Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–20. Jahrhundert
Susanne Rau, History, Space, and Place, London-New York (Routledge) 2019, VIII, 224 S., Abb., ISBN 978-0-429-05638-3, GBP 33,29 (eBook); dt. Originalausgabe: Frankfurt a. M. (Campus-Verlag) 2013.
Rezensionen
Allgemein
Der Begriff des „Raums“ ist in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Arbeitsfeld verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen geworden. Susanne Rau geht in ihrer Monographie der Frage nach, was „Raum“ in der Geschichtswissenschaft bedeutet, verbunden mit Überlegungen zu den Bedingungen, unter denen dieser zu beleuchten ist. Dies geschieht in drei Schritten: In einem ersten Kapitel gibt Rau einen historischen Überblick über Raumkonzepte sowie analytische Raumvorstellungen, anschließend fasst sie ausgewählte Ansätze aus Geographie, Kulturanthropologie, Soziologie und Geschichte zusammen. Im entscheidenden letzten Teil der Arbeit entwickelt sie einen Untersuchungsansatz zu räumlichen Praktiken. Im ersten Kapitel werden sowohl sprachgeschichtliche als auch historische Gesichtspunkte und Methoden abendländischer Raumtheorien seit der Antike in ihrer Auseinandersetzung mit Raum und Räumlichkeit behandelt. Dabei werden unterschiedliche Raumvorstellungen (physikalische, astronomische, theologische, psychologische und kulturelle) differenziert und interdisziplinäre Vorschläge aufgezeigt und implementiert. Die eingehende Untersuchung verdeutlicht, dass, sobald vom Raum als etwas Relationalem die Rede ist, dieser nicht als Container für Objekte agiert, sondern als Gesamtheit von Beziehungen (zwischen Orten, Dingen oder Menschen) wahrgenommen wird. Diese Begründungsverfahren (absolut, relativ sowie euklidisch) haben ihren Ursprung in den Naturwissenschaften und wurden dann von den Sozial- und Kulturtechniken übernommen und angepasst. Beim Konzept des Territoriums als multiplem (funktionalem) Rhythmus geht es um außergewöhnliche räumliche Dimensionen und multipolare Netzwerke. Dies ermögliche es, die soziale Gestaltung des Raumes zu erforschen, so Rau. Um solche komplexen Arrangements in räumlicher und zeitlicher Perspektive zu untersuchen, braucht es differenzierte Interpretationswerkzeuge. Um dies zu gewährleisten, bezog sie nicht-historische Arrangements und deren Ansätze mit ein. Im darauffolgenden Kapitel unternimmt Rau eine akribische Auseinandersetzung mit beständigen Theorien der Raumforschung, die sie in vier Unterkapitel gliedert: Geographie, Kulturanthropologie, Postkonzeptionelle Soziologie und Räume und Räumlichkeit als neuer historiographischer Gegenstand. Die Vf. zitiert eine Fülle von Standpunkten mit einer Verständlichkeit, die es dem Lesenden erlaubt, die verwendeten Begriffe und ihre Unterscheidungen zu verstehen. Neben dem Einbeziehen von Koryphäen wie Michel Foucault und John Brian Harley bietet sie auch unbekannteren Texten einen Raum. Sie führt genuin historiographische Erweiterungen in die Fragestellung ein, indem sie kultur- und geschichtsspezifische Konzepte, Ansätze, Wahrnehmungen und Praktiken des Raums analysiert und präzise definiert. Dabei stellt sie fest, dass der Raumbegriff allmählich auch innerhalb der Geschichtswissenschaft aufgearbeitet wird. Jedoch betont sie, dass der soziologisch-integrale Ansatz noch nicht vollständig erprobt ist und weiterhin zu selten genutzt wird. Analysemethoden aus Nachbardisziplinen können jedoch nicht allein auf das historische Material übertragen werden, sondern bedürfen der Einbeziehung verschiedener Zusammenhänge und Akteure. Im entscheidenden und letzten Kapitel versucht Rau, dieses erkannte Vakuum zu konzeptualisieren. Hierbei entwirft sie eine Matrix zur historischen Raumverdichtung, die das entscheidende Potenzial der jüngsten Kontroversen einbezieht und die gleichzeitige Betrachtung von Indizien und Empirie unterstützt. Dies beginnt mit einem Exkurs und einer Erörterung verschiedener Quellen (Texte, Bilder, Karten und Pläne). Basierend auf dieser Überlegung wird ein adaptiver Interpretationsrahmen entworfen, um zu räumlichen Elementen historischer Gesellschaften und neuen – oder zumindest weniger linearen – Periodisierungen zu gelangen. Dies basiert auf vier Schritten: 1) Typen oder Konturen des Raumes, 2) Dynamik des Raumes, 3) Wahrnehmungen des Raumes sowie 4) räumliche Praktiken und Zwecke des Raumes. Die genannten Analysekategorien vermittelten überzeugend die Konzeption für übergreifende Raumbetrachtungen, die durch die differenzierte Zerlegung von räumlichen Diskursen und Prozessen sowie von Ideen und Operationen gekennzeichnet sind. Sie betont, dass die Beschreibung „Raum“ multisensibel ist und eine räumliche Form, Haltung oder Idee umfassen kann. Auf methodischer Ebene ist ein Mechanismus denkbar, um Ort und Raum genauer zu definieren und zu unterscheiden. Besonders hervorzuheben ist, dass die erarbeiteten Analysekategorien einen instruktiven Beitrag zur weiterführenden Betrachtung historischer Raumkonzepte leisten und zugleich den Blick auf räumliche Ebenen und Elemente schärfen. Susanne Raus Monographie gibt einen lebendigen Überblick über abendländische Raumvorstellungen, erschließt interdisziplinäre Zugänge zum Phänomen Raum in Physik, Geographie, Philosophie sowie Soziologie und erläutert, wie historische Raumanalysen methodisch wie auch theoretisch konzipiert und approximativ durchgeführt werden können. Besonders hervorzuheben sind die von ihr vorgestellten Fallbeispiele aus den Bereichen Stadtgeschichte, Handelsgeschichte und Weltgeschichte, einschließlich der Geschichte der Kartographie.
Salvatore Martinelli
Alexander Sembdner/Christoph Volkmar (Hg.), Nahaufnahmen. Landesgeschichtliche Miniaturen für Enno Bünz zum 60. Geburtstag, Leipzig (Leipziger Univ.-Verl.) 2021 (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 67), 799 S., Abb., ISBN 978-3-96023-409-8, € 60.
Es wäre reduktiv, Enno Bünz’ Opus nur auf die Landesgeschichte zu fixieren. Die Beiträge zu seinen Ehren gehen allesamt von Themenbereichen aus, die der Jubiliar selbst maßgeblich behandelt und manchmal sogar angestoßen hat. Die Festschrift mit 30 Autorinnen und Autoren ist dabei locker in vier Sektionen gegliedert: 1) Pfarrei, Frömmigkeit und Reformation, 2) Adel und Fürsten, 3) Stadt und Land, 4) Bücher als Quellen. Den Auftakt machen Hartmut Kühne und Jörg Voigt mit einer Studie zur Gewinnung der römischen Stationsablässe, wobei man gleichermaßen Rom mit seinen Hauptkirchen visuell vergegenwärtigen wie einer eigenen privaten Frömmigkeit folgen konnte. Peter Wiegand geht der oft vernachlässigten Pfarrvisitation und dem Sendgericht am Beispiel des Bistums Meißen nach. Die im Anhang publizierten „Articuli seu interrogancia“ aus der Zeit Bischof Dietrichs III. von Schönberg (1463–1476) spiegeln allerdings eine weit verbreitete Praxis wider. Wolfgang Huschner exemplifiziert ebenfalls nicht seltene Konflikte um inkorporierte Pfarrkirchen anhand von Fällen, die mit den von den jeweiligen Landesherren gegründeten und protegierten Klarissenklöstern Ribnitz und Seußlitz ausgetragen wurden. Eine Seltenheit zeichnete die Pfarrei Aspach im Innviertel aus: Sie hatte mit Eneas Silvius Piccolomini von 1444 bis 1447/1449 einen zukünftigen Papst zum Pfarrer. Für den nachmaligen Pius II. war dieses Amt – wie Claudia Märtl darlegt – allerdings nur eine von vielen Pfründen, die er im Laufe seiner Karriere mehr oder weniger lang innehatte. In Humanistenmanier reflektierte er seine Pflichten gegenüber der Gemeinde Aspach in einer gelehrten Rede. Andreas Ranft verdeutlicht, dass die Errichtung eines Kirchturms schon im Spätmittelalter ein Politikum war. Die Höhe des Turms war eine Demonstration, die viel Geld kostete. In ihm tagte man denn auch gerne, oder bewahrte man das Stadtarchiv auf. Dass Pfarrer auch Geld verliehen, mag weniger bekannt sein. Alexander Sembdner stellt entsprechende Beispiele aus der Bischofsstadt Naumburg a. d. Saale und anderenorts vor. Gelegentlich endeten solche Aktivitäten vor der Pönitentiarie in Rom, heute nachzuschlagen im „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“. Sabine Zinsmeyer und Dirk Martin Mütze widmen sich dem Pfarrlehnbuch aus Kohren bei Leipzig. Dieser in Mitteldeutschland „hundertfach“ zu findende Quellentypus gewährt oft über Jahrhunderte hinweg tiefe Einblicke in die Ortsgeschichte. Armin Kohnle trägt biographische Daten zu einer Randfigur der Leipziger Disputation 1519 zusammen, und zwar zu ihrem Abschlussredner Johann Lange von Löwenberg, der in der Folge in Italien Medizin studierte und kurfürstlicher Leibarzt in Heidelberg wurde, wo er 1565 verstarb. Klaus Neitmann illustriert die lutherische Konfessionskultur in der Mark Brandenburg anhand der Perleberger Visitationsabschiede des 16. Jh. So werden auch die Seelsorgemaßnahmen, Armenfürsorge und Jugendunterricht in der Prignitzer Hauptstadt lebendig, die nicht zum reformierten Glauben des Kurfürsten Johann Sigismund überging. Benjamin Gallin untersucht die Anfänge der deutschkatholischen Bewegung in Leipzig in den Jahren 1841–1845. Die meisten Katholiken in der Stadt gingen aber letztlich auf Distanz zu dieser Dissidentenbewegung. Die zweite Sektion eröffnet Matthias Werner mit einem Porträt des Propstes von St. Stephan in Mainz Friedrich († 1213/1215). Der zweitgeborene Sohn des Landgrafen Ludwigs II. von Thüringen aus dem weitgefächerten Familienverband der Ludowinger verließ 1177/1178 die kirchliche Laufbahn und wurde durch Einheirat Graf von (Ziegenhain-)Wildungen. Oliver Auge schlägt bei seinen Betrachtungen zu den Eheverbindungen zwischen den sächsischen und schleswig-holsteinischen Fürstenhäusern den Bogen vom 13. bis zum 20. Jh. Die 25 Ehen aus acht Jh. lassen sich den Leitmotiven „Bündnisse, Tradition, Deszendenz und Erbanwartschaft“ (Anne-Simone Knöfel) zuordnen. Dynastische Vernetzung – zugespitzt auf das konfessionelle Zeitalter – ist auch das Thema von Manfred Rudersdorf, der anhand dreier Fürsten (Philipps des Großmütigen, Moritz’ von Sachsen und Christophs von Württemberg) den hessisch-sächsisch-württembergischen Familienverband analysiert. Der transregionalen Perspektive ist auch die von Joachim Schneider vorgestellte Karriere des Ritters Jörg von Bebenburg († 1472) zwischen Franken und Sachsen verpflichtet. Der weitgereiste adelige Rat kam in fürstlichen Diensten bis nach Rom, wo er 1452 an der Kaiserkrönung Friedrichs III. teilnahm. Anhand des hier erstmals edierten selbstverfassten Lebenslaufs des glühenden Lutheraners Joachim von Alvensleben von 1565/1586 rekonstruiert Christoph Volkmar ein 100 Personen umfassendes Netzwerk um die bis zu acht Taufpaten dessen 19 Söhne und Töchter aus drei Ehen. Verbindende Elemente waren Verwandtschaft, Adel und Konfession. Fanny Münnich untersucht mit der Lebensbeschreibung des Thüringers Johannes Christoph von Trebra (1581–1653) adlige Ausbildungswege. Universitäten in Italien wurden meist zusammen mit (lutherischen) Standesgenossen besucht. In der Sektion „Stadt und Land“ beschäftigt sich zunächst Henning Steinführer mit dem ältesten Braunschweiger Stadtsiegel (1231). Es zeigt bezeichnenderweise in einem Architekturrahmen das Abbild des Burglöwen, den Herzog Heinrich der Löwe als Standbild in der Burg Dankwarderode aufgestellt hatte. Das Beziehungsgeflecht der Städte, Herren und Fürsten beleuchtet Klaus Krüger dagegen am Beispiel der Altmark im 14. und 15. Jh. Als Sonderfall in der Markgrafschaft Brandenburg erscheinen die Städte Stendal, Salzwedel und Berlin-Cölln, die erst 1518 förmlich aus der Hanse austraten. Einen landläufigen Vorstellungen widersprechenden Eindruck von Leibeigenschaft vermittelt Kurt Andermann in seiner Analyse persönlicher Abhängigkeit in der kurpfälzischen Hegemonialpolitik um die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die freiwillige Unterwerfung wurde durch die Gewähr von Schutz und Schirm mächtiger Territorialnachbarn prämiert. Die von Uwe Schirmer untersuchten spätmittelalterlichen Landesordnungen führen in den mitteldeutschen Raum von Magdeburg bis Thüringen/Sachsen. Ihre Vorreiter hatten sie dank der Macht der Landstände in Tirol und im Ordensland Preußen. Die Regelungen reichten vom Münzrecht, sittlichen und disziplinären Vorschriften bis hin zu antijudaistischen Verfügungen. Die Ökonomie von Rittergütern steht im Fokus gleich zweier Beiträge. Jens Kunze untersucht die wirtschaftlichen Folgen des Dreißigjährigen Krieges am Beispiel des Ritterguts Rötha. Martina Schattkowsky hinterfragt die Tragfähigkeit des Modells des europäischen Agrardualismus – d. h. im Osten die Gutsherrschaft und im Westen die Grundherrschaft – am Exempel Kursachsens, das in der Agrarverfassungsdebatte „als Paradebeispiel des landesherrlichen Bauernschutzes“ gilt (S. 556). Winfried Müller rekapituliert die Wahrnehmung der Leipziger Völkerschlacht (1813) vom Narrativ der Befreiungskriege, über die Errichtung des Denkmals 1913 bis hin zu dessen problematischer Nachnutzung zum Baujubiläum 2013. Beschlossen wird der Bd. von fünf Beiträgen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Buchkultur. Während Christoph Mackert wertvolle Hinweise zur Rekonstruktion der handschriftlichen Bibliothek des Domstifts Meißen zusammenträgt, untersucht Markus Cottin das Urkundendepot Lützens anhand des ältesten erhaltenen Stadtbuchs mit Einträgen, die bis in das 14. Jh. zurückreichen. Marek Wejwoda geht acht Hss. aus dem Besitz des Kölner Medizinprofessors Wolbero de Kaldenhoven aus Geseke († 1408) nach, die Eingang in die 1412 gestiftete Bibliotheca Amploniana (heute Universitätsbibliothek Erfurt) gefunden hat. Der bislang kaum bekannte gelehrte Westfale hatte an der Universität Wien studiert, die in engem Kontakt besonders nach Padua stand. Die auch kodikologische Analyse bereichert das Wissen über die Mobilität nicht nur der Scholaren, sondern auch der Fachliteratur der Zeit. Mit Falk Eisermann gelangt man zur archivalischen Inkunabelüberlieferung, die damit zu kämpfen hat, dass viele Wiegendrucke noch unerkannt in Archiven schlummern. Demonstriert wird die Vielfalt der Entdeckungen mit Schriftgut, das unter anderem mit Innozenz VIII. (1484–1492) verbunden ist (darunter Ablassbriefe Raimund Peraudis). Heinz-Dieter Heimann stellt die Visitation des Brandenburger Franziskanerkonvents und Erasmus Albers’ antifranziskanische Polemik (1542) vor, die die Mendikanten und die Papstkirche diabolisierte. Das abschließende Schriftenverzeichnis Enno Bünz’ umfasst 723 Nummern, was vom ungebremsten Forschungsdrang des Jubilars kündet.
Andreas Rehberg
Indravati Félicité (Ed.), L’Identité du diplomate (Moyen Âge – XIXe siècle). Métier ou noble loisir?, préface de Lucien Bély, Paris (Classiques Garnier) 2020 (Rencontres 471), 490 pp., ISBN 978-2-406-10464-3, € 25.
A partire dalla misteriosa parola ambaxiator fino al più recente „diplomatico“ – vocabolo apparso per la prima volta durante la Rivoluzione francese (Virginie Martin, pp. 121–133) – la terminologia usata per individuare un mestiere così singolare e complicato, nei secoli che vanno dal Medioevo al mondo contemporaneo, è stata assai diversificata. Prendendo le mosse da questa confusione terminologica (cavalcante, messo, legato, nunzio, agente, oratore, ministro, inviato, negoziatore, …), il libro, che raccoglie gli atti di un convegno internazionale tenutosi a Parigi dal 14 al 17 giugno 2017, si interroga sull’identità del diplomatico, che viene analizzata sotto tre aspetti principali: l’esistenza di un gruppo con caratteri comuni, ovvero di un corpo diplomatico, il mestiere e le pratiche negoziali, ed infine l’azione e il ruolo sociale. Questi tre diversi ambiti d’indagine identificano anche le tre grandi parti in cui è strutturato il volume, ciascuna delle quali è a sua volta suddivisa in capitoli che affrontano problemi e questioni più specifiche. Così, nella prima parte viene esaminata l’immagine del diplomatico nelle sue diverse sfaccettature (Camille Desenclos, pp. 31–44, Marion Aballéa, pp. 105–117 e Fabrice Brandli, pp. 89–104): dai legami col mondo mercantile (Sylvain Lloret, pp. 75–88) a quelli col mondo letterario (Ina Ulrike Paul, pp. 135–150), dal ruolo camaleontico a metà strada fra il rispettabile uomo di corte e l’abile spia (Sven Externbrink, pp. 45–57) al ritratto morale dell’ambasciatore ideale (Yves Bruley, pp. 151–164). Nella seconda sezione si osservano invece le attitudini sviluppate dai diplomatici (Matthieu Gellard, pp. 217–228 e Jean-Charles Speeckaert, pp. 241–251) fino alla constatazione dell’esistenza di un „savoir-faire“ comune (Jean Sénié, pp. 283–296) nelle pratiche negoziali (Núria Sallés Vilaseca, pp. 167–178), nell’opera di raccolta e trasmissione delle informazioni da mondi vicini e lontani (Géraud Poumarède, pp. 179–195, Laurence Badel, pp. 197–214 e Guido Braun, pp. 229–240) e nella costruzione di reti di contatti (Élizabeth Malamut pp. 255–267 e Guillaume Crouzet, pp. 269–282). Infine, la terza parte analizza il modo in cui gli ambasciatori vengono accolti nelle società di destinazione (Charlotte Backerra, pp. 299–311, Dzianis Kandakou e Alexandre Stroev, pp. 313–330), dando poi spazio allo studio del rango, della posizione sociale (Niels F. May, pp. 349–360 e Sébastien Schick, pp. 361–372) e della carriera del personale diplomatico (Éric Schnakenbourg, pp. 375–392 e Michael Auwers, pp. 393–405), senza dimenticare il ruolo delle donne all’interno di questo complesso mondo (Tracy Adams e Christine Adams, pp. 333–347). Tale organizzazione della materia raggruppa in modo coerente ed ordinato ben ventisei contributi (tutti in francese ad eccezione di tre in lingua inglese), oltre ad una breve prefazione di Lucien Bély (pp. 7–10), all’introduzione della curatrice Indravati Félicité (pp. 11–27) e alle conclusioni di Stefano Andretta (pp. 421–427). Completano il libro una ricca bibliografia, gli abstracts dei vari saggi e un indice dei nomi che non tiene conto però dei riferimenti all’interno delle note. Pur prendendo in esame un arco temporale assai ampio, il libro non segue alcun ordine cronologico e all’interno di una stessa sezione si trovano contributi appartenenti a periodi diversi. Tale scelta, che a prima vista potrebbe sembrare fuorviante, consente in realtà un confronto costante fra i secoli presi in esame, secondo una prospettiva di lunga durata che appare necessaria nello studio di un fenomeno, come quello diplomatico, che non ha vissuto cesure e rotture radicali, ma che si caratterizza per un processo lento e continuo di stratificazione progressiva di saperi e conoscenze. In quest’ottica, si finisce pure per relativizzare l’importanza della nozione di professionalizzazione dell’istituto diplomatico in epoca moderna (Anna Lingnau, pp. 59–72 e Indravati Félicité, pp. 407–419), per proporre invece l’idea di un mestiere in cerca di riconoscimento sociale, di una „mécanique de la diplomatie“ (p. 20) che si è andata affermando nei secoli che conducono al mondo contemporaneo. Ma, al di là del discorso sulla professionalizzazione, il volume (ancorché privilegi il mondo francese e i secoli XVII e XVIII) presenta una ricchezza di tematiche, una pluralità di approcci e, in alcuni casi, un’originalità che ben raffigurano la complessità della materia oggetto di studio. All’interno di questo sterminato universo, in cui si confrontano tempi, spazi (geografici e geopolitici) e metodologie differenti (approcci biografici e sociologici), il filo conduttore è rappresentato dalla volontà di esplorare l’identità e il mestiere del diplomatico nelle sue multiformi espressioni, nei suoi molteplici percorsi e nel ruolo di volta in volta diverso all’interno delle società europee. Un obiettivo felicemente centrato e che consente al libro non solo di inserirsi a pieno titolo nel rinnovamento degli studi sulla storia della diplomazia, ma di indicare altresì nuovi fertili campi d’indagine.
Carlo Campitelli
Peter Erhart/Jakob Kuratli Hüeblin (Hg.), Nach Rom gehen. Monastische Reisekultur von der Spätantike bis in die Neuzeit, Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2021 (Itinera Monastica 3), 350 S., Abb., ISBN 978-3-205-20736-8, € 65.
Der Sammelbd. geht auf die Ausstellung „Vedi Napoli e poi muori – Grand Tour der Mönche“ zurück, die von 2014 bis 2016 im St. Galler Stiftsbezirk, in der Stiftsbibliothek Einsiedeln und schließlich im DomQuartier Salzburg zu sehen war. Leider scheint die Schau nördlich der Donau wenig Resonanz gefunden zu haben, denn den Begleitbd. mit Katalog findet man nur in wenigen Bibliotheken. Umso erfreulicher ist der nun vorliegende Nachtrag, der vielleicht nochmals Aufmerksamkeit für das ursprüngliche Referenzwerk erzeugen wird. Inhaltlich werden „Beiträge zur monastischen Mobilität vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (S. 7) geboten, d. h. zu einem wenig beachteten Themenfeld, denn das Umherreisen vor allem benediktinischer Mönche steht im Gegensatz zu der von der Benediktsregel vorgeschriebenen stabilitas loci. Tatsächlich geht es in dem Bd. auch nicht um mönchische Mobilität im Allgemeinen, sondern um Aufenthalte in der Ewigen Stadt oder in deren weiterem Umfeld, also um Rom und um Italien als Hort normativer Texte und Traditionen aber auch heiliger Leiber, um Rom als Sitz der päpstlichen Zentralbehörden, als Quelle bedeutender Ablässe und Schauplatz der Jubiläen, aber auch um Orte der Bildung oder um einen speziellen Erfahrungsraum, der die eisigen Passhöhen des Großen St. Bernhard ebenso einschloss wie die malerische Bucht von Neapel mit dem feuerspeienden Vesuv. Insgesamt umfasst der Bd. 13 Beiträge, deren zeitliche Reichweite sich „vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (S. 7) erstreckt. Die Gegenwart endet freilich faktisch im 16. Jh., sieht man einmal von Dieter Richters Beitrag zu frühneuzeitlichen Reiseeindrücken ab, die Ordensleute südlich von Rom sammelten wie etwa Athanasius Kircher auf dem Vesuv (S. 287–300). Neun dieser Aufsätze wurden zuerst auf der Konferenz zur Eröffnung der Ausstellung im September 2014 in Eisiedeln vorgetragen. Zwei weitere Aufsätze stammen aus dem Zusammenhang einer Tagung, die im Oktober 2018 im Istituto Svizzero di Roma unter dem Titel: „Andare a Roma. La cultura monastica del viaggio nell’età moderna“ stattfand. Zwei zentrale Beiträge wurden eigens für den Bd. verfasst: Der St. Galler Stiftsbibliothekar Philipp Lenz bietet in seiner Studie zu der Romreise des St. Galler Konventualen und späteren Abtes Ulrich Rösch die Edition eines aussagekräftigen Rechnungsbelegs (S. 183–213). Diese minutiöse und dennoch gut lesbare Zusammenschau der St. Galler und der kurialen Überlieferung führt die Abläufe um die Ablösung des regierenden und die päpstliche Provision des zukünftigen Abtes als Musterbeispiel für die Funktion der päpstlichen Kurie im 15. Jh. vor. Der zweite einschlägige Text von Gerald Hirtner und Michael Fröstl ist eine kommentierte Edition samt deutscher Übersetzung von drei aufschlussreichen Dokumenten zu den beiden Romreisen, die der Abt Georg Liebenknecht aus dem salzburgischen Benediktinerkloster Michaelbeuern 1448 und 1450 unternahm (S. 165–182). Hier handelt es sich um einen direkten Nachtrag zu einem im Ausstellungsbegleitbd. von 2014 gebotenen Aufsatz von Gerald Hirtner und Michael Brauer, der die Motivationen und Kontexte dieser Reisen erschließt; diesen Text muss man freilich kennen, um die Edition sinnvoll zu benutzen. Nicht nur dieser, sondern die meisten Beiträge des Bd. haben thematische Vorläufer oder finden sich in nuce bereits im Ausstellungsbegleitbd. wieder, weshalb es das erklärte Ziel der Hg. war, „jene Themenfelder“ die dort „nur oberflächlich angeschnitten werden konnten, wissenschaftlich zu vertiefen und auszudehnen“ (S. 7). Die ersten fünf Beiträge beleuchten Facetten monastischer Mobilität im frühmittelalterlichen Kontext: Alfons Zettler befasst sich mit den Beziehungen der Reichenau nach Italien besonders in karolingischer Zeit, wobei diese Kontakte anhand der Reliquientranslationen thematisiert werden (S. 9–29). Eine exemplarische Reliquientranslation im Jahre 488 aus Noricum nach Kampanien behandelt Elena Gritti (S. 31–39). Eleonora Destefanis beschreibt die auf ihrer monastischen „Authentizität“ beruhende Anziehungskraft, welche die Klosterlandschaft Italiens in langobardischer Zeit auf die Pilgermönche aus dem Westen und Norden ausübte, wobei dem „römischen“ Abt Benedikt und seiner Gründung Montecassino eine besondere Bedeutung zukam (S. 41–87). Peter Erhard bietet eine Blütenlese zu Kontakten zwischen diesseits und jenseits der Alpen angesiedelten monastischen Gemeinschaften und Personen in karolingischer Zeit (S. 89–120). Matthew Bryan Gillis befasst sich mit „Vagabond Monks“ im selben Zeitraum (S. 121–134). Der Beitrag von Christian Rohr bildet gewissermaßen die chronologische Klammer zwischen Früh- und Spätmittelalter, da er anhand von zwei Berichten aus dem Jahren 1128 und 1460 die Erfahrung bei der Passüberquerung des Großen St. Bernhard reflektiert (S. 135–150). Milena Svec Goetschi greift in ihrem Beitrag auf ihre grandiose Dissertation („Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert“, 2015) zurück, in der sie die Überlieferung in der päpstlichen Pönitentiarie zu aus dem Kloster entlaufenen Nonnen und Mönchen auf der Basis des von ihrem Doktorvater Ludwig Schmugge erarbeiteten „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“ auswertete. Geboten wird hier ein Einblick in diese Arbeit aus dem Blickwinkel des benediktinischen Mönchtums im deutschen Alpenraum (S. 151–164). Es folgen zwei bildungsgeschichtliche Studien: Andreas Rehberg stellt den Sankt Galler Mönch Johannes Bischoff vor, der in Pavia 1476 zum Doktor des Kirchenrechts promoviert wurde und seit 1478 als Familiare des Kardinals Olivero Carafa an der Kurie auch für sein Heimatkloster tätig war – im Hinblick auf seine juristische Bildung und die kuriale Karriere eine Ausnahmeerscheinung im Konvent von Sankt Gallen (S. 215–236). Die Normalität der universitären Bildung des Ordensklerus „im Südwesten des Alten Reiches“ stellt der durch seine Dissertation („Bildungswege – Lebenswege. Universitätsbesucher aus dem Bistum Konstanz im 15. und 16. Jahrhundert“, 2007) und weitere einschlägige Arbeiten ausgewiesene Kenner Beat Immenhauser auf Basis statistischer Daten dar. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der in Italien studierenden Ordensangehörigen der Diözese Konstanz denkbar gering ausfällt – von 1431 bis 1559 waren es für die fünf Universitäten in Bologna, Ferrara, Padua, Pavia und Siena zusammen nur 4,1 % (S. 237–252). Der Sankt Galler Stiftsarchivar Jakob Kuratli Hüeblin ediert einen Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des Einsiedler Abtes Adam Heer über seine Romfahrt aus Anlass des Jubiläums 1575 und erläutert in seiner Einführung den Hintergrund dieser Reise, die gleichzeitig der Bestätigung von Rechten des Klosters diente, die durch das Tridentinum in Frage gestellt wurden, wie auch zur Abtragung persönlicher Sünden des unkeusch lebenden Abtes, der mindestens zwei Söhne gezeugt hatte (S. 253–286). Der Rechenschaftsbericht bietet ungewöhnliche Einblicke sowohl in die Eröffnungsfeierlichkeiten des Jubiläums wie auch in den Alltag eines reisenden Prälaten, der etwa in der Gnadenkapelle von Loreto nach einer Messfeier im guten Glauben etwas Mauerwerk abschlägt, um es „heym zu tragen für heltum“, aber deshalb festgesetzt wird und „darüber absolution empfangen“ muss (S. 284). Schließlich folgt der Text Dieter Richters, ein Potpourri von Reiseerfahrungen, die Mönche im Umfeld von Neapel in der frühen Neuzeit sammelten (S. 287–300). Am Ende des Bd. stehen ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 302–338), dessen Sinn sich dem Rezensenten nicht erschloss, da zitierte Literatur in den Aufsätzen vollständig nachgewiesen ist, und ein die Benutzung erleichterndes Personen- und Ortsregister (S. 339–350). Das Buch ist vor allem ein nützlicher Supplementbd. zum Ausstellungskatalog von 2014. Alle Beiträge sind kenntnisreich und wissenschaftlich auf hohem Niveau geschrieben, freilich von sehr unterschiedlichem Charakter: Auf der einen Seite finden sich Überblicke, die häufig auf umfangreichen und bereits publizierten Vorarbeiten beruhen und diese thematisch adaptieren. Auf der anderen Seite stehen instruktive Fallstudien zu einzelnen Reisen und Personen, die auch durch die Erschließung neuer Quellen den wesentlichen Ertrag dieses Buches ausmachen.
Hartmut Kühne
Imago papae. Le pape en image du Moyen Âge à l’époque contemporaine, sous la direction de Claudia D’Alberto, Roma (Campisano) 2020, 415 S., Abb. (107 s/w, 19 in Farbe), ISBN 978-88-85795-51-8, € 50.
Der vorliegende Bd. publiziert die Ergebnisse eines von der Europäischen Union (Programme Horizon 2020) und der Universität Lüttich geförderten Forschungsprojekts zur Ikonographie des Papstes in einer epochenübergreifenden Perspektive. Dabei werden sowohl Darstellungen aus den Bereichen Skulptur und Malerei (vgl. die Bewertung des Porträts Clemens’ IX. von Carlo Maratti durch Vincenzo Mancuso), als auch entsprechende ikonographische Aspekte in Druckwerken und Stichen sowie in der Literatur (z. B. Petrarca) und bei sonstigen schriftlichen Quellen (etwa im „Liber Pontificalis“) oder im weiten Feld der politischen Symbolik und des Zeremoniells untersucht. Die insgesamt 34 Beiträge, die die Hg. in ihrer Einleitung vorstellt, folgen einem groben chronologischen Schema, wobei sich der Bogen vom Frühen Mittelalter bis in die jüngste Zeitgeschichte (Pontifikate von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus) erstreckt. Eine zentrale Rolle spielen in diesem Zusammenhang lokale Bezüge, v. a. der römische Kontext mit seiner antiken und imperialen Grundierung, aber auch Avignon. Die ikonographische Konkurrenz zu den Kaisern (Antike, Byzanz, Hl. Römisches Reich, Napoleon) und zu anderen hochrangigen weltlichen Fürsten scheint in vielen Beiträgen auf, um einerseits Parallelen, aber auch Abgrenzungen aufzuzeigen. Dabei werden nicht nur affermative Formen der bildlichen Wiedergabe des römischen Pontifex diskutiert, sondern auch karikierende und verunglimpfende Darstellungen, die bereits im Mittelalter begegnen, v. a. aber im Kontext der konfessionellen Kämpfe des 16. Jh. eine starke Rezeption erfahren, nicht zuletzt begünstigt durch die Erfindung des Buchdrucks, bis hin zur extremen Form der Eliminierung päpstlicher Bilder und Symbole während der römischen Republik Ende des 18. Jh. Eine erste Gruppe von Texten (Andrea Antonio Verardi, Bianca Hermanin de Reichenfeld, Gaetano Curzi, Marcello Angheben, Teodoro De Giorgio) skizziert die Formierung des Papstbildes im frühen und hohen Mittelalter von der Begründung der weltlichen Herrschaft mit Verweis auf Konstantin d. Gr. (S. 66) bis zu den hierokratischen Ansprüchen Bonifaz’ VIII. Dem Papstbild während der avignonesischen Zeit im engeren Sinn sind drei Beiträge gewidmet (Joanna Fronska, Pierre Assenmaker, Dominique Vingtain/Étienne Anheim). Dabei treten in den epystulae des Petrarca zum einen ein akstraktes und ideelles Papstbild, andererseits in bewußter Anlehnung an Schriftsteller der silbernen Latinität Formen kaiserlicher (augusteischer) Panegyrik hervor (S. 106, 110 f.). Die Veränderungen der Papstikonographie während der Zeit des Großen Schismas in Avignon, in Rom, aber auch im Königreich Aragon beleuchten Joëlle Rollo-Koster, Christophe Masson, Francesca Manzari, Pio Francesco Pistilli und Josefina Planas. Das Renaissance-Papsttum zeichnete sich erneut durch zahlreiche imperiale Elemente aus (Antony Roch, Eva Trizzullo). Auch in der Folgezeit kommt die Inszenierung des päpstlichen Amtes trotz oder wegen der veränderten konfessionellen Rahmenbedingungen in Europa nicht ohne den Rückgriff auf die antiken Kaiser aus, wie die Beispiele Sixtus’ V. (am Beispiel des possesso, nicht des Vatikan, wie an anderer Stelle festgestellt wird [S. 14], sondern des Lateran: Pascale Rihouet) und Urbans VIII. (Fabrizio Federici) zeigen. Den eher spirituellen Anteilen der Papstrepräsentation bzw. dem Ideal des papa angelicus widmen sich Stefania Paone, Carlo Zacchetti und Gwladys Le Cuff. Ein größerer Block von Einzelstudien bringt zum einen Beispiele für ein negatives Papstbild: die Verteufelung im Hochmittelalter (Giuseppe Fornasari), Verleumdungen der Troubadour-Lyrik des 13. Jh. (Cesare Mascitelli), diffamierende Darstellungen in Stichen des 16. Jh. (Pierre Couhault; Gaylen Vankan), die von unterschiedlichen Richtungen vorgebrachte Kritik an Hadrian VI. bzw. Pius VI. (Maria Giulia Aurigemma; Pier Paolo Racioppi). Demgegenüber stehen die differenzierte Sicht eines Nikolaus von Kues auf das Papsttum und Pius II. konkret (Jean-Michel Counet), die affermative Charakterisierung des Papstes bei den Ligisten in Frankreich während der Religionskriege (Alexandre Goderniaux) und das Bild des Papsttums, das in der Person von Pius VII. – gestärkt in seinen geistlichen und weltlichen Herrschaftsansprüchen – die napoleonische Krise überwinden kann (Maxime Patissier). Etwas aus dem Rahmen fällt der Beitrag zu Clemens VIII. in Ferrara (Giovanni Ricci), wo die Ambiguität des disziplinierenden und segnenden Pontifix ausgehend von den zeitgenössischen Medaillen aufgezeigt wird. Die letzten drei Beiträge zeigen die Veränderungen auf, die das Papstbild in der jüngeren Vergangenheit nach dem Fall des Kirchenstaats erfahren hat: Die Möglichkeiten und Grenzen der bildlichen Repräsentation und der Kommunikation eines im Vatikan „gefangenen“ Papstes am Beispiel Leos XIII. (Mariella Nuzzo), das in der Geschichte beispiellose Medienecho für die Beisetzungsfeierlichkeiten für einen Papst nach dem Tod Johannes Pauls II. 2005 (Dominic Olariu) und schließlich das in ihrem äußeren Erscheinungsbild unterschiedliche Auftreten von Benedikt XVI. und Franziskus, das unterschiedliche Interpretationen gefunden habe, wie etwa „doctrinal-traditionaliste“ vs „évangélique-progressiste“ bzw. „homosexualité cachée“ vs „hétérosexualité tranquille“ (S. 375; Josselin Tricou). Ein abschließender Essay (Stefano Simiz) greift nochmals zentrale Aspekte des Themas auf, wobei die Bedeutung Roms für die Papstikonographie und -repräsentation unterstrichen wird. Der Bd. wirft zahlreiche Schlaglichter auf die Papstikonographik, ohne naturgemäß den Anspruch einer systematischen Behandlung des Themas einzulösen. Trotzdem kann dieser Bd. in vielerlei Hinsicht wichtige Aufschlüsse liefern, wie der Papst über die Jahrhunderte gesehen werden wollte, und: wie die Welt ihn sah.
Alexander Koller
Héraldique et papauté. Moyen Age-Temps modernes, sous la direction d’Yvan Loskoutoff, Mont-Saint-Aignan (Presses universitaires de Rouen et du Havre) 2020, 365 S., Abb., ISBN 979-10-240-1318-3, € 27.
Der Bd. versammelt Beiträge einer Tagung, die vom 19.–21. Mai 2016 an der École française de Rome stattfand. Das inhaltliche Spektrum der 13 Aufsätze, die einheitlich auf Französisch präsentiert werden, ist breit: In räumlicher Hinsicht reicht es von Mittelitalien und Avignon bis in das römisch-deutsche Reich und nach Rhodos, während es sich in chronologischer Hinsicht, ausgehend vom Pontifikat Bonifaz’ VIII. (1294–1303), bis ca. zum Ende des 17. Jh. erstreckt. Die Beiträge stammen von Spezialistinnen und Spezialisten der Heraldik und Emblematik ebenso wie der Kunst-, Papst- und Ordensgeschichte. Der allgemein gehaltene Titel „Héraldique et papauté“ wurde offenbar in Anlehnung an eine Reihe des Hg. zum Thema „Héraldique et numismatique“ (I–IV, 2013–2018) gewählt. Ob die vorliegende Publikation den Auftakt zu einer analogen Reihe bilden soll, scheint offen. Als zentrales Anliegen der vorgelegten Tagungsergebnisse nennt der Hg. in seiner Einleitung eine Neuperspektivierung der päpstlichen Heraldik: Während die Forschung dieser lange Zeit eher gleichgültig gegenübergestanden habe, was mit der vergleichsweise späten Verwendung von Wappen und deren Unbeständigkeit in der Wahlmonarchie des Papsttums ohne dynastische Erbfolge begründet worden sei, könne gerade der Aspekt der Dynamik wechselnder Zeichen für die gegenwärtige Forschung besonders fruchtbar sein. Die Mehrzahl der darauffolgenden Beiträge erweist sich in der Tat beeinflusst von der Tendenz der neueren heraldischen Forschung, über traditionelle hilfswissenschaftliche Ansätze hinaus nach Kontext und Funktion der Wappen sowie nach spezifischen, mit ihnen verbundenen Praktiken zu fragen. Zu begrüßen ist zudem, dass neben den Wappen auch die Devisen von Päpsten und Kardinälen behandelt werden. Inhaltlich stark wirkt der Bd. besonders dort, wo die Beiträge thematisch ineinandergreifen und eine geradezu systematische Erschließungsarbeit leisten. Dies gilt vor allem für ein Cluster aus vier Beiträgen zur Praxis des partage d’armoiries sowie zur sog. Konzession und Besserung von Wappen im engeren Sinn. Gemeint sind damit die Verleihung und Zuerkennung von (neuen) Wappen, Wappenelementen und Emblemen an eine begünstigte Person außerhalb der eigenen Familie. Laurent Hablots Beitrag differenziert diese ähnlichen, im Detail aber verschiedenartigen Vorgänge und zeigt dabei deren Funktion auf, die einerseits in der Kenntlichmachung eines kurialen Amtes oder familiärer Beziehungen mit dem Papst bestehen konnte, andererseits in der Konstituierung eines familiären Verhältnisses durch den Papst (z. B. im Fall einer regelrechten Adoption über Wappen und Namen). Luisa Gentile erörtert daran anschließend den speziellen Fall des Führens der überkreuzten Schlüssel im Schildhaupt (chef de saint Pierre). Gentile zufolge handelt sich um ein Ehrenzeichen, das in der Regel nicht vererbt werden konnte und dessen Verbreitung vermutlich eine Folge der Imitation vergleichbarer kaiserlicher Praktiken darstellt. Sie zeigt dabei, wie die Verleihung der Schlüssel auch die Unterordnung unter das Papsttum und die (räumlichen) Herrschaftsansprüche zum Ausdruck bringen konnte. Die Päpste selbst hätten seit Clemens VI. die überkreuzten Schlüssel und die Tiara als Teil ihres persönlichen Wappens aufgenommen. Andreas Rehberg widmet sich den Wappen-Konzessionen und stellt in seiner Studie die Ergebnisse einer aufwändigen Auswertung der Registra Vaticana zu den Pontifikaten von sechs Päpsten vor. Er kann nachweisen, dass die dort dokumentierten Konzessionen oft die Verleihung von (Adels-)Titeln oder Ämtern begleiteten; die Begünstigten träten, besonders in den überlieferten litterae, als Petenten auf, die Initiative dürfte also meist von ihnen und nicht vom Papst ausgegangen sein. Die Adressaten der Konzessionen setzten sich aus dem engeren politisch-sozialen Umfeld des Papstes zusammen, im Fall von Laien besonders aus sozialen Gruppen mit einem niederadligen oder bürgerlichen Hintergrund. Yvan Loskoutoff führt diese Untersuchung für die Frühe Neuzeit fort. Seine Quellengrundlage ist die Überlieferung der secretaria brevium für drei Pontifikate. In seinen Ergebnissen erscheinen die Wappen-Konzessionen als Mittel der päpstlichen Diplomatie im Kontext der Gegenreformation. Aber auch die Familie des Papstes, Künstler und Akteure aus dem Finanzwesen, wie im Fall eines konvertierten Juden und seiner Familie, zählen unter die Begünstigten. Kritikpunkte betreffen die Präsentation des Bd.: So wirkt das zusammenfassende Quellen- und Literaturverzeichnis (42 S.) angesichts der Entscheidung, bibliografische Angaben bereits in den einzelnen Beiträgen vollständig zu zitieren, eher redundant. Nützlich wäre hingegen eine thematisch strukturierte, auf einschlägige Titel begrenzte Bibliografie gewesen, ebenso ein Register, um die verstreuten Bemerkungen zu den einzelnen Päpsten und Kardinälen besser zu erschließen. Das Potenzial des Tagungsbd., auch als Handbuch zu dienen, wurde hier leider nicht konsequent ausgeschöpft. Positiv hervorzuheben ist die durchgängige Verwendung von Bilderdruckpapier, wodurch die zahlreichen anschaulichen Abb. gut zur Geltung kommen. Insgesamt überzeugt der Bd. aufgrund seiner chronologischen Breite, einer Fülle an Informationen und zahlreicher Thesen und Neubeobachtungen anhand von bekanntem und unbekanntem Material. Für die Forschung zur päpstlichen Heraldik und Emblematik wird er in den nächsten Jahren zweifellos ein wichtiges Grundlagenwerk bilden.
Aaron Jochim
Michel Popoff, Répertoires d’héraldique italienne. Vol. 5: Rome, Paris (Les Editions Léopard d’or) 2020, 656 S., Abb., ISBN 978-2-86377-274-4, € 125.
Michel Popoffs verdienstvolle Repertorien der italienischen Heraldik sind nun bis zu Bd. 5 gediehen, der Rom gewidmet ist. Eine erste Richtschnur ist der lange Untertitel „répertoire héraldique (XVe–XXIe siècles) des familles romaines, des familles agrégées et habituées, des sénateurs de Rome, des cardinaux romains et non romains mai avec résidence romaine“. Allerdings fehlt eine Begründung für die doch insgesamt recht zufällig wirkende Auswahl der Rom betreffenden Wappensammlungen, die keineswegs vollständig erfasst sind. Kein Wort wird über die Qualität und Präzision der aufgenommenen Wappen verloren. Man muss sich umständlich über das Personenregister zu den einzelnen Wappen hangeln. Der Autor bietet im Index armorum eine Übersicht der Figuren, die allerdings nur bedingt hilfreich ist, sind doch die Abb. nur aus dem Werk Sicaris und der Edition der Handschrift der Biblioteca Casanatense reproduziert. An erster Stelle steht Ameydens „La storia delle famiglie romane“, gefolgt von Luca Becchettis und Gianni Vendittis „Un blasonario secentesco della piccola e media aristocrazia romana“ (mit nur 36 Einträgen). Ziemlich willkürlich erscheint die Auswahl aus Giovanni Battista di Crollalanzas „Dizionario storico-blasonico delle famiglie nobili e notabili italiane estinte e fiorenti“. Die 974 Blasonierungen betreffen neben eindeutigen römischen Familien auch die Senatoren Roms und die Kardinäle – immerhin sofern sie ihren Wohnsitz in Rom hatten –, die mehrheitlich sehr wenig oder gar nichts mit der Ewigen Stadt und ihrer Oberschicht zu tun hatten. Dies gilt auch für „Die großen Familien Italiens“, hg. von Volker Reinhardt. Die Wappenhandschrift Biblioteca Casanatense di Roma, 4006, wurde 2007 herausgegeben und kommt auf 922 Einträge. Wie elastisch die Zeitgenossen schon mit der Definition einer römischen Familie waren, belegt „Il libro d’oro della nobiltà romana“ im Archivio Storico Capitolino aus der Mitte des 19. Jh., das im Netz konsultierbar ist. Die 331 Namen klingen mitunter fremdländisch wie Davison, Christ de Santz, De Goyon, De Lamoricière oder Robbins. Der aus Venetien stammende Bildhauer Antonio Canova wurde 1816 in den römischen Adel aufgenommen (S. 267). Einen wahren heraldischen Augenschmauß bietet die Hs. Bayerische Staatsbibliothek (BSB), icon. 268. Man sollte aber wissen, dass die hier abgebildeten 357 Wappen auf Vorbilder zurückgehen, die von Grabmonumenten Roms abgezeichnet und oft recht willkürlich koloriert wurden. Dabei haben sich nicht selten fürchterliche Verschreibungen der Namen der Bestatteten eingeschlichen. Problematisch ist auch Giovanni Sicaris „Blasone e stemmi di nobili domenicane a Roma“. Die hier versammelten Wappen sind Nachzeichnungen aus anderen Quellen, die nur aufgrund des Kriteriums aufgenommen wurden, dass die respektiven Familien Dominikanerinnen im vornehmen Kloster Ss. Sisto e Domenico in Rom gestellt haben. Der Bd. insgesamt mahnt dazu, der Heraldik in Rom mehr wissenschaftliche und „philologische“ Aufmerksamkeit zuzuwenden, als bisher geschehen.
Andreas Rehberg
Martin Mulsow/Asaph Ben-Tov (Eds.), Knowledge and Profanation. Transgressing the Boundaries of Religion in Premodern Scholarship, Leiden-Boston (Brill) 2019 (Intersections 63), X, 366 S., ISBN 978-90-04-39892-4, € 115.
Der Begriff der Profanierung arbeitet mit einer Verallgemeinerung eines räumlichen Verhältnisses – des Verhältnisses zwischen dem, was im Heiligtum antiker Tempel enthalten ist, und dem, was außerhalb dieses Raumes ist. Profanierung im buchstäblichen Sinn ist ein Vorgang, in dem ein Gegentand oder eine Handlung vom als sakral aufgefassten Raum in den nicht-sakralen Raum gebracht wird. Im verallgemeinerten Sinn ist es ein Vorgang, in dem als sakral geltende Gegenstände oder Handlungen als nicht-sakral erkannt werden. Seiner Natur nach arbeitet der Begriff der Profanierung mit Dichotomien – eine Tendenz, die noch dadurch verstärkt wird, dass die räumliche Analogie die Idee einer Grenze zwischen zwei klar voneinander unterschiedenen Bereichen nahelegt. Die Artikel im vorliegenden Bd. wenden diese Begriffsstruktur in einer Reihe von Fallstudien auf verschiedene historische und thematische Felder an – von antiker und rabbinischer Literatur bis hin zu frühneuzeitlicher Hermeneutik, Religionsgeschichte und Dämonologie. Der rote Faden, der sich durch die einzelnen Kapitel zieht, ist die Frage, wie der Fortschritt an sprachgeschichtlichem, religionsgeschichtlichem und naturwissenschaftlichem Wissen dazu beigetragen hat, die Wahrheitsansprüche religiöser Traditionen in Frage zu stellen. Die Stärken des Bd. liegen möglicherweise eher in den extrem kenntnisreichen Detailstudien zu einer Vielzahl von literarischen, exegetischen und philosophischen Quellen als im begrifflichen Rahmen, der auf diese Quellen angewendet wird. Sicherlich lassen sich manche der beschriebenen Phänomene ohne weiteres unter eine dichotome Struktur subsumieren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Lucian literarische Bildung dazu verwendet, magische Praktiken satirisch als unwirksam und betrügerisch lächerlich zu machen. Oder es ist der Fall, wenn mineralogisches Wissen dazu verwendet wird, eine naturalistische Erklärung für eine Pseudo-Reliquie wie die in einem Kristall eingeschlossene Träne Christi zu geben. Oder es ist der Fall, wenn Cartesianische Metaphysik und das Gesetz der Erhaltung der Kraft als Erklärungen verwendet werden, weshalb eine spirituelle Substanz wie der Teufel nicht in der Lage ist, den menschlichen Körper durch die Luft fliegen zu lassen. Nicht in allen Fällen jedoch scheinen die beschriebenen Phänomene einer dichotomen Struktur mit klar definierten Grenzen zu folgen. Dies liegt daran, dass ein Fortschritt in säkularem Wissen nicht immer mit einer Verminderung des Bereichs des Sakralen verbunden war. Ein gutes Beispiel dafür ist die Hermeneutik Jean Le Clercs, die in zwei Kapiteln dieses Bd. eine signifikante Rolle spielt. Von einigen seiner Zeitgenossen wurde Le Clerc dafür angegriffen, dass er philologische und naturgeschichtliche Informationen aus griechischen, römischen und arabischen Autoren heranzieht. Impliziert seine Methode eine relativierende Haltung, der zufolge biblische Texte Produkte menschlicher Aktivität sind, deren Wahrheitsgehalt durch nicht-theologische Erkenntnisquellen überprüft werden kann? Seine Verwendung von philologischem und naturgeschichtlichem Wissen in Bezug auf in der Bibel erwähnte Pflanzen und Tiere deutet auf eine andere Schlussfolgerung hin. Le Clerc geht davon aus, dass nur eine zuverlässige Identifikation der oft mit rätselhaften Termini bezeichneten natürlichen Gegenstände und eine genaue Kenntnis davon, wie ihre natürlichen Eigenschaften in der Antike verstanden wurden, deutlich machen kann, auf welche spirituellen Inhalte diese Gegenstände allegorisch verweisen. Zum Beispiel identifiziert er in seinem Kommentar zu Hiob 40–41 den Leviathan (u. a. aus etymologischen Erwägungen) als Krokodil und verwendet das in der Antike verfügbare Wissen über die natürlichen Eigenschaften von Krokodilen – Eigenschaften, die alle den menschlichen Interessen entgegenstehen –, um deutlich zu machen, weshalb der Leviathan eine Allegorie für den göttlichen Willen bildet, der den menschlichen Wünschen oft entgegensteht („Veteris testamenti libri hagiographici“, Amsterdam 1731, S. 169 f.). Mein Einwand gegen die Anwendung der im Begriff der Profanierung angelegten Dichotomie auf frühneuzeitliche Hermeneutik ist deshalb der folgende: Die Interpretation biblischer Allegorien scheint ein Bereich zu sein, in dem die Dichotomie von Sakralem und Profanem nicht anwendbar ist, weil in den biblischen Allegorien Profanes und Sakrales untrennbar miteinander verbunden sind. Die Interpretation biblischer Allegorien scheint damit einen Bereich zu bilden, in dem Wissen über die antike Sprach- und Naturgeschichte nicht zu einer Überschreitung der Grenzen der Religion führen muss, sondern als ein Schlüssel zum Verständnis der allegorisch ausgedrückten Form von Religiosität dienen kann.
Andreas Blank
Fabrizio Ricciardelli, I Medici. Il potere di una dinastia, Firenze (Pagliai editore) 2021 (Storie del mondo 43), 111 S., Abb., ISBN 978-88-564-0466-1, € 15.
Über die Medici wurde und wird bekanntlich viel geschrieben; an wissenschaftlichen und populären Einführungsbüchern mangelt es nicht, auch wenn manche mittlerweile arg viele Jahre auf dem Buckel haben, etwa jenes von John Hale (der durch Nicolai Rubinstein und Michael Mallett beraten wurde). Viele dieser Einführungen sind aus wissenschaftlicher Sicht insofern problematisch, als sie oft zelebrativen und teleologischen Charakter haben und die dokumentarischen sowie interpretativen Fortschritte der letzten Jahrzehnte nicht berücksichtigen, auch was die gegenwärtig im Rahmen des Medici Archive Project intensiv erforschten späteren Jh. angeht. Das inzwischen in der sechsten, bibliographisch aktualisierten deutschen Auflage erschienene und ins Italienische übersetzte Einführungsbuch von Volker Reinhardt stellt in dem Panorama eine Ausnahme dar, da es einen dezidiert methodischen Zugriff zeigt (Patronage- und Klientelbildung; Medien und Erinnerungskonstruktion). Der Autor des anzuzeigenden, in italienischer und englischer Sprache erschienenen Werkes ist Direktor der Kent State University Florence und u. a. ausgewiesener Experte für Stadtgeschichte und Exilierungen aus Florenz. Sein Einführungsbüchlein hat eher populären Charakter. Sein Bestreben ist es, auf knappstem Raum (88 S. Haupttext) eine Orientierung zu bieten, die vom 10. bis ins 18. Jh. reicht und mithin die Stadtgeschichte und ihre europäische Situierung einbezieht. Das Buch zielt auf ein Publikum ab, das einen ersten Zugriff sucht. Vorwiegend handelt es sich um Portraits ausgewählter Familienmitglieder, angereichert durch einige Überleitungskapitel. Die Basisinformationen zu Familie, Politik und Kunstpatronage lassen sich hier denn auch finden (kleinere Fehler: S. 24 sind es nicht die „Függer“, sondern die „Fugger“; das Attentat auf Lorenzo und Giuliano fand nicht, wie hier zu lesen, in der Ostermesse statt, S. 46). Allerdings sind diese Informationen in ein watteartiges Narrativ gehüllt, das einer Art Hofberichterstattung gleichkommt, beginnend mit der ersten Aussage von einer „der bedeutendsten Dynastien in der Geschichte Italiens“ (S. 7) über die Darstellung eines völlig geplanten und lückenlosen Aufstiegs in das Herzogtum (Kritik wird in Form von klischeehafter Polemik an Leo X. vorgebracht: „papa spiritualmente debole, dedito al peccato …“, S. 56), bis hin zu der abschließenden Lobpreisung „Firenze città ideale“, die da lautet: Als die Pest von 1348 „vergessen“ war, konnte die Stadt auf den „vergangenen Ruhm“ zurückgreifen und sich zur „perfezione del Rinascimento“ entwickeln; nur durch das Geschick der Medici konnte Florenz zum „Zentrum der italienischen, europäischen und globalen Geschichte“ werden (S. 93–97). Die hier aufs Neue gebotene alte Meistererzählung haben die Medicifürsten der Frühen Neuzeit gerne gehört; hier ist sie daraufhin ausgelegt, beim ersten Kontakt mit der Geschichte von Familie und Stadt Begeisterung auszulösen. Es bleibt zu hoffen, dass ihre Leserinnen und Leser sich durch solche Lektüre sehr bald auch dazu veranlasst sehen werden, sie differenziert kritisch zu hinterfragen.
Tobias Daniels
Antonio Musarra, Medioevo marinaro. Prendere il mare nell’Italia medievale, Bologna (Il Mulino) 2021 (Biblioteca Storica), 303 pp., ISBN 978-88-15-29181-3, € 22.
