorischen Implikationen der Theorien zu monetärem und sprachlichem Wert eine Reihe von Denkfiguren rekonstruiert, welche die Verbindung zwischen Nationalökonomie und Sprachtheorie kennzeichnen. Schließlich wird in einem zusätzlichen Abstraktionsschritt versucht, den Zusammenhang zwischen der Etablierung einer Ideologie des Ästhetischen und derjenigen wirtschaftsliberaler Theoreme aufzuzeigen.
Die moderne Alltagskommunikation wird von einem komplexen Verhaltenskodex bestimmt: Kulturelle Standards wie das Verbot von Lüge, die Ablehnung von Verleumdung und Prahlerei, eine positive Haltung gegenüber guten Ratschlägen und die Wertschätzung des Schweigens in gewissen Situationen lenken die alltägliche Redepraxis. Diese und viele andere im heutigen Zusammenleben selbstverständlichen Normen und Werte für das Sprechen wurden von den theologischen Fachschriftstellern des Mittelalters theoretisch erarbeitet und seit dem 15. Jahrhundert über die verschiedenen zeitgenössischen Medien (Predigt, Lied, Flugblatt, Buch etc.) und nahezu alle literarischen Gattungen (Gedicht, Erzählung, Erbauungsbuch, Reisebericht, Enzyklopädie etc.) in die breite Bevölkerung getragen.
Die vorliegende Studie sichtet erstmals die fast unübersehbare Masse an literarischen Quellen zur "Bezähmung der Zunge" vom späten 15. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Texte werden aus der Perspektive der Zivilisationstheorie in ihrer Partizipation an der umfassenden Christianisierung Europas während der frühen Neuzeit analysiert und auf ihre spezifischen Strategien zur Vermittlung von Normen für das Sprechen hin untersucht. Nicht zuletzt wird einer der bekanntesten Texte der Barockliteratur, Andreas Gryphius' erster "Reyen der Höflinge" aus dem Trauerspiel "Leo Armenius", unter Rückgriff auf Ansätze der Intertextualitätstheorie auf breiter Quellengrundlage neu interpretiert.
Zu den am wenigsten erforschten Bereichen des deutschen Humanismus gehört die auf Vergils Eklogen zurückgehende neulateinische Hirtendichtung. Einer der prominentesten deutschen Vertreter dieser Gattung ist - neben Eobanus Hessus, Euricius Cordus, Joachim Camerarius, Petrus Lotichius Secundus, Johannes Bocer u.a. - der bisher vor allem durch seine poetischen Invektiven gegen Luther bekannte Simon Lemnius (1511-1550) mit seinen "Bucolicorum aeglogae" (ca. 1550). Die vorliegende Edition ist ein erster Schritt zur Erschließung und Dokumentation des Beitrags der deutschen Literaturgeschichte zu dieser in der Frühen Neuzeit europaweit bis ins Barockzeitalter hinein äußerst beliebten und auch in der Gelegenheitsdichtung in vielerlei Spielarten und zu vielerlei Zwecken (z.B. Fürstenlob und Totenklage) extensiv kultivierten Gattung. Da eine Gesamtdarstellung der frühneuzeitlichen deutschen Pastoraldichtung nicht existiert, wurde der Einleitung nebst einer knappen Einführung in die Forschungsliteratur auch ein Überblick über die neulateinische deutsche Eklogendichtung von den Anfängen bei Heinrich Bebel (1472-1518) bis ungefähr zum letzten Viertel des 16. Jahrhunderts beigegeben. Die Darstellung, in der alle dem Herausgeber bekannten deutschen Eklogen-Verfasser aus diesem Zeitraum vertreten sind, gibt im Rahmen der Chronologie knappe Inhaltsangaben und Charakteristiken der erfaßten Werke, verbunden mit bio-bibliographischen Hinweisen zu den einzelnen Autoren.