Rezensionen
Mittelalter
Il volume affronta il tema della marineria e della vita sul mare da una prospettiva che evita il taglio erudito per aprirsi invece alle più attuali questioni della storiografia sociale ed economica. In tal senso, quest’opera viene a colmare un’importante lacuna degli studi degli ultimi decenni, „facendo il punto“, in senso scientifico, dello status quaestionis delle indagini condotte sul tema da una medievistica come quella italiana, nell’ambito della quale i temi marittimistici e mediterraneistici hanno suscitato in genere un’attenzione assai inferiore alla loro reale importanza. L’opera si apre con un capitolo dedicato al mare e alla concezione che di questo elemento avevano gli autori medievali, che da solo costituisce già un prezioso saggio di storia della cultura, che mette in evidenza quella vera e propria „dicotomia culturale“ che per secoli si produsse fra un ambito erudito di prevalente matrice ecclesiastica, tenacemente legato alle auctoritates bibliche, e della letteratura classica, e uno tecnico, che sulla base dell’esperienza diretta della navigazione costruì una nuova catena di trasmissione delle conoscenze, incentrata sull’utilizzazione di strumenti „nuovi“ come la bussola, le carte nautiche e le tavole di martelogio. Definito il campo d’azione, il volume presenta poi un altro elemento fondamentale del quadro, e cioè i porti, luogo di passaggio fra il mare e la terra. Queste autentiche „porte“ che aprono su un mondo più vasto le società locali sono analizzate nelle loro varie declinazioni, già evidenziate in studi precedenti: dalle „città-porto“ come Venezia o Genova, il cui tessuto urbano è inestricabilmente connesso con gli spazi dell’attività portuale, alle „città con porto“, nelle quali complessi sistemi di avamporti raccordano al mare centri situati nell’entroterra attraverso il corso dei fiumi, come nei casi di Pisa, Roma e Siviglia. Dei porti si evidenzia poi il ruolo di volano dello sviluppo economico, anche per aree che solitamente si tende a considerare in modo erroneo come marginali, quali ad esempio quelle del Meridione, e il conseguente definirsi al loro interno di strutture mirate sia a promuovere l’espansione dell’attività mercantile, che a controllarla dal punto di vista legale e fiscale. Al di là del suo valore economico, il porto costituisce però un microcosmo sociale nel quale si sviluppano una vasta serie di attività specifiche, tra le quali viene messo specialmente a fuoco il gruppo che si incentra sulla cantieristica, analizzata con puntualità nelle sue fasi. Questo processo è reso possibile dalla ricchezza delle fonti disponibili soprattutto per Genova e Venezia, e in parte anche per Pisa e Barcellona, e si estende anche alla dettagliata ricostruzione delle tipologie prevalenti nelle costruzioni navali, osservate nella loro evoluzione secolare che portò allo sviluppo di tipologie di vascelli differenziati e specializzati per le varie attività di trasporto o di tipo bellico. Un successivo nucleo è quello dedicato a coloro che a bordo di questi vascelli lavoravano, viaggiavano, vivevano e morivano, a cominciare dalla composizione degli equipaggi, un problema spesso trascurato in precedenza, ma che gli studi condotti nell’ultimo cinquantennio hanno dimostrato essere di importanza cruciale. Gli equipaggi medievali erano composti per la maggior parte da uomini liberi, e questa condizione si rifletteva anche in un ambito come quello dell’alimentazione, nel quale le differenze progressivamente avvertibili sembrano essere state dettate più dall’accentuarsi di disparità economiche, che non da un’esplicita volontà di marcare differenze sociali. Del resto, anche se le più antiche pratiche di condivisione delle decisioni fra tutto l’equipaggio vennero progressivamente messe in ombra dall’accentuarsi del ruolo dei patroni, dei comiti e dei mercanti, ci viene esplicitamente ribadito come la religiosità tipica dei marittimi, sempre alla ricerca di una protezione contro lo scatenarsi delle forze della natura, costituisse invece un terreno comune sul quale ufficiali ed equipaggio si ritrovavano senza distinzione. E di protezione ultraterrena si avvertiva sicuramente il bisogno, di fronte all’imprevedibilità degli elementi e alla stessa immensità della distesa liquida con la quale i naviganti dovevano confrontarsi; col passare del tempo, tuttavia, quegli stessi uomini seppero acquisire una conoscenza così profonda delle acque, delle correnti e dei venti da poter stabilire con sicurezza le loro rotte e farle divenire percorsi abituali, sui quali muoversi con una regolarità che era il prodotto dell’esperienza, così come dall’esperienza diretta delle necessità derivò la capacità di costruire quegli strumenti che si sono più sopra ricordati, che consentivano ai naviganti di sapere con sicurezza dove si trovavano e di definire conseguentemente, con una naturalezza che agli occhi dei „terrestri“ appariva velata di aspetti quasi magici, il tempo necessario a raggiungere una destinazione. Questa vita così ricca di aspetti differenti richiamò inevitabilmente l’attenzione dei legislatori, e produsse una serie di testi che andarono a normarla fin negli aspetti più minuti, definendo i termini dei rapporti fra armatori, mercanti ed equipaggi, così come quelli fra le differenti navi che si incontravano in mare, stabilendo obblighi e superando residui di legislazioni precedenti. La forza della legge mirava però anche a combattere, o almeno a contenere, gli effetti di un aspetto particolare della navigazione come quello dei corsari e dei pirati, al quale viene giustamente dato un ampio spazio nella trattazione. Attività, questa, che era spesso inserita in quegli ampi conflitti che videro contrapposte in vario modo le potenze economiche delle coste cristiane del Mediterraneo nel tentativo di assicurarsi la quota più ampia possibile delle risorse economiche e soprattutto delle rotte di navigazione lungo le quali quelle risorse venivano trasferite da un punto all’altro del mare interno e, con la fine del Duecento, anche al di fuori di esso. L’ultimo capitolo del lavoro „esce“ infatti dal Mediterraneo. Un mare divenuto ormai troppo piccolo per le necessità e le ambizioni delle sue potenze marittime, che oltretutto dovettero confrontarsi con le crescenti difficoltà generate dall’affermarsi nell’Oriente della nuova potenza ottomana. Il desiderio di scoprire nuove rotte commerciali, insieme all’innata curiosità del genere umano verso l’ignoto, sovrintese quindi a quella fase che avrebbe segnato l’inizio di una nuova età e che è marcata, nelle pagine conclusive del volume, tanto dallo „splendido“ fallimento della spedizione dei fratelli Vivaldi, quanto dal „balzo nell’ignoto“ di Cristoforo Colombo.
Enrico Basso
Sarah Davis-Secord, Migration in the Medieval Mediterranean, Amsterdam (Amsterdam University Press) 2021 (Past Imperfect – ARC), 119 pp., ISBN 978-1-64189-266-7, € 19,95.
Il tema delle migrazioni nel Mediterraneo medievale non ha ricevuto particolare attenzione; tanto più se rapportato ad altri periodi storici. In realtà, nonostante l’immagine stereotipata d’un periodo statico e chiuso in sé stesso, il millennio medievale ha conosciuto un discreto grado di mobilità spaziale. Uomini, beni, idee e perfino germi patogeni hanno attraversato il mare da una sponda all’altra a bordo di navi e galee, mettendo in connessione mondi contermini. Basti pensare alla diffusione del Cristianesimo lungo le rotte commerciali dell’Impero romano, all’espansione greca e a quella musulmana, alla presenza latina a Costantinopoli e nel Mediterraneo orientale, così come alle presenze ebraiche nelle principali città costiere per ottenere immediatamente un quadro diverso. Con ciò, manca, ancora, un quadro di sintesi capace di andare oltre la contrapposizione tra fedi e culture, erede della visione pirenniana. È quanto proposto, vent’anni fa, da Peregrine Horden e Nicholas Purcell nel noto „The Corrupting Sea. A Study of Mediterranean History“, che ha portato a rivalutare i network locali quali frammenti d’un mondo più vasto, profondamente interconnesso. A legare le opposte sponde del mare non sarebbero che le comunicazioni marittime – non a caso, enfatizzate, dall’altrettanto monumentale studio di Michael McCormick dedicato all’alto-Medioevo: „Originis of the European Economy“ –, capaci d’ammortizzare i rischi derivanti dall’impossibilità dell’autosufficienza: è quanto essi intendono col termine connectivity, chiave per comprenderne la prospettiva. Più recentemente, David Abulafia ha proposto, nel suo „The Great Sea“, di centrare l’attenzione su chi su quel mare ha vissuto e prosperato, all’insegna d’una „human history of the Mediterranean“ sulla cui scia mi pongo senza remore. Quest’ultimo, anzi – proposta più opinabile –, si è spinto sino a dividere la storia stessa del Mediterraneo in periodi secondo l’uso fatto del mare dalle civiltà alberganti lungo le sue sponde. Il libro di Sarah Davis-Secord, Associate Professor presso l’Università del New Mexico, „Migration in the Medieval Mediterranean“, si pone dichiaratamente sulla stessa scia. Siamo di fronte a un’opera contenuta, di carattere – diremmo – didattico o divulgativo, strutturata in undici brevi capitoli, ciascuno dei quali dedicato a un caso di studio ambientato prevalentemente in età alto-medievale (ma non solo), dedicato a una particolare „biografia migrante“: da Teodoro di Tarso a Elia il Giovane (o di Enna), da Costantino l’Africano a Giorgio d’Antiochia, a Mosé Maimonide e così via. La studiosa s’interroga circa le motivazioni della migrazione, con lo scopo di utilizzare „their stories as the basis for a broader understanding of the patterns and motivations for migration across de medieval Mediterranean“ (p. 5). Emergono vicende mutevoli, che vedono i protagonisti dei bozzetti offerti dal volume spostarsi per le motivazioni più varie: dai mutamenti di regime politico o religioso alla speranza di condurre una vita migliore. La studiosa si concentra su vere e proprie storie di migrazione, escludendo dalla trattazione quelle di viaggiatori e mercanti temporaneamente assenti dalle proprie case. Lo scopo, quello di mostrare „the common humanity shared by medieval people and modern people“, giacché „medieval migrants were humans who sought better circumstances for themselves and their families – just as modern migrants do“ (p. 6). In effetti, la tentazione attualizzante attraversa l’intero volume, senza, tuttavia, influire troppo sull’analisi delle single figure. Davis-Secord è consapevole che la maggior parte delle vicende superstiti si riferisce a un’élite, capace, al termine di spostamenti conclusisi favorevolmente, d’adattarsi alla nuova realtà tanto da favorire la narrazione delle proprie gesta. È convinta, altresì, della possibilità d’estrapolare da tali esempi comportamenti generali per poter comprendere il fenomeno nel suo complesso, benché tali costanti non siano evidenziate, esulando dallo scopo del libro. A ciò si aggiunge il fatto che la maggior parte delle biografie superstiti riguarda uomini, evidenziando i problemi concreti con cui lo studioso delle migrazioni si trova ad affrontare. Da questo punto di vista, il volume si rivela prezioso per un uso didattico, fornendo materiale di discussione per studenti d’ogni ordine e grado. Non credo, a ogni modo, che la conoscenza di tali biografie possa concorrere a comprendere meglio „the commonalities connecting medieval and modern people“ (p. 7). O, meglio, non credo che tale debba essere lo scopo primario dell’analisi d’un fenomeno tanto importante. Si può essere concordi, invece, sul fatto che lo studio delle migrazioni „can be an entry point for thinking about a medieval Mediterranean history as a whole“ (p. 7), contribuendo ad allargare quella „ragione mediterranea“ spesso manchevole negli ordinamenti universitari (in particolar modo, italiani).
Antonio Musarra
Le vie della comunicazione nel medioevo. Livelli, soggetti e spazi d’intervento nei cambiamenti sociali e politici. Progetto Atelier Jeunes Chercheurs 2° Giornate di studio, Roma, 20–21 ottobre 2016, a cura di Marialuisa Bottazzi, Caterina Ciccopiedi e Paolo Buffo, Trieste; Roma (CERM; École française de Rome) 2019 (Atti / Centro Europeo Ricerche Medievali 12; Collection de l’École française de Rome 560), XI, 489 S., Abb., ISBN 978-88-95368-32-0, € 34.
Dem Centro Europeo Ricerche Medievali (CERM) in Triest ist unter seinem Direktor Paolo Cammarosano eine besondere Förderung des mediävistischen Nachwuchs zu verdanken, indem es mit Unterstützung der École française de Rome noch „junge“ mit etablierten Historikerinnen und Historikern zu thematischen „Ateliers jeunes chercheurs“ zusammenbringt. Das zweite Treffen im Jahr 2017 war dem breiten Feld der Kommunikation im Mittelalter gewidmet, zu dem der Bd. 17 Beiträge versammelt, die den interdisziplinären Bogen geographisch über den Mittelmeerraum und chronologisch von der Spätantike zum Spätmittelalter schlagen. Dabei gilt das besondere Augenmerk epigraphischen, literarischen, diplomatischen, rechts- und kunstgeschichtlichen sowie ökonomischen Quellen und Fragestellungen. Nach der Einführung von Caterina Ciccopiedi untersucht Marialuisa Bottazzi die Formen der Monumentalisierung von Information im Frühmittelalter, wobei sie – ausgehend von norditalienischen Beispielen – einen Trend von der Epigraphie hin zur Malerei konstatiert, der dann im 12. Jh. von einer neuen Blüte der monumentalen Epigraphik abgelöst wurde. Gianfranco Agosti wertet christliche Metrik in Inschriften des griechischen Ostens ab dem 4. Jh. aus, in denen die klassischen Vorbilder sukzessive durch christliche Motive ersetzt wurden. Wie die Kommunikation zwischen den galloromanischen Heiligen Martin, Germanus und Amandus und ihrer Umgebung erfolgte, untersucht Luciana Furbetta anhand ihrer Viten. Die Konstruktion der Figuren der Heiligen folgt ganz den hagiographischen Traditionen. Der Kunsthistoriker Guido Tigler stellt dar, wie um 1900 prominente Vertreter der „Wiener Schule“ das Problem des „multiculturalismo del Medioevo“ (S. 140) zwischen der klassischen Kunst, dem Alten Orient und den „Barbaren“ des germanischen Nordens angingen. Im Zentrum stehen dabei die zum Teil sehr gewagten und zunehmend weltanschaulich gefärbten Ideen so prominenter Vertreter wie Rudolf Eitelberger, Gottfried Semper, Alois Riegl und Josef Strzygowski. Paolo Cammarosano und Francesco Barone wenden sich den vielfältigen kulturellen und politischen Austauschformen zwischen West und Ost zu, wobei ersterer die karolingischen, arabischen und byzantinischen „rinascenze“ beleuchtet, während letzterer die diplomatische Kommunikation zwischen dem fatimidischen Kairo und dem regnum Sizilien unter Roger II. untersucht. Barone fügt eine willkommene Übersetzung des außergewöhnlich detailreichen Briefes bei, mit dem im Winter 1137/1138 die fatimidische Kanzlei dem Normannen wichtige Informationen übermittelte (S. 290, 323–329). Der Kalif al-Hafiz (1130–1149) ließ Roger einen zeremoniellen Sonnenschirm (miẓalla) überbringen, der trotz seines ambivalenten Sinngehalts zu einem Hoheitszeichen am Normannenhof wurde (S. 316–319). Daniele Morossi beleuchtet die komplexen Beziehungen zwischen Venedig, Byzanz, dem normannischen Bari und Ungarn im Adriaraum zu Beginn des 12. Jh. Im Apenninen- und Alpenraum ergibt sich ein weiterer Schwerpunkt des Bd. Paolo Buffo analysiert die Praktiken im Schriftwesen der großen Kirchenkapitel in den piemontesischen Städten und den Hospitälern an den westlichen Passwegen. Die Diffusion von Notars- und Siegelurkunden sowie Chirographen belegen die „circolazione dei saperi documentari“ (S. 175). Laurent Fellers Untersuchung zur Transumanz beleuchtet nicht nur die geographisch-agrarische Seite des wohlbekannten Phänomens von Katalonien bis Süditalien, sondern vertieft auch dessen ökonomischen Synergieeffekte (S. 398) und die organisatorischen und weiterverarbeitenden Strukturen, an denen nicht nur Hirten, sondern auch adelige Unternehmer ihren Anteil hatten (S. 399, 406–410). Benedetta Chiesi untersucht die Verbreitung und Adaption von französischer Elfenbeinkunst im Italien des 14. und 15. Jh. Stefania Anzoise kann zeigen, dass in den Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Kaisertum im 12. Jh. – im Ringen um die Obödienz bei päpstlichen Doppelwahlen – letztlich die persönlichen Kontakte den Ausschlag gaben. Eine erstaunliche Mobilität zeichnet bekanntlich die Bettelorden aus. Cecilia Iannella stellt dazu die Strategien des Predigtwesens der Orden vor, dessen Erfolg von Charisma und politischer Unterstützung abhing. Paolo Tomei verfolgt den Aufstieg von einigen toskanischen Familien des Landadels wie der Da Porcari und Da Montemagno, die sich in Städten wie Lucca, Pisa und Florenz als Podestà verdienten. Nebenbei erfährt man auch von noch zu vertiefenden Beziehungen zu den Institutionen des kaiserlichen Reichsitalien. Visuelle Kommunikation ist an die von Haude Morvan untersuchten Grabmäler geknüpft, was ihre Wirkung auf die Betrachter des 13. Jh. belegt. Der Rhetor Boncompagno da Signa räumte aber die Überforderung vieler bei der Entzifferung von antiken Grabinschriften ein (S. 335). In seiner rechtsgeschichtlichen Studie weist Matteo Magnani die Zirkulation von juristischen Praktiken zumal im Besitzrecht zwischen Venedig und seiner lange von Byzanz geprägten Kolonie Kreta nach. Um Rechtsakte – hier die Denuntiationen in den Justizregistern Bolognas – geht es auch im Beitrag von Edward Dettmam Loss. Ihre Bedeutung liegt auch in der teilweisen Berücksichtigung der Volkssprache (Volgare), die – neben Latein und anderen Sprachen – auch in der Korrespondenz zwischen italienischen Großhändlern und Bankiers benutzt wurde, wie Miriam Davide zeigt. Die Verbreitung des ökonomisch-finanztechnischen Wissens in den italienischen Kommunen bezeugt noch einmal den Facettenreichtum des Rahmenthemas dieses Bandes.
Andreas Rehberg
Christoph Mauntel (Ed.), Geography and Religious Knowledge in the Medieval World, Berlin-Boston (De Gruyter) 2021 (Das Mittelalter – Perspektiven mediävistischer Forschung. Beihefte 14), VI, 312 S., 54 Abb., ISBN 978-3-11-068595-4, € 94,95.
Die geo- und kartographiegeschichtliche Forschung hat sich seit den 1980er-Jahren unter dem Einfluss des Poststrukturalismus zunehmend von der Annahme verabschiedet, es gäbe eine neutrale Repräsentation von geographischem Raum, die frei von zeitgenössischen Einflüssen ist. Wie die Arbeiten Anna-Dorothee von den Brinckens zu mittelalterlichen Weltkarten gezeigt haben, bildete in vormodernen Gesellschaften vor allem die Religion einen wichtigen Einflussfaktor. Daran anknüpfend hat der von Christoph Mauntel herausgegebene Sammelbd. sich zum Ziel gesetzt, das Wechselspiel von religiösem Wissen und geographischen bzw. kartographischen Repräsentationen der Welt anhand von Fallbeispielen in den Blick zu nehmen, die vom späten 7. bis in das frühe 16. Jh. hinein reichen. Die Studien sind aus einer interdisziplinär und interkulturell ausgerichteten Tagung hervorgegangen, die 2019 vom DFG-Graduiertenkolleg „Religious Knowledge in Pre-Modern Europe (800–1800)“ in Tübingen veranstaltet wurde. Sieben der elf Beiträge behandeln Karten, Diagramme oder geographische Abhandlungen aus den lateinisch-christlichen Traditionen, vier weitere sind der arabisch-islamischen Welt gewidmet. Die ersten beiden Fallstudien nach der breit angelegten Einführung des Hg. (S. 1–35) thematisieren die grundlegenden kartographischen Traditionen in Ost und West. Während Karen C. Pinto die religiöse Dimension von Weltkarten aus der Tradition des „Kitāb al-masālik wa-al-mamālik“ (Buch der Wege und Provinzen) aufschlüsselt (S. 39–56), wendet Christoph Mauntel sich gegen die These vom antik-paganen Ursprung der sogenannten T-O bzw. Radkarten und argumentiert stattdessen dafür, dass die Darstellungen eine genuin christliche Weltsicht erkennen lassen (S. 57–82). Die folgenden drei Beiträge befassen sich mit dem Sammeln geographischen Wissens und untersuchen die Bedeutung von Religion als Ordnungssystem. So wurden Karten und Diagramme etwa unter Geistlichen als didaktisches Instrument zur Vermittlung kosmologischer und eschatologischer Zusammenhänge eingesetzt, wie Nathalie Bouloux anhand des „Liber Floridus“ Lamberts von St. Omer demonstriert (S. 85–108). Kurt Franz und Jean-Charles Ducène betonen dagegen am Beispiel des Wörterbuches von Yāqūt al-Ḥamawī (S. 109–139) sowie der Karten Muhammad al-Idrīsīs (S. 141–160), dass islamischen Geographen eine Vielzahl an lexikographischen und demographischen Ordnungsschemata zur Verfügung stand, weshalb sie oft nicht auf religiöses Wissen als strukturierendes Element zurückgriffen. Eine weitere Gruppe von Fallstudien ist dem Wandel der Medien gewidmet, die der Darstellung religiösen oder geographischen Wissens dienten. Felicitas Schmieder betrachtet die Globen des ausgehenden 15. Jh. und kommt zu dem Ergebnis, religiöse Elemente aus den älteren Radkarten seien nicht nur weiterhin verwendet, sondern mitunter auch aktiv für das neue Medium rekonfiguriert worden (S. 163–178). Auch David A. King erörtert die Transformationen, die religiöses Wissen angesichts medialer Wandlungsprozesse durchlief, wobei ihm das Finden der korrekten Gebetsrichtung (qibla) im Islam als Beispiel dient (S. 179–188). Stefan Schröder kann wiederum zeigen, dass die See-, Land- und Weltkarten, welche Pietro Vesconte um 1320 für den Kreuzzugstraktat des Marino Sanudo anfertigte, multiple mediale Traditionen wie die islamische Kartographie oder die Portolane miteinander vereinten und deshalb sowohl geographische als auch religiöse Lesarten zuließen (S. 189–219). Dieses ungewöhnliche Kartenwerk behandelt auch Emanuelle Vagnon, deren Beitrag über die Rezeption der Palästinakarte Sanudos unter den deutschen und italienischen Humanisten des 15. Jh. die letzte Sektion im Bd. eröffnet (S. 223–246). Die in diesem Teil besprochenen Heilig-Land-Karten zählten zu den meistrezipierten Regionalkarten des Mittelalters und illustrieren in besonderem Maße die Verschränkung von Geographie und Religion. Wie Ingrid Baumgärtner und Eva Ferro vorführen, sollten diese Karten religiöse Gefühle evozieren und den Betrachtenden dabei helfen, die Erfahrung einer Pilgerreise emotiv nachzuvollziehen (S. 247–272). Raoul Du Bois analysiert die Heilig-Land-Karten schließlich aus einer praxeologischen Perspektive und legt dar, wie sich etwa durch das (Ent-)Falten einer Karte dramaturgische Effekte erzielen ließen (S. 273–301). Insgesamt brilliert der Sammelbd. vor allem durch seine facettenreichen und quellennahen Fallstudien, die weniger allgemeine Strukturen und Verläufe, sondern vielmehr das Besondere ins Zentrum stellen. Abgerundet wird der Bd. durch ein Orts- und Personenregister sowie 54 farbige Abb., welche die einzelnen Beiträge begleiten.
Gion Wallmeyer
Hendrik Dey, The Making of Medieval Rome. A New Profile of the City, 400–1420, Cambridge (Cambridge University Press) 2021, IX, 338 S., Abb., ISBN 978-1-108-83853-5, € 52,58.
Der Autor zeigt schon im Titel selbstbewusst an, dass es ihm darum geht, Richard Krautheimers Klassiker der römischen Stadtgeschichtsschreibung „Rome. Profile of a City, 312–1308“ (1980) einer Neubewertung zu unterziehen. Mit Verve, aber auch großem Respekt vor dem Altmeister, geht der Professor vom Hunter College der City University of New York ans Werk. Sehr belesen und bestens vernetzt kann er die jüngsten Ergebnisse der internationalen Forschung zur Stadt Rom in den letzten 40 Jahren ausbreiten. Und die hat nun gegenüber den Zeiten Krautheimers enorme Fortschritte gemacht. Neue Maßstäbe hat insbesondere die Mittelalterarchäologie gesetzt, der der gelernte Archäologe Dey besonders nahesteht. Ein Grundtenor des frisch geschriebenen Buches ist, dass den Römern im Mittelalter die antike Stadttopographie wie ein zu großes Hemd übergestreift war: Die aufgrund natürlicher und politischer Katastrophen stark reduzierte Bevölkerung Roms konnte sich über die ersten hier behandelten Jh. noch gut in den langsam zu Ruinen werdenden alten Gebäuden einrichten. Während man anderenorts mit auch profanen Neubauten glänzte, kam es nach der ersten Welle christlicher Kirchbauten unter Konstantin dem Großen erst ab dem 5. Jh. zur Errichtung neuer Gotteshäuser. Dabei sind Konjunkturen zu erkennen, die meist mit der politischen Großwetterlage zusammenhingen, die dem Papsttum entweder zu Gute kam oder schadete. Dabei wird Krautheimers Tendenz, den Einfluss der Kirche auf die städtebauliche Entwicklung Roms vor dem 8. Jh. (zumal unter Gregor I.) zu überschätzen, korrigiert (S. 89). Dank der Ausgrabungserfolge in der Crypta Balbi gibt es auch kein „Dark Age“ mehr (S. 99): Rom war am Ende des 7. Jh. noch zu Getreideimporten aus Nordafrika in der Lage! Die Wende hin zur päpstlichen Macht vollzog sich erst im 8. Jh. Ein Johannes VII. und ein Paschalis I. verstanden es, sich mit Kirchbauten und Apsismosaiken in Szene zu setzen. Aber im 10. und 11. Jh. erhoben auch „municipal leaders“ – gemeint sind damit u. a. die machtvollen Figuren aus der Familie des Theophylakts – ihr Haupt in Rom, das trotz dramatischen Einwohnerschwundes bis ins 11. Jh. noch die bevölkerungsreichste Stadt Italiens blieb. Ebenfalls von den archäologischen Funden bestätigt wird die Konzentration der Bewohner hin zum Tiberknie erst Ende des 11. Jh. (S. 188). Ein Grund hierfür war die damals endgültige Unterbrechung der Wasserzufuhr (Aqua Claudia). Nachdem die Synode von Sutri 1046 das Adelspapsttum beendet hatte, kam auch Bewegung in die Sozialstruktur der Stadt. Die bewusste Anhebung des Straßenniveaus wird den Päpsten des 12. Jh. – insbesondere Paschalis II. (1099–1118) – zugeschrieben (S. 201–205). Ab der Mitte des 12. Jh. kam der Senat als öffentlicher Bauträger zumal beim Unterhalt der Stadtmauern zum Zuge. Der jetzt immer mächtiger werdenden oberen Adelsklasse der Barone wird in den Jahren 1230 bis 1420 eine positive wie negative Rolle nachgewiesen. Der Einschätzung des Autors, dass sich die Ausmalung der berühmten, 1995 im Klosterkomplex der SS. Quattro Coronati entdeckten „Aula Gotica“ einer profanen Bildsprache bediene, die von den adligen Laien dieser Zeit bevorzugt wurde (S. 237), mag sich der Rezensent aufgrund fehlender Vergleichsmöglichkeiten allerdings nur unter Vorbehalt anschließen. Ab dem späten 13. Jh. verdichtete sich die Bebauung im Tiberknie derart, dass die Gebäude gemeinsame Wände erhielten und die uns heute so vertrauten geschlossenen Straßenzüge entstanden. Überall begann man, auch heraldische Zeichen zu setzen. Umso bedrückender zeigte sich nach einer vorübergehenden Blüte des Kirchenbaus zum Ausgang des Duecento der unaufhaltsame Niedergang Roms während der Abwesenheit der Päpste in Avignon im Trecento. Die wirtschaftlich geschwächte römische Kommune konnte das Machtvakuum nur bedingt für sich nutzen. Dass in Rom alles langsamer als anderswo verlief, damit hatte auch der erstmals wieder den gesamten Stadtraum in den Blick nehmende Papst Nikolaus V. (1447–1455), der im Epilog vorgestellt wird, seine Last. Die Darstellung auf 300 S. kann als geglückt gelten. Bei der großen Fülle an Material für ein Jahrtausend bewegter Stadtgeschichte ist es allerdings unvermeidbar, dass einige Aspekte zu kurz kommen bzw. ausgeblendet werden. So bleibt die Bedeutung der spätmittelalterlichen Hospitäler wie desjenigen von S. Spirito in Sassia oder des Salvator-Hospitals am Lateran unerwähnt. Der Name der vornehmsten Bruderschaft, der des SS.mo Salvatore, fällt nicht einmal, wo von den ihr obliegenden Ordnungsaufgaben an der Via Maior zwischen Lateran und Kolosseum die Rede ist (S. 249 f.). Unter den vorgestellten religiösen Umzügen fehlt ausgerechnet die Assunta-Prozession am 15. August, die den Höhepunkt im kommunalen Festkalender Roms markierte. Mehr Aufmerksamkeit hätten auch die Pfarreien sowie die – zugegebenermaßen oft schwächelnde – römische Universität verdient. Bestens vermittelt wird dagegen ein Leitmotiv, das dem Autor besonders wichtig ist, und zwar der Umstand, dass die Renaissance und damit auch der heutige Betrachter ein Rom vor Augen hat, das – was das antike Erbe angeht – weitgehend „a creation of the Middle Ages“ war (S. 259).
Andreas Rehberg
Daniele Manacorda, Paesaggi di Roma medievale, Roma (Viella) 2021 (I libri di Viella 389), 464 S., Abb., ISBN 978-88-331-3792-6, € 50.
Mit der Ausgrabung der Crypta Balbi begann 1981 die Mittelalter-Archäologie in der Ewigen Stadt. Einer der daran maßgeblich Beteiligten war Daniele Manacorda, der in diesem Aufsatzbd. 21 Studien zusammenführt. Der Vf. zitiert trefflich Johann Wolfgang Goethes Mühe, „das alte Rom aus dem neuen herauszuklauben“ (S. 18), was auch umgekehrt gilt. Kennzeichen der Mittelalter-Archäologie sind die systematische, alle Epochen dokumentierende Stratigraphie und der rekonstruktive, ganzheitliche und kontextuelle Anspruch (S. 25). Die beiden ersten Themenschwerpunkte des Bandes bilden einen Methoden-Block („Temi e problemi“) und eine Auswahl zu Einzelstudien zu Kirchen und Stadtteilen („Chiese e contrade“). Der Löwenanteil kommt Teil 3 zu, der die Geschichte der Crypta Balbi in neun Studien von der Antike bis zur Frühneuzeit rekonstruiert. Der Vf. beginnt mit einem Durchzieher durch die Jahrhunderte des Umgangs in Rom mit dem eigenen baulichen Erbe. Dabei zeigt sich, dass sich keineswegs erst die Faschisten ab 1922 der Vergangenheit gegenüber rücksichtslos zeigten. Mit Roma Capitale sollten ab 1870 über Jahrzehnte Baustellen und Erdaushübe das Stadtbild prägen. Die „laicizzazione sabauda“ habe das Kolosseum entchristianisiert und das Pantheon zu einem Weiheort der neuen Dynastie umgeformt. Das Mittelalter wurde ganz und gar ausgeklammert (S. 37). Der Vf. spart nicht an Kritik auch an jüngsten Beispielen von verfehlter Nutzbarmachung von Ausgrabungen wie die missglückten Rampen hin zur Porticus der Octavia (S. 42). Die topographische und historische Forschung erkennt derzeit die Diskontinuität der Stadtlandschaft während des 11. Jh. mit dem Verschwinden der curtes und dem Aufkommen der Turmhäuser. Der die Suche in den Archiven nicht scheuende Archäologe wird – wie der Vf. vorbildlich an Weinbergkatastern zeigt – mit zahlreichen Hinweisen für die Vernetzung von ersten Funden aus dem Altertum und Besitzgeschichte belohnt. All diese methodischen Ansätze werden in den Abschnitten II und III mit Einzelbeispielen durchdekliniert. Hervorgehoben sei der weitläufige Komplex von S. Caterina dei Funari mit seinem Garten, der zum Ausgrabungsgelände wurde. 1479 hob Sixtus IV. die alte von Kanonikern geführte Kirche S. Maria domine Rose auf und übergab sie einer gewissen Caterina und ihren Gefährtinnen aus Rom, „que ordinem Sancti Ambrosii ad nemus extra muros Mediolanenses sunt professe“. Vier Jahre später erscheint die alte Kirche unter dem neuen Namen S. Saturnino. Die Reliquien daraus (u. a. die des hl. Saturninus) wurden 1570 in die neue Kirche S. Caterina dei Funari transferiert. Mit Akribie werden die wichtigsten Ausgrabungsbefunde präsentiert und mit Hilfe zahlreicher Archivalien sozial kontextualisiert. Auf diese Weise erhalten auch weniger bekannte Familien wie die Bellomo, Coleine oder Del Pettine ein Profil. Hervorzuheben sind die hilfreichen Karten, innovativen Schaubilder (die verschiedene Erhaltungszustände zumal der Crypta Balbi veranschaulichen) und mitunter historische Photographien.
Andreas Rehberg
Giulio Del Buono, L’Isola Tiberina e l’Area del Foro Boario a Roma. Topografia e toponomastica delle chiese nel Medioevo, Roma (Istituto Storico Italiano per il Medioevo) 2021 (Nuovi studi storici 122), XXVI, 388 S., Abb., ISBN 978-88-314-4514-6, € 45.
Der Autor hat sich zum Ziel gesetzt, die kirchliche Topographie von der Tiberinsel, über das Marcellus-Theater bis hin zu den unter dem Faschismus der Spitzhacke zum Opfer gefallenen Gotteshäusern am Fuße des Kapitols bis nach S. Maria in Cosmedin aufzuarbeiten. Im ersten Schritt wird die Gestaltung der Basiskarte im Anhang (Tafel 1) erklärt, die unter anderem auf den Karten des Leonardo Bufalini (1551) und des Giovanni Battista Nolli (1748) aufbaut. In den Kapiteln 2 bis 5 stellt der Autor akribisch die einzelnen Kirchen vor. Dabei werden in der abgesteckten Region vier Kategorien je nach dem Grad der Zuverlässigkeit ihres Standorts zugrunde gelegt: zunächst die Kirchen mit einer gesicherten, dann die mit ungefährer und schließlich diejenigen mit einer zweifelhaften Position. Im fünften Kapitel werden die nicht zu verortenden Gotteshäuser diskutiert. Thema ist stets die Entstehung der sich über die Jahrhunderte oft wandelnden Kirchenpatrozinien und -namen. „Pate“ standen oft, aber keineswegs immer, die Kirchengründer und -gründerinnen aus der Aristokratie, wie aus dem Theophylakt-Umfeld oder aus dem Geschlecht der Imiza (S. 104 f., 189, 190–193, 262). Manchmal ist aber nicht mehr rekonstruierbar, was zuerst da war: die Legende oder der Beiname der Kirche selbst? So wird der Bd. auch zu einem methodisch anspruchsvollen Lehrbuch zu den Fallstricken historischer Topographie, die in Rom stets tiefe Wurzeln schon in der Antike hat und ab dem 16. Jh. ein beliebtes Forschungsfeld der Antiquare wurde. Musste man sich bislang vor allem auf den Augenschein und etwaige Archivquellen verlassen, sind in den letzten Jahren die z. T. umfangreichen Befunde der Mittelalter-Archäologie hinzugekommen. Von deren Werkzeugen übernimmt der Vf. die von Jean Coste entwickelte „Methode der Kreise“ für die Kirchen mit ungewisser topographischer Zuordnung (Tafel 2). Die Matrix für die Rekonstruktion gibt der Katalog von Turin ab, der um 1320 für die Romana Fraternitas (zu dieser einflussreichen Klerikervereinigung s. explizit S. 235 f.) erstellt wurde. Folgt man seiner Liste, kann man die Kreise um die dort genannten, aber ansonsten schlecht überlieferten Gotteshäuser immer enger ziehen. Auf diesem Rundgang erfährt man einiges über bekanntere Kirchen wie S. Bartolomeo auf der Tiberinsel oder S. Nicola in Carcere Tulliano, aber auch fast unbekannte bzw. nicht mehr existierende Gotteshäuser wie S. Maria in Portico (seit 1662 S. Galla genannt, abgerissen 1932/1938), S. Salvatore de Statera (seit 1575 S. Omobono), S. Giacomo d’Altopascio (seit 1453 S. Eligio dei Ferrari), S. Maria in Cannapara (als S. Maria delle Grazie 1871 abgerissen), S. Maria in Curte Donne Micine (S. Maria della Consolazione), S. Lorenzo de Cavellutiis (im 16. Jh. der Ausweitung des Ghettos geopfert) oder die heute nur noch annähernd zu lokalisierende Kirche S. Maria de Berta (bzw. S. Caterina a Porta Leone). Man staunt ob der vielen Namenswechsel und auch über die offenbare Leichtigkeit, mit der man schon ab dem 15. Jh. baufällig gewordene oder ungenutzte Kirchen aufgeben bzw. anderen Zwecken zuführen konnte. Durch die Parzellierung des Untersuchungsraumes verlangt das Buch aber dem inneren Auge des Lesers einige Konzentration ab. Zu bedauern ist, dass über den langen Entstehungsprozess des Werks die neueste Literatur nicht immer vollständig nachgeführt wurde. So spricht der Autor immer noch vom Anonimo Spagnolo (sogar im Namensindex), obwohl dieser doch längst als Alonso Chácon (ca. 1540–1599) identifiziert wurde. Unzuträglich ist auch, dass es nur einen Index der Kirchen und keinen zusätzlichen zu den vielen sonstigen topographischen Informationen des Bd. gibt.
Andreas Rehberg
Virtus Zallot, Sulle teste nel Medioevo. Storie e immagini di capelli, Bologna (Il Mulino) 2021 (Biblioteca storica), 250 S., Abb., ISBN 978-88-15-29318-3, € 26.
Die zu besprechende Monographie widmet sich dem Thema menschlicher Haare und damit einer Thematik, die in der historischen Forschung bisher marginal geblieben ist. Das Werk wendet sich sowohl an ein Fachpublikum als auch eine interessierte breitere Leserschaft. Hervorzuheben sind die zahlreichen Illustrationen. Das Thema wird vornehmlich aus einer kunsthistorischen Optik betrachtet. Das Werk berücksichtigt aber über materielle Zeugnisse hinaus auch eine Vielzahl narrativer Quellen; neben Texten, die für die Geschichtswissenschaft relevant sind, auch solche, die in den Bereich der Literaturwissenschaft gehören. Insgesamt kennzeichnet das Buch ein kultur- und mentalitätsgeschichtlicher Zugriff mit einer Aufmerksamkeit für Genderfragen. Die Befunde ordnet die Autorin den folgenden, etwa seitenmäßig gleich starken Kapiteln zu: Haarfarben (S. 15–36), das Haar der Frauen (S. 37–57), Haarpflege und Frisuren (S. 59–88), zerzaustes, ungepflegtes Haar (S. 89–111), die Rolle des Haares bei Gesten von Trauer und Schmerz (S. 113–129), abgeschnittenes Haar (S. 131–164) sowie der gewaltsame und strafende Umgang mit dem Haar (S. 165–190). Das Werk unterstreicht die Bedeutung des Themas über Schönheitspflege, Geschmäcker und Moden hinaus. Vielmehr ist das Haar mit symbolischen Bedeutungen aufgeladen, fungiert als Ausdruck sozialer Position und Zugehörigkeit, der individuellen Persönlichkeit, ist Symbol von Macht und nicht zuletzt auch durch das Geschlecht mitkonditioniert. An diversen Beispielen werden die Diskrepanzen zwischen Realitäten auf der einen und Normen und Erwartungen auf der anderen Seite deutlich. Wurde mit Letzteren gebrochen, erregte dies Kritik und Konflikt. Besonders viel Kritik kam von Seiten geistlicher Autoren, welche Schönheitspflege, aufwendige Frisuren, Haarschmuck und jede Handlung, Alterserscheinungen zu kaschieren, als verachtenswerte Eitelkeiten, falsche Schönheit und Handlungen gegen den Willen des Herrn ablehnten. In diesem Bereich traf Frauen die meiste Kritik, doch waren auch Männer davon nicht ausgenommen, denen unter anderem Verweiblichung unterstellt wurde. Diesen Ansichten standen eine gelebte Praxis und Ratschläge medizinischer Texte und Rezeptarien gegenüber, welche sich der Verschönerung und der Linderung von Alterserscheinungen widmeten und auf großes Interesse stießen. Solche Ambivalenzen lassen sich auch im Bereich der Bedeutungszuschreibungen konstatieren. So galt z. B. weißes Haar als Ausdruck von Würde und Erhabenheit, Weisheit, Langlebigkeit (durch Gottes Gnade), aber auch als Zeichen der vergehenden Zeit und sichtbare Folge erlebter Mühsal und erlittenen Schmerzes. Insgesamt betrachtet lassen sich verschiedene Bedeutungsebenen identifizieren, die ein komplexes und zusammenwirkendes Gefüge bilden. Sowohl bildliche als auch narrative Darstellungen scheinen in hohem Maße von Topoi geprägt zu sein. Diese Konventionen konnten ihren Reflex auch in Ritualen finden. In diesen Kontexten war die Entsprechung zwischen äußerer Erscheinung und inneren Qualitäten bzw. temporären Zuständen ein zeitgenössischer Grundgedanke, z. B. konnten Verdammte, Dämonen und schmerzerfüllte Personen nur zerzaustes Haar tragen. Geschlechtsspezifisch verschieden gestaltet sich die Bedeutung der strafenden Rasur: Im Fall der Frauen richtete sich diese Maßnahme gegen ihre Schönheit, bei Männern gegen ihre soziale Position. Aus der Sicht der historischen Altersforschung erscheinen die Ausführungen zum weißen bzw. grauen Haar (S. 27–36), zu Mitteln des Haarfärbens und zu Perücken (S. 65–80), zum Haarausfall insbesondere bei Männern (S. 80–88) sowie zu alterskonformen Frisuren und Bartlängen (je älter, desto länger der weiße Bart) (S. 100–106) besonders relevant. Doch kann das Alter(n) nicht losgelöst von Vorstellungen jugendlicher Schönheit gesehen werden. Das lange, dichte, gepflegte blonde oder schwarze Haar galt als weibliches Schönheitsideal und bildet daher die Kontrastfolie (S. 20–27, 37–51, 59–65). Das Buch stellt ferner die kulturelle Bedingtheit der Thematik heraus, so dass sich diese auch für einen transkulturellen Vergleich anböte. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Monographie zahlreiche Anknüpfungspunkte für künftige Untersuchungen bietet und in ihrer Synthese einen hervorragenden Überblick über dieses vielschichtige Thema eröffnet. In der Zukunft könnten einzelne Bereiche der historischen Forschung stärker in den Blick genommen werden, die das Thema aus ihren spezifischen Sichtweisen heraus angehen, so Handels- und Wirtschaftsgeschichte, politische Geschichte, Religionsgeschichte, Medizingeschichte, Sozialgeschichte, Geschlechtergeschichte, Geschichte der Sexualität und historische Alter(n)sforschung. Unter anderem könnte nach diachronen Entwicklungen gefragt, und die Quellenbefunde könnten stärker in ihren spezifischen Kontexten und Genretraditionen analysiert werden.
Christian A. Neumann
Filippo Ribani, Cibi rustici per palati raffinati. Culture contadine e tavole aristocratiche nel Medioevo italiano, Spoleto (Fondazione Centro Italiano di studi sull’Alto Medioevo) 2021 (Testi, studi, strumenti 35), VI, 170 pp., ISBN 978-88-6809-317-4, € 22.
Il libro si apre esplicitando un proprio approccio, ispirato da altri – Schofield, segnatamente – per il quale la cultura è individuabile in comportamenti come il modo di scrivere e di parlare ma anche il vestiario e, appunto, il cibo, che contraddistinguono un gruppo sociale, rendendolo riconoscibile da altri. Con questa chiave, è allora interessante seguire le vicende del cibo nel medioevo per cercare di cogliere quanto fossero riscontrabili nella realtà le convinzioni attestate sia dalla letteratura sia dalla produzione scientifica medievale, concordi nel ritenere che ognuno doveva mangiare ciò che aveva sempre mangiato e che vi fosse una distinzione e stratificazione sociale del cibo. Tutto questo senza dimenticare l’ultima parola del titolo, „italiano“, che determina l’ambito di analisi. Il primo capitolo, dunque, si occupa di presentare come era visto il rapporto con il cibo dai testi letterari e da quelli medici, con particolare riguardo a quello dei contadini, rispetto ai quali è nota l’ampia diffusione di una lettura che li voleva dediti a nutrirsi in modo rozzo. Il secondo capitolo, invece, cerca di recuperare la realtà di pratiche e abitudini alimentari da parte degli uomini di campagna. Le fonti di matrice contadina sono scarse ma tramite i contratti agrari, gli statuti, i rendiconti fiscali e i processi giudiziari, si possono avere non pochi indizi. Anche la letteratura, del resto, può dare qualche ulteriore contributo per conoscere la realtà del rapporto tra mondo contadino e cibo, più che l’immagine dello stesso. La lettura che Ribani propone mostra una varietà dei cibi contadini superiore a quanto l’immagine stereotipata voleva, in una sorta di determinismo sociale secondo il quale, a una certa condizione corrispondevano determinati cibi. In realtà, questa rigidità viene già in parte smentita da una attenta lettura della letteratura medica medievale: la monoliticità alimentare contadina era, poi, davvero smantellata dalla varietà di territori presente nella penisola, tra zone di montagna, di collina, di pianura, aree costiere marine e aree interne: in ciascuna di esse si registravano specificità di produzioni agricole e la cucina contadina era molto più legata, per ovvi motivi, ai prodotti locali, rispetto a quella dei signori. Era dunque, semmai, quest’ultima ad essere meno varia e più uniforme. Col capitolo 3, Ribani passa ad analizzare l’alta cucina medievale, partendo dai libri di ricette. L’autore specifica che non è possibile sapere in che misura questi rispecchino non solo la realtà dei pasti delle grandi occasioni degli aristocratici ma anche quella più quotidiana. Tuttavia, nota che nelle loro ricette emergono anche molti ingredienti che la letteratura e i testi scientifici medievali descrivevano come tipicamente contadini, molto evidenti, in particolare, nel „Liber de coquina“ e meno, invece, in una tradizione come quella dei „XII ghiotti“. Un testo davvero particolare è il „Libro de arte coquinaria“ di Martino de’ Rossi, conosciuto come Maestro Martino, originario della Valle di Blenio, nell’odierna Svizzera, e noto come „il principe dei cuochi“, secondo Platina: esso rappresenta un’evoluzione del genere letterario sia per la forma sia per il contenuto. La lingua elegante, unita alla grande precisione nell’esporre le modalità di cottura, il gran numero di ricette, ben duecentottanta nella sua versione più estesa, sono elementi interessanti di questo ricettario nel quale spicca un numero di preparazioni basate su alimenti poveri non trascurabile, anche se nel complesso minoritario e, talvolta, con l’arricchimento per mezzo di ingredienti pregiati secondari. Ribani ricorda i legumi, i cereali minori accanto a quel frumento per pane bianco che però si era diffuso già nel tardo medioevo, almeno in alcune aree a grande produzione ceralicola, anche tra le popolazioni rurali, gli ortaggi e la carne salata, come ingredienti, e le frittate, le uova cotte sotto la cenere o i piccoli pesci saltati in padella, Con tutto ciò, il giovane studioso di storia della gastronomia conclude che „l’alta cucina del primo Rinascimento italiano coincideva in più punti con quella degli strati subalterni, rustici in particolare“ (p. 116). Al termine della sua lettura dei vari testi analizzati, non ampia ma assai serrata e ricca di informazioni, Ribani si chiede se, allora, ci fosse una reale distanza tra i cibi dei contadini e quelli dei signori. A suo avviso, assumendo la metafora del cibo come linguaggio, mediata dal suo maestro, Massimo Montanari, le parole, e cioè gli ingredienti, non erano poi così distanti tra i due mondi e, anzi, in non poche occasioni coincidevano. Non mancavano nemmeno intere ricette contadine inserite nei ricettari dell’alta cucina. Dove, però, si cominciava a vedere una distanza, era a livello sintattico perché i cibi poveri che erano la base, i pilastri gastronomici dell’alimentazione contadina, per i nobili diventavano semplici accessori, preludi o intermezzi o contorni di pietanze più raffinate e costose. Ma era, poi, a livello retorico che la distanza si faceva davvero ampia: luoghi, arredi, stoviglie, presenza di servitori, codici di comportamento differenziavano fortemente i contesti contadini da quelli signorili.
Mario Marrocchi
Giovanni Paolo Maggioni, La santità in Occidente. Introduzione allʼagiografia medievale, Roma (Carocci) 2021 (Studi Superiori 1296. Studi religiosi), 336 pp., ISBN 978-88-290-1174-2, € 31.
Questo ricco volume costituisce una guida agli studi sull’agiografia medievale, pubblicato in una collana di manuali e sintesi destinate a un pubblico di studenti piuttosto che di specialisti. Alle pp. 17 sg., l’autore dichiara esplicitamente di fare un lavoro compilativo a partire dai più importanti saggi esistenti, di cui stila una lista. Questo manuale fa dunque seguito alle grandi sintesi di Robert Aigrain (11953), Réginald Grégoire (11987) e Jacques Dubois e Jean-Loup Lemaitre (1993), a cui si aggiungono i risultati di quasi trent’anni di ricerca (la bibliografia è aggiornata al 2020). L’autore non cita, tuttavia, il manuale francese „Les saints et l’Histoire“, curato da Anne Wagner (2004), anch’esso soprattutto destinato agli studenti. L’ambito di studi è l’Occidente cristiano (alla p. 76, l’autore spiega le ragioni che lo spingono a non trattare l’agiografia orientale) in epoca antica e medievale, cioè dalle origini del culto dei santi cristiani fino al Concilio di Trento (anche se alcuni confronti riguardano santi moderni e contemporanei fino a Giovanni Paolo II). L’opera è composta di tre parti: „Il santo“ (53 pp. in 3 cap.: cos’è un santo, chi sono i santi venerati nel cristianesimo e perché), „Le fonti agiografiche“ (78 pp. in 4 cap. – tra cui in particolare il cap. 7 dedicato a un panorama delle risorse bibliografiche a stampa e online) e 12 „Casi esemplari“ (156 pp.), 12 dossiers in ordine cronologico, lunghi tra 9 e 16 pp., eccetto l’ultimo, su Francesco d’Assisi, di 22 pp. Seguono una bibliografia non esaustiva, in 10 pp., e un indice di 366 santi, autori, testi e feste. Tre utili cataloghi sono inseriti: i caratteri iconografici dei santi più importanti (pp. 107–126), gli oggetti, animali o caratteri fisici e di costume abitualmente assocati ai santi (pp. 126–138) e una lista dei „doppioni agiografici“ secondo Baudouin De Gaiffier (pp. 265 sg.). Le prime due parti costituiscono una pratica guida di grande chiarezza, mentre i 12 dossiers forniscono esempi utili di studio delle fonti su una serie di santi, da Perpetua e Felicita fino a Francesco. Tutti i dossiers hanno una struttura identica: „Il culto e la storia“ del santo in questione, „I testi“, cioè estratti delle fonti, talvolta lunghi, in traduzione italiana, e una „Scheda“, legata più o meno strettamente al santo e/o ai testi, con un focus su un aspetto particolare, sulla presentazione di un autore o di un genere di fonti. La 12a scheda è differente: si tratta di una lunga esposizione delle diverse fonti su Francesco, con una precisa presentazione delle varie versioni del racconto agiografico fino alla „Legenda maior“ di Bonaventura: la storia del dossier, con cronologia e contestualizzazione, e estratti dei vari testi, in traduzione italiana, relativi agli episodi maggiori (gioventù, visione prima della conversione, stimmate): un esempio pedagogico utilissimo per capire il fenomeno della riscrittura agiografica. La struttura del libro, pur rispondendo alle necessità didattiche, crea ripetizioni inutili: le Legendae novae del Duecento, per esempio, sono presentate una prima volta come genere agiografico nel cap. 5 (pp. 87 sg.), ma ancora nelle due „Schede“ su Jean de Mailly (pp. 220 sg.) e Giacopo da Varazze (pp. 230–232). Due altre „Schede“ sugli apostoli (l’elenco dei Dodici alle pp. 210–212 et le tradizioni circa i loro martirii e sepolture alle pp. 286–288) avrebbero potuto essere condensate in una sola. Complessivamente, se i 12 dossiers sono interessanti e utili e forniscono buoni esempi metodologici, la loro organizzazione formale è un poʼ artificiale e forzata; la coerenza d’insieme avrebbe potuto essere curata un poʼ meglio. Si riscontrano solo rarissimi errori tipografici, che non disturbano la lettura. Alle pp. 149–151, tra i repertori di testi secondo le aree geografiche, l’Italia è inspiegabilmente ommessa. Alla p. 252, al titolo „Historia Francorum“ dell’opera di Gregorio di Tours andrebbe preferito „Decem libri Historiarum“ oggi comunemente accettato, e il giudizio sulla sua scarsa competenza grammaticale, è stato largamente ridimensionato dagli studi linguistici recenti. Nel capitolo dedicato a Francesco, lo studioso francese Jacques Dalarun (correttamente citato a p. 149) è erroneamente indicato come François Delarun (p. 294). Nel complesso, questo libro è in linea con lo scopo della pubblicazione: fornisce cioè a un pubblico di studenti un’introduzione allo studio delle fonti agiografiche medievali occidentali, utile e chiara, e con una vera efficacia didattica. Sarà purtroppo inaccessibile a tutti quegli studenti stranieri che non conoscono l’italiano.
Thomas Granier
I Padri nel Medioevo Latino. Omeliari, passionari e loro intersezioni. Studi in memoria di Manlio Simonetti (Firenze, 14 giugno 2019), a cura di Antonella Degl’Innocenti, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Homiliaria et passionaria 2) (Biblioteche e archivi 39), VIII, 135 pp., ISBN 978-88-929-0052-3, € 78.
Omiliari e passionari sono raccolte in origine differenti, i primi composti tendenzialmente da commenti alle letture scritturistiche, mentre i secondi da vite di santi. Essi condividevano però la loro funzione liturgica. Essendo testi aperti all’inculturazione liturgica essi sono uno strumento essenziale per indagare l’interazione tra istituzione ecclesiale e fedeli, per ricercare i modelli valoriali proposti e le convinzioni teologiche delle comunità che li hanno redatti. Malgrado il loro valore, oramai ampiamente riconosciuto, grazie soprattutto alle opere di Raymond Etaix, Reginald Grégoire, Giacomo Baroffio e Guy Philipaprd, molti di essi sono ancora inediti, come segnala nell’introduzione Antonella degl’Innocenti, curatrice del volume. Il libro è una testimonianza del lavoro di riscoperta e studio dei passionari ed omiliari medievali alimentato dalla SISMEL, che sostiene due progetti di ricerca sull’argomento e vi dedica una serie editoriale intitolata „Homiliaria et Passionaria“. Il volume, secondo della serie, è composto da otto saggi ed è aperto da un’introduzione e corredato da indici, curati da Michele De Lazzer. Esso raccoglie gli atti della giornata di studio di Firenze del 14 giugno del 2019 dedicata a Manlio Simonetti, storico del cristianesimo scomparso nel novembre del 2017, cui sono dedicati i saggi in apertura e chiusura del volume. Il rapporto tra Simonetti e i testi omiletici ed agiografici antichi è infatti il fulcro del primo contributo di Emanuela Prinzivalli, che traccia un profilo dello studioso e maestro, dai primi contributi del 1952 alla sua ultima pubblicazione postuma del 2018. La scarsa presenza del tema specifico tra i contributi di Simonetti permette alla studiosa di riflettere sulla rilevanza di omiliari e passionari nel cristianesimo dei primi secoli. Prende le mosse dalla costatazione di Simonetti sull’innovazione agiografica delle „Homiliae XL in Evangelia“ di Gregorio Magno e, di conseguenza, dei suoi „Dialoghi“, mentre il contributo conclusivo di Gaia Sofia Saiani analizza l’influsso del profilo agiografico dedicato dal pontefice a Ercolano, vescovo di Perugia e defensor civitatis e le successive passiones dedicate allo stesso personaggio (BHL 3022–3024), in particolare la „Passio XII fratrum“, redatta in area umbro-spoletina (BHL 1620, 1622, 1622b, 1622d+6955) tra i secoli VII al XV. Su base filologica Saiani data il primo processo di stabilizzazione della passio al secolo XI per delinearne poi le successive fasi redazionali. I processi di adattamento evidenziati mostrano il rapporto costante tra il testo originario e nuovi nuclei di signa et mirabilia significativi per le comunità cui il testo agiografico era diretto. Si tratta di conclusioni consimili a quelle di Pierluigi Licciardello per l’Italia centrale nei secoli XI–XII. Lo studioso infatti sottolinea le potenzialità dell’uso di leggendari e omiliari per lo studio della storia dei culti in quest’area. Egli presenta un primo paragrafo al rapporto tra calendario liturgico santorale e leggendari ed omeliari, sottolineando l’importanza storica delle interazioni tra auctoritates ed esigenze locali. A questo seguono poi due paragrafi dedicati a casi specifici (il miracolo del crocifisso di Beirut (BHG 780-4, BHL 4227-30) e l’assunzione della Vergine). Un sermone dedicato all’assunzione della vergine è studiato anche da Lidia Buono, cioè l’omelia nr. 2 attribuita a Paolo Diacono. Lo studio, che offre una nuova edizione critica dell’omelia, chiarisce le modalità compositive del diacono longobardo. L’opera di Paolo Diacono è centrale anche nel contributo di Lucia Castaldi dedicato alla tradizione della vita agiografica di Gregorio Magno in contesti liturgici (passionari, lezionari e sermonari). La studiosa ricostruisce in primis il prospetto delle più antiche biografie del pontefice (Anonimo di Whitby, Beda, Paolo Diacono e Giovanni Immonide), per seguirne poi la fortuna in alcune raccolte agiografiche (il „Liber de Natalitiis“, un passionario cistercense databile al secolo XII, e il „Magnum Legendarium Austriacum“, anch’esso databile al secolo XII). In questi casi la studiosa sottolinea come in contesto benedettino cistercense del secolo XII si proceda ad una copia e epitomazione della biografia senza interventi redazionali significativi. Successivamente la Castaldi pone l’accento sulla complessità di effettuare una ricostruzione filologica dei rapporti di dipendenza e delle tradizioni testuali nel momento in cui la biografia di Gregorio si trova trasmessa in passionari caratterizzati da forti rimaneggiamenti. La studiosa offre un saggio della problematicità della questione analizzando due gruppi di manoscritti eterogenei, un nucleo appartenente all’area della valle della Loira e databili al secolo XII, e un altro di area romana, composto da tre testimoni databili tra l’XI ed il XIII secolo. In tutti questi casi è possibile identificare sia costanti di natura testuale, sia costanti liturgiche. Sull’intersezione tra testo agiografico e omiletico si muovono gli altri tre contributi. Il primo di Valeria Mattaloni esamina la tradizione agiografica del „Sermo Cantianorum“ di Massimo di Torino (BHL 1549). La studiosa incrocia i dati della circolazione di questo testo con quelli della „Passio Cantianorum“ (BHL 1543–1547) per attestare sia l’interdipendenza tra i due scritti nel corso dei secoli, sia l’ampia circolazione. Il secondo è lo studio di Marina Giani della „Passio Theodosiae“ (BHL 8090), un testo anonimo dipendente dal „De Martyribus Palaestinae“ (BHG 1775) di Eusebio di Cesarea. La studiosa analizza gli inserti omiletici presenti nella più antica versione latina del testo, individuandone in un caso l’origine nel „De Psalmodiae bono“ del vescovo serbo Niceta di Remesiana, vissuto tra IV e V secolo. La studiosa avanza anche l’ipotesi che la passio possa essere stata redatta da una comunità monastica femminile italica tra il V e VI secolo. L’ultimo saggio è quello di Eugenia Russo dedicato allo studio e all’edizione critica di un sermone inedito sulla prima domenica di Avvento presente nel ms. Montecassino, Archivio dell’Abbazia, 806, databile al secolo XVI e proveniente dal monastero napoletano dei SS. Severino e Sossio, attribuendone la redazione ai frati predicatori di area napoletano-campana. Nel complesso il volume testimonia la complessità dell’analisi di omiliari e lezionari dal punto di vista filologico, ma sottolinea anche l’eccezionalità di questi materiali e la necessità che si proceda al loro studio ed alla loro pubblicazione per offrire agli storici nuovi materiali per lo studio della società medievale nella sua complessità.
Andrea A. Verardi
Krijn Pansters (Ed.), A Companion to Medieval Rules and Customaries, Leiden-Boston (Brill) 2020 (Brill’s Companions to the Christian Tradition 93), XII, 438 S., ISBN 978-90-04-32444-2, € 229.
In der Ordensgeschichtsforschung hat sich die Beschäftigung mit Ordensregeln und -gebräuchen von der lange etablierten textkritischen Herangehensweise, die Fragen der Authentizität des jeweiligen Textes zu klären suchte, einer stärker kulturgeschichtlichen Sicht geöffnet, die nach der Umsetzung einer regelbasierten geistlichen Lebensform im Spannungsverhältnis zwischen Norm und Realität fragt. Der Fokus liegt dabei oft auf den Klöstern der jeweiligen Ordensfamilie, eine vertiefte vergleichende Studie der rechtlichen Basis der einzelnen Formen des mittelalterlichen Ordenslebens fehlte bislang. Diese liegt nun in der renommierten „Companion“-Reihe des Brill-Verlages unter der Federführung von Krijn Pansters vor. Auch wenn es sich hierbei um eine vergleichende Studie handelt und anhand der Artikel erkennbar ist, dass den jeweiligen Autorinnen und Autoren ein redaktionelles Muster vorgelegen haben wird, so ist es lobenswert, dass dieses so flexibel gehandhabt wurde, dass individuelle Schwerpunkte gesetzt werden konnten. Nach einer umfassenden Einleitung durch den Hg., in der das reiche editorische Erbe und die unterschiedlichen Forschungsansätze vom Einzelkloster bis zur vergleichenden Ordensgeschichte dargestellt werden (S. 1–36), widmen sich die ersten drei Beiträge den Regeln der benediktinischen Familie. Sehr positiv hervorzuheben ist die Darstellung der Regula Benedicti durch James G. Clark, der dabei auch die Rückwirkung der durch die Päpste des 12. und 13. Jh. geprägten Kanonistik auf die Benediktsregel aufzeigt (S. 37–76). Die Gewohnheiten der Zisterzienser und der Kartäuser stellen Emilia Jamroziak bzw. Stephen J. Molvarec und Tom Gaens vor (S. 77–102 und S. 103–125). Den Gründen für die besondere Verbreitung der Regel des hl. Augustinus, die auch für die kanonikale Lebensform von hoher Bedeutung war, geht Paul van Geest nach (S. 127–154). Ebenso wichtig waren die Gewohnheiten von Saint-Ruf, die in Südfrankreich und Katalonien weit verbreitet waren, wie Ursula Vones-Liebenstein zeigt (S. 155–191). Die Genese der Ordensregel der Prämonstratenser, die sich im 12. Jh. aus eremitisch-asketischen Gemeinschaften um Norbert von Xanten hin zu einem Orden mit Generalkapitel, Filiations- und Visitationsprinzip entwickelten, zeichnet Carol Neel nach (S. 193–224). Die oft weniger bekannten Regeln der drei wichtigsten geistlichen Ritterorden – Templer, Hospitaliter und Deutscher Orden – stellt Kristjan Toomaspoeg vor; diese Regeln entstanden im Verlauf des 12. Jh., standen stark unter zisterziensischem Einfluss und der Regula Benedicti, befolgten jedoch die karitativen Werke stärker (S. 225–252). Die nächsten fünf Beiträge widmen sich den Regeln bzw. Konstitutionen der Bettelorden, sowohl der männlichen als auch der weiblichen Zweige. Gert Melville zeigt die einzelnen Entwicklungsstufen der Constitutiones der Dominikaner auf, die in Austausch mit den Päpsten Innozenz III. und Honorius IV. entwickelt wurden und stark korporativ ausgerichtet waren; hier seien der Charakter des Ordens als Personenverband sowie die relative Selbstverwaltung der einzelnen Ordensprovinzen hervorgehoben (S. 253–281). Holly J. Grieco geht der Entwicklung der Regel der Franziskaner nach, deren ursprüngliche Form aufgrund der raschen Expansion des Ordens in ganz Europa unter heftige Auseinandersetzungen zwischen den Ordensmitgliedern unter Einbeziehung der Kurie geriet (S. 283–314). Der lang andauernden Genese der Regeln der Klarissen geht Bert Roest nach und konzentriert sich auf die Inhalte der Regel von Klara von Assisi von 1253 (S. 315–342). Folgerichtig schließt sich daran die Untersuchung der Regel des franziskanischen Dritten Ordens an, die Jean-François Godet-Calogeras bietet; mit der Bulle Supra montem von 1289 schuf Papst Nikolaus IV. die Voraussetzung für ein franziskanisches Drittordensleben entweder als Laie in der Welt unter Anbindung an den Orden oder in gemeinschaftlich-regulierter Lebensform (S. 343–365). Coralie Zermatten bietet eine historische Darstellung der Genese der Regel des Karmeliterordens, die im 15. Jh. mit Unterstützung durch Papst Eugen IV. eine grundlegende Änderung erfuhr, wobei sogar eine weniger strikte vita religiosa Eingang in die Regel fand (S. 367–392). Abschließend stellt Matthew Ponesse die Regel der Augustinereremiten vor, die Mitte des 13. Jh. im Zuge der Ausbreitung der mendikantischen Lebensform in Mittelitalien entstanden ist und durch die verschiedene religiöse Strömungen dieses Mendikantentums institutionell zusammengeführt wurde (S. 393–428). Abschließend sei betont, dass der vorliegende Bd. eine sehr gelungene Annäherung an die wichtigsten Ordensregeln des Mittelalters bietet. Alle Beiträge sind von hoher Qualität und stehen auf dem aktuellen Forschungsstand.
Jörg Voigt
Julia Becker/Julia Burkhardt (Hg.), Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa, Regensburg (Schnell & Steiner) 2021 (Klöster als Innovationslabore 9), 464 pp., ill., ISBN 978-3-7954-3627-8, € 59.
Il volume curato da Julia Becker e Julia Burkhardt riprende il tema di un progetto complessivo della Akademie der Wissenschaften Heidelberg und Arbeitstelle Dresden der Sächischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig dedicato ai „Monasteri nell’alto medioevo. Laboratori di innovazione per piani di vita e modelli di ordine europei“. L’espressione „impulso creativo“ usata nel titolo caratterizza il concetto di innovazione nel senso più volte espresso da numerosi studi dell’ultimo ventennio dedicati al Creative impulse nelle arti, nella letteratura e nell’industria, come quelli di Dennis Sporre o Helen Marot. Lo slancio verso il cambiamento che compare inaspettatamente all’interno di istituzioni spesso conservatrici, mostra che l’attaccamento a una tradizione che sembrava ferrea può essere messo in discussione grazie all’iniziativa di individui o di gruppi fortemente motivati. Sarebbe però necessario distinguere l’innovazione occasionale dal cambiamento profondo e differenziare fenomeni di breve durata da fenomeni di lunga durata. Le due curatrici non si soffermano sul problema nell’introduzione, insistendo invece sull’importanza delle diverse forme di innovazione delle comunità religiose considerate nel volume, che mostrano la formazione di idee nuove in ambienti spesso programmaticamente ostili al nuovo. La dinamica tra tradizione e creazione anima un movimento generale che si ripete nella storia: un percorso che va dalla inventio alla innovatio, che si afferma e si espande oltre i limiti iniziali dei primi novatores nel corso del tempo. Questa dinamica è testimoniata da diverse esperienze prese in considerazione nelle quattro sezioni del libro. La prima sezione intitolata „Ispirazione e carisma“ esplora il problema degli impulsi innovativi che derivano sia da singole personalità carismatiche in ordini monastici mendicanti o singoli individui dediti alla vita eremitica, sia dalle correnti spirituali che si sviluppano in ambito monastico e secolare. Gli esempi scelti sono molto diversi tra loro e difficilmente comparabili: Jens Röhrkasten si concentra su Francesco di Assisi; Knut Görich su Romualdo di Camaldoli; Claire Taylor Jones su Caterina da Siena. Annick Peters-Custot sottolinea l’influsso del monachesimo italo-greco sulle riforme monastiche del mondo latino e su Gioacchino da Fiore, un tema assai controverso; Axel Michaels addirittura sul significato dell’ascetismo indù, ponendo un po’ provocatoriamente la domanda se l’ascesi, in quanto tale, sia uno stimolo per la creatività, problema di non facile soluzione. La seconda sezione dedicata alle „Innovazioni tecniche e architettoniche“ analizza il ruolo delle istituzioni monastiche verso nuove forme di architettura, di economia o di sperimentazione tecnica. Anche in questo caso gli esempi scelti sono diversi tra loro e non sono facilmente confrontabili, ma i testi pubblicati sono comunque significativi. Il saggio sul labor manualis cistercense di Philipp Stenzig è acuto e intelligente; quello di Thomas Coomans sull’iconologia e l’architettura dei monasteri del Ducato di Brabante è documentato e serio. L’intervento di Oliver Auge sul potenziale creativo e innovativo del mondo monastico nei settori della tecnologia e dell’economia è molto interessante. I saggi raccolti nella terza sezione, sotto il titolo „Reti e costruzione di comunità“ mostrano che nel tardo Medioevo esisteva una comunicazione paragonabile a quella di internet, che ha svolto un ruolo decisivo per lo sviluppo delle comunità religiose anche al di là delle mura del monastero. In questo caso gli esempi scelti sembrano più omogenei e comparabili, anche perché appartengono a una fascia cronologica ristretta (più o meno 1280–1360). Tra i diversi saggi spicca quello di Andreas Rehberg, uno studioso di alto livello, che mette in luce l’attività di due conventi femminili che gravitano nella cerchia dei Colonna. Interessanti anche i saggi di di Andreas Rüter e Christina Lutter, che esaminano le interazioni e i rapporti tra monastero, città e corti signorili. La quarte sezione „Sapere e Potere“ analizza il ruolo delle comunità religiose come centri di conoscenza. Gli impulsi innovativi di monaci che, come Alcuino, sono stati consiglieri di re e maestri di conoscenza, sono ben documentati nei saggi di Vanina Kopp e Václav Žůreck dedicati alla corte di Carlo V e Carlo VI di Francia e a quella di Carlo IV di Boemia. Particolare attenzione è rivolta alla partecipazione dei laici alle attività religiose, nel saggio di Eva Schlotheuber. Le considerazioni conclusive di Mirko Breitenstein e Jörg Sonntag ribadiscono l’importanza della spinta delle comunità religiose nelle diverse forme di innovazione culturale, spirituale e materiale della società medievale, ricordando che nessuna novitas è simile alle altre. Solo un’indagine analitica può mostrare quanto l’innovazione sia effettivamente „wirklich“ e completamente originale. Spesso infatti vale che „wichtige Innovationen bedurften … der Rückbindung an die Tradition“ (p. 438).
Fabio Troncarelli
Norme per la descrizione dei manoscritti, a cura di Teresa De Robertis e Nicoletta Giovè Marchioli, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Manoscritti datati d’Italia. Strumenti 1), XIII, 97 S., ISBN 978-88-9290-047-9, € 18.
Seit nunmehr über 25 Jahren geben die Associazione Italiana Manoscritti Datati (AIMD) und die Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino (SISMEL) die einschlägig bekannten Kataloge „Manoscritti datati d’Italia“ heraus, deren Anzahl inzwischen auf über 30 angewachsen ist. Diese Bde. zeichnen sich durchwegs durch exzellente Katalogisate der Hss. aus. Handschriftenkatalogisate, insbesondere wenn sie von verschiedenen Bearbeiterinnen und Bearbeitern erstellt werden, erfordern ein klar definiertes Regelwerk, das naturgemäß im Laufe der Zeit gewissen Veränderungen und Anpassungen im täglichen Arbeitsprozess unterliegt. Im vorliegenden Bd. veröffentlichen die Hg., Professorinnen für Lateinische Paläographie an den Universitäten von Florenz bzw. Padua und Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Gesamtreihe, das aktuelle Regelwerk, das detaillierte Angaben zur Struktur und graphischen Gestaltung der einzelnen Aufnahmen umfasst und mit zahlreichen Beispielen angereichert ist. Damit liegt ein unerlässliches Hilfsmittel für die Katalogisiererinnen und Katalogisierer vor, das darüber hinaus von allen, die sich in anderem Kontext mit der Erschließung von Hss. befassen, nutzbringend konsultiert werden kann. Ein kurzes Vorwort der Hg. (S. VII–XIII) definiert zunächst die Zielgruppe der Veröffentlichung und skizziert folgend die Geschichte des Projekts „Manoscritti datati d’Italia“ und des zugrundeliegenden Regelwerks. Dabei werden zwei Neuerungen betont: die Aufnahme von miscellanea, deren Zusammenstellung mehr als ein Jahr erforderte, und die Möglichkeit, in begründeten Fällen auch Hss. des 16. Jh. einzubeziehen. Die folgenden Kapitel legen die Kriterien für die Auswahl der zu behandelnden Hss. („Censimento“, S. 3–7) und für die Kurzbeschreibung der jeweiligen Fonds („Il fondo manoscritto“, S. 9) fest. Es folgen detaillierte Handreichungen für die Erstellung der Katalogisate, getrennt in „manoscritti unitari“ (S. 11–38) und „manoscritti compositi“ (S. 39–44). Spezielle Anweisungen für die Katalogisiererinnen und Katalogisierer (graphische Gestaltung, Deskriptionszeichen etc.) sind gerahmt hervorgehoben. Weitere Kapitel sind den „manoscritti scartati“ (S. 45 f.), der Bibliographie (S. 47–58), den Indizes (S. 59–74) und dem Bildanhang (S. 75–77) gewidmet. Rein internen Zwecken dient der Abschnitt „Presentazione del materiale per la stampa“ (S. 79–84). Hilfreich sind auch die Transkriptionsrichtlinien (S. 85–91). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit diesem Bd. ein wertvolles Hilfsmittel, primär für die im Projekt eingebundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sekundär aber auch für andere Erschließungsvorhaben vorliegt, das die Qualität der Handschriftenkatalogisierung für die Zukunft auf eine sichere Basis stellt. Darüber hinaus ist das Regelwerk in Einzelfällen auch für die Benutzerinnen und Benutzer der Kataloge hilfreich, obwohl sich die Katalogisate normalerweise selbst erschließen. Zwei diskussionswürdige Beobachtungen sollen abschließend kurz erwähnt werden: Die Richtlinien basieren ausschließlich auf einem gedruckten Katalog, Hinweise auf zusätzliche Möglichkeiten, eventuell modifizierte Erfassungskriterien, aber auch Probleme digitaler Kataloge fehlen völlig. Die Ansetzung antiker oder mittelalterlicher Personennamen (auch beim Vorliegen lateinischer Titel) in italienischer Sprache ist für die internationale Datennutzung nicht unbedingt von Vorteil. Dies soll aber den überaus positiven Gesamteindruck der Veröffentlichung in keiner Weise schmälern.
Thomas Hofmann
Sofia Boesch Gajano, Un’agiografia per la storia, Roma (Viella) 2020 (Sacro/Santo. Nuova Serie 28), 324 S., ISBN 978-88-3313-463-5, € 28.
Sofia Boesch Gajano (* 1934) gehört zu den angesehensten Mediävistinnen Italiens. Im Laufe ihrer Jahrzehnte währenden Forschungs- und Lehrtätigkeit an den Universitäten Siena, L’Aquila und Roma Tre hat sie nicht nur Generationen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern nachhaltig geprägt, sondern durch eine breite Publikationstätigkeit dafür gesorgt, insbesondere zwei historische Themenkomplexe in den Vordergrund zu rücken: die Geschichte der Heiligen samt der mit ihnen verbundenen Kulte und – damit untrennbar verbunden – die Geschichte der Hagiographie. Heiligengeschichtsschreibung wird von ihr als eine Art Laboratorium begriffen, in dem Sozial-, Institutionen-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte immer wieder neu verhandelt werden. Interdisziplinären Austausch bereits zu einem Zeitpunkt fordernd und fördernd, als dies im allgemeinen universitären Kontext noch nicht unbedingt opportun, geschweige denn karrierefördernd war, hat Boesch Gajano immer wieder auf methodisch und rhetorisch ungemein anregende Art und Weise darauf hingewiesen, welches Reservoir an wertvollen Informationen in Schriften hagiographischen Charakters verborgen sein kann – Schriften, die bis in die jüngere Vergangenheit hinein im besten Falle als fromm-frömmelnd und unterhaltsam begriffen, jedoch nicht als „harte Quelle“ anerkannt wurden. Die Wunder, die von Heiligen zu Lebzeiten oder nach ihrem Tod vollbracht, die religiösen Erfahrungen, die durch sie vermittelt wurden, die reale oder auch nur imaginierte Macht, die ihren Reliquien innewohnte, sind aber nicht nur relevant für den Bereich der Frömmigkeitsgeschichte des Mittelalters, sondern öffnen ein Fenster hinein in eine Lebenswirklichkeit, deren Erforschung lange Zeit auf einer gänzlich anderen Quellenbasis beruhte. Die ganze Spannbreite sozialer und kultureller Varianz wird demjenigen offenbar, der hagiographische Quellen zu lesen und zu interpretieren versteht. Sofia Boesch Gajano gehört zu diesem Kreis. Vorliegender Bd., keinem Geringeren als Jacques Le Goff gewidmet, mit dem sich Boesch Gajano über Jahrzehnte immer wieder fachlich austauschte, umfasst elf richtungweisende Aufsätze der Mediävistin, die zwischen 1975 und 2018 in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden erschienen sind. Schlaglichter auf ihren eigenen wissenschaftlichen Werdegang und eine Erläuterung der Gründe, die zur Auswahl der nun wieder abgedruckten Aufsätze führten, liefert die Autorin in einem einleitenden Essay („Un lungo percorso tra fonti e storiografia“, S. 9–28). In ihnen werden (mit einem deutlichen Schwerpunkt auf dem Zeitraum von der Spätantike bis ins 12. Jh.) unterschiedliche Aspekte der hagiographischen Wunderwelt analysiert. Ein Autor ragt dabei besonders hervor: Gregor der Große, dem Boesch Gajano bereits 2004 eine hervorragende Monographie widmete. Insbesondere seine „Dialogi“, „un pozzo senza fondo“ (S. 15), haben im Laufe der Jahrzehnte einige ihrer Forschungsressourcen gebunden. Davon zeugt exemplarisch der bereits 1979 erschienene Beitrag über „Dislivelli culturali e mediazioni ecclesiastiche“ (S. 93–110). Wunder werden in jeder Heiligenvita mit einiger Ausführlichkeit beschrieben. Sie sind konstitutiv nicht allein für das literarische Genre, sondern für die Anerkennung einer Person als heilig. In drei Aufsätzen widmet sich die Autorin den Gebrauchs- bzw. Missbrauchskontexten, in denen sich Wunder ereigneten („Uso e abuso del miracolo nella cultura altomedievale“, S. 111–124), beschreibt auf breiter Quellenbasis die Probleme, die mit der Anerkennung von Mirakeln verbunden waren („La certificazione del miracolo nel medioevo: fonti e problemi“, S. 143–160) und spürt der Aussagekraft von Wunderberichten für die Geschichtswissenschaft nach („Miracoli: dalla storiografia alla storia“, S. 124–142). Das, was mit Blick auf das Kanonisationsdossier Ulrichs von Augsburg gesagt wird, gilt cum grano salis für nahezu alle anderen Heiligen, die einer offiziellen Anerkennung bedurften: „La scrittura agiografica è l’esito certificante dell’indagine volta a attestare la verità dei miracoli“ (S. 153). Die Halbwertszeit von in den mediävistischen Fächern erzielten Forschungserkenntnissen ist gemeinhin deutlich höher als in anderen Disziplinen. Auch hiervon legt der Sammelbd. ein beredtes Zeugnis ab. Einige Aufsätze mögen vergleichsweise „alt“ sein, sind aber an keiner Stelle veraltet. Im Gegenteil: mitunter wundert man sich, weshalb sich die Forschung bisher nicht sehr viel konsequenter der darin formulierten Thesen bzw. Hypothesen angenommen hat. Dass etwa die rechtliche Ausformung des Kanonisationsprozesses und der Aufstieg der städtischen Notare (in Italien) nahezu zeitgleich erfolgten, mag heute als Aussage nicht mehr überraschen, die Konsequenzen aus der gegenseitigen Beeinflussung sind aber noch längst nicht abschließend beschrieben. Bedauerlich nur, dass die Aufsatzsammlung lediglich durch einen Namensindex erschlossen wird. Gerade für den Bereich jenseits der Hochfrequenznomina wie miracula oder reliquiae hätte ein Sachindex hervorragende Dienste geleistet.
Ralf Lützelschwab
Ottavio Bucarelli, Hic requiescit Papa. Le iscrizioni funerarie dei papi nella basilica di San Pietro in Vaticano (secoli V–XII), Roma (GBP, Gregorian & Biblical Press) 2021 (Miscellanea Historiae Pontificiae 73), 262 S., 39 Abb., ISBN 978-88-7839-454-4, € 32,30.
Obwohl der umfangreiche Inschriftenbestand Roms aus Spätantike und Frühmittelalter durch bewährte Editionen wie das „Corpus Inscriptionum Latinarum“, die „Inscriptiones Christianae Vrbis Romae septimo saeculo antiquiores“ und die „Inscriptiones Latinae Christianae Veteres“ in weiten Teilen gut dokumentiert ist, war eine Vollständigkeit anstrebende kommentierte, den Grabinschriften der früh- und hochmittelalterlichen Päpste gewidmete Darstellung bislang ein Desiderat der Forschung. Diese Lücke wird nun für den Bereich des Petersdoms mit der vorliegenden Veröffentlichung eindrucksvoll geschlossen. Die Publikation ist Bestandteil eines größeren epigraphischen Projektes, nämlich der Dokumentation der inschriftlichen Zeugnisse des Petersdoms, des Vatikans und der Leostadt (civitas leonina), für das der an der päpstlichen Universität Gregoriana lehrende Vf. verantwortlich zeichnet. Die vorgelegte Studie gliedert sich in vier einleitende bzw. auswertende Kapitel, nämlich zur topographischen Lage der einzelnen Papstgräber in Alt-St. Peter, zu den in den Inschriften enthaltenen inhaltlichen Bezüge zum Alten und Neuen Testament, zur Rezeption der antiken und christlichen Autoren, wobei hier zusätzlich zentrale Begriffe wie etwa die Titelei der Päpste analysiert werden. Das abschließende fünfte Kapitel umfasst auf knapp hundert Seiten die sorgfältig kommentierte, in der Regel mit Umzeichnungen, gelegentlich mit s/w-Fotos bebilderte Edition der Grabinschriften der Päpste. Ein umfangreicher Anhang mit der Bibliografie und einem detaillierten Sach-, Personen- und Ortsregister komplettiert den Bd. Während die ersten Nachfolger des Apostels Petrus gemäß dem Zeugnis des „Liber Pontificalis“ noch in der Nähe seines mutmaßlichen Grabes bestattet wurden, fanden die darauffolgenden Päpste in verschiedenen Katakomben und römischen Friedhöfen ihre letzte Ruhe. Erst mit der von Kaiser Konstantin in der ersten Hälfte des 4. Jh. erbauten Basilika war eine repräsentative Möglichkeit gegeben, sich wieder in der Nähe des mutmaßlichen Petrusgrabes bestatten zu lassen. Beginnend mit Papst Leo I. († 461) und endend mit Papst Eugen III. († 1153) sind in diesem langen Zeitraum für Alt-St. Peter insgesamt 90 Begräbnisse von Päpsten bezeugt, deren Grabdenkmäler allerdings nur noch 42 Inschriften zugeordnet werden können. 34 dieser Inschriften sind heute verschollen, aber durch alte Abschriften überliefert; von den acht heute noch vorhandenen Inschriften sind fünf fragmentarisch und lediglich drei vollständig und unbeschädigt erhalten. Bereits mit der Edition der Grabinschrift für den 461 verstorbenen Papst Leo I. wird eine fundamentale Abweichung von der sonst geübten epigraphischen Praxis deutlich: Der Vf. ordnet die Inschriften des Katalogs nicht nach dem Zeitpunkt der Herstellung des Grabdenkmals bzw. der Abfassung der zugehörigen Inschrift (in diesem Fall wurde sie von Papst Sergius I. im Jahr 688 in Auftrag gegeben, der die Reliquien Leos I. im Petersdom umbetten ließ), sondern er ordnet sie chronologisch nach der Reihenfolge ihrer Pontifikate. Dies hat zwar den Nachteil, dass textliche Untersuchungen etwa zur historischen Entwicklung der Inschriften-Formulare mühevoller nachzuvollziehen sind, hat aber für Benutzerinnen und Benutzer den unbestreitbaren Vorteil, dass sich die einzelnen Päpste leicht auffinden lassen, und sich dann die meist sehr komplizierte Geschichte ihrer Denkmäler und die Analyse der damit verbundenen Inschriften dort passend abhandeln lässt. Der Vf. wertet die in der Regel hexametrisch gereimten lateinischen Inschriften unter literarischen, biblischen, historischen und auch poetischen Gesichtspunkten erschöpfend aus, allerdings ist kritisch anzumerken, dass er die wünschenswerte Übersetzung der Inschriften aus dem Lateinischen (ins Italienische) leider für nicht nötig erachtet hat. Dies schmälert keinesfalls sein unbestreitbar großes Verdienst, zumindest einem Fachpublikum die von diesem oft übersehene Quellengattung „Inschriften“ für die Erforschung der Geschichte der frühen Päpste für den Bereich des Petersdoms erstmals vollständig und zudem in ansprechender Form aufbereitet zu haben. Da Grabdenkmäler und ihre Inschriften aufgrund ihrer Standorte in der Regel auf ständige öffentliche Wahrnehmung hin konzipiert waren, bietet das vorgelegte Material der Forschung die Gelegenheit, bisher nur vereinzelt behandelte inhaltliche Fragen etwa nach Intention bzw. Wirkung der Inschriften oder nach der Entwicklung des päpstlichen Selbstverständnisses neu zu stellen und zu beantworten.
Eberhard J. Nikitsch
Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta. Censimento dei manoscritti di Gregorio Magno e della sua fortuna (epitomi, florilegi, agiografie, liturgia). Census of manuscripts of Gregory the Great and his fortune (epitomes, anthologies, hagiographies, liturgy), vol. 4: Milano-Paris, a cura di Francesca Sara D’Imperio, avviso al lettore di Agostino Paravicini Bagliani, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021, XXII, 180 S., ISBN 978-88-929-0071-4, € 155.
Die Publikation der „Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta“ schreitet rasch voran. Zwei Jahre nach dem dritten Bd. (2019; dazu QFIAB 101 [2021], S. 644 f.) liegt nun der vierte vor, der die Bestände von Milano bis Pamplona vollständig erfasst, zudem noch den Beginn der Pariser Bibliotheken (letzter Eintrag: Hs. Paris, BN, lat. 437). Besonders umfangreiche Bestände sind für die Biblioteca Ambrosiana in Milano, die Bayerische Staatsbibliothek in München und für Oxford zu verzeichnen. Für die Bayerische Staatbibliothek beziehen sich die Katalogverweise teilweise leider auf den veralteten, mehrbändigen Katalog von Karl Halm aus dem ausgehenden 19. Jh. (οnline: https://www.bsb-muenchen.de/sammlungen/handschriften/recherche/#c1437; 19.4.2022). Seit dem Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jh. erscheinen neue Katalogbände, die auch die Gregorüberlieferung in der Münchner Staatsbibliothek erfassen (Übersicht: https://www.bsb-muenchen.de/sammlungen/handschriften/recherche/#c1437). Das gilt für Hs. aus Altomünster, Augsburg, Benediktbeuern, Freising und Sankt Emmeran. Von diesen Bde. sind in der Bibliografia freilich nur die vier Bde. aufgeführt, die zwischen 1991 und 2000 erschienen sind. Die danach publizierten Bde. fehlen. Unbefriedigend ist auch im vorliegenden Bd. – wie in den vorhergehenden Bde. – der Umgang mit den Angaben in Bernhard Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil II: Laon – Paderborn, Wiesbaden 2004. Die einschlägigen Fundstellen im Katalog sind zwar vermerkt, aber die Datierungen stimmen teils mit den dortigen überein, teils nicht, ohne dass klar ist, nach welchen Kriterien hier vorgegangen wurde. So heißt es beispielsweise S. 6 zur Hs. Milano, Bibl. Ambr., C 92 inf.: sec. IX ultimo terzo, bei Bischoff, S. 151, Nr. 2604: IX Jh., ca. 3. Viertel, ebenfalls S. 6 zu Hs. Milano, Bibl. Ambr., C 138 inf.: sec. IX ultimo terzo, bei Bischoff, S. 152, Nr. 2609: IX. Jh., ca. 3. Viertel; übereinstimmend hingegen S. 7 zur Hs. Milano, Bibl. Ambr., G 58 sup.: sec. IX terzo – ultimo quarto (so auch Bischoff, S. 160, Nr. 2635). Die kanonistische Überlieferung fehlt entweder oder ist nur teilweise berücksichtigt (s. schon QFIAB 96 [2016], S. 598 f.). Inkonsequent ist der Umgang mit dem Gregor zugeschriebenen römischen Konzil vom 5. Juli 595 (s. Regesta pontificum Romanorum, editio tertia, Tomus primus [a sancto Petro usque ad a. DCIV], cur. Marcus Schütz, Göttingen 2016, S. 400, Nr. 2425). Während das Konzil für die Hss. München, BSB, Clm 6242 (von zweiter Hand) und 6243 vermerkt ist (S. 48), sind die Hss. München, BSB, Clm 14 008 (Roma, saec. IX3/3; s. Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis. T. 4, Ser. nov. Ps. 2,1, Wiesbaden 1995, S. 20–22) und 3860a (Oberitalien, saec. IX, ca. 3. Viertel), die das Konzil ebenfalls aufweisen, nicht verzeichnet (jeweils „Collectio Dionysiana adaucta“, dazu Friedrich Maassen, Geschichte der Quellen und der Literatur des canonischen Rechts im Abendlande, Graz 1870, S. 302, 454–465). Nicht aufgenommen ist die Hs. Modena Bibl. Cap. O. II. 2 der „Collectio Anselmo dedicata“. Die „Collectio Anselmo dedicata“ weist in ihren zwölf partes jeweils im Anschluss an die Canones einen Abschnitt mit Exzerpten aus dem „Registrum epistularum“ Gregors auf. Bei der Hs. handelt es sich um eine Abschrift der Hs. Vercelli, Bibl. Cap., XV (s. dazu Wolfgang Kaiser, Die Epitome Iuliani, Frankfurt a. M. 2004, S. 552, 559 mit weiteren Nachweisen). Die einschlägigen Hss. der „Collectio Hibernensis“, des „Decretum Burchardi“, der „Collectio canonum“ Anselms von Lucca, der „Panormia“ Ivos von Chartres sind nicht verzeichnet (s. Lotte Kéry, Canonical Collections of the Early Middle Ages [ca. 400–1140, Washington D.C. 1999, S. 73; 135–136; 219; 255–256]. Zwei Belege sind noch zu ergänzen: Ein kleines Exzerpt aus dem Gregor zugeschriebenen „Libellus responsionum ad Augustinum episcopum Anglorum“ (Cap. 5) findet sich in der Hs. München, BSB, Clm 14 690 (fol. 174–188: Regensburg [?], saec. XII1; s. Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis. T. 4, Ser. nov. Ps. 2,5, Wiesbaden 2014, S. 708–715) innerhalb einer kleinen Abhandlung zu den Eheverboten bei Verwandtschaft und Schwägerschaft, die im Ostfrankenreich (Mainz oder Umgebung) um die Mitte des 9. Jh. entstanden ist (ediert bei Wolfgang Kaiser, Ein unbekanntes Zitat von Institutiones Iustiniani 3, 6 pr.–8 in einer Abhandlung des Hrabanus Maurus zum Ehehindernis der Verwandtschaft, in: Holger Altmeppen/Ingo Reichard/Martin Schermaier [Hg.], Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2010, S. 513–557, 526–530). In der Hs. Oxford, Bodl. Libr., Laud Misc. 421 (Westdeutschland, saec. IXex.; dazu Daniela Mairhofer, Medieval manuscripts from Würzburg in the Bodleian Library, Oxford. A descriptive catalogue, Oxford 2014, S. 648–664) steht am Ende auf fol. 156rb/13–157vb/40 der Beginn einer Sammlung mit Exzerpten aus dem Register Gregors, wie sie vollständig die Hs. Paris, BN, lat. 12 448, fol. 131va/8–138ra/7, 138va/7–139ra/43 überliefert (s. Wolfgang Kaiser, Nachvergleichungen von Novellen- und Codexzitaten in einer frühmittelalterlichen Sammlung mit Exzerpten aus dem Register Gregors d. Gr. (Reg. 13, 49 [50]), ZRG RA 125 [2008], S. 603–644, 618–620; Mairhofer, S. 660 f.). Die Hs. Milano, Bibl. Ambr., C 238 inf. enthält nicht das gesamte „Registrum epistularum“ Gregors, wie die Beschreibung auf S. 6 nahelegt, sondern nur dessen zweiten Teil (Reg. epp. VIII–XIV). Die Hs. Milano, Bibl. Ambr. G 58 sup., die zu Beginn unter dem Titel „Regulae definitionum ex registro Gregorii maioris“ eine Sammlung mit Exzerpten aus dem Register Gregors nebst dem Concilium Romanum a. 595 überliefert (dazu Kaiser, Die Epitome Iuliani, S. 542–547) setzt sich aus zwei unabhängigen Teilen zusammen. Der zweite Teil (ab fol. 41) bildet die Fortsetzung der bußrechtlichen Hs. Vat. lat. 5751 (s. Wolfgang Kaiser, Zur Rekonstruktion einer vornehmlich bußrechtlichen Handschrift aus Bobbio [Hs. Vat. lat. 5751 fol. 1–54v + Hs. Mailand, Bibl. Ambr. G. 58 sup. fol. 41r–64v], in: ZRG KA 86 [2000], S. 538–553). Im vatikanischen Teil der Handschrift findet neben den Exzerpten aus Bußbüchern auch ein Exzerpt aus dem „Registrum epistularum“.
Wolfgang Kaiser
Rosamond McKitterick, Rome and the Invention of the Papacy. The „Liber pontificalis“, Cambridge-New York-Melbourne (Cambridge University Press) 2020 (The James Lydon Lectures in Medieval History and Culture), XVII, 271 S., Kt., ISBN 978-1-108-83682-1, GBP 29,99.
Der „Liber Pontificalis“, wie er seit dem 18. Jh. genannt wird, ist ein vielschichtiger Text und gehört zu den wichtigsten Quellen für die frühmittelalterliche Geschichte des Papsttums, der römischen Kirche und der Stadt Rom. Er hat nach Rosamond McKitterick „nicht nur die historische Identität des Papstes als Bischof von Rom und Oberhaupt der Weltkirche konstruiert und damit das Papsttum erfunden, sondern auch die Geschichte Roms selbst in einer Weise fortgeschrieben, die die Identität der Stadt entschieden und dauerhaft gefestigt und bereichert hat“ (S. 228). Generationen von Forschenden haben sich bis in die jüngste Zeit hinein intensiv mit diesem Werk beschäftigt, und doch gibt es nach wie vor eine Reihe unbeantworteter Fragen, die mit seiner besonderen Anlage und Überlieferungssituation zusammenhängen: Es ist nicht im Original erhalten, wurde von unbekannten (wohl zum päpstlichen Umfeld gehörenden) Autoren zwischen dem 6. und 9. Jh. in mehreren Phasen in Rom geschrieben und hat keine Spuren in der zeitgenössischen römischen Handschriftenüberlieferung hinterlassen. Außerhalb Roms sind jedoch etliche (Teil-)Abschriften, Auszüge und Bücherkatalogeinträge überliefert, besonders aus dem Raum des Karolingerreichs. Rosamond McKitterick, einschlägige Kennerin der Materie, legt ihrer Monografie einen manuskriptbasierten Ansatz zugrunde, um den „Liber pontificalis“ als einen lebendigen Text zu untersuchen. Das heißt, sie nimmt die einzelnen Entstehungsphasen – sie identifiziert insgesamt sechs von der ersten Hälfte des 6. bis zum Ende des 9. Jh. (S. 15, 178) – detailliert in den Blick und analysiert anhand der jeweiligen Textzeugen und textimmanenter Kriterien, wie die Funktionen der Texte und ihre Bedeutungsebenen je nach Kontext variierten. Deutlich wird, dass der „Liber pontificalis“ in unterschiedlichen Fassungen unterschiedlichen Umfangs zu unterschiedlichem Gebrauch zirkulierte, sicherlich auch in Rom und anderen Regionen Italiens, wo Papyrus ein gängiger Beschreibstoff war und vermutlich die Zeiten nicht überdauert hat. McKitterick arbeitet heraus, dass die Darstellung der maßgeblich von den Päpsten geprägten Transformation der Stadt Rom von einer kaiserlichen zu einer christlichen Metropole unter anderem Bezug nimmt auf die „visible power“ der römischen Kirchen, Stiftermosaike und Heiligenkulte und damit für die Zeitgenossen zugleich eine Art mental map bot (Kap. 2 und 4). Der Text spiegelt also die auch in der materiellen Kultur (bereits vor der Abfassung des „Liber pontificalis“) manifeste Rolle der Päpste als Wohltäter, Patrone und Repräsentanten einer neuen Ordnung und lässt die Pontifices damit an die Stelle der Kaiser treten. Ihre Autorität, Roms Zentralität, die Wichtigkeit der petrinischen Nachfolge und die dadurch garantierte Orthodoxie des Glaubens sind essentielle Elemente, die den damaligen Lesern vermittelt wurden. McKitterick unterstreicht, dass sich frühmittelalterliche Schreiber, Auftraggeber, Kompilatoren, Kommentatoren, Exzerptoren und Rezipienten auf die Papstvitensammlung nicht nur bezogen, weil sie Angaben zu Sukzession, Amtszeiten und Handlungen der Nachfolger Petri oder Informationen zu päpstlichen Verfügungen, zur Liturgie und zu Synodenbeschlüssen enthielt (Kap. 3 und 5). Ebenso habe die Narration den langobardischen und fränkischen Rezipienten Anknüpfungspunkte geboten, sich durch Bezugnahmen auf den Text und durch Hinzufügungen im Text in die (Heils-)Geschichte einzuschreiben. In diesem Zusammenhang sei es besonders die „creative association between Carolingian court officials and the Frankish editions of the Liber pontificalis“ (S. 211) gewesen, die zu erklären vermag, weshalb der Großteil der heute erhaltenen Manuskripte im damaligen Frankenreich zirkulierte. Nach McKitterick fand der „Liber pontificalis“ als Gesamttext vermutlich mindestens bis ins Jahr 715 Verbreitung, bevor dann vor allem einzelne libelli mit jüngeren Papstviten kopiert und ergänzt wurden. Überlieferungsbedingt bleiben die genauen Wege und Dynamiken der Handschriftenverbreitung allerdings weitgehend im Dunkeln und deshalb weiterhin viele Fragen offen. Resümierend ist das Verdienst der Autorin ein zweifaches: Zum einen zeichnet sie, aus jahrelangen eigenen Untersuchungen schöpfend, den komplexen, ca. drei Jh. dauernden Entstehungsprozess des „Liber pontificalis“ mit klaren Argumenten und auf der Grundlage neuer Details nach. Zum anderen bleibt sie nicht bei der Frage nach den in der Erstfassung vermittelten Inhalten und Funktionen stehen, sondern fragt aus der Sicht der Rezipienten nach dem Wie, Warum und Wo der Zirkulation des gesamten, auszugsweisen, abgekürzten oder interpolierten Textes und verdeutlicht nicht zuletzt das große und, wie sie selbst schreibt, weitaus noch nicht erschöpfte Potential intensiven Manuskriptstudiums. Einsteiger werden von der Lektüre ihres anregenden Buches ebenso profitieren wie Spezialisten.
Kordula Wolf
Caroline Goodson, Cultivating the City in Early Medieval Italy, Cambridge (Cambridge University Press) 2021, XX, 300 pp., ISBN 978-1-108-48911-9, GBP 75.
Fin dai primi studi che aprirono il dibattito sulla trasformazione delle città italiane tra la tarda antichità e l’altomedioevo è stato evidenziato, come caratteristica ricorrente della forma urbana altomedievale, un allentamento della distinzione tra spazio urbano e campagna, e una articolazione polinucleata delle città, con ampi spazi non abitati tra i diversi nuclei di popolamento. È stata anche messa in luce la significativa presenza di aree coltivate in questi spazi disabitati all’interno dello spazio urbano, documentate sia dalle fonti scritte sia da dati archeologici. Finora mancava però uno studio complessivo del fenomeno, che non solo raccogliesse i dati disponibili per tutto il territorio italiano, ma analizzasse anche il significato economico di queste coltivazioni all’interno delle mura urbane, la struttura sociale della proprietà, la loro relazione con la produzione delle campagne. Questo libro di Caroline Goodson non solo viene a colmare questa lacuna ma, attraverso la particolare angolatura dell’analisi delle coltivazioni, consente all’autrice di riconsiderare vari aspetti del fenomeno urbano altomedievale. Non è facile, nel breve spazio di una recensione, dare conto della quantità di dati e di spunti offerti da questo libro. Mi limiterò a segnalarne, capitolo per capitolo, alcuni che ho trovato particolarmente significativi. Il libro si articola in sei capitoli, più le conclusioni. Il primo capitolo presenta il tema, gli studi precedenti e analizza le fonti, documentarie e archeologiche, utilizzate. Il secondo capitolo analizza le differenze tra la città antica, dove gli spazi coltivati interni alla città sono da identificarsi per lo più con giardini ornamentali, e quella altomedievale, dove abbiamo invece ampia testimonianza del loro uso produttivo. In questo capitolo è inserita un’articolata analisi del fenomeno delle dark earth, gli strati ricchi di materiale organico che caratterizzano le stratificazioni altomedievali. Goodson analizza le diverse ipotesi che sono state avanzate per spiegare il fenomeno e sostiene che, anche se la genesi di questi strati può essere stata non sempre direttamente connessa con le coltivazioni, essi hanno però senz’altro costituito un elemento che ha favorito il successivo utilizzo agricolo del suolo. Nel capitolo 3 vengono analizzate in dettaglio varie città italiane, sulla base della documentazione sia scritta che archeologica, mostrando che – benchè vi siano differenze nella densità di attestazioni nelle varie città – il fenomeno delle coltivazioni all’interno o nelle immediate vicinanze delle mura sia attestato ovunque, e molte delle case all’interno delle città fossero circondate da orti e spazi coltivati, in cui le analisi paleobotaniche mostrano una forte tendenza alla policoltura, probabilmente legata più all’autoconsumo di un nucleo familiare che a una produzione per il mercato. In questo capitolo vi è un’analisi delle trasformazioni della cerealicoltura tra antichità e medioevo, sulla base dei dati paleobotanici, evidenziando la diffusione dei cosiddetti cereali inferiori (segale, avena e sorgo) e dei legumi a partire dal VI–VII secolo. Il capitolo 4 inquadra la produzione agricola nell’ambito delle dinamiche di scambio. Prima del X secolo è molto rara l’attestazione di luoghi di mercato nelle città, e l’autoproduzione a livello domestico deve essere stato il principale modo di rifornimento di ortaggi, probabilmente all’interno di una rete di relazioni orizzontali di parentela o vicinato e di dinamiche di baratto; l’incremento del commercio di prodotti agricoli a partire dall’XI secolo, con la creazione dei mercati urbani e la monetarizzazione degli scambi, porta a una riduzione dell’importanza degli spazi coltivati all’interno delle città. Il capitolo 5 analizza l’aspetto ideologico e culturale dell’agricoltura nella società altomedievale e dell’influsso dei valori portati dal cristianesimo; vengono analizzate inoltre le dinamiche che portarono alla diffusione delle donazioni pro anima, fino a concentrare una gran parte delle coltivazioni urbane nelle mani di enti ecclesiastici. Il capitolo 6 esamina le coltivazioni urbane nell’ambito delle strategie di potere delle élite, in cui esse vengono a rivestire un ruolo di grande prestigio, analizzando in particolare tre casi, ben documentati, da Roma, Verona e Napoli. In definitiva l’analisi delle coltivazioni urbane è vista, da Goodson, come una chiave per comprendere il fenomeno della città altomedievale, nei suoi aspetti materiali come in quelli sociali, economici e culturali: un nuovo mondo che si organizza in forme sue specifiche, piuttosto che, secondo una visione ancora diffusa, un adattamento marginale e degradato della civiltà urbana antica. Va sottolineata infine l’eccezionale padronanza delle fonti e la ricchissima bibliografia, così come l’accuratezza della documentazione grafica, sempre informativa e mai puramente esornativa. Certamente d’ora in poi questo libro diventerà un testo essenziale per ogni studio sul fenomeno urbano nell’Italia medievale.
Riccardo Santangeli Valenzani
L’abbazia altomedievale come istituzione dinamica. Il caso di S. Maria di Farfa. Atti del Convegno internazionale (Abbazia benedettina di Farfa, 13–14 marzo 2015), a cura di Stefano Manganaro, Roma (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo) 2020 (Fonti e studi farfensi. Studi 1), 440 S., Abb., ISBN 978-88-98079-96-4, € 17.
Um es vorwegzunehmen: Das vorliegende Werk ist viel mehr als der x-te Tagungsband über die Geschichte einer mittelalterlichen Abtei in ihren zahlreichen Facetten. Er lässt sich vielmehr als ein Versuch charakterisieren, ausgehend von einer Fallstudie die italienischsprachige Forschung über Mönchtum und Klöster für einen „dynamischeren“ Ansatz zu sensibilisieren. Das Adjektiv „dynamisch“ kommt hier nicht von ungefähr, denn „Dynamik“ bildet eine zentrale epistemologische Kategorie des Bd. Stefano Manganaro – Hg. und Initiator der Tagung, auf die die Publikation zurückgeht – macht die zwar unvollkommenen, aber stets präsenten „Dynamiken der Institutionalisierung“ zum zentralen Untersuchungsgegenstand und entwickelt somit das von Giovanni Tabacco geprägte und von der Turiner Schule stark beanspruchte Konzept der sperimentazioni istituzionali wesentlich weiter. Prozesse in den Blick zu nehmen, impliziert eine teilweise Überwindung der herkömmlichen Auffassung einer Institution als Entität mit statischen Merkmalen und führt letztlich zu einer Deontologisierung derselben. Aber damit nicht genug: Durch die durchdachte Rezeption von Ansätzen aus der deutschen und französischen Forschung sowie aus der Soziologie und durch die Berücksichtigung von religiösen, „verfassungsrechtlichen“ und kunsthistorischen Aspekten plädiert der Bd. implizit dafür, eine Reihe von fachlichen, sprachlichen und methodischen Barrieren zu überwinden, die in diesem Forschungsbereich immer eine Rolle spielen und der Verfolgung bestimmter Desiderata im Wege stehen. Von diesen Bemühungen zeugt die umfangreiche Einleitung, in deren Mittelpunkt – neben der Benennung der bisherigen Forschungstendenzen und der Präsentation des Arbeitsvorhabens – vor allem die Präzisierung des im Werktitel enthaltenen Begriffes istituzione dinamica steht. Der vergleichsweise niedrige Formalisierungsgrad des früh- und hochmittelalterlichen Rechts – so lässt sich Manganaros Konzept resümieren – veranlasste Personen, Gruppen und Institutionen dazu, immer neue Stabilisierungsinstrumente zu entwickeln, die als Bestandteile einer offenen Institutionalisierung betrachtet werden können. Dazu werden Symbole, Rituale, Schriftlichkeitspraktiken, Bauten, Kulte sowie politische und wirtschaftliche Beziehungen gezählt. Für die Entscheidung, das Modell der istituzione dinamica am Beispiel der Abtei Farfa zu verifizieren, werden die „geopolitische Stellung“ des Klosters (einer an der südlichen Grenze des regnum italicum im Interessengebiet des Papsttums gelegenen Reichsabtei) sowie dessen wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung über lange Zeiträume hinweg genannt. Die erste Sektion des Bd. stellt die Funktion des Benediktinermönchtums als Schöpfer von Ordnungskonfigurationen in den Mittelpunkt. Ausgehend von der Veränderung der Stellung des Mönchtums in der damaligen politischen Ordnung präzisiert Stefan Weinfurter einmal mehr seine These über einen grundlegenden Wandel im Verhältnis zwischen Kirche und Welt um 1100. Am Beispiel der Hagiographie plädiert Umberto Longo für eine Deutung der Farfenser Schriftlichkeit als Spiegel der Konzeption, welche die monastische Gemeinde von der Landschaft hatte, in der das Kloster lag und wirkte. Die zweite Sektion fokussiert das Verhältnis zwischen Farfa und den früh- und hochmittelalterlichen Herrschern. Die gezielte Förderung Farfas durch die karolingischen Könige und Kaiser sieht Mario Costambeyes im Zusammenhang mit der „geopolitischen“ Stellung des Klosters, das den Herrschern einen Zugang zu Rom ermöglichte. Stefano Manganaro arbeitet heraus, dass nicht nur die Könige zur Stabilisierung und somit Institutionalisierung Farfas beitrugen, sondern auch die Abtei selbst durch den Rekurs auf die Rechtstitel der Immunität (in der Karolingerzeit), des mundiburdium (in der Ottonenzeit) sowie durch die Prägung eines besonderen libertas-Begriffes (in der späten Salierzeit) einen Beitrag zur institutionellen Stabilisierung des regnum leistete. Die dritte Sektion ist der Stellung Farfas im Rahmen der ecclesia gewidmet. Der Beitrag von Cristina Andenna zeigt, dass die beiden größten Klosterverbände des hohen Mittelalters, Cluny und Citeaux, einen eher gemäßigten Einfluss auf die Abtei der Sabina ausübten: Die Übernahme der cluniazensischen consuetudines durch Farfa zu Beginn des 11. Jh. sei in den Kontext eines umfassenden recuperatio-Programms Abt Hugos einzubetten. Für das zisterziensische Modell habe sich u. a. aufgrund der Faszination für Bernard von Clairvaux vor allem Abt Adenulf interessiert. Caterina Ciccopiedi fragt nach den Beziehungen Farfas zu den Päpsten und Bischöfen und stellt fest, dass u. a. aufgrund des Fehlens eines eigenen Reformkonzepts die Bischöfe der Sabina bis zum ausgehenden 12. Jh. weitgehend unfähig waren, ihre jurisdiktionellen Ansprüche über die Abtei und deren Besitzungen geltend zu machen – erst die päpstliche Unterstützung verhalf ihnen schließlich dazu. Ein vierter Abschnitt setzt sich aus vier Beiträgen zusammen, welche auf die rete monastica der Abtei eingehen. Vito Loré geht auf das Verhältnis zwischen der Abtei Farfa und den von ihr abhängigen Kirchen ein und kann in Bezug auf das frühe Mittelalter feststellen, dass – im Gegensatz zu anderen Klöstern, etwa S. Vincenzo al Volturno – der Abt eine stets zentrale Stellung hatte, zumal er als alleiniger Vertreter der Abtei im Rahmen von Rechtshandlungen erschien. Tersilio Leggio behandelt die Instrumente, mit denen die Farfenser Äbte des frühen und hohen Mittelalters ihr Patrimonium regierten und betont insbesondere die Relevanz von befestigten Anlagen (ab dem 11. Jh.) sowie die fehlende Etablierung des Modells des aus mehr als sechs Mönchen bestehenden Priorats anstelle der frühmittelalterlichen Propstei. Die beiden Beiträge von Giustino Fernedi und Nadia Togni sind den kirchlichen Institutionen Umbriens gewidmet, die von Farfa abhängig waren. Eine letzte Sektion des Werkes setzt sich aus den Beiträgen von Pio Pistilli, Fabio Betti, Giulia Bordi und Tommaso Vicinelli zusammen und behandelt vornehmlich kunsthistorische Aspekte. Eine Schlussbetrachtung von Nicolangelo D’Acunto resümiert die wesentlichen Ergebnisse der Publikation und beschließt den Bd. Obwohl nicht alle Aufsätze die in der Einleitung thematisierten Leitfragen in dem gleichen Maße verfolgen und manche Auslassungen ein wenig verwundern – der einschlägige Beitrag von Theo Kölzer über die libertas von Farfa wird z. B. an keiner Stelle zitiert, Orts- und Personenregister wären bei diesem Thema hilfreich gewesen – fällt die Bewertung durchaus positiv aus. Hervorzuheben ist vor allem das von Stefano Manganaro vorgeschlagene Konzept der istituzione dinamica, dem eine breite Rezeption und Umsetzung durch die italienische und internationale Mediävistik zu wünschen ist.
Étienne Doublier
Kirsten Wallenwein/Tino Licht (Hg.), Reliquienauthentiken. Kulturdenkmäler des Frühmittelalters, Regensburg (Schnell & Steiner) 2021, XXXVI, 292 S., Abb, ISBN 978-3-7954-3301-7, € 59.
Die Sache gab es, den Namen (noch) nicht. Im frühen Mittelalter bezeichneten die Begriffe pittacium, brevis, brevicula, cedula, lamina, carta (carticula/cartulina), tabula oder auch littera das, was ab dem späten Mittelalter mit dem Namen „Authentik“ belegt werden sollte (Erstbeleg 1440). Authentiken sind eine hybride, zwischen bloßer Notiz und Rechtsdokument angesiedelte Form. Sie dienen der Authentifizierung von Reliquien, sind kulturhistorische Zeugnisse ersten Ranges und bilden ein „exzeptionelles Reservoir alltäglicher Schriftlichkeit in unverfälschter Sprache und Schrift“ (S. XII), wie Tino Licht und Kirsten Wallenwein in der Einleitung des von ihnen herausgegebenen Sammelbd. völlig zu Recht betonen. Diese Aufsatzsammlung dokumentiert die Vorträge, die auf einer Mainzer Tagung im Jahr 2017 gehalten worden sind. Das übergeordnete Ziel der Tagung hatte darin bestanden, auf die Möglichkeiten sprachlicher, paläographischer, praxeologischer, sammlungs- und institutionengeschichtlicher Auswertung von Reliquienauthentiken hinzuweisen und damit ein Forschungsgebiet zurück ins allgemeine Bewusstsein zu heben, das zuletzt etwas stiefmütterlich behandelt worden war. Zu den bedeutendsten Herkunfts- bzw. Aufbewahrungsstätten frühmittelalterlicher Authentiken gehören große Abteien und Kirchen: Chelles (139 Authentiken) Sens (95), Saint-Maurice (99) und die päpstliche Kapelle Sancta Sanctorum (130). Auf sie wird in mehreren Beiträgen hingewiesen. So behandelt etwa Bruno Galland Potential und Grenzen der paläographischen Untersuchung von Authentiken am Beispiel der Sammlung Sancta Sanctorum (S. 77–93). Der Beitrag präsentiert sich dabei als Zusammenfassung seiner 2004 publizierten Authentik-Edition für ein deutschsprachiges Publikum (unter Berücksichtigung der seither erschienenen Forschungsergebnisse). Von großem Interesse ist der Befund, dass einige der ehrwürdigsten Reliquien über keinerlei Authentik verfügten, anders ausgedrückt: Authentiken waren vor allem für die Sekundärreliquien von Nutzen, die nur dadurch, dass sie von einem schriftlichen Nachweis begleitet wurden, eine wirkliche Verehrung hervorrufen konnten. Dem päpstlich-römischen Kontext treu bleibt Guglielmo Cavallo, der die aus der Sancta Sanctorum stammenden, heute in der Vatikanischen Bibliothek verwahrten Authentiken in griechischer Sprache einer genaueren paläographischen Analyse unterzieht (S. 39–46). In welchem Umfang Reliquienauthentiken der Paläographie als unabhängiger Argumentationsstrang dienen können, zeigt Tino Licht in seiner Analyse der te-Minuskel von Saint-Vaast in Arras (S. 125–138). Dabei wird eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass offene Forschungsfragen innerhalb der Paläographie sich auch mit Blick auf vorkarolingische Authentiken entscheiden lassen. Der Sprache der Reliquienauthentiken aus Chelles (heute verwahrt in Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales [France], AB/XIX/3971) spürt Joseph Reisdoerfer nach (S. 205–223). Sein Beitrag ist als Vorarbeit zu einem umfassenden Sprachkommentar gedacht, durch den der Linguistik wertvolle Einsichten in Entstehung und Entwicklung des sermo rusticus und der rustica romana lingua (Protofranzösisch) eröffnet werden können. Auch der Dom von Monza verfügt über frühe Beispiele von Authentiken. Auf sie geht Roberto Cassanelli ein (S. 1–38). Diese Authentiken dienten vor allem der Identifizierung und Beglaubigung von sog. Eulogiae, kleinen Behältern mit Öl aus den an den römischen Apostelgräbern brennenden Lampen. Diese auf das 6. Jh. zurückgehenden Sekundärreliquien verdankten ihre Existenz und Verlagerung nach Monza wohl den von Papst Gregor formulierten Vorbehalten gegen die Teilung und Verteilung heiliger Leiber (bzw. Knochen) an unterschiedliche Orte. Dem ist zuzustimmen, denn tatsächlich belegt die Mehrzahl der erhaltenen frühmittelalterlichen Reliquien, dass von den Heiligen lediglich Berührungsreliquien oder Körperteile (wie etwa Zähne) aufbewahrt worden sind, die nicht zu den körperlichen Immobilien gehörten. Der Text der lesbaren pittaciae aus Monza wird in einem Anhang abgedruckt (S. 27). Philippe George äußert sich zu Fragen der Bestandserhaltung, Überlieferung und Interpretation von Reliquienauthentiken aus dem frühmittelalterlichen Maasgebiet (S. 95–124) und zeichnet dabei Entwicklungslinien nach, die verdeutlichen, wie die Diversifizierung der Schriftlichkeit seit dem 12. Jh. zu einem Wandel der Formulierungen bei denjenigen Dokumenten führte, die der Identifikation von Reliquien dienten. So entstanden etwa detaillierte Protokolle, die sich sehr viel ausführlicher und umfangreicher als früher präsentierten und durch den Siegelgebrauch eher den Grundsätzen der Diplomatik entsprachen. Mit den aus Westfalen stammenden karolingischen und ottonischen Reliquienauthentiken setzt sich Mark Mersiowsky auseinander (S. 139–204), während Hedwig Röckelein die Reliquienauthentiken des Frühmittelalters aus dem Frauenstift Gandersheim (Niedersachsen) untersucht (S. 225–253) und dabei auf ungewöhnliche Trägermaterialien eingeht, zum einen ein sog. „Salvatortüchlein“, zum anderen einen hölzernen Reliquienkasten. Kirsten Wallenwein behandelt abschließend die 28 Reliquienauthentiken von Baume-les-Messieurs unter sprachlich-paläographischen Gesichtspunkten (S. 255–274). Normative Vorgaben, wie eine Authentik auszusehen oder welchen Zweck genau sie zu erfüllen hatte, gab es nicht. Nur in einer Quelle des 13. Jh., dem „Pontificale“ des Durandus, werden Authentiken im liturgischen Kontext, genauer: im Rahmen der Weihe einer Kirche, explizit erwähnt: die Authentik (carticula de corio) solle zusammen mit den Reliquien versiegelt werden, gut lesbar sein (de grossa littera) und alle Daten der Kirchweih enthalten. Eva Ferro interpretiert sie in ihrem Beitrag zum Verhältnis von Reliquien und Beschriftung im frühen Mittelalter (S. 59–76) als „schrifttragende Artefakte“ (S. 71) mit der wesentlichen Aufgabe, eine Reliquie zu konstituieren. Paul Bertrand hatte mit Blick auf Authentiken einst von „Personalausweisen“ (petites cartes d’identité), Philippe George von „Reisepässen“ bzw. „Visa“ gesprochen und damit auf das Faktum verwiesen, dass Authentiken nicht zwingend am jeweiligen Aufenthaltsort der Reliquie entstanden sein mussten, sondern bereits größere Wanderbewegungen zurückgelegt haben konnten. Der Bd. bildet den status quo der derzeitigen Forschungslage zuverlässig ab, verweist auf offene Forschungsfragen bzw. -desiderate (so etwa P. George, der die wissenschaftliche Erschließung der Authentiken aus Gembloux und Huy anmahnt) und dürfte eine Fülle neuer größerer und kleinerer Arbeiten zur Thematik anregen.