Sammlungen von Exempeln, Fabeln, Sprichwörtern und Schwänken bestimmen zu einem wesentlichen Teil den volkssprachlichen Buchmarkt des 16. Jahrhunderts und spiegeln das Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach Bildung, Erbauung und Unterhaltung wider. In der Regel sind diesen Sammelwerken Vorreden vorangestellt, die in der Tradition der mittelalterlichen Prologe den ersten Kontakt zum Leser aufnehmen und ihn darüber informieren wollen, wer was warum und für wen geschrieben habe. Die vorliegende Arbeit stellt eine repräsentative Auswahl von Vorreden zusammen und dokumentiert, bezogen auf die einzelnen Gattungen, ihre Inhalte und Themen, wobei es der breit angelegte Vergleich ermöglichen soll, jede Vorrede im Kontext anderer Vorreden zu sehen und das Konventionelle und Topische vom Individuellen und Besonderen zu unterscheiden. Deutlich wird daran, daß die Vorreden nicht nur zum Verständnis des einzelnen Werkes, in das sie einführen, beitragen, sondern darüber hinaus Antwort geben auf grundlegende Fragen nach dem zeitgenössischen Verständnis von Aufgabe und Funktion der Literatur, nach dem Verhältnis von delectatio und utilitas oder nach der Bedeutung des Sammelns und Tradierens überlieferter Stoffe. Die Literaturtheorie der Frühen Neuzeit findet ihren Niederschlag nicht zuletzt in den Vorreden zu Kompilationswerken wie Luthers Fabelsammlung, Johannes Agricolas Sammlung von Sprichwörtern, dem "Promptuarium Exemplorum" des Andreas Hondorff oder Hans Wilhelm Kirchhofs "Wendunmuth". Zugleich lassen diese Texte, die immer auch eine werbende und die Arbeit des Herausgebers legitimierende Funktion haben, Rückschlüsse zu auf den Erwartungshorizont des Publikums und die Rezeption der Werke. In die Betrachtung einbezogen wurde die Gattung Schwankroman von Strickers "Pfaffen Amis" bis zu Johann Fischarts "Eulenspiegel Reimensweiß". Ein umfangreicher Textanhang macht einen Teil der schwer zugänglichen Vorreden der Exempel- und Prodigiensammlungen des 16. Jahrhunderts verfügbar.
Die Akademien, Sozietäten und sonstigen gelehrten Vereinigungen waren nicht nur die entscheidenden Agenturen der Akkumulation von Wissen in der Frühen Neuzeit, sondern zugleich vielfältigen kulturpolitischen Aufträgen verpflichtet, die nicht selten in unmittelbare politische Aktionen übergingen, in denen die Handlungsspielräume der vielfach nur locker organisierten Gruppierungen effizient zur Geltung gelangten. Am Modernisierungsprozeß der Frühen Neuzeit sind die Akademien in der Verpflichtung ihrer Mitglieder allein auf sachliche Kompetenz und interkonfessionelle moralische Autorität maßgeblich beteiligt. In symbolischen Interaktionsformen werden quasidemokratische Modelle durchgespielt, die ihre direkte programmatische und politische Einlösung in den bürgerlichen Revolutionen zu Ende des 18. Jahrhunderts erfahren. Das Werk vereinigt vorwiegend Beiträge, die anläßlich der Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution auf einem unter der Schirmherrschaft von Jacques Chirac abgehaltenen internationalen Kongreß 1989 in Paris vorgetragen wurden. Sie werden abgerundet durch ergänzende Studien, die dazu beitragen sollen, dem Charakter des Werkes als eines Handbuchs der europäischen Sozietätsbewegung möglichst nahezukommen, ohne Vollständigkeit in der Erfassung der einschlägigen Institutionen anzustreben. Reichhaltige Literaturangaben, eine umfassende Bibliographie und Register erhöhen den Benutzerwert der für alle historisch-kulturwissenschaftlichen Disziplinen gleich wichtigen gelehrten Sozialisationsagentur der Frühen Neuzeit.
Der Band dokumentiert die Referate eines interdisziplinären Symposions, das im Frühjahr 1993 unter internationaler Beteiligung an der Universität Marburg stattfand. Die 28 Beiträge erörtern an Fallbeispielen, in historischen Überblicken oder theoriegeschichtlich, wie spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Zeremoniellehren und zeremonielle Praxis zur ästhetischen Bestimmung höfischer (und daneben auch kirchlicher und städtischer) Kultur zu nutzen sind. Dabei werden kunst-, literatur-, theater-, kirchen- und wissenschaftsgeschichtliche Aspekte angesprochen.
Der "Triumphus humanae stultitiae vel Tylus Saxo" (1558) des Humanisten Ioannes Nemius ist die erste lateinische Fassung der Eulenspiegelschwänke und deren erste Version in gebundener Sprache in einem in sich geschlossenen Zusammenhang. Das Gedicht wird hier erstmalig in einer modernen Ausgabe mit Kommentar, Übersetzung und begleitenden Studien vorgelegt. Der "Triumphus" nimmt eine entscheidende Stellung in der Eulenspiegelrezeption und in der Entwicklung und Verbreitung frühmoderner Volksliteratur ein. Das Gedicht legt ein beredtes Zeugnis zum Nachleben der Antike im Humanismus ab, wobei dem Autor die "Ars Poetica" des Horaz als Richtschnur diente. Zur Charakteristik Eulenspiegels griff Nemius außerdem auf die griechische Mythologie, die nachklassische griechische Volksliteratur und die römische Komödie und Satire zurück. Weiterhin steht das Gedicht in besonderer Nähe zu Erasmus und dessen "Lob der Torheit". Es ist somit eine gelungene Synthese der hohen Renaissancekultur und der Tradition der populären Dichtung, wie sie über das Mittelalter bis in die Antike zurückreicht. Auch gebührt Nemius' Gedicht hohes Interesse für die Impulse, die es der nachfolgenden Eulenspiegelliteratur gab, z.B. Fischarts "Eulenspiegel Reimenweiss". Der Band, der auch eine Biographie des Autors, eine Darstellung seines Kreises und einen Überblick über die Druckgeschichte des "Triumphus" enthält, legt eine erste systematische Interpretation des Gedichts vor und erweitert den Blickwinkel der Eulenspiegelforschung auf Mittelalter und Antike.