Ralf Lützelschwab
Marco Papasidero, Translatio Sanctitatis. I furti di reliquie nell’Italia medievale, Firenze (Firenze University Press) 2019 (Premio Istituto Sangalli per la storia religiosa 8), 200 S., ISBN 978-88-6453-924-9, € 15.
Patrick Geary hat in seiner Diss., die 1990 unter dem Titel „Furta sacra“ gedruckt wurde, den Weg gewiesen. Für das 9.–11. Jh. untersuchte er darin ein Phänomen, das charakteristisch für den mittelalterlichen Reliquienkult in Europa war: den „Raub“ von Reliquien. Definitorisch versteht man unter einem furtum sacrum die durch List oder auch pure Gewalt herbeigeführte Verlagerung von Heiltum, einen „rito di passaggio“ (S. 21), durch den „heilige Leiber“ in die Hände anderer übergehen. Marco Papasidero beschäftigt sich in seiner an der Università di Messina entstandenen Diss. zwar mit derselben Thematik, wählt jedoch einen sehr viel engeren geographischen Rahmen: die Apenninenhalbinsel. Und anders als Geary interessiert er sich nicht allein für die politischen Dynamiken, die zu den einzelnen furta sacra führten, sondern kontextualisiert sehr viel stärker, indem er die rhetorisch-narrativen Legitimationsstrategien der Berichte ebenso mit einbezieht wie deren mythopoetische Funktion: „Il fenomeno del trafugamento di reliquie è spesso connesso a dinamiche politiche, identitarie e di legittimazione del potere, non di rado conflittuali“ (S. 37). Die Arbeit ist (umschlossen von Vorwort und Zusammenfassung) in fünf große Kapitel gegliedert (I. „Il furto di reliquie“; II. „I testi e la storia“; III. „Funzioni narrative e strategie di scrittura“; IV. „Tra storia e mnemostoria: la costruzione della memoria del furto“; V. „Signa e dispositivi rituali: innovazioni e questioni storico-religiose“). Zwei Anhänge verzeichnen in Tabellenform erstens den Abfassungszeitraum und -ort der einschlägigen Translationsberichte, zweitens die Gründe für die jeweilige Verlagerung. Das Methodeninstrumentarium, das dabei zum Einsatz kommt, stammt aus den historisch-religiösen, anthropologischen und philologisch-literarischen Disziplinen. Welche Kriterien lagen der Quellenauswahl zugrunde? Erfasst werden sollten für einen Zeitraum von knapp 800 Jahren (500–1300) all diejenigen Translationen, die unter der Rubrik des furtum sacrum verbucht werden konnten. Damit waren Heiltumsverschiebungen infolge eines „Geschenks“ (donum), einer „Auffindung“ (inventio) oder eines „Kaufs“ (emptio) ausgeschlossen. Narrative Topoi, „la parte più rappresentativa dei testi agiografici“, spielten bei der Identifizierung der rund 30 Texte eine große Rolle, tragen sie doch grundsätzlich dazu bei, „a dotare le legendae di funzioni esplicative della volontà divina e dell’agire del santo“ (S. 89). Zu diesen Topoi mit ihrem spezifischen Wortbestand gehören Hinweise auf die mangelnde Verehrung der Reliquien am ursprünglichen Aufbewahrungsort ebenso wie die Heimlichkeit der Translation oder die Präsenz von Gewalt (so etwa wenn Translationen in Folge einer Belagerung, eines Krieges oder einer Schlacht erfolgten), List und Lüge. Das Gros der dergestalt identifizierten Texte entstand zwischen dem 9. und 13. Jh., nur ein Text („Translatio ss. Festi et Desiderii“) geht auf das 5./6. Jh. zurück. Papasidero unterscheidet drei Textgruppen und legt dabei chronologische Kriterien zugrunde: 1. Texte, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Ereignissen entstanden sind; 2. Texte, die 10–50 Jahre post festum verfasst wurden; 3. Texte, die sehr viel später geschrieben wurden. Wenig überraschend gehört die Mehrzahl der Texte, nämlich 20, letzterer Kategorie an. Namentlich nachweisbar sind lediglich 15 Verfasser. Deutlich wird, dass mit Blick auf die Produktion der beiden zentralen Quellengattungen, Vitae und Translationes, zwei Regionen besonders hervorragen: Venedig und das Herzogtum (später Fürstentum) Benevent. Im italienischen Kontext ist neben dem Raub der Markusreliquien 827/828, beschrieben in der rund 20 Jahre nach den Ereignissen entstandenen „Translatio evangelistae Marci Venetias“, wohl kein furtum sacrum bekannter als dasjenige des hl. Nikolaus, dessen Reliquien von Myra aus 1087 nach Bari gelangten. Nicht zufällig ist der Raub in Zusammenhang mit der wirtschaftlich-politischen Konkurrenz der aufstrebenden Handelsstadt Bari zu Venedig zu sehen. Bereits 1089 fanden die Nikolausreliquien ihre letzte Ruhestätte in der neuerbauten Basilika, die noch heute Pilger in großer Zahl anzieht. Weitere Orte im Süden der Halbinsel gelangten qua Raub in den Besitz wertvollen Heiltums, etwa Catania (hl. Agatha) oder Amalfi (hl. Andreas). Auffällig, dass (anders als von Geary beschrieben) das Phänomen der furta sacra durch Klostergemeinschaften in Italien nicht sehr verbreitet zu sein scheint (S. 72–78). An die Stelle monastischer Kommunitäten treten Städte (und Laien): „In Italia si trafugano i santi principalmente per renderli simbolo del potere politico, laico, per farne espressioni dell’orgoglio civico …“ (S. 162). Anschaulichkeit gewinnen Papasideros Ausführungen durch den steten Rückbezug auf den „Sitz im Leben“ der furta sacra. Analysiert wird das in den Quellen beschriebene Figurenpersonal: vom Auftraggeber, den Räubern und ihren Helfern, über den in seinen Reliquien präsenten Heiligen selbst, die Wächter und die bestohlene Gemeinschaft bis hin zu den neuen Besitzern und dem bei der Translation anwesenden Publikum. Besondere Beachtung wird dabei der Rolle geschenkt, die diese Personen im Prozess der Konstruktion hagiographischer memoria spielten. Auch praktischen Fragen wird nachgegangen: Was wurde konkret transloziert? Ganze Körper oder nur Fragmente? Deutlich wird, dass man sich in nahezu allen Fällen um den corpum integrum, den vollständigen Leib, bemühte. Und wie garantierte man die Authentizität dieser „heiligen Leiber“? Eines der Mittel bestand darin, auf die Dienste zweifelhafter Händler zu verzichten und das Heiltum direkt an der Quelle, vor Ort, zu beschaffen. Papasidero ist sich der „frammentarietà“ (S. 158) der Quellen wohl bewusst, doch trotz und eingedenk dieser Beschränkung gelingt ihm ein hervorragender Überblick über das Phänomen des Reliquienraubs im italienischen Kontext, eines „complesso dispositivo retorico-narrativo e simbolico-sacrale le cui radici sono individuabili nei processi di fissaggio e riattualizzazione della memoria culturale“ (S. 103). Reliquienraub und Identitätskonstruktion sind eng aufeinander bezogen – und erst vor diesem Hintergrund gewinnt Papasideros Definition eines furtum sacrum ihre eigentliche Aussagekraft: „la modalità attraverso la quale una comunità, civile o ecclesiastica … rifonda la storia, riavvia il corso degli eventi da un nuovo punto zero, dal quale ripartire sotto la protezione del nuovo santo e con un’identità rinnovata“ (S. 159). Mögen sich ähnlich gelagerte Untersuchungen zu weiteren geographischen Räumen anschließen.
Ralf Lützelschwab
Volker Scior, Boten im frühen Mittelalter. Medien – Kommunikation – Mobilität, Berlin u. a. (Peter Lang Verlag) 2021 (Studien zur Vormoderne 3), 692 S., ISBN 978-3-631-84954-5, € 109,95.
Es kommt selten vor, in diesem Fall ist jedoch vom Rezensenten die Danksagung des Buches zu kritisieren, verschweigt der Vf. in ihr doch einige wichtige Informationen. Es geht daraus hervor, dass es sich um eine „leicht überarbeitete Fassung“ der Habilitationsschrift des Autors handelt. Aber weder wird angegeben, wann diese eingereicht wurde, noch an welcher Universität. Durch Recherche auf der Homepage Sciors lässt sich herausfinden, dass er sich 2010 habilitierte und das wohl an der Universität Osnabrück. Interessant mutet ebenso an, dass Bernd Bastert und Gerhard Lubich als Reihenhg. gedankt wird, obgleich aus der Titelei deutlich wird, dass Lubich alleine für die Reihe verantwortlich ist. Zwei weitere Kritikpunkte, für die allerdings Scior nichts kann, sind der sehr hohe Preis des Buches und die Verlagspraxis, dem Rezensenten nur ein digitales Besprechungsexemplar zukommen zu lassen. Glücklicherweise sind diese monita nach der Lektüre in den Hintergrund gerückt. Zwar gab es in jüngerer Zeit schon vereinzelte Studien zum Botenwesen, eine solch umfangreiche für das Frühmittelalter stand allerdings noch aus. Das Hauptziel der Untersuchung besteht in der „Analyse der frühmittelalterlichen Kommunikationspraxis mittels Boten als den wichtigsten zeitgenössischen Mittlern in Überlieferungsprozessen“ (S. 43). Die Probleme einer umfassenden Darstellung werden bereits in den Quellen sichtbar, in denen nur ganz vereinzelt detaillierte Informationen zu den Boten überliefert sind. Vor allem sind hier Briefe zu nennen, aber zusätzlich werden in der Monographie auch erzählende Quellen ausgewertet. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Karolingerzeit, jedoch mit Rückgriffen auf die Merowinger. Hauptsächlich wird das Frankenreich thematisiert, allerdings werden exkursartig ebenso die Boten, die nach Spanien, Italien und England/Irland unterwegs waren, behandelt (S. 236–249). Nach einer kurzen Darlegung zur Terminologie in den Quellen (S. 59–98), in der eine Herausarbeitung der vielen unterschiedlichen Begrifflichkeiten zum Botenwesen vollzogen wird, wendet sich Scior den Boten in Kommunikationsnetzen zu (S. 99–301), dem Herzstück der Arbeit. Anhand mehrerer Briefsammlungen (Bonifatius und Lul, Alkuin, Einhard) wird die lückenhafte Überlieferung deutlich. Selten können Namen der Boten ausfindig gemacht werden, jedoch gelingen dem Vf. einige wichtige Beobachtungen. So lässt sich festhalten: Je niedriger der soziale Status des Boten war, desto weniger Informationen können über den Boten eruiert werden. Ebenfalls auffällig ist die unterschiedliche Verwendung von termini in den historiographischen und hagiographischen Quellen, die somit nicht zufällig gewählt sein können. In dem zweiten Großkapitel (S. 303–507) geht der Blick Sciors eher weg von den Boten als Überbringer hin zur Kommunikationspraxis, die durch die Boten erreicht wurde. So werden beispielsweise die Kategorien für die Auswahl der Übermittler oder die Vermittlerrolle im Spannungsfeld zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation thematisiert. Interessant sind zudem die kürzeren Kapitel über Gepäck und Geschenke der Boten sowie die Transportmittel und die weiterhin schwierig zu eruierenden Reisegeschwindigkeiten. Die einzelnen Ergebnisse sind ausgesprochen vielfältig, sodass hier nicht auf Details eingegangen werden kann. Wichtig erscheint, dass Scior seine theoretischen Ausführungen stets mit zahlreichen Quellenbeispielen belegt, sodass die Studie nicht nur von Forschenden, sondern auch von Lehrenden herangezogen werden kann. Kritisch einzuwenden ist lediglich der Umfang der Untersuchung, einige Kürzungen wären sinnvoll gewesen. In der Zusammenfassung bündelt Scior die wichtigsten Ergebnisse (S. 509–519). Die Korrespondenten aus den jeweiligen Briefsammlungen werden in einem umfangreichen tabellarischen Anhang gebündelt dargestellt, die ein schnelles Nachlesen erleichtern (S. 521–573). Ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie mehrere Register (termini für Boten, namentlich erwähnte Boten, weitere Personen und ein Sachregister für Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Boten, leider kein Ortsregister) beschließen den Bd. Hoffentlich verhindern die oben angesprochenen, hauptsächlich vom Verlag zu vertretenden Makel nicht eine weite Verbreitung der Studie. Es wäre nicht verdient, denn Scior legt eine umfassende, gut lesbare und aus einer breiten Quellenbasis herausgearbeitete Studie vor, die ein Gewinn für die Forschung sein wird.
Timo Bollen
Annliese Nef, Révolutions islamiques. Émergences de l’Islam en Méditerranée (VIIe–Xe siècle), Roma (École française de Rome) 2021 (Lectures méditerranéennes), 225 S., Abb., ISBN 978-2-7283-1488-1, € 15.
Annliese Nef liefert hier einen historischen Überblick zum Aufstieg einer vom Islam geprägten Sphäre zwischen dem 7. und 10. Jh. in zunächst chronologischer, dann systematischer Ordnung. Kapitel 1 („émergence“) beschäftigt sich mit der Rolle Muḥammads (gest. 10/632) sowie mit Ereignisgeschichte, Charakter und Erfolgsursachen der arabisch-islamischen Expansion (7.–9. Jh.). Kapitel 2 („vision et division“) widmet sich dem Ausbau einer imperialen Administration unter Umayyaden (661–750) und Abbasiden (750–1258), der Entstehung und Rolle einer imperialen Geographie, der ethnischen Diversität des imperialen Raumes und daraus resultierenden Spannungen, der Etablierung eines Systems des Umgangs mit anderen Religionsgruppen sowie dem für die islamisch geprägte Sphäre charakteristischen Rechtspluralismus. Kapitel 3 („révolution culturelle“) behandelt die Entstehung einer imperialen Kultur zwischen Kontinuität und Innovation, die auf der Grundlage eines reichhaltigen spätantiken Erbes eigene Bildungsideale, Wissensklassifikationen, ökonomische und politische Vorstellungen und künstlerische Ausdrucksformen hervorbringt. Zwar lassen sich Vermittlungsprozesse von Ost nach West beobachten, die imperiale Kultur wird aber über die drei behandelten Jh. hinweg nicht als Produkt eines Verhältnisses zwischen imperialem Produktionszentrum und nacheifernder Peripherie, sondern als polyzentrisches Netzwerk verstanden, in dem regionale Eliten in einer politisch zunehmend fragmentierten Sphäre als Mäzene wirkten. Der kulturellen Entwicklung und Bedeutung des islamischen Westens gilt besonderes Augenmerk. Kapitel 4 („révolution fatimide“) widmet sich mit dem Aufstieg, der Etablierung und dem politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen, handwerklichen und geistesgeschichtlichen Beitrag der Fatimiden einem zweiten Imperialisierungsschub innerhalb dieser polyzentrischen Sphäre. Die Darstellung dieser Themen erfolgt insgesamt differenziert und auf dem neuesten internationalen Forschungsstand. Von anderen Überblicksdarstellungen neueren Datums (z. B. Hugh Kennedy, The Great Arab Conquests, 2007; Robert Hoyland, In God’s Path, 2015; Lutz Berger, Die Entstehung des Islam, 2016) unterscheidet sich Annliese Nefs Zugriff durch den bis ins 10. Jh. reichenden chronologischen Zuschnitt, ihre starke Betonung des muslimischen Westens und den konzeptuellen Rahmen. Mit dem Konzept der „Revolution“ versucht sie, einen Beitrag zu einer schon mehr als ein Jh. alten Diskussion zu leisten. Am einen Ende des Forschungsspektrums sieht sie vornehmlich ältere Positionen, die die Entstehung einer islamisch geprägten Sphäre in der Tradition von Henri Pirennes „Mahomet et Charlemagne“ als Bruch mit jeglicher antiken Tradition und damit als (eher negativ bewerteten) Innovationsschub deuten. Am anderen Ende steht eine jüngere Forschungstendenz, die v. a. Kontinuitäten zwischen Spätantike und frühislamischer Periode hervorhebt und der frühen islamisch geprägten Sphäre damit implizit Innovativität abspricht. Mit dem in der Einleitung diskutierten Konzept der Revolution formuliert Annliese Nef eine Zwischenposition: in der emergierenden islamisch geprägten Sphäre erkennt sie in allen Bereichen menschlicher Aktivität und Produktion (Religion, Politik, Wirtschaft, Gesellschaftsordnung, Bildung, Wissenschaft, Kunst etc.) einen immer als „revolutionär“ gedeuteten kreativen Assimilationsprozess, der unter imperialer Ägide ethnische, religiöse und kulturelle Diversität und ein reiches Arsenal an vorislamischen Traditionen in originellen kulturellen Ausdrucksformen und einer neuen symbolischen Repräsentation der Welt zusammenführt. Die imperiale Klammer ist dabei nicht politisch, sondern v. a. kulturell, fungiert ja gerade der Polyzentrismus als Motor vielfältiger Assimilations-, Appropriations- und darauf aufbauender Innovationsprozesse. Ihm sind die „Revolutionen innerhalb der Revolution“ („révolutions dans la révolution“) zu verdanken, darunter auch der imperiale Aufstieg der Fatimiden. Durch ihr besonderes Augenmerk auf den muslimischen Westen und die Fatimiden trägt die als Sizilienexpertin bekannte Autorin nicht nur ihrer Spezialisierung und dem Serientitel „Lectures méditerranéennes“ der École française de Rome Rechnung, sondern bekämpft auch eine Wahrnehmungstradition, die alles „Islamische“ v. a. im Osten verortet. In Frankreich und Spanien mit ihrer hochentwickelten Forschung zum westlichen Mittelmeerraum und zum islamischen Westen trägt sie damit freilich Eulen nach Athen. Das Buch ist allerdings v. a. an eine weitere Leserschaft gerichtet. Dies machen ein sparsamer Fußnotenapparat, gelegentliche Kästen mit Begriffserklärungen, ein Glossar sowie eine nach Kapiteln gegliederte weiterführende Bibliographie („pour aller plus loin“) mit v. a. französischen Titeln deutlich. Insgesamt ist der Überblick gut gelungen, das Revolutionskonzept gelegentlich vielleicht etwas zu stark ausgereizt.
Daniel G. König
Clemens Gantner/Walter Pohl (a cura di), After Charlemagne. Carolingian Italy and its Rulers, Cambridge (Cambridge University Press) 2021, VIII, 337 pp., ISBN 978-1-108-84077-4, GBP 75.
All’interno del folto gruppo di date a cui viene assegnato un significato di svolta nella storia della penisola italiana si trova anche il 774, anno che corrisponde alla conquista franca del regno longobardo. Nel 774 Carlo Magno assunse infatti il titolo di rex Langobardorum traghettando solo una parte dell’Italia nella compagine carolingia e lasciando i ducati centro-meridionali temporaneamente autonomi, quindi ponendo le basi per quella divisione nord-sud che fu poi cristallizzata dalla conquista normanna. La storiografia degli ultimi quindici anni si è ampiamente interrogata sulla transizione del regno longobardo verso un’Italia carolingia. Da un lato sono stati messi in rilievo i pieni e i vuoti delle fonti scritte, le specificità regionali e locali, dall’altro è stata utilizzata una prospettiva interdisciplinare, che ha visto dialogare in modo proficuo storici e archeologi. Mi riferisco in particolare agli atti del convegno organizzato dal SAAME (Centro Interuniversitario per la Storia e l’Archeologia dell’Alto Medioevo), „774. Ipotesi su una transizione“, curati da Stefano Gasparri e pubblicati per Brepols nel 2006, che non solo hanno saputo rilevare importanti continuità e cesure ma anche spaziare fuori dall’ambito strettamente politico e sociale. È anche a partire da questo dibattito che nasce una delle domande che stanno alla base del volume recentemente curato da Clemens Gantner e Walter Pohl, vale a dire: c’è davvero stata un’Italia carolingia e se sì, quanto „carolingia“ è stata? Rispondere non è per niente semplice e in primo luogo perché l’identità politica di questa parte della penisola rimase sempre schiettamente diversa da quella del regno franco. Rispetto a quest’ultimo il regno longobardo mantenne infatti sempre una propria autonomia istituzionale, non diversamente peraltro da altri organismi politici che entrarono a far parte del regno carolingio nel corso del secolo VIII, come ad esempio il ducato di Baviera oppure la Bretagna. È precisamente a questo proposito che il saggio di Paolo Delogu prende in esame le oscillazioni del nome del regno durante tutto il periodo carolingio mettendo in rilievo alcuni passaggi cruciali nella formazione e nel consolidamento di un’identità politica italica. Un’identità che si sviluppa in un dialogo serrato tra i re carolingi, che disponevano di precise aspirazioni e strumenti di governo, e le realtà locali, composte da élite e istituzioni che, perlomeno in un primo tempo, affondavano le radici nella tradizione longobarda e che solo gradualmente si orientano, per necessità o per interesse, verso il mondo franco, come emerge dai contributi di Stefano Gasparri e Igor Santos Salazar presenti nella seconda sezione del volume. In questo quadro il regno longobardo costituì una palestra per i re carolingi „in formazione“. È questo il caso di Pipino, qui analizzato da Marco Stoffella, il cui ruolo politico è stato messo a fuoco solo relativamente di recente, e quello di Ludovico II, del quale Clemens Gantner analizza il rapporto con Roma durante i primi anni di governo in Italia. Diversa la relazione con il regno longobardo da parte di Lotario, che ebbe sempre un forte interesse per la politica d’oltralpe, e il cui rapporto con il padre, l’imperatore Ludovico il Pio, viene delineato da Elina Screen nella terza sezione del volume. Nonostante la penetrazione di istituzioni franche, di cui il vassallaggio analizzato da Giuseppe Albertoni è uno degli esempi più stimolanti, il rapporto tra Carolingi e regno longobardo non fu unidirezionale. Il contributo di François Bougard mette precisamente l’accento sull’acculturazione reciproca, che non ebbe a che fare solo con le pratiche politiche (la „cultura dell’assemblea“, il ruolo dell’episcopato, e anche le traslazioni di reliquie analizzate nel volume da Francesco Veronese), ma si compì a un livello più ampiamente culturale. Un intreccio che si esprime non solo nell’ambito giuridico e nella produzione documentaria, ma anche nella liturgia e nella trattatistica teologica e che trova un’interpretazione originale nella corte carolingia in Italia. Come delineato dal contributo di Giorgia Vocino, la corte fu capace di esprimere una cultura propria, caratterizzata da uno specifico interesse per la retorica, che si era sedimentato nella tradizione degli studi locali e che aveva affascinato gli intellettuali e i sovrani d’oltralpe. Complessivamente il volume mette in campo una serie di ricerche ben documentate, che utilizzano fonti e metodologie differenti, ed è capace di offrire una risposta corale alla domanda di cui sopra: un’Italia carolingia è esistita eccome, con i suoi regionalismi e le sue particolarità, non da ultima la spiccata tenuta dei centri urbani analizzata nell’ultima sezione da Caroline Goodson.
Giulia Zornetta
Enrico Cuozzo/Laura Esposito/Jean-Marie Martin (a cura di), Le pergamene del monastero di Santa Sofia di Benevento (762–1067), vol. 1, premessa di Ortensio Zecchino, Roma (École française de Rome) 2021 (Sources et documents 12,1) (Medievalia 11,1), 450 pp., ISBN 978-2-7283-1484-3, € 41.
Il progetto di edizione delle pergamene del monastero di Santa Sofia di Benevento, di cui questo volume costituisce il primo di quattro, si colloca in coda a una formidabile stagione di pubblicazioni relative alle fonti dell’Italia meridionale nell’alto e nel pieno medioevo, che ha avuto come architetto lo studioso Jean Marie Martin. Apertasi con l’edizione del „Chronicon Sanctae Sophiae“, uscita nel 2000 per la collana „Fonti per la storia dell’Italia medievale – Rerum Italicarum Scriptores“ dell’Istituto Storico Italiano per il Medioevo, questa stagione è poi proseguita con i „Regesti dei documenti dell’Italia meridionale (570–899)“, pubblicati nel 2002 per l’École française de Rome, e con il „Registrum Petri Diaconi“, apparso nel 2016 all’interno della collana „Fonti per la storia d’Italia Medievale – Antiquitates“ dell’Istituto Storico Italiano per il Medioevo. Come questa serie di volumi, anche il primo tomo dell’edizione delle pergamene di Santa Sofia costituisce un importante strumento di accesso alla storia del Mezzogiorno longobardo. L’interesse dell’operazione risiede in questo caso non solo nel fatto che le pergamene in oggetto fossero finora in larga parte inedite, ma anche nel recupero di un materiale – quanto resta dell’originario archivio del più ricco tra i monasteri beneventani – che nel corso dei secoli fu suddiviso in più sedi: l’Archivio Storico Provinciale di Benevento, annesso al Museo del Sannio, l’Archivio dei Principi Aldobrandini, situato nella Villa Belvedere di Frascati, e la Biblioteca Apostolica Vaticana. Se si escludono una manciata di praecepta dei principi di Benevento e di privilegi imperiali e papali, tutti già noti alla storiografia, l’edizione comprende un folto gruppo di documenti privati, memoratoria, scripta ma soprattutto chartulae contenenti in prevalenza donazioni e vendite. È inoltre presente un piccolo gruppo di giudicati e convenientiae, che offrono un vivido spaccato dei conflitti patrimoniali in cui il monastero fu implicato. Si tratta di documenti che, nella maggior parte dei casi, non risultano tramandati dal „Chronicon Sanctae Sophiae“, il cartulario che, all’inizio del XII secolo, fu composto per rivendicare l’indipendenza del monastero beneventano dall’abbazia di Montecassino. Quest’ultimo si presentava infatti come un liber preceptorum, quindi come una raccolta di concessioni emanate dalle autorità pubbliche, ed escludeva pertanto, almeno in teoria, i documenti privati che pure erano presenti nell’archivio dell’ente (nella pratica, invece, qualche documento privato è stato inserito dal compilatore). Quello proposto da questa edizione è quindi un prezioso dossier che ci permette di gettare uno sguardo più approfondito non solo sul patrimonio di Santa Sofia di Benevento, ma anche sulla società longobarda dell’Italia meridionale, in particolare sulle reti di relazioni che intorno ad esso si cristallizzarono nel tempo, reti che nell’alto medioevo spesso insistevano sul mercato della terra. Le pergamene sono ordinate cronologicamente, con riferimento agli anni di governo degli abati, e coprono il periodo che va dal 766 al 1066. In accordo con le norme utilizzate anche nei precedenti progetti di edizione guidati da Martin, per ogni documento sono stati forniti datazione, regesto e apparato descrittivo. Quest’ultimo riporta non solo la segnatura attuale, ma anche quelle precedenti, fornendo così una guida allo studioso che si trovasse a navigare in bibliografie più risalenti. Insieme a queste informazioni viene inoltre indicata una bibliografia di riferimento, comprendente edizioni, regesti e studi precedenti, alla quale fa da contrappunto un denso apparato di note relativo alle persone, agli enti ecclesiastici e ai luoghi menzionati in ciascun documento, con riferimento a una bibliografia sufficientemente aggiornata sul Mezzogiorno longobardo. A questi riferimenti si affiancano gli indici e alcune appendici, utili per orientarsi nel complesso documentario e comprendere gli ordinamenti archivistici precedenti a quello attuale. L’introduzione, relativamente breve se si considera l’ambizione del progetto, si apre con la fondazione del monastero da parte di Arechi, duca e poi principe di Benevento. Gli editori tralasciano il legame tra Santa Sofia e San Salvatore di Brescia, il monastero femminile fondato da re Desiderio e dalla moglie Ansa nel 756, legame che è stato invece sottolineato a più riprese dalla storiografia e che riconduce l’iniziativa arechiana a un modello pienamente longobardo. Al contrario, l’introduzione enfatizza l’ispirazione bizantina sottesa al progetto edilizio, riprendendo un’ipotesi già presentata da Martin in altra sede e confortata principalmente dal titulus del monastero – Hagia Sophia, la Divina Sapienza – e dalla presenza, nel quadro urbanistico beneventano, di una Porta aurea, vale a dire l’Arco di Traiano rifunzionalizzato a porta urbica tra Tarda Antichità e Alto Medioevo. Al di là del momento fondativo, la storia di Santa Sofia non viene ripercorsa quasi per nulla nell’introduzione, scelta che deriva probabilmente dalla rinuncia a proporre una versione aggiornata del saggio, estremamente documentato, che lo stesso Martin scrisse per l’introduzione all’edizione del „Chronicon“. Fa eccezione il riferimento a due frammenti di pergamena rinvenuti a inizio Novecento a Rieti, a cui viene dedicata un’intera sezione. Questi ultimi permettono di qualificare, a partire almeno dalla metà del IX secolo e per buona parte del X, Santa Sofia di Benevento come monastero doppio, cioè comprendente al contempo una comunità femminile e una maschile. Questa ipotesi, a mio modo di vedere fondata, è stata avanzata da più studiosi nel corso del tempo, tra cui in modo particolarmente convincente da Vito Loré in un recente saggio. Il testo prosegue poi ripercorrendo la storia dell’archivio del monastero, che è stata oggetto di approfondita ricerca anche da parte di Paola Massa, focalizzandosi in particolare su tre momenti: la sparizione del patrimonio documentario più antico, gli anni degli abati commendatari (grossomodo l’età moderna) fino ad arrivare alla soppressione dell’ente ecclesiastico nel 1806, l’ordinamento approntato dal cardinale Orsini, arcivescovo di Benevento, a inizio Settecento. L’introduzione si conclude con un approfondimento descrittivo riguardo alla serie di notai che negli anni tra il 766 e il 1066 scrissero questi documenti per il monastero di Santa Sofia e alle loro scritture. A questo seguono la cronotassi dei notai, delle badesse, degli abati e dei prepositi del monastero e, infine, la cronologia dei principi di Benevento menzionati nei documenti, utile soprattutto per orientarsi nell’onomastica, spesso ripetitiva, della dinastia Landulfide.
Giulia Zornetta
Magdalena Skoblar (Ed.), Byzantium, Venice and the Medieval Adriatic. Spheres of Maritime Power and Influence, c. 700–1453, Cambridge (Cambridge University Press) 2021 (British School at Athens Studies in Greek Antiquity), XXII, 400 pp., ISBN 978-1-108-88698-7, € 94,50.
Negli ultimi vent’anni gli studi mediterraneistici hanno conosciuto un profondo rinnovamento. La ricerca di nuovi paradigmi è stata favorita dalla pubblicazione del noto „The Corrupting Sea. A Study of Mediterranean History“, di Peregrine Horden e Nicholas Purcell, capace d’incoraggiare un profondo ripensamento dei classici stilemi braudeliani, grazie all’enfasi posta sul ruolo delle aree regionali e micro-regionali. La descrizione del bacino mediterraneo come composto da micro-ecologie molteplici, ancorché integrate fra loro, ha portato a una rivalutazione dei network locali. È stato possibile, così, tornare a ragionare in termini spaziali, ribaltando visioni consolidate – centrate, per riferirsi alla penisola, su divisioni di natura politica, oltre che economica, come quella, celebre, tra le „due Italie“ – in favore di nuovi punti di vista. La distinzione tra un’Italia tirrenica e una adriatica, di derivazione classica – peraltro, riscontrabile nel pensiero dei contemporanei, a partire da Dante –, ha cominciato a farsi avanti. Non si può dire, tuttavia, che la proposta abbia fatto particolarmente breccia tra gli studiosi. Giunge, pertanto, carica di aspettative la pubblicazione, a cura di Magdalena Skoblar, Postdoctoral Research Fellow presso la British School di Atene, specialista dei rapporti inter-adriatici in età medievale, del volume „Venice and the Medieval Adriatic. Spheres of Maritime Power and Influence, c. 700–1453“, che raccoglie i contributi di sedici studiosi, centrati sulla vicenda dell’Adriatico medievale, letto quale mare liminale tra culture, lingue e fedi diverse, con particolare riguardo alla persistente presenza bizantina e al ruolo di Venezia. La peculiarità del volume è quella di alternare interventi di carattere prettamente storico, dedicati allo sviluppo politico e sociale della regione, con particolare riguardo all’area lagunare – e, dunque, allo sviluppo di Venezia – e a quella centro-settentrionale ma senza dimenticare i porti pugliesi, dalmati e albanesi, e approfondimenti di carattere archeologico, sfragistico e storico-artistico, offrendo un panorama stimolante, foriero d’ulteriori ricerche. Alle fasi più antiche sono dedicati i lavori di Richard Hodges, centrato sugli scavi di Butrino, di Joanita Vroom, dedicato ai reperti ceramici della regione adriatica meridionale, e di Francesco Borri, che si concentra sugli scambi marittimi fra VII e VIII secolo, con particolare riguardo a Comacchio. Stefano Gasparri ripercorre, invece, i rapporti tra il primo ducato veneziano, il regno longobardo e l’Italia bizantina, fornendo il contesto ideale per l’intervento di Sauro Gelichi, rivolto alle trasformazioni urbane nell’Adriatico settentrionale, con particolare riguardo alle città di nuova fondazione, tra cui Venezia ed Equilo. Non diversamente, Trpimir Vedriš riflette su Zara, mostrandone l’ascesa come capitale d’una provincia bizantina. La fase successiva è inaugurata dal saggio di Thomas S. Brown, dedicato al declino del potere bizantino tra la conquista di Ravenna, nel 751, e l’XI secolo. Il compianto Jean-Marie Martin descrive, invece, la storia della Puglia longobarda e bizantina fra X e XI secolo. Venezia è nuovamente protagonista del saggio di Peter Frankopan, dedicato alla sua ascesa tra il IX e XIV secolo a seguito della crociata. Il contesto è il medesimo analizzato da Pagona Papadopoulou, che analizza un corpus di sessantatré sigilli databile tra il IX e l’XI secolo, studiandone la circolazione, e da Magdalena Skoblar, che si concentra sulla diffusione d’icone dipinte in Adriatico prima del 1204. La lunga vicenda dei rapporti tra Venezia e Bisanzio, a partire dal 992, è riletta, invece, da Michael Angold e da Guillaume Saint-Guillain. Nuovamente alla crociata è dedicato il saggio di Christopher Wright, che mostra in che maniera tale aspirazione si mescolasse all’affermazione veneziana in ambito adriatico e bizantino. Infine, gli ultimi secoli del Medioevo sono affrontati da Oliver Jens Schmitt, che fornisce un interessante affondo sulla storiografia croata e albanese dedicata all’impatto della dominazione veneziana nella regione balcanica, e da Élisabeth Crouzet-Pavan, che affronta il tema dell’impatto dei flussi migratori proveniente dai Balcani attraverso il prisma religioso e devozionale. Le conclusioni sono affidate a Chris Wickham, che sottolinea, una volta di più, l’importanza di Venezia e dell’Adriatico quale via privilegiata per raggiungere Costantinopoli, eguagliata dai porti meridionali soltanto dopo la conquista normanna, suggellando la bontà d’un orientamento storiografico destinato a diffondersi, funzionale allo studio di altre realtà, a partire da quella tirrenica.
Antonio Musarra
Richard Hodges, Charlemagne Minus Mohammed. Rethinking the 9th Century Europe from Italy. Carlo Magno senza Maometto. Ripensando l’Europa del IX secolo dall’Italia, Roma (Arbor Sapientiae Editore) 2020 (Unione Internazionale degli Istituti di Archeologia Storia e Storia dell’Arte in Roma, Conferenze 31), 92 S., Abb., ISBN 978-88-313-4115-8, € 25.
Mit dem kleinen Bd. „Charlemagne Minus Mohammed“, der in der traditionsreichen Reihe der „Conferenze“ der Unione Internazionale degli Istituti di Archeologia, Storia e Storia dell’Arte in Roma erschienen ist, publiziert der britische Mittelalterarchäologe Richard Hodges sowohl die italienische Übersetzung seines 2013 in der British School gehaltenen Unione-Jahresvortrags als auch eine aktualisierte und mit Fußnoten versehene Fassung desselben in englischer Sprache. Hodges, ehemaliger Direktor der British School (1988–1995) und bis zu seinem Ruhestand Präsident der American Academy (2012–2020), greift zentrale Argumente seiner bekannten Monografien „Dark Age Economics. The Origins of Town and Trade“ (1982, 21989) und „Mohammed, Charlemagne and the Origins of Europe. Archeology and Pirenne Thesis“ (1983, 21989, mit David Whitehouse) auf, aber nicht, ohne sie auf der Grundlage späterer Grabungsfunde und Interpretationen teilweise zu revidieren. So beruhe der wirtschaftliche Aufschwung während der sogenannten karolingischen Renaissance doch nicht auf Silber-Dirhams und Luxusgütern aus dem abbasidischen Kalifat, sondern, wie Funde in der friesischen Handelssiedlung Dorestad nahelegen, auf wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Nord- und Ostseeraum, der wiederum mit der Adriaregion, mit Byzanz und der arabischen ‚Welt‘ verflochten war. Vieles deute zudem darauf hin, dass grundlegende ökonomische Veränderungen im zentralen und westlichen Mittelmeerraum bereits zwischen dem späten 6. und dem 8. Jh. einsetzten. Allerdings hätten diese Transformationen erst um die Mitte des 9. Jh. die gesamte Gesellschaft erfasst, was bei Weitem nicht nur für S. Vincenzo al Volturno oder Butrint gelte, wo Hodges selbst Grabungen durchgeführt hat. Dies führt zum Postulat einer „commercial revolution“ während der 840er Jahre, deren Spuren sich im karolingerzeitlichen Italien ebenso finden ließen wie im westlichen Baltikum, in Skandinavien und im Mittelmeerraum. Methodologische Grundlage für Hodges Argumentation ist die „eventful archeology“. Archäologische, historische und soziologische Ansätze miteinander verbindend, befasst sie sich mit dem unerwarteten Auftreten von neuen Mustern in der materiellen Kultur und geht davon aus, dass eine Abfolge von kontingenten Ereignissen Brüche in der Verteilung von Ressourcen und in der Kommunikation von Strukturen erzeugt, die Gelegenheit zur Neugestaltung innerhalb eines veränderten Bezugsrahmens geben. Anhand dreier Beispiele – Dorestad, Butrint und dem hier als „dark age Pompei“ bezeichneten S. Vincenzo al Volturno – wird das Potential dieses Ansatzes ausgelotet. Von lokalen Funden ausgehend kommen so überregionale Verflechtungen in den Blick, durch deren Kontextualisierung „globale“ Zusammenhänge aufgezeigt werden, die bis nach Samarra (836–896 Zentrum des abbasidischen Kalifats) und zur indonesischen Belitung-Insel führen, wo um 830 ein reich beladenes Schiff mit Waren aus China während der Tang-Zeit sank. Hodges lädt dazu ein, die im frühmittelalterlichen Italien zu beobachtenden Entwicklungen im ländlichen Raum und die Auswirkungen der Reformen Karls des Großen ganz neu zu beurteilen – eine sehr anregende Lektüre, die sicherlich für weitere Diskussion nicht nur unter Archäologinnen und Archäologen, sondern auch unter Historikerinnen und Historikern sorgen wird.
Kordula Wolf
Paolo Tomei, „Milites elegantes“. Le strutture aristocratiche nel territorio lucchese (800–1100 c.), Firenze (Firenze University Press) 2019 (Reti medievali E-book 34), XVII, 503 pp., ill., ISBN 978-88-6453-935-5, € 29,90.
Addentrarsi fra le pergamene altomedievali lucchesi significa misurarsi con il giacimento documentario più cospicuo di tutta la penisola italiana e, dunque, dell’intera Europa occidentale. Questo straordinario patrimonio ammonta all’incirca a 4000 atti per il solo periodo che va dall’VIII alla fine dell’XI secolo ed è ancora sostanzialmente inedito, fatto salvo per le carte originali dei secoli VIII e IX. Il volume di Paolo Tomei, originato dalla tesi di dottorato discussa nel 2017, è innanzitutto il risultato di un energico ed intenso lavoro archivistico di eccellente qualità per accuratezza, completezza e profondità di analisi. Questo mare magnum di documenti è affrontato alla luce di due temi tradizionali per la storiografia medievale italiana: la nascita della nobiltà e lo sviluppo della signoria rurale. Vale a dire, cioè, „quando e come avvenne la formazione e caratterizzazione sociale di un gruppo eminente e differenziato composto da milites“, che da aristocrazia militare si trasformò progressivamente in nobiltà di diritto, e quando e come „tale gruppo cominciò … a esercitare localmente in maniera autonoma e arbitraria poteri di coercizione che pertenevano alla sfera pubblica“ (p. 3). In questa prospettiva, Lucca rappresenta un ottimo terreno di indagine, al di là delle eccezionali consistenze archivistiche, perché fu una delle „capitali“ del regno italico altomedievale, un luogo cioè privilegiato per il fatto che ospitò, fra IX e XI secolo, la corte marchionale della Tuscia: „una struttura di potere capace di armonizzare la società, [e] regolare la vita politica condizionandone … le dinamiche di trasformazione“ (p. 448). Proprio attraverso la vita di corte e il rapporto clientelare diretto con il marchese, gli strati eminenti della società cittadina strutturavano le loro relazioni familiari attraverso linee orizzontali coese fra loro, beneficiando del capitale politico, economico e simbolico irradiato dal centro marchionale come un gruppo sociale compatto ed eminente. Solo dopo che questo rapporto strutturante si concluse, al principio del secolo XII, le famiglie delle élites lucchesi formarono domus nobiliari, caratterizzate da un rigido orientamento in senso agnatizio, capaci di esercitare prerogative signorili su ambiti rurali circoscritti e compatti, pur non abbandonando i propri interessi in città. La prima sezione, „Analisi prosopografica“ (pp. 33–349), costituisce la ricerca di base che mira a collocare persone, famiglie e luoghi delle aristocrazie lucchesi fra IX e XII secolo in un quadro complessivo e coerente. Essa è svolta di prima mano sulle carte e intende sostituire i precedenti studi, per la verità parziali non sempre affidabili, di Hansmartin Schwarzmaier del 1972. L’arco cronologico indagato nello specifico comprende il periodo fra 896 e 1096 ed è illuminato da circa 2500 atti. L’assoluta maggioranza di essi è costituita da documenti privati dei vescovi lucchesi: sono infatti le biografie vescovili a fornire un coerente elemento di periodizzazione. Non bisogna tuttavia incorrere nell’errore di sovrainterpretare il dato quantitativo offerto dalla ricchissima documentazione lucchese: „se osservata nel suo complesso, è possibile cogliere distintamente la debolezza del vescovato, incapace di accrescere in maniera consistente la propria base fondiaria. … Seguiamo così con cadenza finanche quotidiana l’attività di un soggetto, il vescovo, che deteneva una posizione ancillare“ (p. 16), entro il complessivo contesto marchionale. L’indagine analitica è condotta sui „tre più antichi, influenti e ramificati gruppi parentali della ‚media‘ aristocrazia lucchese“ (p. 33): Figli di Rodilando (pp. 39–130), Cunimundinghi (pp. 131–222) e Figli di Huscit (pp. 223–349). La scelta di ricostruire la storia di questi tre gruppi risiede innanzitutto nell’utilità euristica del fattore diacronico, assunto per dipanare le intricate matasse di dati prosopografici lungo tutto lo spettro cronologico in esame. In secondo luogo, i capostipiti di questi tre gruppi erano i soli ad appartenere chiaramente al segmento intermedio dell’aristocrazia lucchese alla fine del secolo IX, e possono quindi „essere visti come la ‚sorgente dinastica‘ da cui si originò la gran parte delle casate signorili lucchesi del secolo XII“ (p. 34). La seconda sezione è l’esito più notevole del volume e rappresenta lo sforzo – assolutamente riuscito – di tracciare i lineamenti di sviluppo generale delle strutture del potere aristocratico lucchese, evidenziandone i processi di trasformazione nel tempo. L’analisi si compone di due momenti. Il racconto diacronico, „Parabola storica“ (pp. 359–394), ripercorre l’„età della marca“, cioè i 200 anni che vanno dall’896 – quando oltre all’elezione di Pietro II (896–932) dovette arrivare a Lucca la contessa Berta di Provenza (863–925) che impresse una decisa svolta nell’azione marchionale – al 1096 – quando grazie all’elezione di Rangerio (1096–1112) si ricomposero in città le lacerazioni provocate dalla „lotta per le investiture“. Essi vengono indagati di tre specifici nuclei tematici consequenziali: origine e affermazione delle élites lucchesi; piena fioritura della „media“ aristocrazia lucchese; mutamenti delle domus aristocratiche nell’età della rivoluzione signorile. L’esame sincronico, „Fisionomia aristocratica“ (pp. 395–443), cerca infine di cogliere e sistematizzare le caratteristiche salienti del segmento sociale oggetto di studio, definito ora più propriamente come aristocrazia „multizonale“, soffermandosi precipuamente su cinque fuochi di interesse: le strutture parentali; le connessioni orizzontali e verticali; l’impianto patrimoniale; le forme e gli spazi di eminenza politica; le reti di scambio. Concludono il volume utili, quanto necessarie, tavole genealogiche dei tre gruppi parentali esaminati nella prima parte e la cronotassi sinottica dei marchesi di Tuscia, dei vescovi e dei visconti di Lucca.
Edoardo Manarini
Birgit Kynast, Tradition und Innovation im kirchlichen Recht. Das Bußbuch im Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Ostfildern (Thorbecke Verlag) 2020 (Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter 10), 541 S., ISBN 978-3-7995-6090-0, € 68.
L’episcopato di Burcardo di Worms (1000–1025) è certo caratterizzato dalla costruzione del nuovo duomo della città renana, dal progetto di riforma canonicale e dal rafforzamento della signoria vescovile. Ma Burcardo deve soprattutto la sua notorietà a due testi eccezionali riconducibili alla sua iniziativa – la collezione canonica nota come „Decretum“ e le disposizioni riguardanti i sottoposti della famiglia vescovile, la „Lex familiae Wormatiensis“ – e anche a uno scritto che tratta di lui, l’anonima „Vita Burchardi“, composta subito dopo la sua morte. Dopo aver sintetizzato questi aspetti nei capitoli introduttivi, dando conto della vasta ma eterogenea letteratura precedente, la tesi di dottorato di Birgit Kynast si concentra sul „Decretum Burchardi“. Per proporre un’interpretazione approfondita della genesi di questa ampia collezione di canoni, destinata a una grande diffusione nei secoli XI e XII, la studiosa si focalizza su una parte specifica: il noto libro XIX della collezione, il „Corrector sive medicus“, specificamente dedicato alla penitenza, e in particolare il capitolo 5 di tale libro, costituito da questionari che articolano varie tipologie di peccati. In questo capitolo, che doveva supportare la cura pastorale nella fondamentale pratica penitenziale, Kynast ritiene di trovare una chiave di accesso alla collezione in grado di consentire una sua migliore comprensione. L’associazione di questionari a libri penitenziali non era nuova, ma l’ampiezza e la sistematicità di tale sezione del „Decretum“ superano di gran lunga quelle dei precedenti e ne giustificano così la significatività per l’interpretazione generale. Nella parte centrale del suo studio Kynast sintetizza innanzi tutto i caratteri della teoria e pratica penitenziale secondo Burcardo, desumendoli dall’intero libro XIX della collezione. Passa quindi a indagare il complesso delle 196 interrogationes che sono frutto dell’elaborazione di Burcardo: la base dell’analisi è costituita da una trascrizione del capitolo 5 che dispone sinotticamente il testo di due dei più antichi manoscritti (BAV, Vat. Pal. Lat. 586; Frankfurt UB, ms. Barth 50); la trascrizione è inserita in appendice al volume (pp. 432–475). Kynast approfondisce infine nell’ampio capitolo 7 (pp. 185–366) gli oltre trenta questionari riguardanti specificamente gli omicidi. La studiosa vi analizza la formulazione delle interrogationes, il loro rapporto con le fonti e la corrispondenza stabilita tra pene e delitti. I risultati dell’analisi comparativa delle fonti di Burcardo, che sono raggruppate in tre categorie – interne (i canoni stessi della collezione), formali (le collezioni precedenti che hanno mediato i canoni per il „Decretum“) e materiali (i canoni originari) – sono riassunti in prospetti tabellari in appendice al volume (pp. 476–510). Kynast può circostanziare con molte esemplificazioni le modalità di selezione, citazione, correzione su rasura, rielaborazione delle fonti formali e materiali avvenuta in parallelo alla composizione di altre sezioni della collezione. Può mostrare inoltre in maniera articolata la concezione e il valore centrale della penitenza nel „Decretum“ e anche le idee-guida che determinano le attribuzioni delle pene: per Burcardo sono ad esempio fondamentali il movente e l’intenzione di un’azione e conseguentemente la responsabilità individuale. La monografia di Kynast conferma molte posizioni della ricerca precedente, conferendo loro maggior fondatezza e ampliandone la portata. Mostra inoltre come le concezioni soggiacenti ai meccanismi di attribuzione delle penitenze non consentano di giudicare il „Decretum“ come una collezione canonica portatrice di una visione giuridica arcaica. Circostanzia convincentemente la funzione delle interrogationes: non si trattava di protocolli immediatamente applicabili, ma di un repertorio a disposizione tanto per la formazione scolastica dei chierici quanto per il supporto nella definizione di casi nella pratica penitenziale. L’autrice sottolinea ancora – e questo è nuovo – un’implicita funzione di commento razionalizzatore della tradizione, risultante dalla coerente trattazione di concrete fattispecie. Questa rielaborazione aveva insomma un potenziale euristico più generale, particolarmente esplicito in certe parti; tuttavia, non aveva pretese epistemologiche, cioè di rifondazione del sapere stesso, bensì perseguiva solo la finalità di orientare pragmaticamente rispetto alla tradizione. Se Kynast riesce nell’intento di relativizzare la grande narrazione sulla genesi grazianea del diritto canonico, rimane però all’interno di una prospettiva tradizionale che non le consente di sfruttare la sua analisi – dal punto di vista di un’archeologia del sapere – per interpretare il „Decretum“ come un eccezionale relitto testuale di un processo sociale di disciplinamento connesso con l’evoluzione dei poteri in epoca post-carolingia. Questo straordinario esempio di dialettica tra tradizione e interpretazione necessita di ulteriori riflessioni sul rapporto con il suo contesto.
Eugenio Riversi
Penelope Nash, The Spirituality of Countess Matilda of Tuscany, Bologna (Patron) 2021 (Quaderni di Matildica 1), 110 S., ISBN 978-88-555-3529-8, € 16.
Dies Büchlein der Professorin Penelope Nash (University of Sydney) eröffnet eine neue Serie, die der großen Gräfin gewidmet ist. Wie die knappe Einführung von Paolo Golinelli, Präsident der Matilda of Canossa and Tuscany International Association, erklärt, soll diese Reihe Arbeiten Platz einräumen, wenn diese für Veröffentlichung in anderen Publikationen, wie zum Beispiel Konferenzakten, zu lang sind, aber zu kurz, um sie als Buch zu publizieren (S. 5). Die neue Serie soll jährlich mit dem Titel „Quaderni di Matildica“ erscheinen. Wenn die Qualität der zukünftigen Arbeiten der Qualität dieses ersten Bd. entspricht, ist die neue Reihe sehr zu begrüßen. Die Autorin hat, wie die ausführliche Bibliographie zeigt (S. 89–106), keine Mühe gescheut, um die inneren Triebfedern der Großgräfin und ihrer Frömmigkeit zu ergründen. Die Schwierigkeiten beginnen aber schon mit dem Wort „Spiritualität“, wie der Autorin bewusst ist. Es ist heute ein Modewort; Penelope Nash hält die Definition in Niermeyer’s Lexikon für die passendste (S. 8–10). Die Autorin unterteilt ihre Untersuchung in drei Teile: 1. die zeitgebundenen Einflüsse, einschließlich der ihrer Vorfahren (Taf. S. 16); 2. Matildas Büchersammlung, einschließlich der von ihr in Auftrag gegebenen Hss.; 3. Untersuchungen der von Matilda gemachten Schenkungen (S. 13). Die Übergänge sind aber sehr fließend und Teil 1 bezieht sich auch auf Matildas Verhältnis zu Heiligen und ihren Kulten, um nur ein Beispiel zu nennen. Überzeugend wirken die Seiten, die Matildas Verehrung der Jungfrau Maria beschreiben (S. 29–35), obwohl auch hier die Frömmigkeit mit Schenkungen an „more than one hundred cathedrals, monasteries, churches and pievi [Gemeinden]“ (S. 29–35) bewiesen werden muss. Matilda erbat sich Gebete an Maria von Anselm von Canterbury, ein Dienst, den sie schon von Anselm von Lucca verlangt hatte (S. 35). Trotzdem sollte man wohl nicht davon sprechen, dass sich Matilda vielleicht für Maria hielt (S. 39). Der Grund für diese Annahme sind nach Penelope Nash die Bilder aus dem Leben Christi in der von Matilda in Auftrag gegebenen Gospel-Hs. aus dem Kloster Polirone, die heute in New York aufbewahrt wird (New York, Morgan Library MS 492). Unter den übrigen Heiligen verehrte Matilda an zweiter Stelle den Heiligen Petrus und in seiner Nachfolge das Papsttum (S. 39). Ihre militärischen Siege von 1084 und 1092 schrieb sie St. Peter zu. Gregor VII. nannte Matilda „die liebste und treueste Tochter von St. Peter“ (S. 39). Noch einen dritten Heiligen verehrte Matilda besonders: St. Geminianus. Dies war ein Bischof von Modena des 5. Jh. Nur ein einziges Mal widersetzte sich Maltida den Wünschen Gregors VII. Aus politischen Gründen lag dem Papst daran, Matilda zur zweiten Ehe mit Gottfried von Niederlothringen zu bewegen. Doch Matilda weigerte sich. Zu dieser Zeit drückte Matilda auch mehrfach den Wunsch aus, den Schleier zu nehmen und in ein Kloster einzutreten (S. 67). Doch Gregor und Anselm von Lucca brachten sie von diesem Plan ab. Es ist auffallend, wie wenig Matilda von Kaiser Heinrich IV. spricht und vor allen Dingen wie wenig von Heinrich V. Canossa wird zwar erwähnt (S. 21), aber keineswegs erklärt, obwohl sich Matilda mit Heinrich V. (S. 79) versöhnte und ihn in ihr Testament einbezog. Dass das Testament über mehrere Generationen hinweg zum Zankapfel zwischen regnum und sacerdotium wurde, verwundert nicht, denn wie Penelope Nash es ausdrückt: „She and Anselm [von Lucca] viewed submission to the papacy as essential and the same as doing the will of God“ (S. 67). Vielleicht ist das auch die Erklärung dafür, dass die Arbeit etwas einseitig wirkt. Es ist natürlich schwierig, das „inner being“ (S. 78) einer Persönlichkeit wie Matilda es war, nach mehr als tausend Jahren zu erfassen. Für den Versuch durch Professorin Penelope Nash muss man dankbar sein. Das Buch schließt mit einer Biographie und einem sehr knappen Index (S. 107–109).
Uta-Renate Blumenthal
Robert Conrad, Salus in manu feminae. Studien zur Herrschaftsteilhabe der Kaiserin Richenza (1087/98–1141), Husum (Matthiesen Verlag) 2020 (Historische Studien 512), 651 pp., ill., ISBN 978-3-7868-1512-9, € 79.
Questo impegnativo libro di oltre seicento pagine incentrato sulla figura dell’imperatrice Richenza, moglie di Lotario III, è la versione rivista e aggiornata della Dissertationsschrift di Robert Conrad discussa nel 2016 a Magdeburgo. Esso si compone di dieci capitoli, arricchiti da tabelle e carte tematiche, di un’appendice contenente la lettera dell’antipapa Anacleto II, dell’indice e di un’ampia bibliografia. Le note, solitamente brevi, si trovano a conclusione di ogni pagina e sono quindi di comoda consultazione. Il profilo di Richenza, della quale l’autore delinea anche i numerosi e importanti legami familiari all’interno dell’impero (pp. 23–45), è declinato in qualità di figlia del conte di Northeim, di ductrix Saxoniae, di regina e, infine, di imperatrice (pp. 23–113). L’analisi di Robert Conrad si sviluppa utilizzando termini come „Ansprechpartnerin“, „Mitherrschaft“ ed „Herrschaftsteilhabe“, attraverso i quali l’autore caratterizza il modello di potere rappresentato dalla sovrana. Tali concetti sono principalmente discussi nei capitoli sesto e settimo che, insieme al nono, costituiscono i nuclei tematici dell’opera. Robert Conrad ricostruisce una complessa immagine di Richenza, che può essere compresa per sommi capi nelle esemplari vicende della „Unterwerfung der Staufer“ (pp. 243–269) e della gestione della complessa situazione italica, divisa tra le rivendicazioni sempre più pressanti dei Comuni settentrionali e l’affermazione del regno normanno nel Sud Italia. Importante è la parola chiave utilizzata dall’autore per caratterizzare la sovrana, in riferimento alle vicende della „Unterwerfung der Staufer“, cioè „Friedensstifterin“, „pacificatrice“ della contesa interna al regno nordalpino, messa in atto da Richenza attraverso lo strumento della deditio, interpretazione che l’autore fa propria seguendo la tesi di Gerd Althoff. Il capitolo settimo, dedicato alla politica italica, affronta molte tematiche che, proprio a causa della loro importanza, forse avrebbero avuto bisogno di più spazio nella trattazione. Nell’ambito della questione matildina, invece, sarebbe stata auspicabile una consultazione più ampia della bibliografia italiana a essa dedicata, che risulta, infatti, un po’ carente. Nel capitolo finale della trattazione, in cui l’autore condensa le sue conclusioni (pp. 505–534), si legge che „Richenza war die wichtigste Ratgeberin ihres Gemahls“ (p. 505), affermazione giustificata dall’attenta lettura dei diplomi imperiali, come delle altre fonti, da parte di Robert Conrad. La sovrana, però, fu molto più di questo. Dopo la morte del consorte, il ruolo di Richenza nel contesto imperiale si modificò in quanto agì con il fine di perpetuare la memoria del sovrano deceduto e, contemporaneamente, assicurare la continuità del potere all’interno dell’ambito familiare guelfo. Uno dei passaggi teorici più importanti (e difficili) del contributo riguarda la questione della transizione del modello di potere esercitato in quel periodo, tema principale di questa monografia insieme a quello della memoria. L’autore afferma con correttezza che il concetto della konsortiale Herrschaft è entrato in crisi in età tardo-salica (p. 528), raggiungendo il culmine critico nella figura di Agnese di Poitou. Richenza rappresenta, invece, la sovrana protagonista della transizione da un’epoca caratterizzata dalla konsortiale Herrschaft a un’altra, in cui prese forza il modello della konsensuale Herrschaft, concetto già teorizzato da Bernd Schneidmüller e, in seguito, ulteriormente approfondito da Steffen Patzold. L’autore si spinge, però, oltre. Non solo egli enfatizza gli aspetti peculiari della figura dell’imperatrice, ma considera il suo operato come una discontinuità storica rispetto a quello delle deboli sovrane tardo-saliche, che l’hanno preceduta. Il secondo elemento, che rafforza la tesi dell’autore, consiste nel sottolineare i numerosi punti di convergenza di Richenza con le imperatrici ottoniane come Adelaide e Teofano, capaci di portare avanti una politica dotata di caratteristiche proprie e riconoscibili. Il contributo di Robert Conrad unisce con successo l’aspetto propriamente biografico, in cui affronta lo studio della figura di Richenza, a quello analitico, in cui approfondisce lo studio delle modalità di Herrschaftsteilhabe e di trasmissione della memoria, non solo del marito Lotario III ma anche della stessa sovrana. Questa affermazione dell’autore è supportata da un costante e approfondito dialogo con le fonti e da un uso consapevole della storiografia. In conclusione, l’analisi di Robert Conrad appare globalmente convincente e il suo libro colma un’evidente lacuna storiografica, offrendo un ampio e approfondito studio di una figura che, prima di questa occasione, non aveva mai trovato uno spazio a lei interamente dedicato.
Matteo Taddei
Emily A. Winkler/Liam Fitzgerald/Andrew Small (Eds.), The Normans in Mediterranean, Turnhout (Brepols) 2021 (Medieval Identities. Socio-Cultural Spaces 9), 268 pp., ill., ISBN 978-2-503-59057-8, € 75.
Dare conto di un volume miscellaneo, che solitamente nelle intenzioni dei curatori ruota intorno a una tematica ben definita, rappresenta un compito non sempre agevole sia per l’ampiezza dei temi trattati che per la diversità di approccio – sia metodologico sia disciplinare – dei contributi in esso contenuti. Il volume qui recensito presenta un ben dosato mix di studiosi di diversa formazione e provenienza geografica ed è suddiviso in tre sezioni („Motivations and Strategies“ – „The Implications of Conquest in Sicily and Southern Italy“ – „Perceptions and Memories“) che grosso modo affrontano nell’ordine la questione delle intenzioni dei conquistatori, degli effetti delle loro conquiste e delle percezioni generate presso i popoli conquistati. Di grande ampiezza è la lunga introduzione al volume di Emily Winkler ed Andrew Small che evidenzia il fatto che la conquista normanna nel Mediterraneo „was not a conclusive event, but rather an ongoing and multi-faceted process“ (p. 11). Sulla scorta delle ricerche più recenti (la bibliografia posta al termine di ogni capitolo esime dal dilungarci su tali aspetti) emerge dunque da parte dei curatori del volume una forte attenzione agli aspetti processuali della conquista normanna in area mediterranea, facendo propria una visione che oltrepassi le consolidate attenzioni storiografiche che ne hanno enfatizzato gli aspetti più propriamente militari; da qui discende una visione attenta al farsi degli eventi che portarono i Normanni a diventare i dominatori del Mezzogiorno italico, un evento non scontato visto anche che „there was no single overarching strategy nor one ‚Norman‘ leader“ (p. 20). L’introduzione si cala dunque sulle dinamiche della conquista normanna che coinvolse il panorama mediterraneo nei secoli XI–XII prestando particolare attenzione alla penisola italica, una scelta peraltro confermata dai saggi presenti nel volume che, eccezion fatta per quello di Lucas Villegas-Aristizabal dedicato all’apporto normanno nella penisola iberica nonché quello di Matt King sui rapporti tra Ziridi e Normanni del Regno di Sicilia, sono quasi del tutto dedicati all’analisi della conquista del Mezzogiorno. Si tratta di un evidente specchio dei risultati storiografici emersi negli ultimi anni di cui diversi contributori hanno fornito preziosi spunti di riflessione: basti pensare al contributo di Aurélie Thomas sulle strategie matrimoniali dei clan normanni in area campana che sintetizza i risultati della sua corposa monografia „Jeux lombards. Alliances, parenté et politique en Italie méridionale du la fin du VIIIe siècle à la conquête normande“, Roma 2016, o quello di Sandro Carocci sulla signoria rurale del Mezzogiorno normanno che riprende parte dei risultati della complessa indagine da lui presentata in „Signorie di Mezzogiorno. Società rurali, poteri aristocratici e monarchia (XII–XIII secolo)“, Roma 2014, come anche il denso saggio di Graham A. Loud sulla nobiltà normanna negli anni 1085–1127, frutto dell’operosa attività di scavo negli archivi meridionali testimoniata dai numerosi lavori menzionati negli apparati bibliografici (da ultimo si veda „The Social World of the Abbey of Cava, c. 1020–1300“, Woodbridge 2021). Tutto incentrato sul mito della Normanitas, le conquiste militari dei Normanni e la celebrazione delle loro gesta, è il contributo di Matthew Bennett, il cui approccio longitudinale alle conquiste normanne fornisce un utile punto di riferimento che riprende un dibattito storiografico innescato dalla pubblicazione del breve volume di R. H. C. Davis, „The Normans and Their Myth“, London 1976, e ripercorre le tappe salienti delle conquiste normanne mediante un ampio uso delle fonti cronistiche a nostra disposizione. Di diverso impianto i contributi di Maddalena Vaccaro sulla cattedrale di Salerno e quello di Nicole Mölk sulla comunità musulmana del Monte Iato, che forniscono interessanti punti di confronto su casi specifici della conquista normanna nonché sui rapporti esistenti tra i conquistatori normanni e gli altri gruppi etnici mediante il ricorso rispettivamente alle testimonianze urbanistico-architettoniche e a quelle archeologiche. A questi due ultimi contributi si lega il saggio di Theresa Jäckh, incentrato sull’ineludibile confronto tra fonti latine ed arabe al fine di restituire un quadro più sensibile ai punti di frattura del ruolo della città di Palermo e delle conseguenze innescate dalla sua conquista da parte normanna nel 1072 (problemi oggi riportati al centro del dibattito storiografico grazie ai lavori di Jeremy Johns, Annliese Nef ed Alex Metcalfe). Last but not least il saggio di Kalina Yamboliev fornisce un interessante punto di confronto sulle conquiste normanne viste dalla prospettiva delle fonti agiografiche, espressione del monachesimo italo-greco, un settore di studi su cui la storiografia italiana ha fornito non pochi contributi di rilievo debitamente ricordati dall’autrice nell’apparato critico del suo saggio. Resta in sede di valutazione conclusiva del volume poco comprensibile agli occhi di chi scrive la scarsa attenzione prestata alle conquiste normanne nell’Oriente latino a seguito della crociata che contribuì alla nascita del principato di Antiochia a cavallo tra i secoli XI–XII. Un volume dal titolo „The Normans in Mediterranean“ (titolo che riecheggia il capitolo terzo della recente sintesi di L. V. Hicks, „A Short History of the Normans“, London 2016) avrebbe dovuto dare spazio alle propaggini orientali di quella „diaspora normanna“ che caratterizzò i secoli centrali dell’età medievale e che pure appare ben presente agli estensori delle pagine introduttive (si veda quanto da loro detto alle pp. 12 e 26 sg.). L’assenza di un indice finale dei nomi rappresenta altresì una lacuna inspiegabile vista la sede editoriale di pregio e l’ottima veste grafica con cui si presenta il volume che in ogni caso testimonia una rinnovata stagione di ricerche in ambito normannistico da cui occorre ripartire.
Luigi Russo
Glauco Maria Cantarella, Ruggero II. In conquistatore normanno che fondò il Regno di Sicilia, Roma (Salerno) 2020 (Profili 92), 301 S., ISBN 978-88-6973-527-1, € 22.
An jüngeren Biographien über den Begründer des Königreichs Sizilien herrscht kein Mangel: Neben der noch immer maßgeblichen, ins Italienische und Englische übersetzten und auf Deutsch 2010 in zweiter Auflage erschienenen Darstellung Hubert Houbens gab es zuletzt schon die Bücher Pierre Aubés (2001) und Francesco Paolo Toccos (2011). Neu hinzugekommen ist jetzt die Monographie des renommierten Bologneser Emeritus Glauco Maria Cantarella. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den bereits vorliegenden Monographien oder dem Forschungsstand liefert Cantarella einleitend nicht, sondern setzt die Vertrautheit seiner Leserinnen und Leser damit explizit als selbstverständlich voraus (S. 7). Dafür formuliert er den Anspruch, Rogers Leben einfach und aufrichtig nachzeichnen zu wollen, ohne dabei der Faszination des Themas zu erliegen (S. 9). Dieses Ziel wurde nur bedingt erreicht, was vor allem an Cantarellas suggestivem und teils assoziativem Stil liegt. Kurze Sätze jagen einander. Als Leser wird man häufig mit Fragen konfrontiert, ständig enden Aussagen mit einem Dreipunkt. Insbesondere die für Roger II. gebrauchten Metaphern und Vergleiche haben den Rezensenten eher ratlos zurückgelassen. So erfährt man einleitend, Roger II. sei u. a. das primum mobile des Königreichs und der „questione meridionale“, „ma non il cuore di tutto“ (S. 8 f.). In verschiedenen Varianten taucht Roger als Phönix auf, einmal hervorgegangen aus dem „inferno“ des (freilich gerade erst ausgebrochenen) Schismas von 1130 (S. 82), ein andermal „dalle ceneri del conte“, womit offenbar entweder Rogers früherer Rang oder sein seit drei Jahrzehnten verstorbener Vater gemeint ist (S. 93). Auf diese Weise leistet der Autor gewollt oder ungewollt einer Mystifizierung Rogers II. Vorschub. Das ist insofern bedauerlich, als er im Grunde zwar keine eigentliche Biographie Rogers II., aber doch eine solide Geschichte seiner Herrschaft und der ersten Jahrzehnte des von ihm begründeten Königreichs geschrieben hat. Er zeigt seine Vertrautheit mit den Quellen und der internationalen Forschung (mit Ausnahme der deutschsprachigen, die im Wesentlichen unberücksichtigt bleibt; vergebens sucht man die Arbeiten von Beate Schilling zu Calixt II., Theo Broekmann zum Rigor iustitiae, Julia Becker zu Roger I. oder Lioba Geis zu den Kaplänen im normannisch-staufischen Süditalien). Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Quellen auf dem aktuellen Forschungsstand oder der doch beträchtlichen Menge an Literatur zu Roger II. findet aber kaum statt, weshalb Cantarella über hinlänglich Bekanntes nur selten hinauskommt (in rezeptionsgeschichtlicher Perspektive ist z. B. der Hinweis auf eine polnische Oper über Roger II. spannend; erfreulich ist auch Cantarellas Absage an imperiale Ambitionen Rogers II., wie sie zuletzt wieder von Dawn Marie Hayes stark gemacht wurden). In aller Regel beschränkt sich der Autor auf eine vergleichende Nacherzählung der Quellen. Deren Einordnung erfolgt in traditionellen Bahnen. So ist ihm die „Ystoria“ Alexanders von Telese die „fonte ufficiale per eccellenza“ (S. 20), Alexander selbst sogar die „voce piú [!] ufficiale di tutte“ (u. a. S. 71), mit einem „tono curiale“ (S. 128); Falco von Benevent ist qua seiner Tätigkeit als Notar das vermeintlich objektive Korrektiv (S. 73: er sei „sommamente credibile“). Dass Alexander nicht dem Hof angehörte, sondern einem Kloster in der Grafschaft Caiazzo als Abt vorstand, mithin im Herrschaftsbereich von Rogers Schwager und Gegner Graf Rainulf, gerät ebenso wenig in den Blick wie die Verstrickung Falcos von Benevent in die Parteienkämpfe in seiner Heimatstadt. Hingewiesen sei schließlich auf eine Reihe sachlicher Fehler: Etwa der Begriff der „due Italie“ geht nicht auf David Abulafia zurück (S. 8 f.), sondern auf italienische Parlamentsdebatten im ausgehenden 19. Jh. Alexander von Telese vergleicht Roger II. kein einziges Mal mit König Salomon (so aber S. 10). Die Chronik Romualds von Salerno ist nicht wie das „Chronicon“ Falcos von Benevent fragmentarisch überliefert (ebd.). Von der Vertreibung Graf Jordans von Ariano durch Herzog Wilhelm von Apulien erzählt nicht Romuald von Salerno (S. 62), sondern Falco von Benevent. Bei der Investitur Rogers II. mit dem Herzogtum Apulien im Sommer 1128 lagerte nicht Papst Honorius II. am Monte San Felice bei Benevent (S. 80), sondern Roger II. Der Kopf eines getöteten Sarazenen wird 1132 laut Falco von Benevent nicht dem König (S. 104), sondern dem Fürsten von Capua gebracht, der ihn weiter nach Capua schickt. Benevent wurde 1137 von Heinrich dem Stolzen nicht „presa e punita duramente e consegnata a Innocenzo“ (S. 132); vielmehr erkannte die Einwohnerschaft die Herrschaft Papst Innozenz’ II. nach Verhandlungen an. Es kam zwar zu Kämpfen, aber gerade nicht zu einer Eroberung der Stadt. Die Nachricht bei Romuald von Salerno vom Gang Alexanders von Chiaromonte [!] ins Exil im Jahr 1139 muss nicht mit der Schilderung Alexanders von Telese vom Exil Graf Alexanders von Conversano [!] sechs Jahre zuvor in Einklang gebracht werden, da es sich nicht um dieselbe Person handelt (S. 155). In der Chronik von S. Maria di Ferraria ist nicht die Rede davon, dass Robert von Selby in Benevent eine Kopie von König Rogers Privileg für die Stadt gemacht habe (so aber S. 192). Das französische Königspaar traf Papst Eugen III. im Herbst 1149 nicht in Rom (S. 214), sondern in Tusculum. Von der künftigen Kaiserin Konstanze ist kein Geburtsdatum überliefert; Cantarella bringt trotzdem „una data di nascita, che viene ripetuta nel web, 2 novembre 1154 …“ (S. 229). Ärgerlich ist das Fehlen eines Quellen- und Literaturverzeichnisses. Ein Namensregister beschließt den Bd.
Markus Krumm
Joachim von Fiore, Expositio super Apocalypsim et opuscula adiacentia. Teil 1: Expositio super Bilibris tritici etc. (Apoc. 6,6). De septem sigillis. Praefatio super Apocalypsim. Enchiridion super Apocalypsim. Liber introductorius in Expositionem Apocalypsis, hg. von Alexander Patschovsky und Kurt-Victor Selge, Wiesbaden (Harrassowitz) 2020 (MGH. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 31), XXXIV, 874 pp., ill., ISBN 978-3-447-11376-2, € 168.
Insieme alla „Concordia Novi ac Veteris Testamenti“ e al „Psalterium decem cordarum“, l’„Expositio super Apocalypsim“ è una delle opere maggiori e più influenti di Gioacchino da Fiore. Proprio nell’Expositio raggiunge la sua forma più matura la principale novità teologica ed esegetica dell’abate calabrese: una novità che – sulla scia degli studi di Robert E. Lerner e di Gian Luca Potestà – è riconoscibile non tanto nella dottrina trinitaria, quanto nel modo di leggere la Sacra Scrittura, e in particolare l’Apocalisse. Interpretando l’incatenamento di Satana per mille anni di Apoc. 20 come l’annuncio di un’epoca terrena di pace e perfezione, Gioacchino infranse infatti il „tabù agostiniano“ nei confronti delle letture millenaristiche del testo di Giovanni, e legò il proprio millenarismo a una visione della storia in termini di progresso. A queste innovazioni, e all’idea che l’Apocalisse descriva ordinatamente l’intero corso della storia della salvezza – per cui in ogni suo passo, anche apparentemente trascurabile, si deve individuare un preciso riferimento storico – Gioacchino arrivò nel corso di almeno vent’anni, durante i quali modificò, rielaborò e aggiustò più volte le proprie idee grazie a nuove letture o per lo spostarsi degli equilibri geopolitici, pur tenendo fermi alcuni principi dottrinali (anzitutto la concordia tra Antico e Nuovo Testamento). L’attesa edizione critica dell’„Expositio super Apocalypsim“, che conclude l’edizione completa delle opere maggiori di Gioacchino patrocinata dall’Accademia Nazionale dei Lincei e dalla Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Berlin), si apre dunque opportunamente con un volume che raccoglie cinque scritti minori o preliminari in vario modo legati all’Expositio e alla sua prolungata composizione. I primi due sono testi brevi, correlati solo tematicamente al commento alla rivelazione di Giovanni. La prima operetta, l’appena abbozzata „Expositio super Bilibris tritici“ (pp. 1–13), è dedicata all’esegesi di Apoc. 6,6, ed è databile alla metà degli anni ’80 del XII secolo. La seconda („De septem sigillis“, pp. 15–90) fissa nella sua forma ultima l’interpretazione gioachimita dei sette sigilli apocalittici e delle relative aperture, cui l’abate fa corrispondere rispettivamente le tribolazioni subite da Israele nell’Antico Testamento, e le tribolazioni subite dalla Chiesa dalle sue origini fino alla resurrezione dei morti e all’instaurazione della Gerusalemme celeste. Nel „De septem sigillis“ spicca da un lato l’assenza di ogni cenno all’Anticristo e al problema della sua identificazione, dall’altro la mise en page del testo, in 5 dei 15 testimoni manoscritti oggi noti, in forma di diagramma (anche se lo schema è strutturato poi in modi diversi). L’edizione dei primi due testi si deve ad Alexander Patschovsky. Per gli altri tre, più corposi, Patschovsky ha portato a termine o rivisto il lavoro preparatorio di Kurt-Victor Selge. Si tratta in questo caso di lavori preliminari a tutti gli effetti: due sermoni programmatici che delineano alcune linee-guida dell’esegesi apocalittica di Gioacchino, raccolti con la denominazione moderna di „Praefatio“ (pp. 91–178); la prima redazione di una sintesi che avrebbe dovuto introdurre l’Expositio, ma che fu poi accantonata dall’autore e tràdita autonomamente – insieme ad altri testi minori relativi all’Apocalisse – con il titolo di „Enchiridion“ (pp. 179–433); infine la seconda e definitiva redazione di questa summula introduttiva, il „Liber introductorius“ (pp. 435–677), anteposto all’„Expositio super Apocalypsim“ in 9 dei 10 codici che lo tramandano, oltre che nella stampa veneziana del 1527 patrocinata da Egidio da Viterbo. La sostanziale sovrapposizione delle tradizioni (fa eccezione il solo ms. 26 della Biblioteca Universitaria di Salamanca) rende l’edizione critica del „Liber introductorius“ preliminare a tutti gli effetti all’edizione dell’Expositio, che si attende quindi con impazienza per ricostruire nel modo più completo possibile il modo di lavorare di Gioacchino, dedito a un’esegesi infinita intessuta di idee e interpretazioni talvolta abbozzate e poi abbandonate per strada, altre volte modificate o rielaborate, con tutti gli ulteriori aggiustamenti che questo comportava sulla complessa geometria della sua costruzione speculativa. Seguendo questo infaticabile lavorìo attraverso gli scritti minori dedicati da Gioacchino all’Apocalisse, il magistrale volume qui recensito si avvale di un imponente apparato filologico, di un ampio commento storico (in cui particolarmente preziosa è l’individuazione delle fonti) e di un’accurata datazione dei testi, non priva di novità rispetto all’„Enchiridion“ e al „Liber introductorius“, collocati in modo convincente verso l’inizio e verso la fine dell’arco cronologico 1187–1193, e anche al „testo-contenitore“ noto come „Praefatio“, scritto plausibilmente tra 1183 e 1187.
Michele Lodone
The Papacy and Communication in the Central Middle Ages, ed. by Iben Fonnesberg-Schmidt, William Kynan-Wilson, Gesine Oppitz-Trotman and Emil Lauge Christensen, London-New York (Routledge) 2021, VII, 134 S., ISBN 978-0-367-68436-5, GBP 120.
Die sieben hier versammelten Beiträge gehen auf einen Workshop im Dänischen Institut in Rom im Januar 2017 zurück, die zunächst im Journal of Medieval History 44,3 (2018) publiziert wurden. Wie die einführenden Autoren Gerd Althoff, Iben Fonnesberg-Schmidt, und William Kynan-Wilson betonen, will der interdisziplinär angelegte Bd. zentrale Bereiche des kommunikativen Handelns der Päpste ausloten. Dies geschieht im Wissen darum, dass das Untersuchungsfeld natürlich noch umfangreicher ist. Weniger Gewicht wird nämlich beispielsweise der Urkundenproduktion, der Liturgie oder dem Zeremoniell der Kurie beigemessen, die ansonsten in ähnlich betitelten Sammelwerken zum Papsttum dominieren. Den Auftakt macht Agostino Paravicini Bagliani mit einer Studie zu Innozenz III. und seinem Umgang mit den päpstlichen Symbolen. Eingehender wird das Apsismosaik von Alt-St. Peter analysiert, das Papst Innozenz III. als Vikar Christi mit der Personifikation der Ecclesia Romana in Gestalt einer Kaiserin zeigt. Die Aufmerksamkeit für den päpstlichen Körper spiegelt sich im Symbolgehalt der Gewandung und Kopfbedeckung, der Tiara, wider. Die im Mosaik präsente Gestalt des Phönix versinnbildlicht die Wiedergeburt und die Fortdauer sowohl des Individuums (Papst) wie der Institution (der Kirche). Die Kleidung des Papstes mit ihren kommunikativen und materiellen Aspekten steht im Zentrum des Beitrags von Maureen C. Miller. Etliche in Rom nachgewiesene Textilarten wurden nachgemacht. So können die kostbaren „tartarischen“ oder „englischen“ Textilien manchmal in Italien hergestellt worden sein. Wichtig war der ideologische Anspruch, schon mit der variantenreichen liturgischen Gewandung die Wirkmacht der Kirche über die gesamte Welt zu versinnbildlichen. Diese Theatralik dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kleidung selbst bei Bonifaz VIII. letztlich „a weak medium for conveying ideas“ war (S. 42). Die Mithg. Iben Fonnesberg-Schmidt untersucht den Eindruck, den die Architektur und Ausstattung des Lateranpalastes auf Besucher um 1200 machten. Dabei bezeugen die Berichte von von Hariulf von Oudenburg – unter Innozenz II. (1141) – sowie Gerald von Wales oder Thomas von Marlborough – unter Innozenz III. –, dass bei solchen Visiten mehrere sensorische Reize – vom Geruch, von Musik, Worten, Gesten bis zu Bildern und Ritualen – angesprochen wurden. Konkret konnte man dem Papst in der Halle der Synoden oder im Triclinium begegnen. Brisanter waren die Bildprogramme aber in den privateren Räumen, wo ein politisch allzu forsches Fresko auch schon für einen diplomatischen Eklat sorgen konnte. Ein persönliches Gespräch mit dem Papst im Palast und davor war auch einfacheren Gästen noch möglich. Dale Kinney gibt einen Überblick über die bekanntesten Apsismosaiken in Rom und ihre Botschaften. Aus dem Pontifikat Paschalis’ I. (817–824) hat man gleich drei Apsismosaike zum Vergleich. Der quadratische Nimbus zeigt, dass der Dargestellte noch lebte. Meist wurden die Jungfrau Maria und Christus thematisiert. Mosaikinschriften feierten auch den päpstlichen Stifter. Als dann Ende des 13. Jh. in S. Maria Maggiore der von einem Colonna-Kardinal engagierte Künstler Jacopo Torriti sich selbst auch in Schrift verewigte, trat der Papst als nicht mehr exklusiver Stifter in den Hintergrund. Christoph T. Maier analysiert die kommunikativen Elemente rund um die Kreuzzüge. Dabei stützt er sich auf eine Urkunde von 1265 im Archiv der Universität Freiburg und eine Kreuzzugspredigt um 1200. Die erstere Quelle – ausgestellt in zwei Sprachen und besiegelt – erlaubt einige Schlüsse zum Umgang mit päpstlichen Mandaten. Der chronikal überlieferte Sermon des Zisterzienser-Abts Martin von Pairis von 1200 zieht alle auch emotionalen Register, um die Menschen für den Kreuzzug zu begeistern. Subtiler geht – wie William Kynan-Wilson zeigt – der englische Magister Gregor in seiner „Narracio de mirabilibus urbis Romae“ vor, in der er die verbreiteten Pilgerführer wie die Mirabilia urbis Romae persifliert. Gregor, der möglicherweise nie selbst nach Rom gekommen ist, benutzte klassische Texte zur Parodie Roms seiner Zeit. Lucy Donkin untersucht die Präsenz Roms in hagiographischen Texten Irlands. In der auf Irisch verfassten Vita des hl. Colmán Élo († 610) aus dem frühen 7. Jh. hören der Heilige und seine Begleiter in Irland telepatisch die Glocken Roms den Tod Gregors des Großen verkünden. Im selben Augenblick treffen Boten mit sieben Säcken gefüllt mit Erde aus der Tiber-Stadt ein, deren Verstreuung über einen Friedhof den dort Begrabenen ewiges Heil verspricht. Ähnliche Erzählungen kursierten auch anderenorts und gaben Anlass zu Ersatzwallfahrten, die denselben Ablass versprachen, den man mit einem Besuch in Rom und speziell am Friedhof bei St. Peter (also am Campo Santo Teutonico) erhalten konnte. Telepatische Episoden wurden im Übrigen in Irland auch mit Jerusalem verbunden, aber die kommunikative Wirkkraft Roms mit ihren vielfältigen Bezügen im Mittelalter bleibt einzigartig und wird gewiss noch weitere Studien zum hier behandelten Thema hervorbringen.
Andreas Rehberg
Scrivere storia nel medioevo, Regolamentazione delle forme e delle pratiche nei secoli XII–XV, a cura di Fulvio Delle Donne, Paolo Garbini e Marino Zabbia, Roma (Viella) 2021 (Libri di Viella 377), 356 pp., ISBN 978-88-331-3719-3, € 38.
Il libro nasce da una collaborazione ormai pluriennale che coinvolge non solo i tre curatori ma anche molti degli autori dello stesso, grazie a finanziamenti PRIN ottenuti in più anni e legati all’Archivio digitale della Latinità Italiana del medioevo (A.L.I.M., alim.unisi.it). Si tratta di un progetto che ha seguito vari filoni di indagine; quello sviluppato, in particolare, dall’unità dell’Università della Basilicata – cui fanno riferimento Fulvio Delle Donne, Paolo Garbini e Marino Zabbia – si è concentrato sul genere storiografico e cronachistico. Se già altri volumi a più mani avevano presentato alcuni risultati, il presente sposta più decisamente l’attenzione dai testi agli autori. I secoli tardo-medievali sono quelli della crescita della consapevolezza da parte degli storici di una specificità dei contenuti ma anche dell’importanza della forma dei testi storiografici: gli storici tardo-medievali, nella dimensione della scrittura sul passato, pongono grande attenzione al rispetto di un sistema di regole formali, parte essenziale di una crescente consapevolezza storiografica di un’attività che si struttura entro reti di persone che svolgono una stessa professione – in particolare quella notarile – o accomunate dall’appartenenza a uno stesso ordine religioso. È, in particolare, Fulvio Delle Donne, „Cronache in cerca d’autore: l’autoconsapevolezza come misura della professionalizzazione dello storiografo“ (pp. 13–28) a ragionare su chi scriveva di storia durante il medioevo, con un saggio che apre il libro e la prima sezione, dedicata proprio alle „Forme di consapevolezza autoriale“; una consapevolezza di cui Delle Donne mostra la crescita, portando soprattutto argomenti dal Duecento in avanti, a partire dai quattro livelli di chi „fa il libro“ indicati da san Bonaventura: lo scriptor, semplice copista, il compilator, che riunisce scritti altrui; il commentator, che ne scrive di propri ma subordinati a quelli di altri e, infine, l’auctor. Nonostante tale crescita e, accanto a questa, il graduale passaggio dalla poesia alla prosa, solo in un’epoca successiva al medioevo si arriverà a superare un piano pratico dello scrivere storia, al servizio di qualcuno in grado di retribuire lo storico, per giungere alla ricerca, allo studio della storia precedente la scrittura, sganciato da essa e introdotto nell’insegnamento universitario. Se Delle Donne offre il quadro di insieme appena sintetizzato, gli altri contributi si dedicano a specifici autori o a problemi più circoscritti, ma mai trattati in modo asfittico, e palesando in tal modo il pregio del libro e, più ampiamente, del progetto, nell’aver affiancato nel lavoro storici e filologi: le due prospettive riescono a proporre letture incrociate, complesse e articolate. E così, alcuni storici si addentrano anche in una presentazione ravvicinata dei testi come fanno Alberto Cotza, „Pisa, secoli XI–XII: autori, modelli, testi, testimoni“ (pp. 79–95) e Cecilia Iannella, „Pisa, secoli XIII–XIV: autori, modelli, testi, testimoni“ (pp. 97–112) non dimenticando, tuttavia, di ragionare sulle persone e su un contesto cittadino specifico; oppure, Marino Zabbia, „Il cronista e le sue fonti alla fine del medioevo“ (pp. 135–152), affronta il tema del come vengono utilizzati in quanto fonti, dai cronisti tardomedievali, i testi consegnati loro dalla tradizione. D’altro canto, anche i contributi dei filologi, in questo volume, pur non perdendo un’attenzione ai testi, insita nella loro disciplina, pongono questi in una cornice problematica che va oltre l’analisi testuale, non solo per i contributi relativi alla seconda sezione, „Forme di uso delle fonti“, ma anche nella terza, „Forme della parola“, nella quale il legame con i testi si fa inevitabilmente più stretto. Ciò nonostante, anche qui le tematiche storiche emergono con chiarezza, come accade, ad esempio, nel bel saggio di Pietro Colletta, „La storiografia del XIV e XV secolo in Sicilia“ (pp. 305–319), là dove ragiona, alle pp. 313 e 314, sul rapporto tra la cronachistica delle varie città siciliane e l’istituzione monarchica, una dialettica importante anche in altri ambiti; oppure quando riflette – pp. 318 sg. – sull’appartenenza di gran parte degli „scrittori di storia“ siciliani dei secoli XIV e XV al ceto giuridico-amministrativo. Anche ragionare di una specifica opera e della sua genesi, come fa Martina Pavoni, „Professionalizzazione e formalizzazione della scrittura storica nelle Rerum Ungaricarum Decades di Antonio Bonfini“ (pp. 321–336) può essere l’occasione per ripercorrere vicende che sono di grande interesse anche per gli storici, già nella misura in cui la studiosa evidenzia la dinamicità e l’ampiezza di orizzonti di un personaggio come Bonfini, nato in un piccolo centro dell’Ascolano e attivo in alcune tra le principali città della penisola, prima di trasferirsi in Ungheria.
Mario Marrocchi
Hezilo und die Freien von Tschengls. Von Kanzlern, rätischen Urkunden, Freien im Vintschgau und einer adeligen Grablege, hg. von Rainer Loose, Innsbruck (Universitätsverlag Wagner) 2021 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs/Pubblicazioni dellʼArchivio provinciale di Bolzano 49), 191 pp., ill., ISBN 978-3-7030-6568-2, € 34,90.
Il volume raccoglie alcune ricerche dedicate a una famiglia che traeva il suo nome da una località dell’alta val Venosta, Tschengls (Cengles nella toponomastica italiana; oggi frazione di Laas/Lasa, in provincia di Bolzano). Curatore e principale autore è Rainer Loose, a lungo docente di Geografia storica all’università di Mannheim e già autore di numerose ricerche dedicate alla storia degli insediamenti della Venosta, nonché curatore di importanti volumi sull’area (si possono ricordare „Der Vinschgau und seine Nachbarräume“ [1993], „900 Jahre Benediktinerabtei Marienberg“ [1996], „König Kirche Adel. Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum und angrenzenden Gebieten“ [1999], „Kirche, religiöse Bewegungen, Volksfrömmigkeit im mittleren Alpenraum“ [2004] e „Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg: Westtirol und angrenzende Räume von der Vorzeit bis heute“ [2006]). Il primo capitolo („Die Herren von Tschengls, das Kanzleramt und die Freien im Vintschgau“, pp. 9–97), scritto da Loose, si apre con una dettagliata esposizione delle notizie di cui disponiamo su un uomo di nome Hezilo, che tra gli anni Quaranta del XII secolo e il 1181 fu più volte menzionato come cancellarius della Venosta e operò come tale in una vasta area che da Castel Tirolo arrivava fino a Sent in Engadina. Il titolo che portava e la funzione che esercitava avevano a che fare con le particolari tradizioni giuridiche e con le peculiari modalità di produzione documentaria esistenti nella diocesi di Coira, all’epoca ancora vive in Engadina e Venosta: egli era infatti il garante della fides publica dei contratti (soprattutto quelli di interesse pubblico). È verosimile che siano suoi discendenti gli altri personaggi che portarono lo stesso nome e che a partire dalla fine del XII secolo ebbero il predicato „de Scengles“, godendo (fino al Trecento) di una residua „auctoritas levandi pennam“ (per quanto la diffusione del notariato e del documento sigillato avessero ridotto all’irrilevanza tale modalità di autenticazione). I primi „Heziloni“ di Cengles erano nobili, mentre a partire dagli ultimi decenni del Duecento i loro discendenti – forse derivanti da una nascita illegittima – dichiaravano di essere di condizione libera, cioè non dipendevano da un signore ma obbedivano direttamente al principe territoriale e facevano parte della nobiltà regionale. Loose dedica svariate pagine alla consistenza del loro patrimonio immobiliare (si nota un progressivo passaggio dalla vassallità dei vescovi di Coira a quella dei conti del Tirolo), ai loro castelli e le dimore fortificate, ai „luoghi della memoria“ (i lasciti testamentari e in particolare la chiesa di San Giovanni di Prad/Prato allo Stelvio). Seguono quindi le schede biografiche dei personaggi della famiglia, dagli „Eziloni“ del XII–XIII secolo fino a Sigismondo, morto nel 1422; con lui si estinse la discendenza maschile (l’eredità passò ai Liechtenstein e poi ai Fuchs von Fuchsberg), Lo stile di Loose è vivace e di facile leggibilità, e si caratterizza per una costante attenzione agli aspetti metodologici; l’autore espone in modo chiaro le domande cui cerca di rispondere e circoscrive le risposte solo a ciò che è davvero possibile sapere partendo dalla scarsa documentazione disponibile. Di notevole interesse sono le sue riflessioni sulle modalità di autenticazione dei documenti nell’area curiense (una questione non priva di conseguenze sul piano della struttura sociale) e sul significato della „libertà“ nel tardo medioevo. Seguono quindi due capitoli più brevi: „Anna von Eschenloch. Gräfin aus Ulten, Ehefrau des Hilprand von Tschengls und Mutter des Sigmund von Tschengls“ (pp. 99–104) e „Ausgewählte Urkunden zur Geschichte der Freien von Tschengls“ (pp. 105–130). Ne è autore David Fliri, archivista presso lo Haus-, Hof- und Staatsarchiv di Vienna, che prima presenta la scheda biografica di Anna di Eschenloch e poi pubblica 17 documenti (l’arco cronologico è 1286–1421), tratti dagli archivi di Vienna, Innsbruck, Bolzano, Merano e Cengles, che permettono di conoscere alcuni aspetti della storia personale e patrimoniale dei membri della famiglia. Infine, nel quarto capitolo („St. Johann in Prad, Begräbniskirche der Freien von Tschengls“, pp. 131–174), Leo Andergassen – storico dell’arte e direttore del museo provinciale di Castel Tirolo – parla della chiesa di San Giovanni di Prato allo Stelvio/Prad, un edificio che alla fine del XIV secolo fu scelto per ospitare la tomba di famiglia; gli affreschi che vi furono dipinti (coprendo una precedente decorazione tardoromanica) rappresentano uno dei più interessanti cicli pittorici gotici presenti nell’area. La sezione è accompagnata da 32 pagine di tavole a colori. Il volume, completato dagli indici dei nomi e dei luoghi, è dedicato a un centro minore e a una famiglia di non primo piano nella storia del territorio: va però segnalato in quanto – partendo da un caso particolare – affronta questioni di notevole interesse per la storia giuridica, politica e sociale delle valli alpine.
Emanuele Curzel
Agostino Paravicini Bagliani, Le monde symbolique de la papauté. Corps, gestes, images d’Innocent III à Boniface VIII, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (Millennio medievale. Strumenti e studi 46), XVIII, 350 S., Abb., ISBN 978-88-8450-975-8, € 76.
Der aus drei Teilen bestehende Sammelbd. (I. Corps; II. Gestes et rites; III. Images) vereint insgesamt 20 Aufsätze, in denen ausgehend von den grundlegenden Forschungen von Agostino Paravicini Bagliani die Körperlichkeit des Papstes ebenso verhandelt wird wie die sich während des 13. Jh. allmählich herausbildende Symbolik des Papsttums, die nicht zuletzt zum Mittel päpstlicher Selbstinszenierung avancierte. Es handelt sich mit Ausnahme eines Aufsatzes („Robert DʼUzès et la symbolique pontificale. La tiare ,haute une coudée‘ [cubitus]“, S. 291–297) um bereits publizierte Beiträge, die im vorliegenden Bd. erstmals in französischer Sprache und teils ergänzt um jüngste Literaturangaben in den aktuellen Forschungskontext eingeordnet werden. Den zeitlichen Rahmen der Untersuchungen bilden die Pontifikate von Innozenz III. und Bonifaz VIII., auf die aufgrund ihrer Bedeutung ein Großteil der Beiträge entfällt. Im ersten Teil wird der Diskurs um den Körper des Papstes behandelt. Darin macht Agostino Paravicini Bagliani deutlich, dass in einer Auseinandersetzung mit der päpstlichen Körperlichkeit nicht nur der individuelle, sondern stets auch der um die Dimension des Physischen erweiterte institutionelle Körper berücksichtigt werden muss, war die körperliche Unversehrtheit des Papstes doch eine grundlegende Voraussetzung für rituelle Handlungen. In der Konsequenz nahm die Sorge um die Gesundheit des Papstes einen hohen Stellenwert am Papsthof ein, der die darauffolgenden Beiträge gewidmet sind. Von der Bedeutung der medizinischen Behandlungsmethoden zur Zeit des Pontifikats von Innozenz III. zeugt die rege Zirkulation von medizinischen Texten und Rezepten, wie sie auch in späteren Trakten zur Verlängerung des Lebens, etwa von Tommaso Rangoni, greifbar wird, wobei die Gesundheitsvorsorge des Papstes auf Reisen – Innozenz III. verbrachte einen Großteil seines Pontifikats außerhalb Roms in Anagni, Velletri, Ferentino und Viterbo – noch einmal einen eigenen Themenkomplex bildet. Im zweiten Teil des Sammelbd. werden ausgewählte Rituale am Papsthof in den Blick genommen. Im Zentrum stehen dabei erneut Innozenz III. und Bonifaz VIII. in ihrer Rolle als treibende Kräfte bei der Ausgestaltung des Zeremoniells am Papsthof. Besonders die Inszenierung des universellen päpstlichen Machtanspruchs im Pontifikat von Bonifaz VIII. wird durch eine eingehende Untersuchung seiner rhetorischen Fähigkeiten eindrücklich beleuchtet. Neben der Abhaltung pompöser Festmähler und der Entwicklung des Zeremoniells bei Heiligsprechungen stehen rituelle Handlungen im Mittelpunkt der Untersuchungen, die innerkuriale Beziehungen zwischen unterschiedlichen Funktionsträgern am Papsthof, wie etwa dem Papst und den Kardinälen verdeutlichen. Schließlich rückt im dritten Teil das Verhältnis von Text und bildlicher Darstellung in den Fokus. Das weite Spektrum der Beiträge umfasst die Einführung der Abbildung von Petrus und Paulus auf päpstlichen Bullen im Pontifikat von Gregor VII., die Darstellung des weißen Pferds des Papstes in Texten und Abb. des 11. bis 13. Jh. sowie die Verwendung der Tiara und deren Bedeutungswandel vom signum imperii zu einem Symbol des universellen päpstlichen Machtanspruchs. Ein weiterer Beitrag untersucht die Aufenthalte des Papstes und seines Hofs außerhalb der Ewigen Stadt, deren institutionelle Folgen und Probleme am Beispiel der Residenz in Avignon. Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen besticht nicht nur aufgrund ihres wegweisenden Charakters für weitere Studien zur Symbolik des Papsttums, sondern auch durch die mustergültige Darbietung der Beiträge. Der Bd. wird mit einem Namens- und Ortsverzeichnis, einem Verzeichnis der Hss. und einem analytischen Register abgerundet. Man darf hoffen, dass er weitere Studien zur Symbolik des Papsttums anstoßen wird.
Christopher Kast
Die Urkunden Friedrichs II., Teil 6: 1226–1231, bearb. von Walter Koch (†) unter Mitwirkung von Klaus Höflinger, Joachim Spiegel, Christian Friedl, Katharina Gutermuth und Maximilian Lang, Wiesbaden (Harrassowitz) 2021 (Monumenta Germaniae Historica. Diplomata Regum et Imperatorum Germaniae 14/6), Bd. 1: Texte; Bd. 2: Register, X, 1016 S., ISBN 978-3-447-11375-5, € 230.
Der vorliegende sechste Bd., erneut ein umfangreicher Doppelbd. von über 1000 Seiten, schließt sich an die in dichter Folge erschienenen Vorgängerbde. an und bringt das große Editionsvorhaben der Urkunden Friedrichs II. kontinuierlich voran. Überschattet wurde es jedoch durch den Tod von Walter Koch Ende 2019, der dieses Editionsprojekt über viele Jahre leitete und prägte. Dass die Arbeiten an diesem Doppelbd. durch Kochs Tod dennoch nicht ins Stocken kamen und termingerecht abgeschlossen wurden, ist zum einen seiner vorausschauend planvollen Organisation dieses Langzeitprojektes zu verdanken, zum anderen dem Willen der Bearbeiterinnen und Bearbeiter, die geplanten Arbeiten fortzuführen. Auch die alle sechs Jahre stattfindende Projektevaluation, was stets Zeit und Kraft bindet, konnte das termingerechte Erscheinen des Doppelbd. nicht gefährden. Der vorliegende Doppelbd. umfasst 264 Urkunden aus Friedrichs Kaiserherrschaft aus dem Zeitraum von Juli 1226 bis Ende 1231. In diesen Zeitraum fallen verschiedene politische Ereignisse, allen voran die Realisierung des seit 1215 gelobten fünften Kreuzzuges. Bekanntlich wurde das Vorhaben zunächst abgebrochen, als kurz vor Aufbruch in das Adriatische Meer eine Seuche das in Brindisi lagernde kaiserliche Heer stark dezimierte. Das Schicksal dieser Unternehmung spiegelt sich beispielsweise in den Urkunden Nr. 1271, 1272 und 1276 wider, in denen zunächst Privilegien von Kreuzzugsteilnehmern ausgestellt wurden bzw. der Kaiser in einem Rundschreiben vom 5./6. Dezember 1227 seine Unschuld am katastrophalen Verlauf des Kreuzzuges äußerte, auch als Reaktion auf offenbar heftige Beschwerden Papst Gregors IX. Hervorzuheben sind weiterhin 16 Urkunden, die Friedrich II. nach seinem nun realisierten Aufbruch im Heiligen Land ausstellte, überwiegend in Akkon, eine in Tyrus (Nr. 1295–1310). Ebenfalls kommt die Auseinandersetzung mit den Städten des Lombardenbundes in den Urkunden oft vor; hier wird sehr deutlich, dass die Städtepolitik in dieser Region gleichzeitig immer auch Reichspolitik ist, so beispielsweise die Urkunde von Juli 1231 (Nr. 1424) zur Vorbereitung des Hoftages in Ravenna. Aus ordensgeschichtlicher Perspektive beinhaltet der Bd. gerade für die Frühphase des Deutschen Ordens reiches Material; allein die zahlreichen Nennungen des Ordensmeisters Hermann von Salza stellen eine gute Grundlage für eine biografische Skizze dar. Hervorzuheben sind auch die textkritischen Anmerkungen, die eine vertiefte diplomatische Auseinandersetzung mit den Urkunden bieten. Dies wird besonders bei jenen Stücken deutlich, die nicht mehr erhalten sind und nur durch ältere Editionen rekonstruiert werden können, so beispielsweise eine kopial überlieferte Urkunde an den Hildesheimer Bischof Konrad von September 1227 (Nr. 1268), die in einem Hildesheimer Kopiar überliefert war, das im Jahr 1943 verbrannte. Dasselbe Schicksal teilt eine Urkunde Friedrichs an den Erzbischof von Bremen von 1231 (Nr. 1426). Die Erkenntnisse aus diesem umfangreichen Anmerkungsapparat erweitern somit die heutige Einordnung verlorener Stücke, die beispielsweise durch den zweiten Weltkrieg verloren gingen, wie in Hannover und Neapel. Ebenso enthalten sind drei Nachträge zu den Bd. 3 und 5 (S. 636–643), darunter ein Fund zum Konflikt mit der Universität Bologna aus dem Zeitraum der Jahre 1224/1225, der sich in einem Codex der Biblioteca Apostolica Vaticana befindet, dessen Vorgeschichte noch vertieft zu erforschen ist (Nr. 1145b). Der Registerbd. zeichnet sich durch Akribie und sehr hohe wissenschaftliche Qualität aus. Hervorzuheben ist beispielsweise das Wort- und Sachregister (S. 696–882), das eine sehr gute Arbeitsgrundlage darstellt und deutlich macht, wie tief in den Text eingedrungen wurde. Mit Blick auf das Register der Aufbewahrungsorte der Urkunden (S. 921–941) zeigt sich die breite regionale Streuung des aufgearbeiteten Materials. Erneut haben die Bearbeiter ein höchst beeindruckendes Werk vorgelegt, das die Forschung zu Kaiser Friedrich II. und zu seiner Epoche dankbar heranziehen wird. Es bleibt zu wünschen, dass die Editionstätigkeit in dieser Form fortgesetzt werden möge, was höchste Anerkennung verdient!
Jörg Voigt
Epistole et dictamina Clementis pape quarti. Das Spezialregister Papst Clemensʼ IV. (1265–1268), hg. von Matthias Thumser, Wiesbaden (Harrassowitz) 2022 (MGH. Epistolae 2a, Briefe des späteren Mittelalters 4), 3 Teile, X, 1065 S., Abb., ISBN 978-3-447-11748-7, € 280.
In drei stattlichen Bde. wird eine seit langem bekannte und benutzte Masse von 556 Briefen Papst Clemensʼ IV. aus einem sog. „Spezialregister“ präsentiert. Dabei besagt die von der modernen Forschung erfundene Bezeichnung zunächst nichts weiter, als dass dieser Briefbestand nicht in den zwei Bde. des in der Kanzlei geführten Hauptregisters (Reg. Vat. 32) überliefert wird. Wenn dieser Bd. heute als Spezial- oder Sonderregister bezeichnet und gerne dem berühmten Thronstreitregister Innozenzʼ III. (Reg. Vat. 6) an die Seite gestellt wird, so bezieht man sich auf den Inhalt, nämlich „Briefe, die zu einem wesentlichen Teil politische, auch solche von größter Relevanz, und persönliche Angelegenheiten betreffen, Diskretion erforderten und vertraulich bleiben sollten“ (S. 29). Deshalb bezeichnete Edith Pasztor, eine der besten Kennerinnen des päpstlichen Registerwesens im 13. Jh. den Bd. als „primo registro pontificio di lettere segrete“, also ein Sekretregister ante litteram. Die Briefe verteilen sich mit 147 / 165 / 143 / 101 Stücken einigermaßen gleichmäßig auf die vier Jahre des Pontifikats. Dieser war wesentlich von dem negotium regni Sicilie bestimmt, das in jenen Jahren den dramatischen Übergang der Herrschaft von den Staufern zu Karl von Anjou erlebte. So gehen nicht weniger als 80 Briefe an den neuen, von der Kurie geförderten König, dessen Berichte über die Entscheidungsschlachten von Benevent (Februar 1266: Nr. 154) und Tagliacozzo (August 1268: Nr. 536) ausnahmsweise als Einlaufstücke aufgenommen wurden. „Ohne die Briefe Clemensʼ IV. ließen sich die Ereignisse jener Jahre und die Beweggründe der damals Handelnden nicht annähernd so gut beurteilen.“ 148 an verschiedene Kardinäle gerichtete Schreiben erlauben „weitreichende Einblicke in die Mitwirkung des Kardinalskollegiums an der Amtsführung des Papstes“ (S. 26). Im Übrigen begegnen vielfältige Themen von der hohen Politik bis zu privaten Angelegenheiten in Schreiben an die verschiedensten Empfänger in ganz Europa. Während den Bearbeitern des längst veralteten Texts in dem ungetümen „Thesaurus Novus Anecdotorum“ von 1717 nur sechs französische Hss. zur Verfügung standen, sind nun erst die sechs weiteren hinzugekommen, die im Vatikanischen Archiv in die Serie der Papstregister eingestellt wurden, sowie einige mehr oder weniger bekannte in anderen Bibliotheken. Die insgesamt 18 Hss. werden einer umsichtigen recensio codicum unterzogen, die zu einer einleuchtend begründeten Gliederung in vier Gruppen mit 8, 6, 3 und 1 Vertretern führt. Letztlich gehen sie alle auf das verlorene Original zurück, das fortlaufend in unmittelbarer Umgebung des Papstes und unter seiner persönlichen Überwachung geführt wurde. Aus diesen Gruppen wurden nach eingehender Prüfung neun für die Herstellung eines kritisch gesicherten Texts ausgewählt. Besonders zu erwähnen sind zwei Hss., in denen der Briefbestand nach unterschiedlichen Kriterien systematisch angeordnet ist. Die zahlreichen Hss. sind das Ergebnis eines Funktionswandels der Sammlung, der in dem Doppeltitel „Epistole et dictamina“ treffend zum Ausdruck gebracht wird. Die gesondert entstandenen und gesammelten Briefe fanden nämlich das Interesse der Stilisten der im 13. Jh. schulmäßig gepflegten ars dictaminis. Ihre Vertreter suchten sprachlich und formal vorbildliche „Musterbriefe“, die als Lehr- und Übungsmaterial dienen konnten. Zu diesem Zweck erschienen die Produkte der päpstlichen Kanzlei besonders geeignet. Das Interesse an diesem Material verdichtete sich während der langen Sedisvakanz nach dem Tod Clemensʼ IV. (Dez. 1268 – Dez. 1271). Als Zeugnisse der „Kurialen Briefkultur“ entstanden damals die Vorformen mehrerer großer Sammlungen päpstlicher Briefe, darunter auch die vorliegende, die sich von den zeitgenössischen zwar durch ihre chronologische Anordnung unterscheidet, aber ebenso wie diese einen Funktionswandel von der historischen Dokumentation zum Arsenal für stilistische Vorbilder und Schulungsmaterial durchmachte. Die langjährige Editionsarbeit wurde durch einen ertragreichen Forschungsschub zur ars dictaminis begleitet, der vom Editor inspiriert und organisiert wurde. Als Ergebnis dieser begleitenden Forschung wurde 2015 ein inhaltsreicher Sammelbd. vorgelegt (Tanja Broser/Andreas Fischer/Matthias Thumser [Hg.], Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter. Gestaltung-Überlieferung-Rezeption); und neuerdings kam die speziell den Briefen Clemensʼ IV. gewidmete Untersuchung von Tanja Broser hinzu, die in dieser Zeitschrift schon angezeigt worden war (QFIAB 99 [2019], S. 617 f.) und nun nur noch einmal zu erwähnen ist, weil das Register der in dieser Monographie erläuterten Briefe (S. 401–406) eine willkommene Ergänzung zu den hilfreichen Registern und Konkordanzen der nunmehr vorliegenden Ausgabe darstellt.
Martin Bertram
Nicole Bériou/Bernard Hodel (Éds.), Saint Dominique de l’Ordre des frères Prêcheurs. Témoignages écrits, fin XIIe–XVe siècle, Paris (Éditions du Cerf) 2019, 1792 S., Abb., ISBN 978-2-204-09756-7, € 40.