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden in großer Zahl Flugblätter publiziert, die das Auftreten sogenannter Wundergeburten verkündeten. Interpretiert als Zeichen des Zorns Gottes, waren diese Wundergeburten Bestandteil einer bis in die Antike zurückreichenden Vorzeichendeutung, die im 16. Jahrhundert vorrangig von Protestanten angewandt wurde.
Die Untersuchung deckt die theologischen Grundlagen für die Auslegbarkeit der Monstra insbesondere vor dem Hintergrund der konfessionellen Streitigkeiten um den Wunderkult auf. Da es für die Gelehrten der Zeit eine Tatsache war, daß sowohl die Ordnung der Natur als auch die der Gesellschaft von Gott vorbestimmt war, wurden die Monstra als göttliches 'Kommunikationsmittel' gesehen, um auf Mißstände in der Gesellschaft zu verweisen. Hierbei zeichnet sich im Laufe des Jahrhunderts eine Verschiebung in bezug auf die Adressatengruppen, die mit diesen Deutungen erreicht werden sollten, und damit der gesellschaftspolitischen Funktion der Monstra-Auslegungen ab. Im naturkundlichen Diskurs spielten die Flugblätter über die Wundergeburten als Anschauungsmaterial für Ärzte eine wichtige Rolle. Darüber hinaus bilden die Monstra den Schnittpunkt zwischen der von vielen Medizinern vertretenen aristokratischen Theorie von den natürlichen Ursachen der Mißbildungen und den die Prodigiendeutung formulierenden Theologen, die durch dieses naturkundliche Erklärungsmuster die Grundlage ihrer Deutung und die daraus ableitbaren Forderungen in Frage gestellt sahen. Der Frage, welche Bedeutung die Diskussion um das Entstehen der Monstra besonders für die Frauen der Zeit hatte, wird zum einen anhand der Imaginationstheorie und den daraus ableitbaren Verhaltensmaßregeln, zum anderen im Zusammenhang mit der Diskussion um die Macht der Hexen nachgegangen.
In der Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts steht die deutsche Tradition sprachbasierter Erkenntnistheorie im Schatten der primär rationalistischen Strömungen. Der an Leibniz' Begriff der cognitio symbolica ebenso wie an den englischen Empirismus Bacons und Lockes anknüpfende Ansatz gerät dabei in den Hintergrund, obwohl diese Traditionslinie, die sowohl rationalistische als auch empiristische Elemente vereinbart, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fortbesteht. Dies hat weitreichende Konsequenzen sowohl für die Philosophie- und Literaturgeschichte als auch für die literaturwissenschaftliche Detailforschung, da weder Herders Erkenntnistheorie noch die poetologischen Konzeptionen des 'Anti-Klassikers' Jean Paul und des Frühromantikers Novalis ohne Kenntnis der theoretischen Voraussetzungen erklärt werden können.
Unter Auswertung empirisch belegbarer Quellen wie handschriftliche Nachlässe, Briefwechsel und Zitate wird die Entwicklung eines semiotischen Wissensbegriffs bis zu seinen Ursprüngen im 17. Jahrhundert zurückverfolgt und schrittweise nachvollzogen: Die theoretische Ausbildung erfolgt um 1760 durch den für die Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts höchst bedeutsamen Philosophen und Naturwissenschaftler Johann Heinrich Lambert (1728-1777). Eine systematische und historische Analyse der zentralen Schrift Herders "Eine Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft" aus dem Jahr 1799 ergibt, daß Lamberts Ansatz in Herders Entwurf der Zeichenabhängigkeit allen menschlichen Denkens konsequent rezipiert wird. Schließlich müssen die poetologischen Konzeptionen Jean Pauls in der "Vorschule der Ästhetik" und in Novalis' "Theoretischem Werk" in die genannte Traditionslinie eingebunden werden. Infolgedessen sind besonders die Begriffe des Witzes und der Ironie Jean Pauls sowie der romantische Kritik-Begriff Novalis', der seine Enzyklopädistik stützt, wesentlich schärfer zu fassen als bisher.