Aus den verschiedenen geschichtswissenschaftlichen Projekten, die das 800. Jubiläum der Gründung des Ordens der Predigerbrüder im Jahr 2016 zu würdigen beabsichtigten, ragt der vorliegende Bd. hervor. Eine Équipe um Nicole Bériou und Bernard Hodel hat sich zum Ziel gesetzt, die immense Fülle an Berichten von Zeitzeugen, aus dem Kanonisationsprozess, aus hagiografischen, chronikalischen, legendarischen und liturgischen Texten zu bündeln und unter Einbeziehung des aktuellen Forschungsstandes in französischer Übersetzung zu veröffentlichen. Dieses immense Vorhaben ist – dies sei bereits an dieser Stelle vermerkt – den Hg. konzeptionell und inhaltlich auf höchst eindrucksvolle Weise gelungen! Das Werk knüpft gewissermaßen an vergleichbare Darstellungen an, zuletzt die italienischen Übersetzungen der Zeitzeugenberichte zu Dominikus und zu den Anfängen des Dominikanerordens, die Pietro Lippini im Jahr 1998 vorgelegt hat; es setzt aber nun einen eigenen Standard. Den Anfang bilden drei Briefe von Dominikus – seine einzigen autografischen Schriften –, die im ersten Hauptkapitel enthalten sind (S. 59–85). Mit Blick auf diese fragmentarische Überlieferung gewinnen die Texte über Dominikus an Bedeutung, die das zweite Hauptkapitel bilden, das die Entstehung und Institutionalisierung des Dominikanerordens thematisiert (S. 89–589). Vorgestellt werden Texte über die antihäretische Predigttätigkeit des Dominikus in Südfrankreich. Neben ersten Mirakeln, die ihm zugeschrieben werden (S. 113–121), ist sein Agieren durch die Berichte seiner Predigterfolge zu greifen, die in Inquisitionsregistern der 1240er Jahre überliefert sind und hier – quellenkritisch profund eingeleitet – wiedergegeben werden (S. 135–146). Auf diese Predigtkampagnen folgen die Texte zur Institutionalisierung des Ordens zunächst in Südfrankreich, was durch Papst Honorius III. seit Dezember 1216 vorangetrieben wurde, wovon mehrere Bullen zeugen (S. 177–196). Vollständig wiedergegeben sind die ältesten Konstitutionen des Ordens, die im Anschluss an das Vierte Laterankapitel und in Anlehnung an die Konstitutionen des Prämonstratenserordens konzipiert wurden (S. 199–263). Zu den weiteren größeren thematischen Blöcken zählt die Entsendung der Brüder von der ersten Gemeinschaft in Toulouse, was seinen Niederschlag vor allem in der chronikalischen Überlieferung in Deutschland, England und Italien findet (S. 319–474). Weiterhin sind die Frauengemeinschaften des Ordens zu nennen, hier die Klöster im südfranzösischen Prouille bzw. San Sisto in Rom, dessen Statuten wiederum für die institutionelle Entwicklung des weiblichen Ordenszweiges zentral waren und auch von anderen religiösen Frauengemeinschaften übernommen wurden, wie beispielsweise den Magdalenerinnen (S. 475–589). Das umfangreichste Kapitel widmet sich den Texten zur Kanonisation von Dominikus im Jahr 1234, vor allem aber der reichen und differenzierten hagiografischen Überlieferung des 13. Jh. (S. 593–1594). Dabei handelt es sich zunächst um die Schrift zu den Anfängen des Ordens aus der Feder des Nachfolgers von Dominikus an der Ordensspitze, Jordan von Sachsen, weiterhin die Zeugenaussagen aus dem Kanonisationsprozess und die Kanonisationsbulle selbst. Daran schließen sich die Legenden über den Ordensgründer an und schließlich im Jahr 1286 – und damit erst vergleichsweise zeitversetzt zu Dominikusʼ Tod 1221 und dessen Kanonisation 1234 – die durch den Ordensgeneral beauftragte offizielle Vita des Gründers aus der Feder des Erfurter Dominikaners Dietrich von Apolda (S. 983–998). Die daran anschließenden Kapitel zu den Bildern des hl. Dominikus in Legenden, Geschichtswerken und Predigten können hier im Einzelnen nicht gewürdigt werden; sie zeigen jedoch eindrücklich, welche Bedeutung die Vorstellungen über den Ordensgründer bei der Etablierung des Ordens besaßen, der gerade im 13. Jh. eine rasante Ausbreitung in ganz Europa vollzog, wie der Orden dadurch historisiert wurde, welche Nuancen gesetzt wurden und wie komplex dieses Bild ist. In diesem Kontext sei besonders auf die Beschlüsse des Generalkapitels bis in das frühe 14. Jh. zur Memoria des Ordensgründers innerhalb des Ordens (S. 1437–1459) hingewiesen, woran sich dann die Texte zur liturgischen Ausgestaltung des Festes des hl. Dominikus anschließen (S. 1461–1509). Hervorzuheben sind die jeden Text einläutenden Bemerkungen, die weit über die alleinigen Hinweise der verwendeten Editionsgrundlagen und der einschlägigen Forschungsliteratur hinausreichen. Vielmehr spiegelt sich darin nicht nur eine Würdigung des Forschungsdiskurses. Sie schließen auch den aktuellen Forschungsstand ein, wobei die Zusammenarbeit mit Simon Tugwell O.P., einem der seit Jahrzehnten prominentesten Forscher zum Dominikanerorden und zu Dominikus, eigens hervorzuheben ist. Auch bei der Wiedergabe der Texte wurden diese nicht nur übersetzt, sondern mit Anmerkungen so umfangreich versehen – beispielsweise mit der Nennung der Bezüge auf die Bibel, aber auch auf andere Textvorlagen, was äußerst aufwendig und ebenso nützlich ist, oder mit der Einordnung der genannten Personen, Orte und historischen Sachverhalte –, dass die vorliegende Arbeit stets auch bei der Konsultation der eigentlichen maßgeblichen Editionen mit Gewinn herangezogen werden kann. Dieses hervorragende Werk wird, auch mit Blick auf den geringen Preis von 40 €, zweifellos seinen Weg in den wissenschaftlichen Diskurs finden.
Jörg Voigt
Julia Burkhardt, Von Bienen lernen. Das „Bonum universale de apibus“ des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf. Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar. Teilbd. 1: Analyse und Anhänge; Teilbd. 2: Edition, Übersetzung und Kommentar, Regensburg (Schnell & Steiner) 2020 (Klöster als Innovationslabore 7), 2 Bde., 1097 S., Abb., ISBN 978-3-7954-3505-9, € 76.
Von den Werken des Augustiner-Chorherren und späteren Dominikaners Thomas von Cantimpré (ca. 1200–1270) ragt vor allem das „Bonum universale de apibus“, das sogenannte „Bienenbuch“, hervor. Dabei handelt es sich weder um einen hagiografischen Text, wie beispielsweise die von ihm verfassten bzw. erweiterten fünf Viten, noch um einen Gelehrtentraktat, sondern in erster Linie um eine am Beispiel der Bienen orientierte Exempelsammlung, in der sich die Lebens- und Glaubenswelt des 13. Jh. spiegelt. Sie diente nicht nur der Darstellung einer idealen gemeinschaftlichen Lebensform der Dominikaner, sondern zielte auch auf eine laikale Leser- bzw. Hörerschaft. Entsprechend breit und über den dominikanischen Kontext hinausweisend ist die Überlieferung dieses Textes, der bereits im späten 16. Jh. durch den flämischen Theologen Georg Colvenerius gedruckt wurde; die 1627 erschienene Neuauflage ist bisher die maßgebliche Textgrundlage geblieben. Obwohl das Interesse seitens der Wissenschaft groß gewesen war – auch unter so produktiven Ordenshistorikern wie Benedikt Maria Reichert, der sein weit vorangeschrittenes Editionsvorhaben im frühen 20. Jh. nicht abschließen konnte (S. 172–176) –, blieb es bisher lediglich bei Wiedergaben kleinerer Textbausteine. Hier setzt der vorliegende umfangreiche Doppelbd. von Julia Burkhardt ein, der aus ihrer Heidelberger Habilitationsschrift hervorgegangen ist. Im ersten Bd. präsentiert sie eine Analyse des „Bonum universale“ und stellt aus den wenigen biografischen Zeugnissen zunächst den Autor vor. Thomas wurde Anfang des 13. Jh. geboren und im Alter von 15 Jahren nachhaltig durch eine Begegnung mit dem Prediger Jakob von Vitry beeinflusst. Nach den religiösen Anfängen bei den Augustiner-Chorherren in Cantimpré trat er zu Beginn der 1230er Jahre in den Dominikanerorden ein, und zwar in den Konvent in Löwen, einen besonders florierenden Konvent. Seine Ausbildung erfolgte in Paris vor 1240, was ihn stark geprägt hat und worauf er häufig Rückbezüge macht. Mit Blick auf das „Bonum universale“ selbst handelt es sich um das „große Spätwerk“ (S. 36) des Dominikaners, Hagiographen, Naturkundlers und Geschichtensammlers. Häufig in Form von Gesprächssituationen werden Personen und Ereignisse vor allem aus dem Raum Frankreich, Flandern, Brabant und Deutschland wiedergegeben, was sich mit dem Erlebnishorizont von Thomas deckt. Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis, denn – schaut man allein auf die internationale Vernetzung des Dominikanerordens mit seinen jährlich wechselnden Tagungsorten des Generalkapitels – Thomas dürfte aus einem weit umfangreicheren geografischen Bezugsraum unterrichtet worden sein. Besonders hervorgehoben sei das Kapitel II.3.2, in dem das Bienenvolk thematisiert wird, das stellvertretend für die gottgefällig lebenden Gläubigen steht (S. 75–91). Zu den wesentlichen Themen zählen gemeinschaftlicher Zusammenhalt, die Formen friedlicher Konfliktregelung und die vorausschauende Selbstbeschränkung. Das dritte Hauptkapitel widmet sich der Rezeption des „Bonum universale“ im Spiegel der Hss. (S. 107–165). Das breite Interesse drückt sich in den 120 vollständigen bzw. leicht gekürzten Hss. aus; hinzu kommen 16 volkssprachige Übersetzungen sowie über 100 weitere Hss. mit kürzeren Passagen. Die Verbreitung erfolgte vor allem in den heutigen Gebieten Belgiens, der Niederlande, Nordfrankreichs und Westdeutschlands und somit in den wesentlichen Wirk- und Erzählbereichen. Burkhardt findet eine eigene Form für die Edition, indem sie sich für fünf Überlieferungsgruppen entschied und somit fünf Leithss. herausarbeitet, die zeitlich und geografisch einen jeweils eigenen Überlieferungszusammenhang darstellen und jeweils eine eigene Leiths. zur Grundlage haben. Diese überlieferungsorientierte Herangehensweise, die nicht in erster Linie einen autorenzentrierten Mittelpunkt hat, bringt gerade bei einem so breit rezipierten Werk wichtige Einblicke (S. 176 f.). Dieses Verfahren bietet sich auch in ähnlich gelagerten Überlieferungssituationen an. Daran anschließend gibt die Autorin Einblicke in ihr Editionskonzept. Besonders hervorzuheben ist dabei die Anwendung der an der Universität Zürich erarbeiteten computerbasierten stemmatologischen Textanalyse, bei der ein algorithmenbasiertes Programm aus den Ähnlichkeiten der Textstrukturen ein Dendrogramm entwirft (S. 181–186). Aufgrund struktureller Ähnlichkeiten wurden Gruppen ausgeworfen, die wiederum Grundlage für die Textedition bildeten, bei der jedoch auch weitere, klassische Aspekte der Textedition, wie chronologische Streuung, Textumfang und -strukturierung berücksichtigt wurden. Eine detaillierte Beschreibung der fünf für die Edition verwendeten Hss. folgt, dann ein Repertorium der 123 lateinischen, 16 volkssprachlichen und 122 Exzerpthss. (S. 223–317). Die Edition selbst ist sehr gelungen und trotz der Informationsdichte übersichtlich durch den sehr guten textkritischen Apparat gestaltet. Auch die Übersetzung ist sehr zu loben – eine wahre Fundgrube für alle, die sich mit der spätmittelalterlichen Alltags- und Vorstellungswelt beschäftigen! Julia Burkhardt hat somit eine Analyse und Edition eines bedeutenden und breit rezipierten Textes des 13. Jh. vorgelegt und ist zudem der Überlieferung für das gesamte Spätmittelalter nachgegangen. Diese Arbeit wird ganz sicher Eingang in die Ordens-, Alltags- und Frömmigkeitsgeschichte von Klerus und Laien finden und bietet speziell auch in der universitären Lehre eine sichere Textgrundlage.
Jörg Voigt
Ursone da Sestri, Historia de victoria quam Ianuenses habuerunt contra gentes ab Imperatore missas. Edizione critica, traduzione e commento a cura di Clara Fossati, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Edizione Nazionale dei Testi Mediolatini d’Italia. Serie II, 29), VI, 164 S., ISBN 978-88-8450-963-5, € 44.
Die Hg., Lehrstuhlinhaberin für lateinische mittelalterliche und humanistische Literatur an der Universität von Genua, hat sich bereits einschlägig mit den zeitgenössischen Quellen zur Geschichte Genuas im 15. Jh. beschäftigt. Im vorliegenden Werk präsentiert sie die Neuedition eines längeren hexametrischen Gedichts des Notars Ursone da Sestri, das den Sieg Genuas über eine kaiserlich-pisanische Flotte im Jahr 1242 zum Thema hat. Die Edition dieser zweifelsohne philologisch interessanten und historisch wichtigen Quelle erfordert eine besondere Begründung, da sie bereits zweimal im 19. Jh. (von Tommaso Vallauri in den „Historiae Patriae Monumenta“, vol. 6, 1853 und von Giovanni Battista Graziani, Vittoria de‘ Genovesi sopra l’Armata di Federico II, Genova 1857) und in jüngerer Zeit erneut von Roberto Centi, Poema della vittoria (Palmaria Portovenere Vernazza Levante), Ursone notaio, La Spezia 1993, veröffentlicht wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden Hss., die für die Ausgaben des 19. Jh. benutzt wurden, und die die einzigen Überlieferungsträger darstellen, heute verschollen sind. Dennoch macht die Neuedition auf jeden Fall Sinn, da die Vorgängereditionen (mit Ausnahme der „Monumenta“) außerhalb Liguriens kaum greifbar sind. Die Einleitung beginnt mit einer kurzen, aber inhaltsreichen Darstellung des historischen Umfelds des Gedichts (S. 3–14). Die Einbeziehung der Vorgeschichte des 12. Jh. erweist sich dabei als sehr sinnvoll. In diesem Jh. konnte Genua durch die Konsolidierung einer handelsorientierten Adelselite im Innern, die Schwächung Pisas als direkter Konkurrentin im nordtyrrhenischen Raum und eine primär wirtschaftlich ausgerichtete Expansion die Basis für den Aufstieg zu einer der führenden Wirtschaftsmächte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit legen. Dabei rückte die Stadt immer mehr auch ins Blickfeld der kaiserlichen Italienpolitik. Potentielle Konfliktpunkte waren neben der stetigen Gegnerschaft zum prokaiserlichen Pisa der Ausbau eines genuesischen Territoriums in Ligurien und südlichen Teilen Piemonts und die für den Afrika- und Orienthandel unerlässlichen Handelsrechte in Sizilien. Trotz des wachsenden Einflusses der „guelfischen“ Partei dominierte in Genua lange Zeit die „Realpolitik“ im Sinne der Handelsinteressen, was sich beispielsweise in der Unterstützung Heinrichs VI. bei der Durchsetzung seiner Herrschaftsansprüche in Süditalien und Sizilien zeigte. Unter Friedrich II. verschlechterten sich die Beziehungen Genuas zur kaiserlichen Zentralgewalt sukzessive bis zur offenen propäpstlichen und antikaiserlichen Parteinahme 1238. Nach der vernichtenden Niederlage gegen die kaiserlich-pisanische Flotte in einer Seeschlacht vor Giglio und der gegnerischen Offensive in der Lunigiana und der Riviera bildeten ein überraschend schnelles Flottenprogramm und der mehr oder weniger kampflose Rückzug der kaiserlich-pisanischen Flotte vor der ligurischen Küste einen Wendepunkt, der in der genuesischen Annalistik und im vorliegenden Gedicht von Ursone als großer Sieg propagandistisch ausgeschlachtet wurde. Ein zweiter Abschnitt (S. 15–18) widmet sich der Person Ursones, der 1225 zum ersten Mal in einer politischen Mission im Auftrag Genuas in Erscheinung trat und in den folgenden Jahren bis 1269 (möglicherweise auch bis in die 80er Jahre) wichtige Funktionen als Notar und in der genuesichen Kanzlei ausübte. Die folgenden Kapitel, betitelt mit „L’ambiente culturale“ (S. 18–35) und „La struttura del carme“ (S. 35–41), kontrastieren das Gedicht mit den einschlägigen Passagen in den „Annali Genovesi“ (ob Ursone, wie in der Literatur mehrfach behauptet, im betreffenden Zeitraum als Redakteur der „Annali“ fungierte, bleibt offen) und bieten eine Sprach- und Strukturanalyse des Gedichts. Kurze Bemerkungen zur Handschriftenlage (in diesem Fall besser: zur Überlieferungslage) schließen die Einleitung ab. Nach einer ausführlichen Bibliographie (S. 45–53) folgt die Edition des Textes mit paralleler italienischer Übersetzung (S. 58–137). Ein kurzer, überwiegend historischer Kommentar (S. 139–152) – die literarischen Übernahmen sind bei der Edition in einem Testimonienapparat aufgeführt – und zwei Indizes (S. 157–161) runden die Veröffentlichung ab. Aufgrund der schwierigen Ausgangslage (der Text muss ohne Konsultation der zugrunde liegenden Hss. erstellt werden) lässt sich die Edition per se kaum sinnvoll beurteilen. Die Bedeutung liegt vielmehr darin, dass ein philologisch interessanter und historisch wichtiger Text nun über den eng begrenzten lokalgeschichtlichen Raum hinaus der internationalen Forschung bequem zugänglich ist. Dafür ist der Hg. und dem Verlag besonders zu danken. Äußerst wertvoll sind die detaillierte Kontextualisierung im historischen Umfeld und die Verortung in der Genueser Propaganda des 13. Jh., wofür die Hg. aufgrund ihres engen Bezugs zur Geschichte der Stadt Genua beste Voraussetzungen mitbringt. Der Aufstieg Genuas zu einem der wichtigsten Akteure im Mittelmeerraum, das Konfliktpotential mit Pisa, dem normannischen Süditalien und der kaiserlichen Zentralverwaltung, immer dominiert vom Streben nach kommunaler Autonomie und von Handelsinteressen, oder die untrennbare Vermischung von Politik und Wirtschaft in den sich ausbildenden Herrschaftseliten Genuas sind Themen von überregionaler Bedeutung. Vielleicht kann diese Arbeit zusätzlich dazu beitragen, auch für die folgenden Jh. des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit den Blick verstärkt auf die überaus reichen Archivbestände Genuas zu werfen.
Thomas Hofmann
Marco Vendittelli/Emiliano Bultrini, Pax vobiscum. La Crociata di Bonifacio VIII contro i Colonna di Palestrina (maggio 1297–ottobre 1298), con la collaborazione di Antonella Mazzon, Roma (UniversItalia srl) 2021 (,L’ogre de la légende‘. Collana di studi sul medioevo 3), 313 S., Abb., ISBN 978-88-329-3477-9, € 25.
Nur für wenige mittelalterliche Kriege ist es möglich, eine so große Anzahl direkter Zeugnisse vorzulegen wie im Fall des Konflikts zwischen Bonifaz VIII. und den Colonna von Palestrina zwischen Mai 1297 und Oktober des folgenden Jahres. Der Konflikt, der eigentlich durch die latente Dauerkonkurrenz zwischen den Verwandten des Papstes, den aufstrebenden Caetani, und den alteingesessenen Colonna ausgelöst worden war, wird über Latium hinaus bis in die Romagna getragen, wo letztere ebenfalls begütert waren. Die beiden Autoren versammeln in ihrem Dossier-Teil 178 Urkunden, die man durchaus noch hätte erweitern können, je nachdem wie man den Colonna- bzw. Bonifaz VIII.-Bezug definiert. Die Masse der Dokumente entspricht allerdings nicht immer dem erhofften Erkenntnisgewinn, wie die beiden Autoren zugeben müssen. Vieles zum konkreten Kriegsverlauf bleibt im Dunklen. Deutlich werden aber die pragmatischen Schritte, mit denen der Pontifex vor allem bei Städten im Kirchenstaat militärische und finanzielle Hilfe einforderte. Geschickt trieb er einen Keil zwischen die Colonna, die sich in Papstgegner und -freunde spalteten. Der Konflikt erfuhr durch die Ausrufung des Kreuzzugs am 14. Dezember 1297 eine neue Dimension. Jetzt konnte man auch mit dem Gewinn von Ablass für den Krieg werben. Die Kommunen nutzten die Stunde, um eigene Vorteile aus der Notsituation des Papstes zu ziehen. So gehörte 1298 zu den päpstlichen Konzessionen an Siena die Annullierung des unter Urban IV. verhängten Interdikts. Ancona sicherte sich das Recht auf die Prozesse in erster Berufungsinstanz. Für Ascoli hob man die Sanktionen auf, die vom Rektor der Mark Ancona verfügt worden waren. Deutlich wird auch die erhebliche Kriegsbürokratie: Zunächst mussten die Kontingente durch Ratsbeschluss bewilligt werden. Ein eigens dazu berufener Notar begleitete das Heeresaufgebot aus Perugia, um alle Operationen zu protokollieren (S. 35). Bonifaz VIII. war bekanntlich ein großer Selbstdarsteller. Es ist deshalb nicht überraschend, dass er selbst in seinem Zerstörungswerk Symbolpolitik betrieb, wie man vor allem bei der Niederlegung des Hauptortes der Colonna, Palestrina, beobachten kann. Der heutige Augenschein belegt, dass Palestrina 1299 trotz aller Rhetorik keineswegs völlig zerstört wurde. Es handelte sich eher um eine Zwangsumsiedlung der Einwohner in die Neugründung Civitas Papalis. Etliche Klienten der Colonna aus dem Stadtadel Roms und dem Landadel Latiums wurden mit in die Verbannung getrieben, konnten aber wie ihre Herren selbst im Zuge von diversen Amnestien nach dem Tode des Caetani-Papstes ihre alten Positionen innerhalb weniger Jahre wiedergewinnen. Was das Dossier angeht, ist man natürlich erst einmal dankbar für die vielen unedierten Stücke (letztere betreffen vor allem Ratsbeschlüsse aus Siena und Florenz sowie Städten aus den Marken und Umbrien). Eine gewisse Berühmtheit hat das sogenannte Manifest von Lunghezza vom 10. Mai 1297 erlangt, mit dem zwei Kardinäle aus dem Haus Colonna – Onkel und Neffe – dem Papst den Gehorsam aufkündigten und seine Rechtmäßigkeit in Frage stellten (Nr. 27). Die Transkriptionen sind leider nicht immer auf derselben Höhe. Mitunter stören eklatante Tippfehler, und die Regesten sind oft unzureichend für eine schnelle Orientierung. In Nr. 84 liegt ein Brief von mercatores aus Lucca an ihre Bankpartner in London vor, in dem die Hoffnung bekundet wird, dass die Vermittlung der römischen Kommune erfolgreich sein möge. Die Perspektive von unten wird gestreift, wenn man von einzelnen Schicksalen von Kriegsversehrten und -geschädigten erfährt, und sei es nur über den Ersatz für ein zugrundegegangenes Streitroß. Die junge Reihe „,L’ogre de la légende‘. Collana di studi sul medioevo“ des Centro di studi internazionali „Giuseppe Ermini“ hat mit diesem dritten Bd. einen wichtiges facettenreiches Werk hervorgebracht. In Zukunft sollte man aber mehr Sorgfalt bei der Wiedergabe edierter Texte walten lassen.
Andreas Rehberg
Iacopo da Varazze, Sermones de sanctis. Volumen diffusum. De sancto Georgio, de inventione sancte Crucis, de sancta Maria Magdalena, de sancta Margarita, Testi editi da Federica Amore, Maria Ferraiuolo, Ileana Lombardi, Giovanni Paolo Maggioni, a cura di Giovanni Paolo Maggioni, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Millennio Medievale 119. Testi 31), LXX, 260 S., ISBN 978-88-9290-057-8, € 65.
Diese Edition macht Lust auf mehr. Als vor einigen Jahren eine Sammlung von Heiligenpredigten („Sermones de sanctis“) aus der Feder des Genueser Erzbischofs und Verfassers der „Legenda aurea“, Iacopo da Varazze († 1298), entdeckt wurde, versetzte das nicht nur das überschaubare Feld der Mediolatinisten und Predigtforscher in Aufregung. Tatsächlich hatte Iacopo zwei Zyklen mit Heiligenpredigten verfasst. Während der eine (bekannte) Zyklus jedoch wenig mehr als sermoniale Grundgerüste lieferte, wurden im zweiten Zyklus diese Basistexte mit einer Fülle an zusätzlichem Material versehen. Aus der Kurzform („breve“) wurde die Langform („diffusum“). Anders ausgedrückt: Iacopo entwickelte das weiter, was in den Kurzpredigten thematisch-inhaltlich bereits angelegt war und lieferte so ein anschauliches Beispiel für das Prinzip der dilatatio, der Weiterentwicklung thematischen Materials innerhalb einer Predigt. Iacopo selbst hatte auf diese beiden Sammlungen in seinem letzten Werk, einer zwischen 1295 und 1298 verfassten Chronik der Stadt Genua hingewiesen („Fecit etiam duo volumina sermonum de omnibus sanctis, quorum festivitates per anni circulum ab ecclesia celebrantur. Unum volumen est multum diffusum, aliud est magis breve et angustum“). 305 Predigten im volumen breve standen schließlich 393 Predigten im volumen diffusum gegenüber – was rund 250 Folien gegenüber 700 Folien in den Hss. entspricht (zu einer Gegenüberstellung der den einzelnen Heiligen zugewiesenen Predigten in beiden Sammlungen vgl. S. XXVI–XLII). Das Ziel der vorliegenden Edition besteht darin, „di mettere fin da subito a disposizione degli studiosi i testi definiti criticamente di alcune parti della raccolta“ (S. VII). Diese Entscheidung ist ausdrücklich zu begrüßen, dürfte es doch noch Jahre (wenn nicht gar Jahrzehnte) dauern, bis eine kritische Edition der gesamten Predigtsammlung zur Verfügung stehen wird. Maggioni weiß, wovon er spricht, hat er selbst doch mehr als ein Jahrzehnt darauf verwandt, einen kritischen Text der „Legenda aurea“ herzustellen und 1998 schließlich auch zu publizieren. Vorliegende Auswahledition umfasst die Predigten „De sancto Georgio“ (5 sermones), „De inventione sancte Crvcis“ (5), „De sancta Margarita“ (4) und „De sancta Maria Magdalena“ (6). Maggioni zeichnet für die Edition der Georgspredigten verantwortlich, für die Edition der verbleibenden drei Dossiers konnten Studentinnen der Mittellateinischen Philologie an der Università del Molise, wo Maggioni unterrichtet, gewonnen werden (Federica Amore, Maria Ferraiuolo, Ileana Lombardi). Von den insgesamt 29 erhaltenen Hss. wurden lediglich zwei berücksichtigt: Florenz, Bibl. Med. Laur., Plut. 32 sin 4 und Florenz, Bibl. Med. Laur., Plut. 32 sin 5, die beide ursprünglich aus dem Florentiner Franziskanerkloster S. Croce stammen, zu den ältesten Textzeugen gehören (14. Jh.) und aus dem italienischen Raum stammen (vgl. zur Handschriftenbeschreibung S. LIV–LVII). Diese (und 764 weitere) Codices wurden 1766 auf Befehl des Großherzogs Peter Leopold aus der Konventsbibliothek in die Biblioteca Laurenziana überführt. Entscheidend dafür, genau diese Hss. heranzuziehen, waren also weniger die Ergebnisse kleinteiliger philologischer Untersuchungen, sondern unmittelbar einsichtige historische Evidenzen. Maria Ferraiuolo sagt in ihrer dem Editionstext vorgeschalteten kodikologischen Untersuchung das dazu Notwendige (S. LI–LVII), und der Hg. selbst räumt ein: „Naturalmente, in un mondo migliore, si sarebbe potuto fare di meglio“ (S. VIII). Angesichts des erzielten Ergebnisses gemahnt dieses caveat aber doch eher an die topischen Bescheidenheitsbekundungen am Beginn mittelalterlicher Texte. In einem Anhang (S. 199–237) findet sich eine nützliche tabellarische Auflistung der in den einzelnen Hss. des volumen diffusum überlieferten Predigten. Wie von Maggioni in einem einleitenden Essay (S. X–XLIX) ausgeführt, reagierte Iacopo mit der Ausarbeitung des volumen diffusum auf einen ausdrücklichen Wunsch seiner Mitbrüder. Heiligenpredigten spielten in der Pastoral der Dominikaner eine herausragende Rolle, verband sich doch in der von der Kirche propagierten Heiligenverehrung Göttliches mit Menschlichem, irdische mit himmlischer Sphäre, Alltagsleben mit transzendierter Existenz. Aus dominikanischem Umfeld stammt eine Fülle von Heiligenleben, zusammengefasst in sog. legendae novae, von denen die „Legenda aurea“ mit ihren 178 Viten das berühmteste Beispiel bildet – 1400 Hss. dieses Textes sind heute noch erhalten. Auf Grundlage dieser Sammlungen von Heiligenleben wurden Predigten verfasst, die den Vorschriften des IV. Lateranum von 1215 insofern folgten, als durch sie die Kenntnis katholischer Lehre und praktischer Moral gemäß den Lehren der Evangelien befördert werden sollte. Predigten waren ein Mittel der Massenkommunikation in einer Zeit, in der der Buchdruck noch nicht existierte. Die insgesamt 20, hier erstmals edierten Predigten, liefern eine Art state of the art der Ende des 13. Jh. praktizierten Predigtkunst mit vielen Hinweisen auf die Alltagswirklichkeit, in der sich diese Kunst entfaltete. So wird beispielsweise in einer der Georgspredigten (nr. 168) in einem Einschub auf die Aufgaben von Predigern und Prälaten explizit hingewiesen und subtile Kritik an denjenigen Predigerbrüdern geübt, die ihre Predigtverpflichtungen hinter wissenschaftlicher Arbeit zurückstellten. Ausgesprochen hilfreich sind die Schemata, mit deren Hilfe der z. T. komplexe Aufbau der einzelnen Predigten dargestellt wird. Durch sie wird unmittelbar verständlich, wie die Predigt gegliedert wurde und welche distinctiones strukturrelevant sind. Die Predigten, die Iacopo im volumen diffusum präsentiert, gründen in dem von ihm in seiner „Legenda aurea“ selbst bearbeiteten hagiographischen Material. In seinen Predigten zum Fest Kreuzerhöhung geht er freilich einen Schritt weiter, indem er versucht, die bis dato zirkulierenden Legenden, die sich z. T. widersprachen, zu einem kohärenten, die Ebene des Literalsinns verlassenden Ganzen zusammenzufügen. In einer dieser Predigten, in der über die Bedeutung der vier unterschiedlichen Hölzer reflektiert wird, aus denen das Kreuz Christi zusammengesetzt sein soll, findet sich nicht nur Allegorisches, sondern sehr konkret auch der Verweis auf die botanischen Eigenschaften der Holzsorten und ihre therapeutische Wirkung. In den hier edierten und durch zwei Indizes („Fonti citate“, „Distinctiones“) erschlossenen Predigten des volumen diffusum führt Iacopo mit einiger Meisterschaft das vor, was von jedem halbwegs fähigen Dominikanerprediger erwartet wurde: auf der Grundlage vorhandenen Materials ansprechende Predigten zu verfassen, deren Lehrinhalte stets orthodox zu sein hatten und auf die jeweilige Zuhörerschaft zugeschnitten waren. Es bleibt zu hoffen, dass die Edition des Gesamttextes in einem überschaubaren Zeitraum bewerkstelligt werden kann. Die Mittelalterforschung insgesamt wird davon profitieren. Keiner wäre für diese Arbeit qualifizierter als Giovanni Paolo Maggioni.
Ralf Lützelschwab
Felicity Ratté, The Medieval Mediterranean City. Urban Life and Design before European Hegemony, 1250–1380, Jefferson, N. C. (McFarland) 2020, XV, 206 S., ISBN 978-1-4766-7811-5, USD 65.
Mit der hier anzuzeigenden Monographie legt Felicity Ratté, die Kunstgeschichte am Emerson College in Boston lehrt, eine kompakte Untersuchung von acht Städten vor, die zwischen etwa 1250 und 1380 vergleichend betrachtet werden. Als Fallstudien dienen Genua, Bologna, Florenz und Neapel, sowie Alexandria, Kairo, Damaskus und Aleppo. Die Autorin möchte die soziale und kulturelle Komplexität dieser Orte herausarbeiten, und zwar „by re-experiencing the city through the way it met its citizen’s needs“ (S. 3). Eine methodische Begründung für die Auswahl der Städte bleibt die Autorin schuldig (S. 7). Der Untersuchungszeitraum wird damit begründet, dass es sich hier um die Phase vor dem „Zeitalter europäischer Hegemonie“ handele, was sich für die Gegenüberstellung von vier Städten in der latein-christlichen und vier Städten in der arabisch-islamischen Welt besonders eignen soll. Der Fokus der Autorin liegt aber weniger auf einer geopolitischen Makroebene als auf ausgewählten Aspekten der lokalen Stadtstrukturen, nämlich auf den Gebäuden ihrer Einrichtungen. Die Quellengrundlage dafür fußt auf Reiseberichten und anderen literarischen Quellen, wie Städtelob oder Historiographie, insbesondere aber auf Architektur. Ziel der Arbeit sei es, einen Eindruck von der Erscheinung und dem „feel“ der untersuchten Städte zu vermitteln (S. 6). Dies dürfte auch erklären, weshalb Ratté jedes Kapitel mit rund dreiseitigen Berichten beginnt, welche die persönlichen Erfahrungen der Autorin in den jeweiligen Städten festhält. Diese etwas verwunderlichen Exkurse sollen wohl die eingangs erwähnte „re-experience“ herstellen. Gegliedert ist das Buch in vier Kapitel. Das erste untersucht die Verbindung zwischen „Stadt und Handel“ in Genua, Alexandria und Aleppo. Ratté beschreibt zunächst die Städte in einer Weise, wie sie sich den Ankommenden vielleicht dargestellt hätten. So erhält man eine Vorstellung der Topographien, bevor die Handelsschauplätze funduq und ḫān in Aleppo und Alexandria aus der Perspektive eines „europäischen“ Reisenden besprochen werden. Der gleiche Ansatz wird für Genuas fondaci und stationes angewendet – hier aber ohne entsprechende Eindrücke eines „fremden“ Reisenden. Dies führt dazu, dass die Fremdheitserfahrung für Aleppo und Alexandria in der Tendenz stärker ausfällt, was zum einen ja verhindert werden sollte und zum anderen auch deshalb bedauerlich ist, weil sich gerade für dieses Kapitel Möglichkeiten ergeben hätten, Verflechtungen durch Architektur und Akteure herauszustellen. In Kapitel zwei wird die Bedeutung von Bildungseinrichtungen für Damaskus, Bologna und Neapel dargelegt. Nach einführenden Bemerkungen zur „Educational Tradition“ in der islamischen und latein-christlichen Sphäre geht es um die Gebäude, in denen gelehrt und gelernt wurde. Ein Überblick über solche Räume – von der Großen Moschee in Damaskus hin zu einigen madāris bzw. Madrasas der Stadt ‒zeigt, dass diese Strukturen von Mehrfachnutzung charakterisiert waren, den Gemeinschaften also für unterschiedliche Zwecke dienten. Dem werden die Entwicklung der Universitäten zu Bologna und Neapel gegenübergestellt, wobei Ratté aufführt, wie diese im städtischen Raum prominent sichtbar wurden. Aus der islamischen Welt hätte man hier vielleicht auch Kairo miteinbinden können, da es dort in der mamlukischen Zeit eine besondere Vielfalt an madāris aller Rechtsschulen gab. Im dritten Kapitel werden Kairo und Florenz auf solche Gebäude hin untersucht, die als Orte von Autorität die Stadt dominierten. Hier betrachtet Ratté die zeremoniellen Wegesysteme, die ein hochrangiger Gesandter in der jeweiligen Stadt beschritten hätte. Beginnend mit Kairo bespricht sie die Gebäude, die sich auf solchen Itineraren offenbaren würden, und setzt diese in Verbindung zur jeweiligen Herrschaft bzw. einzelnen Stiftern. Das gleiche wird dann für Florenz getan. Der Charakter einer Residenzstadt wird also dem einer Stadtkommune gegenübergestellt. Bei beiden zeigt sich, dass sich entsprechende Gebäude zur Repräsentation herausbildeten, die durch Inszenierung eine besondere Stimmung bei Individuen und bei Gruppen hervorrufen und die Geschichte der Stadt erinnern konnten. Das letzte Kapitel gilt nun den Räumen bzw. Gebäuden, die einer großen Öffentlichkeit zugänglich waren und somit als Treffpunkte des Volkes in allen acht Städten dienten. Anhand von Straßen und Plätzen, Kirchen und Moscheen werden die Fallstudien so in einem großen Überblick zusammengeführt. Als abschließende Antwort auf die Frage, wie diese Städte in ihrer Erscheinung nun erfahren wurden, gibt Ratte eine „disarmingly simple conclusion“ (S. 147): durch Gebrauch („use“), anders gesagt, durch Raumpraktiken und damit letztlich auch durch die Gruppen, welche die jeweiligen Gebäude oder Einrichtungen prägten und durch sie geprägt wurden. Manches an dieser Studie ist sehr gelungen. Gerade der vergleichende Ansatz, der Institutionen oder Einrichtungen in der latein-christlichen und arabisch-islamischen Sphäre gegenüberstellt und aus einer raumbezogenen Perspektive betrachtet, ist inspirierend und könnte beispielsweise durch die Einbeziehung sozialer Räume weitergebracht werden. An manchen Stellen aber wünscht man sich eher eine stärkere theoretische und methodische Fundierung als die aus persönlichen Raumeindrücken oder etwas spekulativen Überlegungen abgeleiteten Zugänge der Autorin. Begrifflich unreflektiert bleibt leider auch, wieso bzw. unter welchen Kriterien diese acht Städte als „Mediterranean Cities“ zusammengefasst wurden. Auch Ideen, die konzeptionell sicher vom spatial turn beeinflusst sind, tauchen ohne Hinweise auf die entsprechenden Grundlagen auf. Hervorzuheben sind schließlich die wertvollen Fotographien und Karten der Autorin. Insgesamt handelt es sich hier um ein Buch, das mutig einen Ansatz verfolgt, der die Erfahrungsebene von Stadt ins Zentrum rückt, der die Wahrnehmungen von Personen als Rezipienten von Raum und seiner Architektur ernst nimmt und dies im mittelalterlichen Mittelmeerraum erprobt.
Theresa Jäckh
Vittoria Camelliti, Artisti e committenti a Pisa XIII–XIV secolo. Storie di stemmi, immagini, devozione e potere, Pisa (Edizioni ETS) 2020 (MOUSAI. Laboratorio di archeologia e storia delle arti 22), 392 S., Abb., ISBN 978-88-467-5795-1, € 45.
Die Toskana gehört zweifelsohne zu den Regionen Europas, in denen besonders viele heraldisch konnotierte Artefakte überliefert sind. Den Großherzögen war die Bedeutung und die Bedrohung dieser bildlichen Erinnerung bewusst; konsequent wurden ab 1571 in Florenz, wie in allen Städten unter florentinischen Herrschaft, Gesetze zum Schutz von Wappen, Emblemen und Inschriften an öffentlichen und privaten Gebäuden eingeführt. Nimmt man das heraldische Erbe einzelner Städte unter die Lupe, zeigen sich allerdings doch gravierende Unterschiede. Ausgerechnet in Pisa, mit dem man viel Mittelalter assoziiert, ist überraschenderweise recht wenig Wappenkunst erhalten geblieben. Und was man heute an Wappen an Straßenfassaden oder Museumsobjekten sieht, muss nicht immer alt sein, sondern geht oft auf wenig authentische Restaurationen ab dem 19. Jh. zurück. Manchmal helfen Schriftquellen weiter. So kann man den symbolischen Impakt ermessen, wenn man liest, dass im April 1363 ein Adler nach Lucca verschenkt wurde, wo eine antipisanische Verschwörung vereitelt worden war, oder dass 1363 Truppen aus Pisa und Lucca provokativ mit 4000 Bannern und zwei Standarten vor die Tore Florenz’ zogen. Auf dem Feld wurde der Kämpfer, „der den lebenden Adler trug“, zum Ritter geschlagen (S. 131). Der Adler war in Pisa auch in der „araldica privata“ beliebt und schmückte das Wappen mancher Adelsfamilie. Dem Kaiser Heinrich VII. von Luxemburg bewahrte man in Pisa ein ehrenvolles Andenken, obwohl der ghibellinische Traum von einer Herrschaft über die gesamte Toskana mit seinem unerwarteten Tod am 24. August 1313 ein jähes Ende gefunden hatte. Die Symbole des Kaisertums (Adler) und des Hauses Luxemburg (roter Löwe in mehrfach silbern-blau geteiltem Schild) sind auf dem Grabmal des Verstorbenen unübersehbar angebracht (Abb. 128 f.). Adler waren im Übrigen auch auf Textilien im Kirchenschatz von Pisa stark vertreten. Auch die sakrale Ikonographie machte sich immer wiederkehrende Motive wie die Stadtheiligen (die Jungfrau Maria, der hl. Sixtus und der hl. Ranieri) zunutze. Dank vereinzelter Kunstwerke kann man gelegentlich den Intentionen von einzelnen Persönlichkeiten näher kommen. Dabei waren persönlichen Ambitionen auf dem heraldischen Feld Grenzen gesetzt, bildete doch die Anbringung von Familienwappen im öffentlichen Raum (zumal an der Stadtmauer) ein Tabu. Keiner vor Jacopo d’Appiano hatte sein persönliches Wappen mit dem der Kommune geteilt. Das von ihm in Auftrag gegebene Bild „Die hl. Ursula rettet Pisa vor den Wassermassen“ zeigt gleich mehrfach sein Wappen auf dem Rahmen. Der Volkskapitän, der zum Potentaten mutierte, kam damit nicht durch; aber sein Verhalten war typisch für die visuellen Strategien eines Alleinherrschers. Nach der Machtübernahme durch Pietro Gambacorta wurden die Maler Borghese di Pasquino und Piero di Nardo für die Entfernung des Wappens des Dogen Giovanni dell’Agnello in und außerhalb von Pisa betraut (S. 122). Die pisanischen Symbole blieben auch unter der Florentiner Herrschaft aktuell. Die Vf. schlüsselt zu Recht in ihren Analysen auch die oft komplexen Überlieferungswege der vorgestellten Kunstwerke auf und bedauert, dass mit unsachgemäßen Restaurationen oft auch Geschichte verloren ging. Zu loben sind zudem die umfangreichen Appendices, die u. a. die vom 14. bis 15. Jh. überlieferten Altäre in Pisaner Kirchen systematisch erfassen und beschreiben.
Andreas Rehberg
Giacomo da Viterbo, Sermones. I cinque sermoni su san Luigi re, „quasi ymago Dei in terris“, a cura di Gianpietro Tavolaro, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Per Verba. Testi mediolatini con traduzione 36), XCIV, 104 S., ISBN 978-88-9290-075-2, € 38.
Jakob von Viterbo (c. 1255–1309) trat bereits in jungen Jahren in den Orden der Augustineremiten ein. Nach einem Studium der Theologie in Paris unterrichte er an der Seine und am Generalstudium seines Ordens in Neapel. Als Schriftsteller war er ausgesprochen produktiv, seine philosophisch-spekulative Vorgehensweise brachte ihm den Beinamen doctor speculativus ein. Bekannt wurde er vor allem durch seinen politischen Traktat „De regimine christiano“, entstanden vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Philipp IV. von Frankreich und Papst Bonifaz VIII. Jakob positionierte sich darin auf päpstlicher Seite, billigte der weltlichen Gewalt gleichwohl aber ein hohes Maß an Autonomie zu. 1302 wurde er zum Erzbischof von Benevent, kurz später zum Erzbischof von Neapel erhoben. Als Angehöriger der predigtaffinen Mendikantenorden predigte Jakob Zeit seines Lebens. Viele seiner sermones sind erhalten, so auch diejenigen, die zum Festtag des 1297 kanonisierten französischen Königs, Ludwigs IX., jeweils am 25. August gehalten wurden. Sie sind Gegenstand einer kritischen Edition, für die Gianpietro Tavolaro verantwortlich zeichnet. Diese Predigten sind zwar keine politischen Traktate stricto sensu, enthalten aber einiges an politischer Reflektion. Tavolaro, der 2014 zwei Predigten des Jakobus edieren konnte, in denen das Verhältnis von potestas regalis und potestas sacerdotalis bereits eine zentrale Rolle spielte, darf inzwischen als einer der besten Kenner der ausdifferenzierten Gedankenwelt des Augustiners gelten. In vorliegender Publikation finden sich neben einer ausführlichen Einleitung (S. VII–LXXXI) sowohl die lateinischen Texte der fünf Predigten als auch deren italienische Übersetzung (S. 1–104). Ludwig IX. war als Heiliger ausgesprochen anschlussfähig: sowohl das Papsttum als auch die französische Monarchie (samt dem Nebenzweig der im Königreich Neapel regierenden Anjou) vereinnahmten ihn für ihre politischen Zwecke. Bei Jakob erscheint Ludwig als re ideale, man sollte sich freilich davor hüten, die Predigten allein als Ausfluss politischer Reflexionen misszuverstehen. Jakob predigt als Bischof und empfindet sein Tun als Teil der ihm auferlegten pastoralen Verpflichtungen. Eine direkte Behandlung des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher Macht war zwar nicht (anders als in „De regimine christiano“) intendiert, findet sich aber ansatzweise und wird in kurzen Sätzen wie dem folgenden im fünften sermo verdichtet: „Hec subiectio ad Deum est eis [d. h. den Herrschern] necessaria ad bene et efficaciter imperandum.“ Die Predigten sind in einer einzigen, autographen Hs. (Città del Vaticano, BAV, Arch. Cap. S. Pietro, D. 213) überliefert. Korrekturen und kleinere marginale Verweise stammen ebenfalls von Jakobus. Es handelt sich wohl um einen „testo di lavoro“ (S. XCII), in dem der Augustiner Predigten skizzierte bzw. ausarbeitete, bevor sie tatsächlich gehalten wurden. Jede der fünf Predigten könnte als Schwundform eines speculum principis charakterisiert werden, treten darin doch diejenigen Tugenden ins Rampenlicht, über die jeder gute Herrscher verfügen sollte. Einen roten Faden bildet der stete Rückbezug auf die Predigt. Die Darstellung der „peculiare e impegnativa posizione“ (S. LVI) des Predigers wartet mit interessanten Rückbezügen auf die Macht des Wortes auf, über die sowohl Prediger als auch Souverän in der Ausübung ihrer Amtspflichten verfügen müssen. Sie wird als eine Form von potestas definiert, der Demut und ein in sich kohärentes Lehrgebäude zugrunde liegen müssen. Beide, Prediger und Herrscher, agieren im Idealfall als Hirten, deren Fähigkeit zur Lenkung Ausfluss von Wortmacht ist. Davon handelt vor allem die erste Predigt („David, sedens in cathedra“), die man wohl am ehesten als Kurzform einer Musterpredigt verstehen sollte, die es in actu zu erweitern galt. Beiden, König und Prediger, oblag es, den Weg hin zum letzten Ziel, theologisch gesprochen dem ewigen Leben oder der Schau Gottes, weltlich umschrieben als felicitas, zu bereiten. Von großem Interesse sind die inhaltlichen Korrespondenzen, die sich zwischen Thema und Prothema ergeben. Überhaupt operiert Jakob in sämtlichen Predigten mit umfangreichen Prothemata, umfangreicher jedenfalls als beim Gros der sermones moderni üblich, ausgesprochen nützlich immer dann, wenn es darum ging, über das Tun von Predigern und die Aufgabe von Predigt zu reflektieren. Das Tugend-Tableau, das von Jakobus mit Blick auf den idealen Herrscher entfaltet wird, kann (nimmt man alle fünf sermones in den Blick) Vollständigkeit beanspruchen. Als Schlüsseltugenden tauchen neben der Demut und der Gerechtigkeit die Weisheit (sapientia) und die Klugheit (prudentia) auf. Diesen Tugenden, die gutes Herrschen garantieren, lagert sich die Frömmigkeit (pietas) an. Diese pietas wird mit Blick auf Ludwig IX. knapp und treffend definiert: „Pietatem eius demonstrant zelus fidei, sanctorum locorum edificatio, reliquiarum veneratio et rerum sanctarum, devota et frequens oratio, infidelium persecutio, fidei dilatatio et alia plura, que ad cultum Dei pertinent.“ (S. 84) Die Botschaft ist klar: Jakob zeichnet in außeruniversitärem Kontext und im Austausch mit den Mitgliedern des in Neapel regierenden Herrscherhauses der Anjou das Idealbild eines christlichen Souveräns, dessen Herrschaft erst durch die stete Rückbindung an Gott zur vollen Entfaltung gelangt. Das lateinische Original besticht durch einen klaren, leicht zugänglichen Stil. Neben einer Fülle biblischer Zitate findet sich darin auch einiges von Aristoteles und Augustinus. Autoren wie Cicero, Cyprian, aber auch Isidor von Sevilla oder Thomas von Aquin landen hingegen weit abgeschlagen. Zwei Indizes erleichtern die Texterschließung („Indice delle opere citate nei sermoni“, „Indice dei nomi“, S. 95–102). Eine signifikante Bereicherung der seit zwei Jahrzehnten blühenden Forschungen zu Ludwig IX., dem „Heiligen“.
Ralf Lützelschwab
Antonio Montefusco/Giuliano Milani (a cura di), Le lettere di Dante. Ambienti culturali, contesti storici e circolazione dei saperi, Berlin-Boston (De Gruyter) 2020 (Toscana Bilingue. Storia sociale della traduzione medievale / Bilingualism in Medieval Tuscany 2), X, 626 pp., ill., ISBN 978-3-11-059065-4, € 99,95.
Il volume curato da Montefusco e Milani sottopone alla comunità scientifica una raccolta di studi frutto di due incontri di lavoro tenutisi presso l’Università Ca’ Foscari di Venezia nel 2016 e 2017, all’interno del progetto Erc BiFlow, dedicato alla storia sociale della traduzione nella Toscana medievale, avente come primario oggetto il corpus epistolare dantesco. Considerato dalla critica una delle sue „opere minori“, l’epistolario di Dante riveste in realtà un ruolo primario nella comprensione del pensiero del poeta e del suo itinerario vitale: le sue lettere non solo rappresentano una testimonianza chiave per ricostruire la vita del poeta dopo il 1302, anno dell’esilio, ma il caratteristico utilizzo dell’ars dictaminis e il legame con tematiche politiche e sociali le rendono un unicum all’interno della letteratura italiana. Principale merito dei curatori è stato quello di aver sapientemente coordinato il lavoro di storici, linguisti, filologi e paleografi, che, partendo dalla propria prospettiva epistemologica, sono riusciti a dialogare tra loro e a fornire preziosi contributi, interpretazioni puntuali, nuove letture, dimostrando ancora una volta quanto sia arricchente la diversità di approccio nell’affrontare un medesimo argomento. Affrontare l’epistolario di Dante significa in primo luogo scontrarsi con la spinosa questione dell’autenticità delle lettere, problematica affrontata da Montefusco nell’introduzione generale. A differenza di Petrarca, l’epistolario dell’Alighieri è una raccolta di missive ricostruita dagli studiosi solo in tempi moderni, motivo per cui su alcune di queste, molti nutrono dubbi sulla loro attribuzione. Pertanto, il campo di ricerca è stato ristretto alle sole dodici epistole di indubbia autenticità, mentre sono state escluse quelle indirizzate a Guido da Polenta e a Cangrande della Scala. Tuttavia, nonostante quest’ultima sia considerata una „vera crux desperationis della critica dantesca“, sarebbe auspicabile che possa essere oggetto di uno studio analogo a quello appena concluso, essendo essenziale per l’interpretazione della Commedia. La prima delle tre sezioni in cui è articolato il volume, intitolata „Tradizione e critica del testo“, presenta importanti questioni di natura filologica in merito alla sparuta tradizione manoscritta delle epistole, soffermandosi in particolare sui più accreditati testimoni, il codice Vaticano Pal. Lat. 1729 e lo Zibaldone Laurenziano (Pluteo XXIX, 8), trascritto in gran parte dal Boccaccio che, insieme al notaio e poi vescovo Francesco Piendibeni da Montepulciano, è tra i più illustri copisti. Ampio spazio viene concesso anche ai contesti in cui è stato trasmesso il testo e sulla storia delle prime edizioni moderne, elementi che gettano nuove luci sull’articolata formazione del corpus epistolare. Grazie agli studi presenti nella seconda sezione, „Dante e l’ars dictaminis“, si sono aggiunti particolari inediti a quanto già si conosceva sullo stile, sulle competenze epistolografiche di Dante e sul rapporto tra la sua scrittura e la tradizione del dictamen. In particolare si può giungere alla conclusione che l’Alighieri, durante il suo periodo fiorentino, ebbe l’opportunità di formarsi all’ars dictaminis, leggendo testi epistolari in latino e volgare e confrontandosi con manuali di grammatica e retorica. Giunse così ad un livello di formazione molto elevato, apprendendo tecniche di scrittura raffinate paragonabili a quelle di un notaio, di un diplomatico o di un ufficiale di cancelleria, abilità che trapeleranno successivamente nel più celebre De vulgari eloquentia, soprattutto quando affronta il tema della suprema constructio (la costruzione sintattica dotata di maggior eleganza). „Lettera per lettera“ è il titolo della terza ed ultima sezione, avente come scopo l’analisi delle singole lettere, presentate in ordine cronologico; essendo la parte più ampia del volume, è stata suddivisa in altri tre sottosezioni, che consentono di ripercorrere le principali tappe della vita di Dante: „Dalla militanza con i Bianchi al soggiorno in Lunigiana“, „Gli anni dell’Impero“, „Proiezioni profetiche e impossibilità di tornare“. Tra tutti i contributi presentati, mi preme evidenziare quello di Attilio Bartoli Langeli, in cui vengono analizzati tre bigliettini che Dante ebbe modo di scrivere nel 1311 all’imperatrice Margherita per conto della contessa Gherardesca Guidi di Battifolle. Siamo di fronte al tipico esempio di scrittura di servizio, con l’eccezionalità di scrivere ad una donna per conto di un’altra donna, ma con evidenti elementi di originalità: nonostante sia la contessa a scrivere all’imperatrice si nota un piano di parità nel tratto; inoltre Dante riesce a lasciare segno di sé dal tono fortemente filoimperiale. Come conclusione si può affermare che, all’interno della vasta produzione scientifica che ha caratterizzato il 2021, VII centenario della morte di Dante, questo volume rappresenta una delle opere di maggior rilievo, in quanto è il primo esauriente studio sulla produzione epistolare dantesca e, offrendo un valido strumento di ricerca, risponde ad una reale esigenza per chi si occupa di Dante.
Filippo Forlani
Edward Loss, Officium spiarum. Spionaggio e gestione delle informazioni a Bologna (secoli XIII–XIV), Roma (Viella) 2020 (Alma Mater Studiorum – Università di Bologna. Dipartimento di Storia culture civiltà, Storia e culture 2), 249 pp., ISBN 978-88-3313-715-5, € 26.
Spie e informatori più o meno occulti sono un tema significativo nella storia dei rapporti interstatuali: rappresentano la faccia meno ufficiale di relazioni spesso ambigue e hanno dato vita a una storiografia di qualità soprattutto per l’età moderna, laddove l’abbondanza e la varietà delle fonti permettono uno studio dettagliato che in altre epoche è assai più difficile. Per il Duecento e il primo Trecento le ricerche sono rare, episodiche o più propositive che analitiche. In questo contesto si inserisce lo studio di Edward Loss, che con il presente volume punta a colmare in parte questa lacuna, con una analisi dettagliata e puntuale del caso dell’Officium spiarum bolognese tra il 1287 e il 1352. La ricchezza documentaria bolognese in età comunale è ben nota e ha consentito una serie di importanti ricerche a valenza generale, sia sul versante dell’analisi della documentazione (Tamba), sia su quello della storia politica (Blanshei, Vallerani, Milani). Ben informato di questa stagione importante di studi e a partire da una ricognizione documentaria capillare e diversificata dell’archivio comunale, Loss punta a ricostruire la nascita, la regolamentazione, il funzionamento di questo officio cittadino e insieme a restituire una prosopografia sia dei suoi membri (il dominus spiarum e il notaio ad spias) sia delle spie che agivano sul campo. Il libro si compone di quattro capitoli, aperti da una „Introduzione“ che restituisce il retroterra storiografico della ricerca e chiusi da „Considerazioni finali“ che ne ricapitolano i risultati. È corredato poi da due „Appendici“ che opportunamente riassumono l’integralità dei dati derivati dall’analisi a tappeto delle fonti, organizzati per persone (di cui si dà la prosopografia); per famiglie (con la presenza alle cariche maggiori e i profili fiscali); per remunerazione. Il primo capitolo („Creazione e sviluppo istituzionale dell’Officium spiarum“) ricostruisce la nascita dell’officio, la sua strutturazione formale e le sue trasformazioni attraverso le varie fasi del governo della città di Bologna durante il periodo della sua attività. Se le prime informazioni sulla sua esistenza risalgono al 1271, non è che dal 1287 che le provvigioni del Consiglio del Popolo ne definiscono per la prima volta i lineamenti: l’officio passa poi, modificandosi e adattandosi, attraverso l’età del governo popolare (1287–1327), la breve ma significativa legazione di Bertrando del Poggetto (1327–1334), l’ancor più breve riemersione di un governo di popolo (1334–1337) e la signoria dei Pepoli (1337–1350), per sparire infine quando i Pepoli vendettero la città all’arcivescovo Giovanni Visconti (1352). Nel secondo capitolo („I profili dei Domini spiarum e dei notai dell’Officium spiarum“) Loss identifica 120 officiali (domini e notai) di cui ricostruisce la carriera e che ricolloca nelle complesse logiche parentali, politiche e di parte che li videro protagonisti. Si tratta di uomini con una notevole familiarità con la vita pubblica e che appartengono alle società cittadine d’arte e d’armi. Il terzo capitolo („Il modus operandi dell’Ufficio delle Spie“) ricostruisce le funzioni, le pratiche e il raggio d’azione dell’officio, che aveva un doppio compito: inviare agenti a raccogliere informazioni all’esterno della città, e insieme controllare e catturare le eventuali spie giunte a Bologna per conto d’altri. L’ultimo capitolo („‚Spias vel exploratores‘: i protagonisti bolognesi“) cerca di seguire le vicende di quanti e quante lavoravano sul campo. Emerge un quadro molto diversificato: ecclesiastici, piccoli artigiani, abitanti del contado, e, in una percentuale significativa, donne. Remunerazione, ma anche una certa continuità di servizio e una qualche rispettabilità sono alla base di una scelta professionale di questo genere. Il libro è ricco di dettagli e di spunti interessanti. Tra i tanti, mette conto individuare almeno due temi che mi paiono significativi. Il primo è che un officio come questo risponde – in una fase di estrema creatività istituzionale – ad almeno tre diverse esigenze: la necessità di raccogliere con rapidità informazioni militari, che sembra la ragione principale della sua nascita e del suo sviluppo; l’eventuale interesse per la raccolta delle informazioni tout court, compito più facile, per certi versi, alle spie che agli ambaxatores incaricati delle missioni diplomatiche ufficiali; infine, un’esigenza fluida ma forte di controllo della città e dei gruppi sociali e politici che agivano al suo interno. Il secondo punto rilevante è che la durata dell’officio, attraverso le diverse tappe dello sviluppo istituzionale di un grande comune dalla traiettoria molteplice (governi di popolo, esperienze signorili, fasi legatizie, perdita dell’autonomia politica) getta una luce in parte inedita su tali trasformazioni. Si tratta dunque di uno studio interessante e originale: rimane talora il rimpianto, ma non rientrava nelle premesse del lavoro, che non si sia tentato di collocare in modo più attento questa esperienza nel processo complessivo di evoluzione della diplomazia italiana tra Duecento e Quattrocento.
Isabella Lazzarini
Andrea Zorzi (a cura di), La libertà nelle città comunali e signorili italiane, Roma (Viella) 2021 (Italia comunale e signorile 14), 360 S., Abb., ISBN 978-88-3313-085-9, € 32.
Der hier anzuzeigende Sammelbd. mit Beiträgen von wissenschaftlichen Treffen in den Jahren 2016 bis 2018 will den Einsatz des Freiheitsbegriffs im politischen Kontext des italienischen Spätmittelalters sowie die mit ihm verbundenen herrschaftlich-administrativen und ikonographischen Praktiken vorstellen. Wie der Hg. Andrea Zorzi eingangs bemerkt, herrschte noch bis vor kurzem der Tenor vor, dass in den italienischen Stadtkommunen die Freiheit „republikanisch“ konnotiert gewesen sei. Nach dem Ideal Ciceros verwalteten sich die Städte nach innen kollektiv und nach außen unabhängig. Zu kurz kämen die kulturellen Aspekte; der Methode der Semasiologie folgend sollen die verschiedenen Bedeutungen des Freiheitsbegriffs geklärt werden, was auch zur aktuellen Reflektion über die Krise der westlichen Demokratien beitragen könne. Dabei war der Freiheitsbegriff keineswegs von Anfang an so zentral, wie man denken möchte. Auf der allegorischen Ebene zählte die Freiheit zunächst nicht zu den politischen Tugenden, die ein Ambrogio Lorenzetti so trefflich darzustellen wusste. Ab Mitte des 14. Jh. wurde libertas vor allem in Florenz zum politischen Kampfbegriff gegen die (Stadt-)Tyrannen. Ein Gutteil des Bd. ist denn auch den Florentiner Diskursen in normativen, rhetorischen, diplomatischen und ikonographischen Quellen gewidmet. Piero Gualtieri geht von den Ordinamenti di giustizia (1293–1295) sowie den Statuten aus und untersucht Schlüsselbegriffe wie Gemeinwohl (bene comune) und buono e pacifico stato. Alma Poloni erinnert auch an die kaiserliche Gegenposition, wonach aufgrund der Verpflichtungen der Untertanen gegenüber jeglicher politischen Autorität Widerstand gegen die Staatsmacht kriminalisiert wird. Im Konflikt mit Heinrich VII. und den Ghibellinen machten die Florentiner aus der libertas „un potente strumento propagandistico“ (S. 117). Für die Expansion vor den eigenen Toren berief sich die Stadtrepublik am Arno – wie Solal Abélès zeigt – gerne auf das Konzept des bonus et tranquillus status. Dabei wollte in der Regel auch ein Signore Garant der Justiz sein (S. 140). Francesco Pirani untersucht die Zustände in einem zentralen Teil des Kirchenstaats, der Mark Ancona, die im Trecento von großer politischer Instabilität und einem kontinuierlichen Wechsel zwischen Kommunal- und Alleinregierungen geprägt war. Das Papsttum und seine Vertreter beriefen sich ebenfalls gerne auf den bonum et pacificum statum, um Stadttyrannen kaltzustellen. Eine besonders schillernde Figur in den Jahren 1355–1359 stellt Riccardo Rao vor: Giacomo Bussolari. Dieser Augustineremit vertrieb in einem Volksaufstand die Beccaria aus Pavia und führte das Volk während der Belagerung der Stadt durch Galeazzo Visconti. Sein republikanisches Regime folgte dem Vorbild der antiken Tribunen und des Cola di Rienzo. Nach der Einnahme Pavias durch den Visconti wurde er eingekerkert; verstorben ist er Jahre später auf Ischia. Tommaso Duranti wendet sich dem Einsatz des libertas-Begriffs in Bologna zu, wo dieser Schriftzug in Gold auf Blau Eingang in das Stadtwappen fand. Die Statuten von 1376 verbanden den Übergang zur pars popularis mit der Proklamation des hl. Petronius zum Stadtpatron. Auf Druck der Kirche führten die Statuten von 1454 zu einem Kompromiss mit dem sich ausbildenden Patriziat, der den Bentivoglio nutzte (S. 220). Andrea Gamberini vergleicht den Einsatz des libertas-Begriffs in Mailand und Florenz zur Zeit des frühen Humanismus. Der „tranquilla libertas“ der Visconti setzt Coluccio Salutati die Florentiner Freiheit (auch im Sinne von Unabhängigkeit) entgegen (S. 238 f.). Die „libera libertà“ bei Machiavelli verweist hingegen auf die politische Gleichstellung der Bürger (S. 243). Im Gegenlager fehlte es nicht an Stimmen, die Gian Galeazzo Visconti als Vorkämpfer der Einheit Italiens feierten, mit deren Erreichen Frieden und schließlich Freiheit realisiert werden könnten. Ähnlich divergierende Sichtweisen prägten auch die diplomatischen Berichte aus Mantua, Ferrara und Mailand in der 2. Hälfte des 15. Jh., die Isabella Lazzarini vorstellt. Nicht zuletzt verhinderte regionale Ranküne die oft beschworene Freiheit Italiens. So missfiel 1494 in Rom nicht die Vertreibung Piero de’ Medicis aus Florenz trotz der Gefahr, dass die Stadt am Arno ihre Freiheit an Frankreich verlieren würde (S. 250). Alessandro Savorelli beleuchtet die Rückwirkungen des Freiheitsdiskurses auf die städtische Heraldik. Aufgrund ihres militärischen Ursprungs waren Wappenfiguren keineswegs „in prima istanza ‚simboli‘“ (S. 275). Anders als nördlich der Alpen (wo 50–70 % der Stadtwappen herrschaftlich konnotiert waren), signalisierten in Italien die Wappen recht selten soziale Beziehungen (Abhängigkeiten, Allianzen). Der die Schlange zertretende Adler der Guelfen in Florenz transportiert auch eine anthropologisch-religiöse Botschaft (S. 286 f.). Mit heraldischen Bezügen operierte man nicht nur in Florenz, sondern gerade auch im Rom des Cola di Rienzo, der schon bei der Machtübernahme programmatisch Banner mit Darstellungen der „Libertà“, „Giustizia“ und „Pace“ mit sich führte (S. 287). In den Städten Norditaliens überwogen indessen die heraldischen Zeichen der Stadtherren auf Kosten der kommunalen Symbole. Aufschlussreich ist die Entwicklung des scutum libertatis in Florenz. Der Schriftzug LIBERTAS in Weiß auf Rot setzte sich hier – nach dem Vorbild des SPQR-Wappens der Stadt Rom – im Zuge des gegen die Kirche gerichteten Kriegs der „Acht Heiligen“ (guerra degli Otto Santi) in den Jahren 1375–1378 durch. Nachdem dieses Wappen von 1412 bis 1458 praktisch abgeschafft war, wurde es danach von Lorenzo il Magnifico vereinnahmt, um aufgrund des gegen die Deʼ Medici gerichteten Gebrauchs in den Jahren 1494–1530 unter Cosimo I. definitiv zu verschwinden. Abschließend weitet Paolo Grillo den Blick auf die Wirkungsgeschichte der von Jean-Charles Simonde de Sismondis zwischen 1807 und 1818 geschriebenen „Histoire des républiques italiennes du Moyen Âge“ und ihren populären Zusammenfassungen. Im Narrativ des Genfer Gelehrten scheitert der demokratische und republikanische Höhenflug des mittelalterlichen Italiens im 16. Jh., wirkte aber auf europäischer Ebene auch in den folgenden Jh. nach. Seine Schriften inspirierten viele Vorkämpfer des Risorgimento, obwohl sein von Adam Smith beeinflusstes liberales Freiheitsverständnis nicht allgemein geteilt wurde. Manche Anhänger der Dynastie der Savoia standen dem Mythos der mittelalterlichen Kommune ebenfalls skeptisch gegenüber. Insgesamt spiegelt der Bd. die Vielfalt der Zugänge zum Freiheitsbegriff in den politischen Diskursen vor allem im Tre- und Quattrocento wider, die einmal mehr zeigen, dass die sich wandelnden Bedeutungsinhalte und der Gebrauch der Worte und Bilder stets auch vom Kalkül der Nutzer abhängen.
Andreas Rehberg
Jean-Patrice Boudet, Astrologie et politique entre Moyen Age et Renaissance, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (Micrologus Library 102), XXX, 406 S., Abb., ISBN 978-88-929-0042-4, € 72.
Die strenge Trennung zwischen Astronomie und Astrologie ist vergleichsweise jungen Datums. Erst die wissenschaftlichen Entwicklungen des 17. Jh. haben es vermocht, „le socle épistémologique sur lequel reposait l’astrologie“ (S. VII) zu zerbrechen. Im Mittelalter war die Vorstellung, dass sich der Lauf der Himmelsgestirne unmittelbar auf die irdischen Geschehnisse auswirkt, allgemein akzeptiert. Damit war nicht allein der Einfluss auf klimatische Ereignisse bzw. Naturkatastrophen, sondern auf das Handeln des Menschen insgesamt gemeint. Ein Teil dieses Handelns betraf die Politik. Und genau hier, im Spannungsfeld zwischen Politik und Astrologie, diesem „savoir sophistiqué“ (S. XXIII), setzt Jean-Patrice Boudet an. Eine Fülle von in den vergangenen Jahrzehnten erschienenen einschlägigen Forschungsarbeiten zeugt von der großen Vertrautheit Boudets mit der Materie. Die wichtigsten dieser Beiträge finden sich nun zusammengefasst in einem Sammelbd., der neben einer Einleitung, in der mit sicherem Strich die geschichtliche Entwicklung und Interdependenz von Astronomie und Astrologie von Ptolemäus und Galen über die Vertreter arabischer Astrologie in Damaskus und Bagdad bis hin zu den astronomischen Tafeln eines Alfons von Kastilien oder den Weissagungen eines Nicole Oresme nachgezeichnet wird, 14, zwischen 1990 und 2015 erschienene Aufsätze umfasst. Boudet bündelt dabei Fallstudien vornehmlich zu Frankreich, um zu zeigen „ce que furent la place et le rôle de l’astrologie dans la vie politique et dans le processus de prise de décision en ce domaine, et de saisir les méthodes de travail des praticiens de la science des étoiles en la matière“ (S. XVI). Noch immer lesenswert ist etwa die 2008 erschienene Überblicksdarstellung zu Fürstenhoroskopen vom 12.–15. Jh. Dass erste Horoskope vor allem zunächst in England entstanden, hat mit dem durch arabische Texte vermittelten Aufstieg der „Himmelskunde“ in genau dieser Zeit zu tun. Andere Territorien in Europa zogen nach: Friedrich II. war 1247 der erste Herrscher, der die Gründung einer Stadt (Vittoria) von horoskopischen Erwägungen abhängig machte und Ludwig X. von Frankreich der erste französische Souverän, für den ein Geburtshoroskop (1289) erstellt wurde. Im 14. und 15. Jh. begann der Aufstieg von Astrologen als politischen Beratern – freilich folgten nicht alle Königreiche dem französischen Beispiel, wo insbesondere unter Karl V. († 1380) der Einfluss der Astrologen/Astronomen von einiger Bedeutung war. Die Astrologie, in Frankreich und England im 15. Jh. eine „science auxiliaire de la médecine et de la politique“ (S. 33), war Mittel der Propaganda, Quelle von Prestige und Zeichen von Macht. Auf sie griffen vor allem weltliche Herrscher zurück, während man innerhalb der (hohen) Geistlichkeit der Astrologie wegen ihrer vermeintlichen Nähe zur Häresie mit einiger Reserve begegnete. Selbst die avignonesische Kurie war kein „centre majeur d’activité ou de production d’ouvrages de nature astrologique“(S. 258), wie Boudet in einem eigenen Beitrag „La papauté d’Avignon et l’astrologie“ (S. 61–107) überzeugend ausführt und durch die Auswertung einiger Epiphanias-Predigten Clemensʼ VI. († 1352) stützt. Einige Persönlichkeiten tauchen in den einzelnen Aufsätzen immer wieder auf, so etwa Johannes XXII. († 1334) oder Karl V. von Frankreich. Ausgesprochen erfreulich ist der Abdruck einiger neuer lateinischer Quellen, so etwa in Boudets Ausführungen zur Auseinandersetzung Johannesʼ XXII. mit Robert de Mauvoisin, Erzbischof von Aix, in den Jahren ab 1317. Die Prozessakten wurden zwar bereits im Jahr 1999 von Joseph Shatzmiller nahezu vollständig ediert, doch entgingen ihm einige wichtige Stücke, darunter die Abschrift einer astrologischen Konsultation durch den Erzbischof. Abgedruckt ist dieses Dokument in einem Anhang (Città del Vaticano, ASV, Collectorie 17, fol. 109v, 102r–108r). Karl V., in dessen Bibliothek Werke astronomisch-astrologischen Inhalts rund 20 % des Buchbestands ausmachten, interessierte sich bereits in jungen Jahren für die Astrologie, wovon ein 1361 von Peregrinus von Preußen verfasstes „Livret des elections universelles des douze maisons“ zeugt. Diesem auf Mittelfranzösisch verfassten Astrologietraktat, dem einzigen seiner Art, werden ebenso luzide Ausführungen gewidmet wie den Bemühungen des Gervais Chrétien, Leibarzt Karls V., um die Gründung eines Universitätskollegs in Paris (1371). Hier weist Boudet überzeugend nach, dass es sich bei der vom König unterstützten Neugründung eben nicht um ein innerhalb der Sekundärliteratur immer wieder bemühtes „colliege de astrologie et medicine“, sondern um eine Institution handelte, die qualitativ von den Theologen, quantitativ von den Artisten dominiert wurde. Der italienische Raum gerät mit dem Bologneser Rechtsgelehrten Giovanni da Legnano und seiner Interpretation des Großen Abendländischen Schismas in den Blick. Boudet ediert hier die lateinische Originalversion eines Werks (Paris, BnF, ms. lat. 2599, fol. 268r–270r), das Giovanni der Sternenkonstellation von 1365 widmete, und das von der großen Bedeutung von Astrologie und Prophetie an der Bologneser Universität zeugt. Eine Fülle weiterer astrologischer Konsultationen und Horoskope, entstanden zu so unterschiedlichen Anlässen wie der gescheiterten Gründung der Universität Preßburg durch Matthias Corvinus 1467 oder der Geburt Karls VII. (1403), verdeutlichen das große Interesse an der Sternenkunde und ihren Vorhersagemöglichkeiten auch noch im 15. Jh. Die qualitative Spannbreite der einschlägigen Textproduktion war sehr groß: Während sich die von den Hofastrologen erstellten Horoskope außerordentlich komplex präsentieren konnten, war vieles andere wenig mehr als eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, über die sich bereits die Zeitgenossen lustig machten. Boudet führt in die schillernde Welt von Weissagungen, Prophetien und Horoskopen kompetent (und oftmals kurzweilig) ein – doch auch er vermag schlussendlich die Frage nicht zu beantworten, welche Rolle solcherlei Texte im alltäglichen Regierungshandeln tatsächlich spielten.
Ralf Lützelschwab
Paolo Evangelisti, Dopo Francesco, oltre il mito. I frati Minori fra Terra Santa ed Europa (XIII–XV secolo), Roma (Viella) 2020 (I libri di Viella 350), 295 S., ISBN 978-88-331-3222-8, € 29.
Das Verhältnis der Franziskaner zum islamischen Orient, ein altes Thema der Ordensforschung, wird in diesem Buch auf neue Weise behandelt: Paolo Evangelisti arbeitet sich nicht am üblichen Kanon der franziskanischen Quellen ab und presst die Ordensgeschichte ausdrücklich nicht in das Schema der Spannung zwischen ‚Realisten‘ und ‚Fundamentalisten‘. Vielmehr zeigt er an einer reichen Auswahl von franziskanischen oder ordensnahen Autoren des 13. und 14. Jh., dass die Debatten um die Terra Santa auf ein wesentliches Element der gesamtfranziskanischen Identität zielten: den Auftrag zur Bekehrung aller für bekehrungsbedürftig gehaltenen Menschen. Demnach war das Heilige Land nicht bloß eine unter anderen Baustellen der Minderbrüder, sondern ein zentraler Brennpunkt ihrer Geschichte. In einer solchen Perspektive tritt das Engagement der Minoriten für die Außenwelt, für die christliche(n) Gesellschaft(en) und deren politische und ökonomische Ordnung stärker hervor als der innerfranziskanische Streit um zelanti, Spiritualen, Armut oder Observanten. Ausgangspunkt ist Franziskus’ Audienz beim Sultan von Kairo 1219 während des Damietta-Kreuzzugs. Es geht allerdings nicht darum, eine weitere Interpretation dieser Begegnung zu liefern oder gar moderne Begriffe wie „Pazifismus“ oder „Mission“ auf sie anzuwenden. Die Ereignisse von 1219 sind eher ein tool, um drei mit dem Heiligen Land verbundene Kernthemen der Franziskaner herauszuarbeiten: Evangelisierung der infideles und Kreuzzug, Martyrium als mögliche Konsequenz aus beidem. Über diese drei Themen informiert eine Fülle von sehr verschiedenen Quellen, darunter solche, die bisher kaum unter diesem Blickwinkel gelesen wurden. In Kap. 1 stehen die Ordensregeln, die wichtigsten Franziskus-Viten und der „Liber recuperationis Terrae Sanctae“ des Fidentius von Padua (OM) im Zentrum. Kap. 2 untersucht die Kreuzzugspredigten der Minoriten Gilbert de Tournai und Bertrand de la Tour sowie den Miles armatus des Petrus Iohannis Olivi; außerdem werden Papstbriefe und Konzilsdekrete daraufhin befragt, wie die Kirche die Rechtsstellung jener (zahlreichen) Minderbrüder gestaltete, die für die Kreuzzüge tätig waren. Kap. 3 widmet sich der 1333 eröffneten franziskanischen Custodia di Terra Santa, die Evangelisti durch theologisch-philosophische Traktate insbesondere des Roger Bacon (OM) theoretisch vorbereitet sieht. In Kap. 4 zeigt er, dass die ordensinterne und päpstliche Gesetzgebung, aber auch die Kommentare zu den Ordensregeln sich nur höchst selten zu Fragen des Kreuzzugs und nie zum Martyrium bei der Evangelisierung von Nicht-Christen äußerten, obwohl der Orden allein im islamischen Mittelmeerraum schon im 13. Jh. 35 (wenn auch selten und spät kanonisierte) „Märtyrer“ hervorgebracht hat. Das Problem des Martyriums ist Gegenstand von Kap. 5, in dem unter anderem an katalanischen Autoren wie Arnau de Vilanova, Ramon Llull und Francesc Eiximenis (OM) dargelegt wird, wie der Orden, nach den „verpassten“ Martyrien des Franziskus, ein zunehmend differenziertes Konzept von Martyrium entwickelte. Nachdem es Teil der franziskanischen Identität geworden war, konnte das Martyrium auch als (metaphorisches) Selbstopfer für das Gemeinwohl in säkularen politischen Formationen konzipiert werden. Evangelistis Argumentation ist wegen der Vielfalt der verwendeten Quellentexte und seines anspruchsvollen, manchmal eigenwilligen Schreibstils nicht immer leicht zu durchdringen. Doch die Lektüre lohnt sich: Diese Neudeutung der Ordensgeschichte erhebt Heiliges Land, Bekehrung der infideles, Kreuzzug und Martyrium zum Schauplatz, auf dem die Franziskaner ihr In-der-Welt-Sein auch als politische Kraft inszenierten. Es sei angemerkt, dass „Dopo Francesco“ gleichzeitig mit „The Martyrdom of the Franciscans“ von Christopher MacEvitt (University of Pennsylvania Press, 2020) erschienen ist, der die franziskanischen Märtyrer stärker in die Geschichte des christlichen Martyriums seit der Antike einordnet. Ein interessanter Vergleich steht an.
Thomas Frank
Reinhold C. Mueller, Venezia nel tardo medioevo. Economia e società / Late Medieval Venice. Economy and Society, a cura di Luca Molà, Michael Knapton e Luciano Pezzolo, Roma (Viella) 2021 (I libri di Viella 382), 636 pp., ill., ISBN 978-88-331-3781-0, € 75.
The study of history is inextricably linked to place as well as time, yet some places possess an historical significance that elevates their historiographies to the status of true academic sub-fields. The history of Venice and its territorial and maritime states is a prime example of this phenomenon. Venetian studies constitute a field of scholarly endeavour that goes well beyond history as such (to include anthropology, historical sociology, political science, institutional economics, to name but a few), due in part to the richness of the surviving archival record. In equal measure, however, this dynamism results from the work of scholarly pioneers whose multi-disciplinary approaches to the sources have highlighted their potential for much broader horizons of scholarly enquiry. The work of Reinhold C. Mueller has long been key to this process, and it is fair to say that few contemporary Venetianists can claim a comparable thematic depth or disciplinary reach. Mueller’s scholarly significance results from his acute awareness of, and engagement with, all aspects of Venetian scholarship, alongside his comprehensive knowledge of the Venetian archives. This volume, edited by Luca Molà, Michael Knapton, and Luciano Pezzolo, is thus not merely a fitting tribute to a grandee of the field. More importantly, it is an indispensable toolbox for historians and scholars in related disciplines interested in the scholarship on Venice of the past five decades. As Mueller has published in several languages, the volume contains texts written in English (9), Italian (15), and French (2, one of which is a translation from the English; Mueller’s list of publications also includes writings in German). These twenty-six essays, originally published between 1971 and 2015, are grouped into five sections that reflect the breadth of Mueller’s expertise, covering Venice and the terraferma, Venetian and Italian economic and fiscal history, the history of late medieval finance and banking, Venetian identity and citizenship, and the social composition and external interdependencies of the Venetian Stato da mar. The first section, „Institutions and Society“ presents five studies on Venetian state institutions and social organisations, objects of study that represent Mueller’s earliest scholarly interests. His doctoral thesis, supervised by Frederic Lane, was a study on the magistracy of the Procuratori di San Marco, portions of which formed the basis of his monumental 1971 article „The Procurators of San Marco in the Thirteenth and Fourteenth Centuries“ (originally published in „Studi Veneziani“ and the opening piece of this volume). Venetian constitutional development was contingent on state institutions asserting their influence in the economic and social spheres, thus elevating the profiles of the patricians who dominated them. Both state and social institutions such as the scuole grandi played significant roles in structuring the Republic’s social and economic development, yet they were reciprocally shaped by patrician business practices and quests to advance the social status of individuals and families through political and charitable engagement. Mueller’s academic renown beyond the Venetianist community is most significantly tied to his achievements as an economic and social historian, in particular his opus magnum „The Venetian Money Market“ (1997), which remains his most-cited work. The second and third sections of this volume („Money Supply and Coinage“; „Usury, Banking and Jews“) reflect this core interest of his research, assembling a total of eleven essays that further emphasise the extent to which Venetian business and finance were interwoven with broader political and social dimensions. Late medieval Venice, as Mueller himself has never failed to emphasise, showcases the inseparability of economic and social factors in history. As the importance of the late medieval Venetian financial market rose to eventually match that of its commodities trade, the financialisation of Venetian life came to affect everyday inter-communal practices as well as the Serenissima’s external relations. Venice’s role in the bullion and coinage trade, and her monetary imperialism in the maritime dominions had significant ramifications for the social status of various populations, of which the Jewish communities – one of Mueller’s principal areas of expertise, well represented in this volume – were but one important example. Indeed, the socially transformative effects of finance also had an impact on the Italian and terraferma populations and acted as a significant trigger for migratory flows. The fourth section, „Foreigners“, comprises five essays devoted to questions of identity and otherness. Here too, the chosen texts provide a good overview (but not a full representation) of another field to which Mueller’s work has made pioneering contributions (culminating in his 2010 monograph „Immigrazione e cittadinanza nella Venezia medievale“). The chosen focus is on the social role of merchants and financial investors; in addition, Mueller’s 1998 essay „Greeks in Venice and ‚Venetians‘ in Greece“ examines the relationship between Venice and its Stato da mar populations. Lastly, the fifth section „The Maritime Dominion“ delves further into the Venetian expansions with five pieces on the economy and society of the Stato da mar, concerning both everyday experiences and the broader interdependencies between the Serenissima, its dominions, and the adjacent areas. Here again, the editors have succeeded in selecting an approachable cross-section of Mueller’s work (including pieces hitherto difficult to access). Overall, bibliographical and analytical updates from the author himself ensure that the volume reflects current scholarship. An extensive index further increases the scholarly significance of this publication.
Franz-Julius Morche
La fortuna dei Foscari. Silloge di documenti 1281–1530. Tomo 1: Documenti 1–151 (1281–1458), tomo 2: Documenti 152–290 (1458–1530), a cura di Dieter Girgensohn, in collaborazione con Donato Gallo e Andreas Hillerbrandt, Venezia (La Malcontenta) 2019–2020 (La fortuna dei Foscari dal medioevo al rinascimento. Vita privata e attività pubbliche in una nobile famiglia veneziana tra XIII e XVI secolo), 2 Bde., XXX, 902 S., Abb., ISBN 978-88-95745-30-5.
Das hier zu besprechende Werk stellt eine Quellensammlung zur Geschichte der venezianischen Patrizierfamilie Foscari dar, die Dokumente einer Zeitspanne von ca. 250 Jahren (1281–1530) umfasst. Das über mehrere Jahrzehnte zusammengetragene Material stammt vor allem aus dem Staatsarchiv Venedig, ferner aus der Bibliothek des Museo Civico Correr, der Biblioteca Marciana und dem Vatikanischen Apostolischen Archiv. Da es sich hauptsächlich um bisher nicht edierte Quellen handelt, bieten diese eine Fülle neuer Erkenntnisse. Nach dem Wissen des Rezensenten liegt bisher keine Quellenedition über eine venezianische Adelsfamilie vor, die in Bezug auf Umfang und Qualität vergleichbar wäre, obwohl das Staatsarchiv Venedig über einen umfangreichen Bestand von Familienarchiven verfügt. Darüber hinaus finden sich Dokumente zu einzelnen anderen Familien in diversen Archivbeständen, die für eine Edition aber erst zusammengeführt werden müssten. Die wohl bekanntesten Vertreter der hier im Fokus stehenden Familie Foscari sind der Doge Francesco Foscari (1373–1457; reg. 1423–1457) und sein Sohn Jacopo (auch Jacomo) (ca. 1416–1457). Deshalb soll auf diese beiden im Folgenden näher eingegangen werden. Nach einem exzeptionell langen Dogat von 34 Jahren wurde Francesco Foscari im Oktober 1457 durch den Rat der Zehn zu einer Abdankung aus Altersgründen gedrängt. Ob er tatsächlich altersbedingt nicht mehr regierungsfähig war oder ob seine Gegner seiner langen Herrschaft ein Ende setzen wollten, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ein Grund für Foscaris prekären Gesundheitszustand ist sicherlich im Schicksal seines ältesten und einzig überlebenden Sohnes Jacopo zu sehen. Im Jahr 1445 wurde dieser zu einer Exilstrafe verurteilt, nachdem er eine eigene Korrespondenz mit ausländischen Fürsten gepflegt hatte. Was bei Fürstensöhnen anderer italienischer Herrscher üblich war, war den Söhnen und anderen Familienmitgliedern eines Dogen jedoch durch dessen Amtseid, die promissio ducalis, untersagt. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahr 1447 wurde Jacopo drei Jahre später der Mord an dem venezianischen Patrizier Ermolao Donà vorgeworfen. Obwohl seine Schuld nicht bewiesen werden konnte, verurteilte der Rat der Zehn Jacopo zu lebenslangem Exil auf Kreta. Obschon verurteilt, wurde 1456 erneut Anklage gegen ihn erhoben mit dem Vorwurf, er pflege weiterhin Korrespondenz mit ausländischen Fürsten. Daraufhin wurde Jacopo nach Venedig gebracht, ihm diesbezüglich der Prozess gemacht und die Exilstrafe dann bestätigt. Den schmerzvollen letzten Abschied des über 80-jährigen und auf einen Gehstock gestützten Vaters von seinem Sohn erzählt z. B. Marin Sanudo in seinen Dogenviten; während der Romantik brachte der Maler Francesco Hayez diese Szene auf die Leinwand. Einige Zeugnisse dieser bewegten Geschichte der beiden Foscari finden sich in der Quellensammlung. Ihr Schicksal brachte ihnen schon im 19. Jahrhundert eine beträchtliche Aufmerksamkeit ein, was sich in zwei Editionen von 1852 und 1878 manifestierte – Berlan Francesco (Hg.), I due Foscari von 1852 und Richard Senger (Hg.), Historisch-Kritische Studien von 1878. Diese sehr alten Editionen sind im Vergleich mit der vorliegenden jedoch unvollständig, enthalten manche Dokumente nur in verkürzter Form und entsprechen nicht mehr den heute gültigen Kriterien kritischer Editionen. Daher war eine umfassende Neuedition umso wünschenswerter. Über die Dokumente über Francesco und Jacopo Foscari hinaus, die nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des hier edierten Materials ausmachen, werden das Leben und Wirken zahlreicher Familienmitglieder der Foscari anhand eines breiten Spektrums von Dokumenten deutlich. So finden sich beispielsweise Testamente, notarielle Dokumente verschiedener Art sowie Beschlüsse der Ratsgremien und Gerichtsorgane der Republik. In der Einleitung der Edition ist die Absicht angekündigt, eine Untersuchung der Familiengeschichte auf Basis dieses überaus reichen Quellenfundus zu verfassen (S. XI). Zweifellos wäre ein solches Vorhaben ein großer Gewinn für die Venedig-Forschung. Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorliegende Quellenedition äußerst wichtiges Material zum spätmittelalterlichen Venedig enthält, das sich für verschiedene und vielfältige Fragestellungen und Themen nutzen lässt, z. B. Politik, Handel, Wirtschaft, Gesellschaft, Sklaverei, Kirche, Frömmigkeit, Bauwesen und Stadttopographie. Am Beispiel der Familie Foscari lassen sich Einsichten in zahlreiche grundlegende Aspekte der venezianischen Geschichte gewinnen, so dass die Relevanz der Edition deutlich über die Geschichte dieser einen Familie hinausgeht.
Christian A. Neumann
Gian Luca Potestà, Dante in Conclave. La lettera ai cardinali, Milano (Vita e Pensiero) 2021 (Cultura e storia 39), 232 pp., ill., ISBN 978-88-343-4376-0, € 23.
Questo volume riesamina in modo esemplare la questione della famosa lettera di Dante ai cardinali, inviata in occasione del conclave celebrato a Carpentras, nella Francia meridionale, nella primavera del 1314, per eleggere il successore di Papa Clemente V. Nella lettera Dante condannava l’assenza della sede apostolica da Roma e si scagliava contro i cardinali italiani, ritenuti responsabili per le macchinazioni che avevano portato all’elezione del papa gascone nel 1305. L’analisi di Podestà è condotta su diversi piani, concentrandosi sia sulla tradizione manoscritta e edizioni del testo che sul suo contesto storico e teologico. In particolare, l’attenta analisi paleografica e filologica del testo dantesco, conservato in un solo manoscritto (Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, MS. Plut. 29.8), dove fu copiata da Boccaccio, permettono a Podestà di ricostruire la punteggiatura del testo secondo la lezione del Boccaccio, che fu in seguito corretta nelle edizioni critiche poiché considerata responsabile per la difficile comprensione del testo dantesco. Grazie a questa ricostruzione sintattica del testo (edito in Appendice), Podestà rivisita il ruolo di Dante come nuovo Geremia, secondo la tradizionale interpretazione della critica letteraria, sottolineando come nella lettera ai cardinali Dante intendesse proporsi come profeta, non tanto vaticinando il futuro ma spiegando il piano divino. Podestà rintraccia quindi nel testo dantesco i riferimenti al contesto del dibattito escatologico del Trecento, da Gioacchino da Fiore a Pietro Giovanni Olivi e Ubertino da Casale. In modo significativo, Podestà studia i legami storici tra i cardinali responsabili per l’elezione di Clemente V a Perugia e Ubertino da Casale. Tra costoro emerge la figura di Napoleone Orsini, che probabilmente conosceva Ubertino già prima del 1306, quando Ubertino divenne suo cappellano, e che venne inviato come decano dei cardinali e legato in Italia da Clemente V nel febbraio del 1306, dove probabilmente incontrò Dante a Imola nell’estate dello stesso anno. Secondo Podestà, nell’invettiva della lettera ai cardinali della primavera del 1314, Dante si elevava pertanto a cantore della rovina della Chiesa romana, rimasta in Francia dopo l’elezione di Clemente V, in modo simile a Geremia che aveva lamentato la rovina di Gerusalemme. Usando un linguaggio altamente figurato, Dante riteneva responsabili dell’accaduto i „fautori di eresie empie“, ovvero i sostenitori di Bonifacio VIII, insieme agli inviati di Filippo il Bello a Perugia, che avevano influenzato il conclave nell’elezione di Clemente V, e alle „promesse rozze di astronomi e profeti“ che avrebbero influenzato Napoleone Orsini. A riguardo, Podestà rigetta in modo convincente i suggerimenti della critica precedente, che aveva favorito l’uso dantesco di testi pseudo-gioachimiti, e suggerisce invece che il testo dantesco facesse riferimento a profezie papali che circolavano in curia intorno al 1305. A supporto di tale ipotesi, Podestà analizza i parallelismi tra la lettera dantesca ai cardinali e il canto XIX dell’„Inferno“, datato da Podestà intorno al 1312, in cui Dante utilizzò le stesse profezie papali. Podestà passa quindi ad esaminare l’ultima parte della lettera dantesca, in cui veniva criticato l’accordo segreto tra i cardinali che aveva portato all’elezione di Clemente V a Perugia, condannando il procedimento canonico per l’elezione papale e auspicando il ritorno della curia papale a Roma dopo il conclave di Carpentras nel 1314. Queste considerazioni servono a Podestà come spunto per esaminare l’appello dantesco ai cardinali romani presenti a Carpentras, in particolare Napoleone Orsini. Podestà suggerisce che Dante avrebbe qui preceduto il racconto di Giovanni Villani sull’inganno, orchestrato dai cardinali Niccolò da Prato e Napoleone Orsini, che avrebbe portato alla scelta di Clemente V nel 1305 e al controllo della corona francese sulla Chiesa, mostrando inoltre i parallelismi tra questo passo della lettera dantesca e il canto XXXIII del „Purgatorio“, che fu composto tra la fine del 1313 e il 1314. Podestà conclude il suo esame della lettera ai cardinali tornando al suo argomento iniziale, ovvero che, nonostante il linguaggio figurato e profetico, la lettera del 1314 contenesse precisi riferimenti storici e politici, chiaramente comprensibili ai suoi destinatari. In tal modo, Podestà suggerisce che la lettera dantesca non fosse un esercizio fittizio e retorico. Al contrario, essa venne inviata e ricevuta dai cardinali italiani riuniti a Carpentras e andrebbe letta nel contesto della lettera successivamente inviata dallo stesso Napoleone Orsini a Filippo il Bello nella primavera – estate del 1314 che denunciava l’attacco dei Gasconi contro i cardinali in conclave, basandosi, secondo Podestà, sul testo dantesco. Senza dubbio il lavoro di Podestà dimostra in modo esemplare come una lettura condotta con rigore attraverso diversi livelli interpretativi possa contribuire non solo al campo della critica letteraria, ma soprattutto e in modo fondamentale alla comprensione storica e teologica di un testo tanto importante quanto sottovalutato dagli storici del papato trecentesco.
Barbara Bombi
Klaus Krüger, La politica dell’evidenza nel Trecento fiorentino. Pittura e immaginario pubblico, traduzione di Viviana Chilese, Roma (Viella) 2020 (La storia dell’arte. Temi 4), 112 S., Abb., ISBN 978-88-3313-319-5, € 25.
Es ist stets zu begrüßen, wenn wertvolle wissenschaftliche Arbeiten in die Sprache des Landes übersetzt werden, das im Zentrum eben dieser Mühen steht. Klaus Krügers Buch „Politik der Evidenz. Öffentliche Bilder als Bilder der Öffentlichkeit im Trecento“ (2015) konzentriert sich auf Florenz. Die Stadt am Arno bietet sich dank einer recht guten Überlieferung von Schrift- und Bildquellen für eine Untersuchung zur politischen Symbolik an. Der Autor fragt gleich eingangs nach der mediatischen Effizienz im öffentlichen Raum und stellt dazu die Florentiner Piazza della Signoria vor. Wie die in italienischen Kommunen verbreiteten Schandbilder aufgebaut waren, wird zunächst anhand eines kopial überlieferten Wandgemäldes von 1329 illustriert. Damals warf Florenz der 40 km südlich gelegenen Kommune Colle Val d’Elsa vor, vertragswidrig Getreide an das verfeindete Pisa geliefert zu haben. Symbolisch noch aufgeladener ist die Darstellung der die Stadt Florenz symbolisierenden Misericordia Domini, die 1342 im Sitz der Compagnia di Santa Maria della Misericordia in einer gut einsehbaren Öffnung zum Domplatz hin gemalt wurde. Der Umhang der weiblichen Gestalt zeigt die Werke der Barmherzigkeit. Die zu den Füßen der Figur versammelten Anbetenden aus allen Schichten verkörpern den corpo politico der Stadt. Dekorationen von Zunfthäusern waren in Florenz oft auch heraldisch konnotiert. Die mitunter in Kreisform gebotenen Wappen betrafen Regierungsinstitutionen und andere Zünfte. Im Falle des Zunftpalastes der Ärzte und Gewürzhändler bzw. Apotheker, die zu den sieben Großen Korporationen der Stadt gehörten, bildete das Wappen der Kirche mit den gekreuzten Schlüsseln das Zentrum der von einem Mauerband abgeschlossenen komplexen Komposition. Die Fähigkeit zur Abstraktion ist auch dem letzten Beispiel zu eigen, der Darstellung der „Vertreibung des Herzogs von Athen“, Walter VI. von Brienne (1344–1345), die aus dem Stadtgefängnis delle Stinche stammt und heute im Museo del Palazzo Vecchio aufbewahrt wird. Die hl. Anna, an deren Gedenktag (26. Juli) 1343 das Volk den Autokraten aus der Stadt vertrieb, sitzt auf einem Thron, dessen Vorhang mit den Insignien bedeckt ist, die die wiederhergestellte politische Ordnung verkörpern: die Lilie des Stadtwappens, das rot-weiß geteilte Wappen der Kommune, das Kreuz des Volkes sowie die gekreuzten Schlüssel der Kirche. Während die Heilige auf ihrer rechten Seite den zu ihren Füßen knieenden Milizenführern Fahnen überreicht, sucht der Herzog auf ihrer Linken das Weite. Diese Bildelemente finden sich auch noch im Gemälde desselben Titels des Historienmalers Stefano Ussi von 1861 wieder, was erneut die lang anhaltende Wirkkraft der politischen Symbolik aus dem Mittelalter belegt.
Andreas Rehberg
Fonti per la storia della Congregazione benedettina di Monte Oliveto negli Archivi di Stato italiani. Atti del Convegno di studi per i 50 anni della presenza benedettina in Basilicata, Matera-Picciano, 13–15 ottobre 2016, a cura di Donato Giordano, Cesena (Badia di Santa Maria del Monte) 2019 (Italia benedettina 44), XII, 491 S., ISBN 978-88-98104-15-4, € 80.
Nach einer religiösen Krise siedelte sich Bernardo Tolomei (1272–1348) zusammen mit einigen Gefährten auf einem Landgut seiner Familie in Accona an, das bald den Namen Monte Oliveto tragen sollte. Die Gründung wurde 1319 approbiert – und strahlte aus. Ab 1322 entstanden in rascher Folge weitere Klöster dieser benediktinischen Reformbewegung, die 1344 bereits zehn Häuser umfasste und von Papst Clemens VI. als Kongregation von Monte Oliveto kirchenrechtlich anerkannt wurde. Das Wachstum ging weiter: bald wurden die Grenzen der Toskana in Richtung Norditalien überschritten. Um 1450 gehörten 30 Klöster der Kongregation an. Mit aktuell rund 30 Abteien und Prioraten (und knapp über 250 Mönchen und 75 Schwestern) gehört die Kongregation von Monte Oliveto sicherlich nicht zu den bedeutendsten Ordensgemeinschaften innerhalb der catholitas, doch ist ihre Stimme nach wie vor (nicht zuletzt auf wissenschaftlichem Gebiet) vernehmbar. Klöster dokumentieren Jubiläen gerne in Form reich bebilderter Festschriften, die von Erfolg (und mitunter auch Misserfolg) künden und die eigene, oft Jahrhunderte zurückreichende Existenz im Strom der Zeit verankern. Die Mönche der monastischen Kommunität Santa Maria di Picciano (Matera) haben sich für etwas anderes entschieden, um ihrer eigenen Gründung vor 50 Jahren zu gedenken. Eine außergewöhnliche Festschrift ist das Ergebnis – außergewöhnlich aufgrund des thematischen Zuschnitts. Denn die Olivetaner von Matera verzichteten bewusst auf eine Darstellung der eigenen Geschichte und regten die Abfassung eines Sammelbd. an, in dem sich ausgewiesene Spezialisten mit den in italienischen Archiven enthaltenen olivetanischen Ordensquellen auseinandersetzen. Dabei wurden nahezu alle Regionen berücksichtigt – es fehlen lediglich Ligurien, das Veneto und die Marken. Das Ergebnis – so viel sei vorweggenommen – überzeugt und dürfte zukünftig zu einem zentralen Hilfsmittel bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Olivetaner werden. Die Publikation zeugt darüber hinaus vom ungebrochenen Interesse an der Ordensgeschichte in Italien. Sie orientiert sich methodisch an entsprechenden, jüngst erschienenen Darstellungen für die Zisterzienser (2015) und die Kamaldulenser (2016). In seinem einleitenden Beitrag lässt Cosimo Damiano Fonseca die Historiographie Revue passieren und unterstreicht völlig zu Recht die Bedeutung zweier Ordenshistoriker: Secondo Lancellotti, der mit seinen „Historiae Olivetanae libri duo“ 1623 ein noch heute mit Gewinn zu benutzendes Standardwerk vorlegte, und Placido Lugano, der in der ersten Hälfte des 20. Jh. durch umfassende Quellenstudien die Forschungen zur olivetanischen Kongregation ungemein befruchtete (S. 1–8). Mauro Tagliabue beschäftigt sich ausgesprochen kompetent mit der „vicenda archivistica“ (S. 10) der Mutter-Abtei Monte Oliveto Maggiore, „la cui storia, in verità, è ancora tutta da scrivere“. Monte Oliveto Maggiore war aufgrund seiner Position als Mutterkloster der Kongregation vielleicht noch stärker als andere Kommunitäten von den politischen Zeitläuften betroffen – differenziert dargestellt wird das Schicksal des Archivs (oder besser: der Archive, denn neben dem Klosterarchiv existierte das Archiv des Generalprokurators der gesamten Kongregation), das infolge der klosterfeindlichen Politik der Habsburger und Franzosen in den letzten Jahrzehnten des 18. und den ersten Jahren des 19. Jh. enorme Verluste zu beklagen hatte. Die staatlichen Kommissare, die zur Inventarisierung der Bestände in die Klöster geschickt wurden, waren vor allem an den Rechts- und Besitztiteln interessiert. Rechnungsbücher, die die Ausgaben der Klosterküche oder der Bauhütte in ununterbrochener Folge seit dem 15. Jh. verzeichneten, gehörten leider nicht dazu: „Una ricchezza di informazioni enorme: tutto perduto, per sempre!“ (S. 35) Doch noch immer ist das, was erhalten geblieben ist, genug um „intere generazioni di studiosi“ (S. 51) zu weiteren Studien anzuregen. Weitere Beiträge verdeutlichen, dass man in anderen Klöstern genauso vorging. Mario Ascheri und Enzo Mecacci widmen sich den juristischen consilia, die für Monte Oliveto Maggiore entstanden sind (S. 65–121) – die thematische Spannbreite der angeforderten consilia wird dabei aus der Inhaltsanalyse des Registers Conventi 182 (Staatsarchiv Siena) ersichtlich (vgl. zur Auflistung der darin enthaltenen 103 consilia, S. 75–103). Paolo Cozzo beschäftigt sich mit den in staatlichen Archiven im Piemont verwahrten Quellen (S. 123–148) und beschreibt kompetent die Bestrebungen, die ursprünglich zu Mailand gehörenden, später an Savoyen übergegangenen Olivetanerklöster mit einer neuen „nationalen“ Identität zu versehen, die die ursprüngliche Zugehörigkeit zur Lombardei vergessen lassen sollte. Der Überlieferungssituation in den lombardischen Archiven widmet sich Elisabetta Filippini (S. 149–206). Die Olivetaner hatten im Laufe des 15. Jh. ihre größte Ausdehnung erreicht. Neugründungen, die häufig auf den Willen frommer Laien zurückgingen, standen dabei neben altehrwürdigen, zuvor jedoch anderen Orden zugehörigen Klöstern, die den Olivetanern reformationis causa übertragen worden waren. Filippinis detaillierte Beschreibung der Geschichte der einzelnen Häuser, „a mezza via tra l’archivistico e lo storico“ (S. 206), etwa zu Santi Angelo e Niccolò di Villanova dürfte zukünftigen Bearbeitern eines „Monasticon Italiae“, dessen Fortschritte schon seit langem „le legittime attese del pubblico studioso“ (S. 437) entttäuscht, gute Dienste leisten. Enrico Angiolini beschäftigt sich mit den Olivetaner-Beständen in der Emilia-Romagna, Marina Laguzzi mit denen im Staatsarchiv von Florenz, Rita Pezzola mit denjenigen in der Mailänder Ambrosiana. Paola Monacchia richtet ihren Blick auf die archivalische Überlieferung in Umbrien, wo vor allem die Archive in Perugia und Gubbio über nennenswerte Olivetaner-Bestände verfügen. Das römische Staatsarchiv hingegen kann mit Ausnahme der Archivalien des römischen Klosters S. Francesca Romana kaum signifikante Bestände sein Eigen nennen, worauf Davide Lionetti kurz hinweist. Mit der Überlieferung der süditalienischen Klöster beschäftigen sich Imma Ascione (Kalabrien), Donato Giordano (Basilicata), Francesco Panarelli (Apulien) und Renata De Simone (Sizilien), während Carmela Desantis sich dem Kloster S. Giacomo in Bari widmet und damit exemplarisch auf den weiblichen Ordenszweig eingeht. Aus den abschließenden Bemerkungen von Giuseppe M. Croce wird deutlich, wie defizitär die Hilfsmittel zur Erschließung der überreichen, in der Bestandsgruppe der „Corporazioni religiose“ zusammengeführten Bestände aufgelöster Klöster in den Archiven Italiens noch immer sind. Kenner sprechen diesbezüglich von einer memoria silenziosa. Vorliegender Bd. ist ein weiterer Schritt zur Kartographierung eines Terrains, das in vielen Teilen noch immer nahezu unbekannt ist. Die Abfassung eines olivetanisches Monasticon wäre nun der nächste logische Schritt.
Ralf Lützelschwab
Patrick Zutshi, The Avignon Popes and Their Chancery. Collected Essays, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (mediEVI 30), XIV, 466 S., Abb., ISBN 978-88-9290-064-6, € 68.
Die päpstliche Kanzlei in Avignon war die größte aller kurialen Behörden – eine administrative Maschinerie, die sich ebenso komplex wie ausdifferenziert präsentierte. Drei Brieftypen (litterae) fielen in ihre Zuständigkeit. Neben den Justiz- und Gratialbriefen (zusammengefasst als litterae communes) waren dies die Kurialbriefe, die anders als die ersten beiden Typen aus eigenem Antrieb (motu proprio) des Papstes bzw. der Kurie heraus entstanden und die diplomatische, administrative und politische Korrespondenz umfassten. Es war Benedikt XII. († 1342), der die Kurialbriefe der Zuständigkeit durch die Notare entzog und sie den Sekretären zuwies, die nicht zum Personal der Kanzlei, sondern direkt zur Entourage des Papstes gehörten und sein Vertrauen genossen. Dies bedeutete freilich auch das Ende der Zuständigkeit der Kanzlei für die litterae curiales. Seit Jahrzehnten gilt Patrick Zutshi, bis 2015 Keeper of the Manuscripts der Universitätsbibliothek in Cambridge, als führender Experte auf dem Gebiet der Verwaltungsgeschichte des Avignonesischen Papsttums, der mit seinen Beiträgen die Forschung immer wieder befruchten und vorantreiben konnte. Eine Sammlung seiner wichtigsten, in den Jahren zwischen 1984 bis 2018 publizierten Artikel liegt nun vor. Sie umfasst 20 Aufsätze, die fünf großen Abschnitten zugewiesen wurden (I. „Petitions and Registers“; II. „The Chancery and its Production“; III. „The Role of the Pope“; IV. „Papal Letters and English History“; V. „Papal Letters for the University of Cambridge“). Zwei Beiträge werden zum ersten Mal gedruckt (no. 9: „At the Point of Death: Licences to Choose a Confessor ‚in mortis articulo‘ Issued by the Avignon Popes“, S. 179–203; no. 12: „Autograph Letters of the Avignon Popes“). In einem einleitenden Überblicksartikel („The Papal Chancery. Avignon and Beyond“, S. 3–24) skizziert Zutshi mit sicherem Strich die Entwicklung der päpstlichen Kanzlei vom späten 12. bis zum frühen 15. Jh. und umreißt knapp all das, worauf in der Folge mit einiger Ausführlichkeit weiter eingegangen wird. Im Pontifikat Johannesʼ XXII. († 1334) sieht er „the beginning of a new era in the history of the papal chancery“ (S. 13). Ein Punkt wird im Laufe dieser und aller weiteren Ausführungen stark gewichtet: die Kanzlei arbeitete in enger Abstimmung mit (und mitunter auch in Konkurrenz zu) den anderen kurialen Behörden, wodurch eine komplexe Struktur noch komplexer wurde. Petrarcas Dictum vom inextricabilem curie labyrinthum ist mithin nicht allein eine Erfindung eines böswilligen Intellektuellen, sondern spiegelt die administrative Wirklichkeit in Avignon recht treffsicher wider. Angesichts der Bedeutung der päpstlichen litterae ist und bleibt es unverständlich, weshalb wichtige Teile der Briefregister bis heute unediert geblieben sind, darunter die litterae communes Clemensʼ VI. und Innozenzʼ VI. (1342–1362). Von den 1342 einsetzenden Supplikenregistern (Registra Supplicationum) und den Rechnungsbüchern der päpstlichen Kammer ist ebenfalls nur ein kleiner Teil gedruckt. Zutshis Ausführungen verdeutlichen, weshalb diese Briefe für die Geschichtswissenschaften auf vielen Gebieten von so existentieller Bedeutung sind. Sie ergänzen nicht nur die normativen päpstlichen Quellen (wie etwa Konstitutionen oder Kanzleiregeln), sondern können etwa für breit angelegte prosopographische Untersuchungen des Kanzleipersonals im 14. Jh. herangezogen werden. Dass sie ein unerschöpflicher Quell für die Alltags- und Sozialgeschichte sind, liegt auf der Hand. Einige thematische Schwerpunkte durchziehen wie rote Fäden den vorliegenden Bd. Den Suppliken wird einiges an Aufmerksamkeit zuteil: Antragsteller, Kanzleipersonal und Päpste geraten dabei ebenso in den Blick wie der komplexe Bearbeitungsprozess und die Registrierung. Der Rolle der Prokuratoren wird dabei besondere Beachtung geschenkt. Ob Suppliken bereits im 13. Jh. vom Papst gezeichnet wurden, ist unklar, im 14. Jh. ist dies jedoch der Fall. Seit Clemens VI. diente die Initiale des Familiennamens als Zeichnungskürzel (hier Roger: R), die römischen Schismapäpste bevorzugten den ersten Buchstaben ihres Vornamens (Bartolomeo Prignano/Urban VI.: B). Die Supplikenregister überliefern nicht nur den vollen Wortlaut der Bittschriften selbst, sondern auch die Antworten des Papstes, was mitunter Einblicke in seine Persönlichkeit ermöglicht, so wenn etwa Urban V. einem Augustiner die Bitte um Verleihung eines akademischen Grades bewilligt und maliziös hinzufügt: „Fiat sed cave ne immediate post magisterium petas episcopatum.“ Die Supplikenregister beugten möglichen Betrugsversuchen vor, wurde es durch sie doch sehr viel schwieriger, den Wortlaut der aus dem Bittgesuch resultierenden päpstlichen littera zu fälschen: „Clearly the papal curia trusted its own registers, and I believe that it was right to do so.“ (S. 137). Zutshi schöpft aus dem Vollen und versieht viele Beiträge mit interessanten Quellenanhängen. Dazu gehört eine Konstitution Clemensʼ VI. aus dem Jahr 1343, in der die Praxis, Suppliken vor die Füße des Papstes zu werfen (und damit die geordnete Eingabepraxis zu umgehen) verurteilt wird. Autographe Spuren der Avignon-Päpste in Suppliken und Briefen bilden einen weiteren roten Faden. Dabei werden nicht allein die Anmerkungen von päpstlicher Hand in Privilegien oder die Signaturen auf Suppliken, sondern auch Briefe behandelt, die zur Gänze vom Papst selbst geschrieben wurden (S. 241–251). Hinweise auf autographe cedulae, die den von der Kanzlei ausgefertigten, gesiegelten litterae beigefügt wurden oder auf von eigener Hand verfasste Briefe des Papstes finden sich häufiger, noch heute erhaltene Autographe freilich sind eine rare Spezies. Zuthsi analysiert die beiden an Peter IV. (el Ceremonioso) von Aragon gerichteten und heute im Aragonesischen Kronarchiv in Barcelona verwahrten autographen, in gotischer Kursive verfassten und mit dem privaten Wachssiegel verschlossenen Briefe Urbans V., in denen nicht nur die 1. Person Singular und eine Fülle von Abbreviaturen verwendet, sondern falsche Wörter beherzt durchgestrichen werden – der Papst verstieß damit in mehrfacher Hinsicht gegen die Regeln seiner eigenen Kanzlei. Zutshi tut gut daran, einen Sachverhalt immer wieder einzuschärfen: die historische Forschung hat großes Interesse daran, den Avignon-Registern (Papier) Vorrang vor den Vatikan-Registern (Pergament) einzuräumen. Ein Beispiel unter vielen: Im ersten Pontifikatsjahr Gregors XI. umfassen die litterae communes zehn Bde., die entsprechenden Kopien in den Avignon-Registern jedoch nur einen einzigen Bd. Und man erfährt viel darüber, welche Selektionskriterien dem Übertrag von den Papier- in die Pergamentregister zugrunde lagen. Zwei Indizes (Hss.; Orte, Namen und Sachen) erschließen den Bd. zuverlässig. Noch immer stammt die umfangreichste und zuverlässigste Überblicksdarstellung zur Funktionsweise der avignonesischen Kanzlei von Harry Bresslau. Sein „Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien“ erschien 1889 in erster Auflage. Ein moderner Überblick fehlt. Vorliegende Aufsatzsammlung lässt keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass Patrick Zutshi dazu prädestiniert wäre, dieses Werk zu schreiben. Darf man hoffen?
Ralf Lützelschwab
Mirko Vagnoni, La messa in scena del corpo regio nel regno di Sicilia. Federico III d’Aragona e Roberto d’Angiò, Potenza (BUP – Basilicata University Press) 2021 (Mondi mediterranei 5), 236 S., Abb., ISBN 978-88-31309-08-0 (URL: http://web.unibas.it/bup/omp/index.php/BUP/catalog/view/978-88-31309-08-0/25/153-1; 17.1.2022).
Dass in der gegenwärtigen medialen, stark bildbezogenen Gesellschaft die Körperlichkeit von Führungspersönlichkeiten in der Form der Selbstpräsentation eine entscheidende Rolle spielt, steht außer Frage. Die Interaktion zwischen Herrscher und Beherrschten ist aus historischer Sicht allerdings ein entscheidender Bestandteil eines jeden Herrschaftssystems. Im Rahmen des Projekts „Royal Epiphanies. The King’s Body as Images and Its Mise-en-scène in the Medieval Mediterranean (12th – 14th Centuries)“ des Schweizerischen Nationalfonds geht der Vf. der Frage nach, inwieweit das süditalienische Königtum des 14. Jh. die eigene, individuelle Körperlichkeit mittels realer Auftritte oder künstlerischer Gestaltung bewusst zur Herrschaftslegitimation und zur Kommunikation mit den Untertanen einsetzte. Der Autor kann als Historiker und Kunsthistoriker die beiden Fachdisziplinen ideal verbinden und hat sich seit seinem dottorato di ricerca mit der bildlichen Herrschaftslegitimation der sizilischen Könige beschäftigt. Die Frage des bewussten, „theatralischen“ Einsatzes der eigenen Körperlichkeit wird anhand zweier Fallstudien untersucht, der historiographischen Charakterisierung Friedrichs III. von Aragon (König des aragonesischen Sizilien von 1296 bis 1337) und der figurativen Darstellungen Roberts von Anjou (König von Sizilien-Neapel von 1309 bis 1343). Die detaillierte Analyse der historiographischen Werke zur Regierungszeit Friedrichs (S. 23–83), der „Historia Sicula“ von Bartolomeo di Neocastro, der „Crònica“ von Ramon Muntaner, der anonymen „Cronica Sicilie“ und der „Historia Sicula“ von Nicolò Speciale, zeigt das breite Spektrum typischer (topischer?) Herrschereigenschaften, wie körperliche Schönheit, Tapferkeit und Umgänglichkeit, keine der Quellen betont allerdings „… un cosciente utilizzo scenografico e teatralizzato del proprio corpo … per finalità politiche e di rafforzamento dell’autorità regia nei confronti dei propri sudditi“ (S. 83). Im Fall Roberts von Anjou (S. 85–152) greift der Autor hingegen auf bildliche Darstellungen zurück. In den ausgewählten Beispielen („La pala di Simone Martini“, „La tavoletta del Maestro di Giovanni Barrile“, „La tela del Maestro delle tempere francescane“ und „L’affresco del così detto Lello da Orvieto“), die detailliert analysiert und historisch kontextualisiert werden, wird zwar übereinstimmend die individualisierte Körperlichkeit des Herrschers deutlich, Vagnoni kann aber überzeugend darlegen, dass es sich dabei, auch wenn die Tafelwerke bzw. Fresken als Auftragswerke entstanden sind, nicht um an die Öffentlichkeit gerichtete Propaganda handelte, sondern dass die Darstellungen eindeutig in der devotionalen und religiösen Sphäre zu verorten sind. Dies gilt auch für das Motiv Roberts als Bittsteller vor dem hl. Ludwig von Toulouse, dem schnell zu Ehren der Altäre erhobenen Bruder Roberts und gleichsam „Familienheiligen“ der Anjou. Auch diese Darstellungen waren, zumindest zur Zeit Roberts, nicht für die Herrschaftslegitimation der Dynastie bestimmt. Das Kapitel „Conclusioni“ (S. 153–172) rekapituliert die Ergebnisse: „… questi due re non manifestarono un particolare interesse nello sfruttare le potenzialità comunicative del loro corpo nella concreta pratica di governo.“ (S. 166). Dieses Resultat wird abschließend in einen Überblick über die Mentalität des mittelalterlichen Menschen eingebettet, der durchwegs überzeugend gelungen ist. 20 Abb., eine umfassende Bibliographie (S. 189–227) sowie Namens- und Ortsindizes runden die Arbeit ab. Die gut lesbare und argumentativ klar strukturierte Veröffentlichung bietet anhand einer Fallstudie wichtige Einblicke in die mittelalterliche Herrschaftslegitimation und Selbstdarstellung und warnt zurecht davor, zeitgenössische soziologische Befunde undifferenziert zu übertragen. Auch wenn sich die Fallstudie ausnahmslos im süditalienischen Umfeld bewegt (der Autor regt allerdings weitere Untersuchungen zu dieser Frage an), lohnt sich die Lektüre auch für einen breiteren Kreis von Leserinnen und Lesern, zumal da die Online-Version leicht zugänglich und von technisch guter Qualität ist.
Thomas Hofmann
Cristiano da Camerino, De partibus sive super creatione partium Guelfe et Gebelline et ipsarum obiurgatione. Edizione critica, traduzione e commento a cura di Andrea Bocchi, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2020 (Edizione nazionale dei testi mediolatini d’Italia 56. Serie II, 28), 414 S., ISBN 987-88-8450-964-2, € 73.
Der Parteienkonflikt prägte die Staatenwelt der italienischen Halbinsel des 13. und 14. Jh. in der Innen- wie in der Außenpolitik, insbesondere die Stadtstaaten Mittel- und teilweise Norditaliens. Die sich einander aufs Heftigste – politisch und militärisch – bekämpfenden Parteien wurden schon zeitgenössisch als guelfisch und ghibellinisch bezeichnet und einer propäpstlichen bzw. prokaiserlichen Grundlinie zugeordnet. Dieses Begriffspaar ist auch in der aktuellen historischen Forschung gebräuchlich, auch wenn die Auseinandersetzungen im Einzelfall differenziert betrachtet werden müssen. Die Bedeutung, die der guelfisch-ghibellinische Konflikt im Bewusstsein der spätmittelalterlichen italienischen Gesellschaft einnahm, wird dadurch deutlich, dass er das Thema zahlreicher Traktate und anderer literarischer Werke des 14. Jh. bildete. In letztere Kategorie fällt das hexametrische Gedicht „De partibus sive super creatione partium Guelfe et Gebelline et ipsarum obiurgatione liber“ von Cristiano da Camerino, das im Cod. Vat. lat. 2847 als einzigem Textzeugen überliefert ist und nun in der Reihe „Edizione nazionale dei testi mediolatini d’Italia“ als editio princeps von Andrea Bocchi herausgegeben wird. Wer aufgrund des Titels eine zeitgenössische historische Erörterung erwartet, wird enttäuscht. Der Autor des Gedichts verlagert den Ursprung des Konflikts in eine mythische Parallelwelt, das Reich des Herrschers der Unterwelt, und den Kampf der Parteien ins antike Thessalien. Der versierte Grammatiklehrer und Philologe Cristiano stellt sein philologisch höchst interessantes Werk in die Tradition des antiken und spätantiken historischen Epos bzw. Lehrgedichts, direkte historische Bezüge werden bewusst vermieden. Damit gelingt es ihm, den innergesellschaftlichen, gewaltsamen Konflikt anthropologisch und psychologisch zu verankern. In einer ausführlichen Einleitung (S. 3–58) sammelt der Hg. zunächst die spärlichen Lebensdaten des Autors: 1389 wird Cristiano di Nanzio da Camerino bei der Ausschreibung eines Rhetoriklehrstuhls in Perugia erwähnt. Mehrere Traktate zur Grammatik und Rhetorik werden ihm zugeschrieben, das einzige sicher zuweisbare Werk ist der hier edierte Liber. Aufgrund des paläographischen Befunds und einer Erwähnung in einem Brief von Coluccio Salutati vom November 1405 als terminus ante quem kann das Werk sicher auf letzte Drittel des 14. Jh. datiert werden, als Entstehungsort ist Perugia anzusehen. Nach einem Inhaltsüberblick (S. 6–8) wird der Cod. Vat. lat. 2847 ausführlich beschrieben (S. 8–36). Der miscellaneus mit literarischen humanistischen Texten neapolitanischer und römischer Provenienz dürfte gegen Ende des 15. Jh. von Angelo Colocci zusammengestellt worden sein. Dabei wurde am Ende das ältere Gedicht Cristianos hinzugefügt. Aus philologischer Sicht besonders interessant sind die Ausführungen zur Metrik (S. 39–43) und zu den literarischen Vorlagen (S. 55–57): Neben klassischen Autoren wie Vergil, Ovid oder Seneca werden ausführlich auch Vertreter der silbernen Latinität, vor allem Lukan und Statius, aber auch Silius Italicus (in diesem Fall wohl auf der Basis von Florilegien, da die maßgebliche Hs. erst im Umfeld des Konstanzer Konzils von Poggio Bracciolini wiederentdeckt wurde), und der Spätantike (Claudian, Gorippus) zitiert. Angaben zu den Editionskriterien schließen die Einleitung ab. Nach einer umfangreichen Bibliographie (S. 59–91) folgt der Text der 778 Hexameter mit paralleler italienischer Übersetzung (S. 94–145). Das Gedicht schildert ein concilium in der Unterwelt, auf dem Satanas seinen schwindenden Einfluss aufgrund der Verbreitung des Christentums beklagt. Neben mythologischen Dämonen nehmen an der Versammlung auch die personifizierten menschlichen Laster teil. Der Dämon Demagoges entwickelt dabei einen perfiden Doppelplan, um die christliche Gesellschaft zu schwächen: In den heidnischen Ländern und christlichen Randgebieten soll Mohammed unterstützt werden, in Europa, wo das Christentum bereits zu stark gefestigt ist, sollen die Zwillinge Gelef und Gebel, die sich bereits im Mutterleib unversöhnlich bekämpft haben und selbst in der Hölle isoliert werden müssen, zum Einsatz kommen, um die christliche Gesellschaft durch Zwietracht und Bruderzwist zu zerstören. Auf die Erde losgelassen, stellen beide in Thessalien Heere auf, die sich unerbittlich bekämpfen, und stürzen das Land ins Chaos. Bei einem Zweikampf in der Gegend von Sparta stürzen beide durch die dortige Pforte des Inferno in die Hölle zurück. Bei dem sprachlich anspruchsvollen und an vielen Stellen erklärungsbedürftigen Gedicht sind die Leserinnen und Leser sicher für die beigegebene Übersetzung und den folgenden äußerst ausführlichen Stellenkommentar (auf über 180 S.!) sehr dankbar. Mehrere Indizes (ein lateinisches Wortverzeichnis, ein Quellenverzeichnis und ein Personenindex) runden die Ausgabe ab. Die vorliegende, sehr gelungene Edition wird zweifelsohne in erster Linie Philologinnen und Philologen ansprechen. Sie bietet aber darüber hinaus wichtige Einblicke in die humanistische Rezeption antiken und spätantiken Gedankenguts und besticht durch die innovative und individuelle literarische Aufarbeitung des historischen Konflikts zwischen Guelfen und Ghibellinen, der die Politik und das alltägliche Leben des 14. Jh. prägte. Der gewählte anthropologische und psychologische Aspekt macht die Lektüre aus kulturwissenschaftlicher Sicht auch für Historikerinnen und Historiker interessant, wenn sie die Mühe auf sich nehmen, sich durch den schwierigen Text zu kämpfen. Auf jeden Fall ist dem Hg. und dem Verlag für die wichtige editio princeps zu danken.
Thomas Hofmann
Miri Rubin (Ed.), Modus Vivendi. Religious Reform and the Laity in Late Medieval Europe, Roma (Viella) 2020 (Viella Historical Research 19), 152 S., ISBN 978-88-331-3706-3, € 39.
Das, was im 14. und 15. Jh. an kirchlichen Reformen in Angriff genommen wurde, betraf nicht allein Angehörige des Ordens- bzw. des Weltklerus. Miteingebunden waren auch Laien, die zu Recht und erfolgreich eine stärkere Mitwirkung in Glaubensdingen einforderten. In vorliegendem Bd., Frucht eines an der Universität Turku angesiedelten Forschungsprojekts, wird christliches Leben, so wie es von unterschiedlichen, miteinander agierenden geistlich-weltlichen Gruppen imaginiert und verwirklicht wurde, in sieben Beiträgen untersucht. Die geographische Spannbreite reicht dabei von observanten Bewegungen in Italien über die Devotio moderna in den Niederlanden bis hin zu häretischen Zentren in Österreich, Böhmen und Mähren. Was hieß es, als „guter Christ“ zu leben und zu sterben? Welcher modus vivendi versprach am ehesten, erfolgreich den Weg einer imitatio Christi zu beschreiten? Denn allen war klar, dass mehr aufgeboten werden musste als heroische Ausnahmegestalten, Virtuosen des Glaubens, denen zwar volle Bewunderung zukam, deren Leben nachzuahmen aber insbesondere die Laienwelt vor unüberwindliche Hindernisse stellte. Für sie war allein die Zugänglichkeit der christlichen Glaubenslehre von Bedeutung. Kritik an scholastischem Räsonieren im universitären Elfenbeinturm gab es seit dem 13. Jh. Hatte nicht Jacopone da Todi (gest. 1306) das Bonmot geprägt: „Paris, Du hast Assisi zerstört“? Stephen Mossmann zeigt am Beispiel dreier Reformpersönlichkeiten aus dem Rheinland – Jan van Ruusbroec (1293–1381), Johannes Tauler (c. 1300–1361), Rulman Merswin (1307–1382) –, wie man sich im 14. Jh. zwar anti-akademisch positionierte, dabei aber auf all diejenigen Werke elaborierter philosophischer Spekulation zurückgriff, die doch so wortreich verurteilt wurden. Alle drei vertraten die Auffassung, dass göttliche Erleuchtung weniger durch dialektisches Argumentieren als durch Inspiration erreicht werden könne, und dass diese Inspiration kein Ausfluss universitärer Gelehrsamkeit sein müsse. Dies musste die Laienwelt hoffnungsvoll stimmen. Mathilde van Dijk untersucht die Aussagen zur Ehe, die Dirc van Herxen, Bruder vom Gemeinsamen Leben, in einer Sammlung von Predigten (collationes) und Dionysius der Kartäuser in einem Traktat („De laudabili vita conjugatorum“) präsentierten. Mit Hilfe von „serious interpretive gymnastics“ (S. 72) war es vor allem Dionysius, der von der Forschung als „decidedly unoriginal“ (S. 84) verschriene, notorische Vielschreiber, der verheirateten Eheleuten Hoffnungen machte: auch innerhalb der Ehe ließe sich der Weg zur spirituellen Vervollkommnung beschreiten. Als Sakrament wirke die Ehe gnadenreich und gottgewollt als Bollwerk gegen die Sünde. Undeutlich bleibt, ob und wie diese Werke innerhalb der Laienwelt tatsächlich auch rezipiert wurden. Marika Räsänen stellt die berechtigte Frage, in welchem Maße der Kult des Thomas von Aquin (kanonisiert 1323) eine Botschaft der Erneuerung in die Laienwelt hinein aussandte. Sie vertritt die These, es sei Elias Raymundus, der Generalmagister der Dominikaner (1367–1378/1399), gewesen, der das Potential dieser Verbindung erkannt und in seinem Sinne genutzt habe. Von zentraler Bedeutung in dieser Beziehung ist die Rolle, die Thomas von Aquin bei der Abfassung der Liturgie für das neu eingeführte Fronleichnamsfest (1264) spielte, das die Massen nicht nur in Orvieto anzog und faszinierte. Zwei Beiträge widmen sich der Bedeutung des Kampfes gegen häretische Umtriebe für eine Definition dessen, was als Kern eines christlichen modus vivendi zu gelten hat. Während Reima Välimäki am Beispiel des Inquisitors Peter Zwicker, der um 1400 in Österreich die waldensische Häresie verfolgte, der Bedeutung von Inquisitorenpredigt als zentralem Bestandteil der Kommunikation zwischen Inquisitor und Laien nachspürt und diese als wichtigen Bestandteil einer „pastoralization of heresy“ (S. 69) würdigt, richtet Antonín Kalous den Blick auf das in Böhmen und Mähren entfaltete Wirken observanter Franziskaner vom Schlage eines Giovanni di Capestrano im Kampf gegen die utraquistische Häresie. Cécile Caby behandelt in ihrem Beitrag die Reform des Klosters Santa Fiora und Lucilla in Arezzo in der zweiten Hälfte des 15. Jh. und spürt dabei der Rolle des 1446 eingesetzten Abtes Girolamo Aliotti nach, eines „well-connected cultural broker“ (S. 109), der seine vielfältigen Kontakte zur Kurie mit ihren humanistischen Zirkeln dazu nutzte, in Arezzo das zu verwirklichen, was ihm in Gestalt von Santa Giustina in Padua als bereits erfolgreich agierende Reforminstitution vor Augen stand. Die Reform war „a matter of rhetorical elaboration“ (S. 119), befördert von einer Unzahl (lateinischer) Briefe Aliottis. Nicht nur das Beispiel Arezzo zeigt, dass erfolgreiche Reformen der Mitwirkung von Laien bedurften. Meri Heinonen führt diesen Aspekt mit Blick auf die Situation in Nürnberg weiter aus. Dort konnte 1428 der dominikanische Katharinenkonvent reformiert werden. Deutlich wird, welche Rolle Bücher bei dieser Reform spielten – Bände, die als Geschenk von Laien (Männern und Frauen) in die Bibliothek gelangten. Insbesondere die Zahl der Bibelhss., die sich ursprünglich in den Händen von Laien befand, ist hoch, was nachdrücklich belegt, „that the books owned by the laity did not differ much from those owned by nuns, and that this was true of the biblical books, too“. (S. 129) Ein Index der Namen, Orte und Sachen beschließt einen anregenden Bd., der zwar nicht in jedem Fall mit einer Fülle neuer Informationen aufwarten kann, der aber eindrücklich vor Augen führt, wie vielgestaltig die Wege waren, die im späten Mittelalter in Richtung eines gottgefälligen modus vivendi beschritten werden konnten.
Ralf Lützelschwab
Brigide Schwarz, Alle Wege führen über Rom. Beziehungsgeflecht und Karrieren von Klerikern aus Hannover im Spätmittelalter, Göttingen (Wallstein) 2021 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 302), 572 S., Abb., ISBN 978-3-8353-3455-7, € 49.
Dass die Beschäftigung mit den gelehrten Räten der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und damit einem auf den ersten Blick eher regionalen Thema zu grundlegenden Fragen nach den (kirchlichen) Karrierefaktoren des Spätmittelalters, dem Pfründenerwerb, den Kurienämtern und der vatikanischen Überlieferung führen würde, war zu Beginn der Beschäftigung mit diesem Thema für die Autorin nicht gleich zu erahnen, wie sie in ihrem Vorwort darlegt. Ausgehend von dem aus einer hannoverschen Bürgerfamilie stammenden Ludolf Quirre († 1463) ließ sich beobachten, dass er sowie eine Reihe weiterer Bürgersöhne dieser Stadt im 15. Jh. erstaunliche Karrieren machten, hohe Kirchenämter und sogar Bischofsstühle erlangten. Bei näherer Betrachtung zeichnete sich ab, dass vor allem die personellen Netzwerke, die „Seilschaften“, den wichtigsten Karriere-Faktor darstellten, der unter Einbeziehung der römischen Kurie genutzt wurde. Diesem Themenfeld in seinem weiten Horizont nachzuspüren, war eines der wissenschaftlichen Hauptinteressen von Brigide Schwarz, die dazu in den Jahren 1996 bis 2001 u. a. jene zehn Aufsätze vorgelegt hat, die bisher zum Teil nur an entlegenen Stellen zugänglich waren und sich in erster Linie an eine speziellere Leserschaft richteten, wie der Beitrag zu Volkmar Anderten, dem Mitbegründer der Ratsbibliothek Hannover und Offizial von Lübeck (hier S. 277–292). Nun werden sie in umfangreich aktualisierter und mit einem Geleitwort von Arnold Esch sowie einem sehr brauchbaren Register versehener Fassung in den „Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen“ posthum vorgelegt. Methodisch betrachtet ist die Verbindung der vatikanischen Quellen mit der lokalen Überlieferung richtungsweisend – dies bleibt eines der wichtigsten Verdienste der Autorin. Denn nur durch diesen Ansatz lassen sich zwei Überlieferungsstränge erst wirklich erkenntnisreich zusammenführen, die einzeln betrachtet nur eingeschränkte Aussagekraft haben. Dies wird im vorliegenden Buch in bester Manier vorexerziert – eine Kunst, die Brigide Schwarz durch ihre tiefe Vertrautheit mit der vatikanischen und der lokalen Überlieferung, zu der auch der Austausch mit Ulrich und Gesine Schwarz beitrug, denen das Buch gewidmet ist, in einzigartiger Weise verstand. Die Aufsatzsammlung beginnt beim bereits genannten Ludolf Quirre (S. 45–123). An seinem Aufstieg wird dargelegt, wie ein Bürgersohn aus einer norddeutschen Landstadt unter Einbeziehung Roms ein Beziehungsgeflecht aufzubauen vermochte, das ihm ein Kanonikat am welfischen St.-Blasius-Stift in Braunschweig, die dortige Pfarrei St. Andreas und die Propstei am Halberstädter Dom einbrachte. Daran schließen sich die Aufsätze zu Dietrich Reseler, Johann Schele und Lodolf Grove an, die den Bischofsstuhl in Dorpat, Lübeck bzw. Ösel erlangten (S. 125–222). Weitere Aufsätze betreffen die Karrierewege von Johann Ember und Hermann Pentel, die es zum Propstamt in Goslar bzw. Braunschweig gebracht haben (S. 223–275). Selbst in das adelige Domkapitel von Hildesheim war ein Zugang für hannoversche Bürgersöhne möglich, wie das Beispiel von Arnold von Hesede zeigt (S. 347–379), oder zu hohen Kirchenämtern im nordwestdeutschen Raum (S. 451–480) sowie den livländischen Diözesen (S. 381–426). Voraussetzung für diese erstaunlichen Karrieren war ein Klientelsystem, in dem Verwandte, Freunde und Vertraute die immer über Rom führenden Wege zu Kirchen- und Kurienämtern öffneten. Ein weiteres Thema betrifft die Pröpste des bei Lüneburg gelegenen Klosters Lüne, dessen Propstamt mehr als doppelt so hoch taxiert war wie die Mensa des Bischofs von Verden – dies musste zu Konflikten zwischen Konvent, regionalem Adel und Kurie führen, denen hier nachgegangen wird (S. 293–346). Wie wichtig eine Niederlassung von Medici-Verwandten in Lübeck war, wodurch der norddeutsche Raum mit dem italienischen Bankennetz verknüpft wird, zeigt die Studie zu Berthold Rike, Dompropst in Lübeck und Domkustos in Breslau (S. 427–450). Allen Aufsätzen ist gemeinsam, dass sehr viel Grundlegendes zu den Karrierefaktoren, wie (Rechts-)Studium, Netzwerke, Fürstendienst und Kontakte bzw. Aufenthalte an der Kurie, berührt und erklärt wird. Dies ist gerade mit Blick auf die nicht sonderlich gesprächige vatikanische Überlieferung hervorzuheben, die auch vor dem Hintergrund der großen Kriegsverluste der mittelalterlichen Überlieferung im Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Hannover noch zusätzlich an Bedeutung gewinnt. Es könnte an dieser Stelle noch sehr viel mehr über das vorliegende letzte Buch der Autorin gesagt werden. Blicken wir abschließend jedoch auf ihre Einleitung – weniger als einen Monat vor ihrem Tod verfasst –, in der Brigide Schwarz angesichts des stetig wachsenden Interesses der Wissenschaft nach einer aktualisierten Bündelung ihrer Aufsätze folgenden bewegenden Satz formuliert (S. 17): „Ich möchte keine wissenschaftlichen Torsi hinterlassen.“ Ihre Dissertation zu den kurialen Schreiberkollegien (1972), ihr „Index Actorum Romanorum Pontificum“ für Niedersachsen (1988), ihre Papstregesten für Niedersachsen und Bremen von 1198–1503 (1993), ihr „Repertorium Germanicum V“ zum Pontifikat Eugens IV. (2004), das sie unter Einbeziehung der Vorarbeiten von Hermann Diener bearbeitet hat, ihre Untersuchung der Kurien- und der stadtrömischen Universität (2013), wofür sie den römischen Premio Borghese erhielt, und nun ihre vorliegende Sammlung aktualisierter Aufsätze zu den Beziehungsgeflechten und Karrieren von Klerikern aus Hannover: diese und noch viele weitere Arbeiten ragen aus der internationalen Mediävistik monumental hervor und sind zentrale Eckpfeiler für die zukünftige Beschäftigung mit diesen weiten Themenfeldern.
Jörg Voigt
Giuseppe Seche, Un mare di mercanti. Il Mediterraneo tra Sardegna e Corona d’Aragona nel tardo Medioevo, Roma (Viella) 2020 (I Libri di Viella 340), 308 pp., ill., ISBN 978-88-331-3450-5, € 35.
L’indagine storico-economica e sociale sulla gran parte dei territori del Mediterraneo tardo medievale ha da sempre patito l’assenza di depositi documentari mercantili privati simili a quelli toscani, che, infatti, sono una vera e propria eccezione alla norma. Tant’è vero che proprio questi ultimi sono spesso stati utilizzati come punto di vista esterno per la ricostruzione della storia commerciale, e non solo, di molte realtà, anche di notevole caratura politica, come la Corona d’Aragona. Si pensi ad esempio all’incredibile importanza di un archivio privato come quello Datini di Prato. Nello specifico, inoltre, la Sardegna è nota per la sua speciale carenza di fonti storiche medievali, non solo di stampo privato e notarile, ma anche di natura più prettamente pubblica: una fame tanto atavica da spingere gli eruditi ottocenteschi a inventare, con significativa maestria, documenti che provassero un mitico passato nazionale sardo (i cosiddetti Falsi d’Arborea). Negli ultimi decenni, in ogni caso, diverse e produttive sono state le strade percorse dagli storici che si sono interessati di Sardegna tardo medievale (Fadda, Gallinari, Schena, Simbula, Soddu, Soldani, Tanzini, Tasca, Tognetti, Zedda, etc.), specialmente attraverso il ricorso alle fonti esterne catalano-aragonesi, pisane o liguri. Questo volume, tuttavia, è il primo risultato di un’indagine condotta su di un nucleo documentario (conservato presso gli archivi sardi) recentemente „riscoperto“ dall’autore e davvero eccezionale, non solo per la storia della Sardegna, ma per quella dell’intera Corona d’Aragona, nei cui archivi, per altri versi ricchissimi di informazioni, di fatto non è stato conservato nulla di simile. Si tratta infatti di carte private, che comprendono corrispondenza mercantile e personale, documentazione di tipo contabile e commerciale-finanziaria, attraverso le quali G. Seche getta un piccolo ma significativo fascio di luce su quella che doveva essere la rete di rapporti economici e personali intercorrenti fra gli attori del commonwealth catalano aragonese che avevano scelto come base la Sardegna alla fine del Quattrocento. Il discorso si incardina geograficamente soprattutto sulla città di Cagliari, che allora rappresentava certamente una meta secondaria del grande commercio internazionale, ma che allo stesso tempo si collocava come tappa significativa lungo le rotte mediterranee. Attraverso i documenti, sapientemente analizzati nelle loro caratteristiche diplomatistico-paleografiche, emergono informazioni sull’attività commerciale, sulle relazioni internazionali, sugli spostamenti e le strategie di ascesa sociale di una famiglia di mercanti cagliaritani tardo quattrocenteschi, ovvero i Dessì. Ma dallo studio emergono chiare e ben organizzate notizie relative anche a personaggi che per affari o ragioni familiari erano legati ai protagonisti. Inoltre, e non secondariamente, l’autore, attraverso gli episodi e le notizie raccolte nelle fonti, rivela e completa un quadro fatto di attività produttive e commerciali fino a questo momento sostanzialmente rimasto in penombra, o messo in evidenza esclusivamente da studi condotti sulle fonti iberiche o italiane. Nel volume viene alla luce anche un mondo di piccoli operatori locali, mediatori indispensabili fra i mercanti e i bottegai della città e i luoghi di produzione interni, dati non ricavabili altrimenti. L’esposizione si articola in quattro capitoli, completati da appendici riassuntive sulle caratteristiche della corrispondenza oggetto di analisi, dalla ricostruzione degli alberi genealogici dei diversi rami della famiglia Dessì, dalle tabelle relative ai movimenti navali fra la Sardegna e i diversi porti del Mediterraneo frequentati dai protagonisti, dai loro corrispondenti e dalle loro merci, e infine dalle schede delle quantità e qualità delle merci importate, esportate fuori dall’isola e spostate da Cagliari verso il resto della Sardegna. Il primo capitolo presenta al lettore la fonte e la inserisce all’interno del contesto culturale sardo. Il secondo, dopo un’attenta ricostruzione prosopografica della famiglia Dessì, si sofferma sulle caratteristiche del complesso di relazioni mercantili emergente dalla rete epistolare. Gli uomini d’affari coinvolti e gli operatori più modesti vengono raccolti per origine. Si delinea così un panorama di protagonisti iberici (per lo più valenzani) e, in maniera più inedita, italiani (in particolare napoletani) e sardi, rivelando un sistema integrato di comunicazioni fra il porto e le zone di produzione. Vengono descritte in questo modo le strategie relazionali e le evoluzioni dello scambio di informazioni, indispensabili ad orientarsi nel complesso sistema di rapporti tardomedievali. Il terzo capitolo, entrando nel vivo delle questioni economiche, prende in esame non solo le strategie del trasporto delle merci, le tempistiche di trasferimento e le oculate scelte commerciali degli operatori coinvolti, ma analizza nel dettaglio l’entità e la tipologia dei prodotti importati e soprattutto di quelli esportati: il formaggio, i cuoi, la carne salata e i cavalli, animali costosi e particolarmente apprezzati. Ma da Cagliari non partivano solo i prodotti dell’allevamento: un’inedita attività produttiva viene testimoniata per i territori circostanti il capoluogo, dove laboratori specializzati nella trasformazione dei cereali, probabilmente in mano femminile, divennero capaci di produrre tanta pasta da poterla destinare all’esportazione. Il quarto e ultimo capitolo, infine, si occupa dell’analisi della struttura del circuito commerciale e finanziario, dei movimenti di denaro e delle pratiche di registrazione e rendicontazione, nonché della risoluzione dei conflitti. Il volume in definitiva può senza timore essere considerato un punto di svolta per la storiografia sulla Sardegna e sulle sue connessioni con il resto del Mediterraneo, non solo per l’eccezionalità del ritrovamento documentario oggetto di studio, ma soprattutto per la caratura della contestualizzazione storiografica operata dall’autore.
Elena Maccioni
Davide Cristoferi, Il „reame“ di Siena. La costruzione della Dogana dei Paschi e la svolta del Tardo Medioevo in Maremma (metà XIV – inizi XV secolo), Roma (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo) 2021 (Nuovi Studi Storici 121), XII, 345 pp., ill., ISBN978-88-98079-95-7, € 30.
Bella e coraggiosa, ma anche attagliata puntualmente a una fonte, la scelta di costruire il titolo di uno studio sulla Maremma, qualificandola come „reame“. Il termine, infatti, emerge da un atto del Comune di Siena del 1399 (ASSi, Consiglio Generale, Deliberazioni, 198, c. 105r, al 14 febbraio 1398 per lo stile senese), sebbene attenuato da un „quasi“: „ll paese di Maremma … quasi si può dire essere un reame“. Nell’immaginario collettivo, invece, la Maremma è più spesso accomunata alla sua condizione dell’Ottocento, alle imprecazioni per le fatiche e la sofferenza, quando non la morte, sperimentate in un ambiente che, a quel tempo, si volle bonificare, prosciugandone le abbondanti acque stagnanti; atteggiamento ingentilito e colorito da una venatura artistica, nel testo di uno dei canti folklorici italiani più noti, che la definiva „amara“. Se tale immagine emerge da un periodo più recente rispetto all’analisi sul tardo medioevo di Cristoferi, tuttavia anche da quest’ultima sembrano risaltare due elementi non così distanti, rispetto a una visione meno magnificente della qualifica di „reame“, né secondari: il primo è che, se reame fu, come esplicitato nella stessa fonte sopra menzionata, ciò passò attraverso scelte di governo da parte della città: „quando fusse ben governato e custodito“, continua infatti la deliberazione di fine Trecento. E il libro di Cristoferi, appunto dei modi di governarla si occupa. Inoltre, prima ancora, la deliberazione aveva specificato, che è „quello che può dare richeça e abondança e tesori a la nostra città più che niuno altro“. Con ciò, viene abbastanza chiaramente espressa la prospettiva con cui furono amministrate le terre di Maremma, vale a dire drenando risorse a vantaggio della dominante. Il libro consta di circa duecento pagine di testo, distribuite in quattro capitoli più le conclusioni, di un’appendice molto interessante, articolata in grafici e tabelle per un centinaio di pagine, e delle restanti cinquanta scarse di apparati di indice. Nel primo capitolo, più breve degli altri (una ventina di pagine) vengono presentate le fonti, di certo ricche ma che hanno comunque richiesto non solo un ampio lavoro per controllarle con attenzione ma anche per integrare quelle dirette delle istituzioni preposte al governo della Maremma e quelle del Comune di Siena con altre, in particolare quelle delle comunità maremmane, con le loro petizioni a Siena, le sottomissioni, gli statuti. Il secondo capitolo che, con le sue sessanta pagine circa, è anche il più ampio, segue il processo di costruzione della Dogana dei Paschi che è, dal punto di vista istituzionale, il principale elemento di interesse del caso senese, essendo una creazione innovativa che non aveva altri esempi quando venne ideata, pochi anni dopo la gravissima crisi connessa alla diffusione della peste del 1348. Allora, già da molti decenni Siena deteneva il controllo di molti pascoli maremmani che aveva incamerato tramite accordi, conquiste, sottomissioni di signori laici ed ecclesiastici e di comunità locali più o meno grandi. Ma, in quel momento, risultò evidente che il guadagno per la città rischiava di assottigliarsi. Di fronte a tale congiuntura, i Nove elaborarono il profondo progetto di riforma della gestione delle pasture controllate da Siena, che diveniva diretta, tramite pubblicizzazione dei pascoli per il bestiame transumante. Si deve pensare che questa misura guardava non solo all’allevamento ma anche all’agricoltura: le terre maremmane avevano bisogno di concime per le produzioni cerealicole e di braccia che le lavorassero. Cristoferi presenta come, nel giro di qualche decennio, sebbene con battute di arresto, l’impresa decollò favorevolmente per Siena e individua anche a scapito di chi: i precedenti titolari del dominio sulle terre maremmane, signori, comuni e comunità più piccole. Quello che lo studioso definisce „l’appettito di Siena per l’erba“ (p. 99) venne soddisfatto in tre tappe: precedentemente alla Dogana, erano state introdotte e sviluppate le gabelle delle comunità, alla fine del Duecento; un sistema di tasse dirette e indirette organizzava la rendite delle corti, compresi i pascoli di recente annessione a Siena. Poi si passò, dal 1353, all’avvio della gestione pubblica, unitaria e monopolistica, sotto l’ufficio dei Paschi; infine, col secolo XV, decollò la vera e propria messa a Dogana. Questa impiantò un’organizzazione centralizzata delle operazioni su tutta la Maremma senese per l’assegnazione dei pascoli, per i pedaggi, per le confinazioni tra bestiame transumante e quello delle comunità, per l’amministrazione della giustizia e dei danni dati. Le conclusioni cui Cristoferi giunge sono di un territorio depauperato di uomini e insediamenti, da cui Siena trasse cospicue entrate – oltre 320 000 fiorini in quarantadue esercizi – per l’erbatico e per il passaggio del bestiame transumante. Se per De André dal letame nascono i fiori, secondo Cristoferi furono piuttosto fiorini e a tutto vantaggio della regina Siena, la quale lasciava al reame l’altro elemento del verso.
Mario Marrocchi
Mario Prignano, Giovanni XXIII. L’antipapa che salvò la Chiesa, prefazione di Walter Brandmüller, Brescia (Editrice Morcelliana) 2019 (Storia 98), 509 S., ISBN 978-88-372-3322-8, € 35.
Kein anderer Nachfolger Petri in der für die Geschichte der Kirche so dramatischen Zeit des Schismas hat eine ähnlich negative Beurteilung gefunden wie Baldassarre Cossa (* 1370 circa, † 22.12.1419). Die einzige Monografie zu Cossa ist über 100 Jahre alt. Die meisten modernen Historiker (Ausnahme: François-Charles Uginet in: DBI, Bd. 55, Roma 2001) folgen der negativen Beurteilung Johannes’ XXIII., die vor allem auf der Biografie Dietrichs von Niem basiert, seines Erzfeinds an der Kurie. Mario Prignano widerspricht einem vorherrschenden Urteil provokant bereits mit dem Untertitel seines Buches. Cossa, der erfahrene Kuriale und Kämmerer des Napoletaner Papstes Bonifaz IX., wurde von diesem 1402 zum Kardinal ernannt; nach dessen Tod am 17. Mai 1410 von der Pisaner Fraktion gewählt und ordiniert, nahm den Namen Johannes XXIII. an und berief 1411 ein Unionskonzil nach Rom ein. Dieses Konzil und die Rolle Johannes’ XXIII. steht im Zentrum des Interesses Prignanos. Nach ihm war Cossa kein Gegner der via concilii, hoffte aber lange, einen italienischen Tagungsort ohne Einflüsse von außen (so vom Kaiser) erreichen und ein von den Kardinälen getragenes Universalpapsttum in seiner Person durchsetzen zu können. Unverständlicherweise hatte er aber „seinen“ Kardinälen carta bianca für die Verhandlungen mit Sigismund gegeben, der sich für Konstanz entschied. Cossa hatte sich im Herbst 1414 als einziger der drei Rivalen dorthin begeben, war dann aber am 20. März 1415 heimlich aus Konstanz geflohen, im Bodenseegebiet umhergezogen, und trotz mehrmaliger Zusage eines Amtsverzichts (via cessionis) gefangen, als Simonist abgesetzt und schwerer moralischer Vergehen beschuldigt worden. Gemäß Prignano hatte er gehofft, das Konzil zum Scheitern zu bringen, und fürchtete zugleich, es werde ihm wie einst Coelestin V. ergehen: im Kerker eingesperrt zu sterben. Die offensichtlichen Widersprüche in der Person Cossas kann auch Prignano nicht aufklären, auch für ihn bleibt er „contradittorio et incerto“ (S. 462), aber eben auch „l’antipapa che salvò la Chiesa“. Dazu hatten auch die Medici beigetragen, die Cossa zu seinen Bankiers gemacht hatte. Nach Flucht und Gefangenschaft kam er durch den Konstanzer Papst Martin V. Colonna gegen eine Zahlung von 36 000 Kammergulden frei, kehrte ins heimische Italien zurück und unterwarf sich Martin am 14. Juni 1418 in Florenz im Talar eines Juristen. Er starb – von Martin V. wieder als Kardinal eingesetzt – ebendort am 22. Dezember 1419. Eine Lektüre der sorgfältig aufgebauten, breit auf die Quellen auch aus Florenz (Fondo Mediceo avanti il Principato) und Venedig (Fondo senato 1418–1421) abgestützten, gut lesbar geschriebenen Biografie lohnt sich. Gewiss wird aus Baldassarre Cossa, dem napoletanischen Seefahrer und Piraten, kein Heiliger und Prignanos Buch kommt ganz und gar nicht in den Verdacht der Hagiographie. Der Clan Cossas, wie die Florentiner Briefe seiner Neffen zeigen, hatte sich wie üblich von seiner Kreation zum Kardinal und besonders nach der Wahl zum Papst materiellen Gewinn und sozialen Aufstieg erhofft. Der erfahrene Jurist und geschickte Taktiker Baldassarre Cossa aber förderte keinen neuen Papstclan, sondern wahrte schlussendlich erfolgreich die Einheit der Kirche.
Ludwig Schmugge
Clémence Revest, Romam veni. Humanisme et papauté à la fin du Grand Schisme, Ceyzérieu (Champ Vallon) 2021 (Époques), 425 S., graph. Darst., Kt., ISBN 979-10-267-0963-3, € 30.
Die Autorin bezieht sich in den Titelworten „Romam veni“ auf das Incipit von Leonardo Brunis Briefsammlung. Deren erster Eintrag ist ein Brief, mit dem sich der spätere Kanzler von Florenz Papst Innozenz VII. (1404 bis 1406) vorstellt. Wie Bruni verdankten dem aus neapolitanischem Adel stammenden Pontifex und den anderen Päpsten des ersten Viertels des 15. Jh. etliche führende Humanisten – Antonio Loschi, Pier Paolo Vergerio, Francesco Zabarella, Pietro Donato, Gasparino Barzizza, Manuel Chrysoloras, Bartolomeo Capra, Francesco da Fiano – eine Anstellung an der Kurie in Rom, die damit zu einem kulturellen Zentrum wurde, was in der Zeit des Großen Abendländischen Schismas ein auch (kirchen-)politisches Signal war. Unter diesen Päpsten brillierten dank der in der Apostolischen Kanzlei tätigen Humanisten nun erstmals die päpstlichen Schreiben mit verbessertem Latein. Allerdings hatte man mehr Gestaltungsspielraum in orationes wie Grabreden, in denen für das Lob der Verstorbenen die antikrömischen Heroen als Vorbilder erscheinen (S. 290–292). Um die Netzwerke dieser rund 80 Humanisten, die vor allem aus Nord- und Mittelitalien stammten, zu rekonstruieren (s. auch die Kurzprofile im Anhang S. 359–400), zieht die Vf. die vatikanische Briefregisterüberlieferung und humanistische Sammelhss. heran. In ihren Briefsammlungen haben Leonardo Bruni und Poggio Bracciolini an ihren „légendes de pionniers“ mitgestrickt (S. 29). Angesichts der Konzilien von Pisa und Konstanz stieg der Bedarf an Kommunikation. Von Antonio Loschi, der den Päpsten von Bonifaz IX. bis Eugen IV. diente, ist sein Privatarchiv in der Heimatstadt Vicenza mit 15 an ihn gerichteten Bullen erhalten, von denen man nur zwei auch in Abschriften des Vatikans kennt (S. 231). Man muss also stets die Lücken der Überlieferung mitdenken. Die Vf. lässt die Leserinnen und Leser an der Wiederentdeckung der Kirchenväter, der obsessiven Cicero-Verehrung und der Jagd nach Manuskripten teilhaben. Mitunter führte man Herkunftsmythen bis in die Antike zurück (s. S. 84, 333 f. zu denjenigen um die Familien Miani und Stefaneschi). Die Karrieren von Francesco Pienibeni und Francesco Pizolpasso belegen, dass man dank seines intellektuellen Rufs sogar vom Notar zum Erzbischof aufsteigen konnte (S. 81, 84). Unabdingbar war bei aller Gelehrsamkeit allerdings auch die materielle Versorgung mit Kurienämtern und Kirchenpfründen (S. 224–236). In Konstanz betrieben die italienischen Kurialen eine Art produktiven Müßigang, konnten sie doch von dort aus – beispielsweise in St. Gallen – Ausschau nach Hss. halten (S. 36–40, 175 f.). Den Humanisten war die Beendigung des Schismas ein Herzenswunsch, was sie gegen die eidbrüchigen Gregor XII. und Johannes XXIII. aufbrachte (S. 143–162). Unter den gelehrten Praktiken dominierte das Postulat der Erneuerung des Lateins. Es entwickelten sich schon damals Handlungsweisen, die man bald als typisch für die Humanisten empfand, wie die Suche nach einem mächtigen Mäzen, den man auch gehörig zu umwerben verstand. Der Poet hatte für den guten Nachruhm seines Herrn zu sorgen (S. 266–272). Für die Stilmittel zog man auch die ars dictandi und den stylus curie romane heran (S. 299–306). Als Kennzeichen der humanistischen Rhetorik gelten u. a. der Imperativ, der Wechsel zwischen kurzen und komplexeren Sätzen, die rhetorische Frage, Zitate nach antiken Autoren usw. Herauskam in den päpstlichen Schreiben ein „syncrétisme entre rhétorique classicisante et rhétorique pontificale“ (S. 315). Kritik von konservativer Seite blieb nicht aus, bis hin zum Vorwurf der Idolatrie (S. 319). Für den Gegenstoß schrieb Francesco da Fiano den Traktat „Contra oblucatores et fellitos detractores poetarum“. Die Humanisten taten sich auch durch offene Kirchen- und Kurienkritik hervor. Vorbildlich seien dagegen die Urchristen wie Petrus und Paulus gewesen (S. 326–332). Die Analyse eines Briefs des Jacopo Angeli da Scarperia an Manuel Chrysoloras, in dem er dem Griechen ein nahezu „cäsaropapistisches“ Bild des Papsttums zu vermitteln versuchte (S. 338–341), zeigt trotz vieler antiker Bezüge noch etliche mittelalterliche Elemente. Dies unterstreicht einmal mehr (und man könnte hierzu auch die andauernden Schwierigkeiten bei der Lektüre antiker Inschriften anführen), dass sich der Humanismus auch an der Kurie in einem längeren Prozess entfaltete. Von der Antikenbegeisterung der Frühhumanisten profitierten die Römer allerdings nicht. Sie wurden ob ihres ignoranten Umgangs mit dem antiken Erbe hart kritisiert, und man sah die Roma instaurata eher unter päpstlicher als kommunaler Ägide realisierbar (S. 344–347). Mit Blick auf die erneuerte Latinität beschließt die Autorin ihren Bd. mit den Worten: „La culture de Rome serait celle du pape et des humanistes, non du peuple et de la commune“ (S. 350). Allerdings fehlte es – man denke an Cencio Rustici und Benedetto da Piglio – schon in der ersten Generation dieser kurialen Humanisten nicht gänzlich an gebürtigen bzw. aus Latium eingebürgerten Römern, die zunehmend auch an der weiteren Entwicklung des Humanismus in der Ewigen Stadt partizipieren sollten.
Andreas Rehberg
Philipp Thomas Wollmann, Litterae der Apostolischen Pönitentiarie in partibus (1400–1500). Ein Beitrag zur kurialen Diplomatik, Wiesbaden (Harrassowitz) 2021 (Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte 68), XXXVI, 323 S., Abb., ISBN 978-3-447-11732-6, € 65.
Es war ja absehbar, dass die Covid 19-Pandemie auch einmal Eingang in den Erarbeitungsprozess von wissenschaftlichen Arbeiten finden würde. Aus der Not kann man dann gelegentlich auch eine Tugend machen. Dies ist der Fall in der überarbeiteten Fassung der Masterarbeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters der MGH Philipp Thomas Wollmann. Ohne erst den Anspruch von Vollständigkeit zu erheben, beschränkt er seine Edition von 140 Pönitentiarie-Urkunden aus den Jahren von 1407 bis 1500, die er entweder in ihm zugänglichen Archiven oder in Digitalisaten über die einschlägigen Archivplattformen (insbesondere monasterium.net) heranziehen konnte. Das vom Autor pragmatisch gesammelte Material stammt zu 46 % aus Österreich, zu 21 % aus Bayern und zu 33 % aus Baden-Württemberg. Ein Vorteil des österreichischen Anteils ist, dass er anders als in Bayern noch nicht zentralisierte Klosterarchive umfasst, wo die Aussonderungen und Verluste durch die Jh. nicht so drastisch ausgefallen sind (S. 109 f.). Die solide Einführung macht mit den Funktionsweisen der Apostolischen Pönitentiarie, der obersten Beichtbehörde an der Kurie, mit deren Personal und Urkundenproduktion vertraut. Einige Bereiche erhalten besondere Aufmerksamkeit. So erfährt man von der Einführung von Amtssiegeln an der Pönitentiarie als Zeichen eines besonderen Selbstbewusstseins (S. 115), wobei der Großpönitentiar sein Siegel an den Urkunden des officium maius und die auch an den großen Basiliken Roms tätigen Minderpönitentiare das ihre an die litterae ecclesiae (d. h. Beichtbescheinigungen) aus dem officium minus anbrachten. Die auf beiden Siegeltypen zu findenden gekreuzten Schlüssel verdeutlichen augenscheinlich, dass diese Behörde ihre Vollmachten aus der päpstlichen Binde- und Lösegewalt bezog. Mit etwas mehr als einem Drittel der untersuchten Ausfertigungen bilden die Beichtprivilegien die größte Gruppe der in partibus überlieferten Originalurkunden aus der Pönitentiarie. In den Supplikenregistern, die für das Reich im „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“ (RPG) ediert vorliegen, stehen dagegen die Matrimonialsachen an oberster Stelle. Man hat es also bei der Überlieferungslage mit erheblichen Divergenzen zu tun. Zuvor allerdings macht der Autor die Leserinnen und Leser mit den verschiedenen Formularen vertraut. Zu unterscheiden sind Beichtprivilegien wie die der freien Wahl des Beichtvaters (meist mit einer Gültigkeit von fünf Jahren), Absolutionen (von Exkommunikation) oder Dispense (wie die als sog. Butterbriefe bekannten Fastendispense, diejenigen vom Geburts- oder Altersmakel, von körperlichen Defekten oder von Ehehindernissen). Die Kategorie „De diversis formis“ umfasste persönliche Gunsterweise und Bestätigungen bei Deklarationen, Messfeiern (bei Interdikt!), Pilgerreisen, Tragaltären (wichtig für die Mobilität von Geistlichen) und Beichtbriefen zu in Rom abgelegten Beichten (litterae ecclesiae). Letztere waren wohl „Massenproduktion“ (S. 116) und wurden deshalb in Rom nicht eigens registriert und gingen – so der Autor – aufgrund ihrer geringen rechtlichen Bedeutung nach dem Tod des Interessenten meist verloren. In einem eigenen Kapitel zu Überlieferungschance und Überlieferungszufall (S. 105–114) erklärt der Vf. die Ausschläge nach oben bei der Nachfrage u. a. durch die Wiederannäherung Deutschlands an die Kurie nach der Zeit des Basler Konzils sowie durch das Hl. Jahr 1450. Der Rückgang bei einigen Urkundenarten wie den Beichtprivilegien war aber auch eine Folge der Durchreise von Legaten, Nuntien und Kollektoren. Der Vf. führt weitere triftige Gründe dafür an, statistischen Auswertungsversuchen skeptisch gegenüberzustehen. Interessant ist, dass für den Zeitraum 1458–1500 von 54 überlieferten Urkunden in partibus genau die Hälfte (27) auch in den erhaltenen Supplikenregistern bzw. im RPG zu finden ist (zur Konkordanz s. S. 298–302). Das Hauptkriterium für die Registration war, dass die Urkunden auf spezielles päpstliches Geheiß und nicht nur vom Großpönitentiar allein erteilt worden waren. Gelegentlich kann man dem Autor allerdings nicht ganz folgen. So sieht er die Beichtprivilegien mit dem häufigen Ut anime-Formular wegen ihrer Ungültigkeit nach fünf Jahren in ihrer Überlieferungschance als besonders gefährdet an (S. 113). Warum haben sich dann aber so viele (34!) litterae gerade dieser Art erhalten? Darauf ist gleich zurückzukommen. Was die Edition selbst betrifft, so stammen die 140 Urkunden vor allem aus Archiven aus Baden-Württemberg, Bayern und Österreich. Aus pragmatischen Gründen wird auf die Maßangaben verzichtet. Die Transkription der – nur selten näher kommentierten – Stücke wird durch den Abgleich mit der Formelsammlung des Walter Murner aus Straßburg erleichtert. Anders als im RPG schimmern in der vorliegenden, durch Alltagsanliegen geprägten Sammlung die mittlerweile sprichwörtlichen „wahren Geschichten“ (Arnold Esch) aus dem Pönitentiarie-Material nur selten durch. So erhielt ein Professe des Augustiner-Chorherrenstifts Herzogenburg in der Diözese Passau 1422 Dispens vom körperlichen Makel, einem bleibenden Schaden am Zeigefinger, der einer Verletzung der linken Hand beim Tischdienst und der anschließenden missglückten Verarztung durch inkompetente Chirurgen geschuldet war (S. 138–140 Nr. 15). Ein Mönch hatte einst sein Kloster verlassen, sich Söldnern angeschlossen, geplündert und Morde begangen, wonach er wieder zurückkehrte und vom Abt inhaftiert wurde. Seine Absolution wurde mit dem Verbot der Ausübung geistlicher Amtspflichten und des Empfangs der Priesterweihe verknüpft (S. 230 f. Nr. 90). Was nun die aufgeworfene Frage nach der ungleichgewichtigen Quellenlage betrifft, hätte man die Urkunden aus den herangezogenen Archiven nun doch etwas mehr verzahnen können. Unverkennbar ist, dass die drei Urkunden aus dem Hohenlohe-Zentralarchiv den Kreis einer Verwandtengruppe (derer von Weinsberg) betrifft. Alle vier Urkunden aus dem Prämonstratenserstift Schlägl im oberösterreichen Mühlviertel betreffen den langjährigen Propst Andreas Rieder (im Amt von 1444 bis 1481), der von 1450 bis 1462 mindestens dreimal an der Pönitentiarie vorstellig geworden war (S. 200, 203, 223, 234). Es ging ihm dabei vorrangig um Beicht- und Fastenprivilegien. Drei Urkunden aus dem Kloster Frauenchiemsee – es handelt sich weitgehend um Beichtprivilegien Ut anime – betreffen den Priester Wolfgang Schöndorfer († 1507) (S. 281, 286, 289). Aus Ernest Geiss, Geschichte des Benedictiner-Nonnenklosters Frauen-Chiemsee, München 1850, S. 94–96, erfährt man, dass die Äbtissin dieses Klosters ihren Kaplan, der in ihren Diensten öfter in Rom geweilt hatte, beerbte, was wohl die Aufnahme seiner urkundlichen Hinterlassenschaft in das Klosterarchiv erklärt. Diese Beobachtungen legen nahe, dass man Pönitentiarie-Urkunden offenbar vor allem da finden kann, wo sich noch die archivalischen Erbstücke von Einzelpersonen – bei Stiftungen oder Besitztransfers – erhalten haben. Vielleicht waren es neben der sorgfältigen Ausführung und dem Amtssiegel dieser Schriftstücke die besonderen an Rom gebundenen Entstehungsumstände, die sie auch über ihre begrenzte Gültigkeitsdauer hinweg für erhaltenswert erscheinen ließen. Außerdem erscheint damit plausibel, dass Urkunden aus der Pönitentiarie über die Ständegrenzen hinweg weit mehr nachgefragt wurden, als es die heutige drastisch reduzierte Überlieferung vermuten lässt. Damit ist immer noch nicht der besondere Nutzen dieser Edition ausgeschöpft. Denkbar sind weitere kulturgeschichtliche Fragestellungen und die Vertiefung des römischen Pönitentiarie- und Kanzleipersonals, die durch die sorgfältigen Indizes erleichtert werden.
Andreas Rehberg
Cécile Troadec, „Roma crescit“. Une histoire économique et sociale de Rome au XVe siècle, Roma (École française de Rome) 2020 (Bibliothèque des Écoles françaises dʼAthènes et de Rome 385), 555 S., Abb., ISBN 978-2-7283-1402-7, € 40.
Thema des ambitionierten und anregenden Buches ist die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Rom in deren langem 15. Jh. Seine Grundproblematik sei direkt zu Beginn angesprochen: Die Studie ist eine leicht gekürzte Version der am 3.12.2016 eingereichten, an der Pariser Sorbonne in cotutelle mit der Università Roma Tre entstandenen, von Élisabeth Crouzet-Pavan und Jean-Claude Maire Vigueur betreuten Doktorarbeit der Vf., die ein Thema zu bearbeiten hatte, das in diesem überdimensionierten Zuschnitt eine völlige Überforderung für jeden Doktoranden dargestellt hätte, mit Blick auf Quellen, Literatur und das Spezifikum Rom. Im Zuge der knapp vierjährigen Überarbeitung sind keine substantiellen Änderungen vorgenommen worden. Einige wenige Literaturtitel sind eingepflegt worden; das 2016 erschienene – für das behandelte Thema fundamentale, auf jahrzehntelangen Recherchen basierende (mittlerweile in italienischer Übersetzung vorliegende) – Buch „Rom. Vom Mittelalter zur Renaissance“ von Arnold Esch zählt nicht zu diesen. Seine Arbeiten wurden lediglich bis zum Jahr 2006 berücksichtigt (ähnlich ist es weiteren Autoren insbesondere des deutschen Sprachraumes, aber auch Italienern ergangen). Dies ist bedauerlich, nicht nur daher, weil so die Chance vergeben worden ist, sich mit der neuesten Literatur generell und Gesamtdarstellung zu genau dem Thema auseinanderzusetzen, sondern auch, weil Troadec manches Mal eine explizite Frontstellung gegen Thesen Eschs (und anderer wie Massimo Miglio und Anna Modgliani) einnimmt, sich dabei aber auf seine älteren Arbeiten beruft und sie auch eher rudimentär verwertet (S. 175, 246). Hingegen sieht die Arbeit sich selbstbewusst als ein Komplement zu den Büchern von Chris Wickham (Medieval Rome, 2015) und Maire Vigueur (L’Autre Rome, 2010). Methodisch positioniert sich Troadec im Kontext einer „nouvelle sociologie économique“, welche einen Dialog zwischen Geschichte, Wirtschaft und Anthropologie herstelle (S. 23). Es geht also um nicht weniger als die Geschichte Roms in den Jahren 1378–1527, unter der gleich zu Beginn geäußerten (irrigen) Prämisse, Rom sei als Kommune im italienischen Kontext forscherisch unterbelichtet, und es gelte, seine eigentliche Stadtgeschichte von seinem Mythos und vom Papsttum abgelöst zu betrachten; außerdem, eine angebliche Modernisierungsthese (in Abkehr vom Mittelalter) zu differenzieren bzw. falsifizieren. Dieser Versuch, das von Maire Vigueur für den Zeitraum vom 12.–14. Jh. aufgestellte Paradigma für den Zeitraum nach der Rückkehr des Papsttums aus Avignon fortzusetzen, klingt erfrischend, erweist sich allerdings in der Zeit der neuerlichen Konsolidierung des Papsthofes und der Entstehung des frührinascimentalen Rom als reichlich zugespitzter Ritt auf der Rasierklinge. Ihre Quellenbasis verdeutlicht die Autorin zu Beginn: Von den Bevölkerungszählungen und diversen Statuten sowie kirchlichen Archiven über den Bestand der Camera Urbis und die Zollregister bis hin zu den Notariatsregistern. Letztere stellen die am häufigsten und mit dem größten Neuigkeitsgehalt herangezogenen Quellen dar; ihre Auswertung ist sicher eines der größeren Verdienste, wenn auch leider zu konstatieren ist, dass die Quellentranskriptionen durchweg voller Fehler sind. Die Analyse ist in sechs Großkapitel aufgeteilt: Nr. 1 nimmt die demographische und konjunkturelle Entwicklung unter der Frage in den Blick, inwieweit die Wirtschaft Roms und seines Hinterlandes durch den massenhaften Zuzug verändert und durch die Päpste gesteuert gewesen sei: Das Ergebnis ist ein „ja, aber“, das im Wesentlichen Bekanntes referiert. Kapitel 2 (eines der stärksten) analysiert die landwirtschaftliche Produktion im Umland (Korn, Wein, Öl, Käse) und die casali (ein bevorzugtes Thema Maire Vigueurs), deren Fortbestehen und Funktionsweise die Vf. unter Heranziehung der Notariatsakten für den Untersuchungszeitraum gut aufzeigt. Kapitel 3 befasst sich mit Handwerk (Keramik, Metall, Tuche, Bücher …) und Lebensmittelproduktion, dem innerstädtischen Marktgeschehen und vor allem dem Verkauf von Fleisch und Fisch, regulativen Mechanismen, Modalitäten und Realitäten; die These hier: Rom sei nicht eine Konsumenten-, sondern auch eine Produzentenstadt gewesen. Die gebotene Evidenz liegt allerdings weit unter dem Level von Metropolen wie Florenz, Mailand oder Venedig. Kapitel 4 fokussiert auf die vielgeschmähten Bovattieri sowie römische Kaufleute und Kaufmannsbankiers, auch auf den Immobiliensektor und die Frage nach sozialem Aufstieg: Hier erkennt Troadec eine Konsolidierung einer kleinen neuen Elite, die sich auch aus Juristen und Medizinern rekrutierte (das abschließende Teilkapitel „Au service de la curie: office et charges ecclésiastiques“ zählt vier Seiten; S. 288–292). Das als „bref parcours“ (S. 339) bezeichnete Kapitel 5 ist der urbanistischen Entwicklung gewidmet; es versteht die päpstliche Baupolitik, die nicht im Detail untersucht werden soll (S. 299), als Mittel, dem Bevölkerungswachstum Herr zu werden und sich das Rom der Römer anzueignen (S. 303), sieht Rom als Arbeitsmarkt für Menschen im Bausektor, versucht sich an einer Sozialtopographie der Rioni und der Erfassung des Immobilienmarktes in Rom als „Stadt der Vermieter“ (S. 352) – insgesamt erfährt man hier wenig Neues. Kapitel 6 untersucht schließlich die Familien- und Rangstrukturen, Heiratspolitik, Repräsentation und Funeralkultur an ausgewählten Beispielen. Eine abschließende „Conclusion“ soll verdeutlichen, dass angesichts der angesprochenen Punkte das urbane Wachstum in Rom als unter verschiedenen Aspekten in vergleichender Perspektive „anormal“ zu verstehen sei; dies bleibt allerdings unkonkret, da keine wirklichen Vergleichsparameter herangezogen werden. Auf Schritt und Tritt begegnet man in dieser Studie einem riesengroßen Elefanten im Raum: Es ist der Papsthof mit seinen internationalen Ramifikationen, die auf die Stadt rückwirkten. L’Autre Rome im 15. Jahrhundert? Natürlich gab es das (man lese Stefano Infessura). Aber dass es nicht so einfach ist, zeigt sich schon alleine daran, dass man in den Fußnoten immer wieder Quellenbestände und Namen von Personen findet, die der Kurie verbunden waren. Auch von daher wäre ein Blick in Eschs Rombuch von 2016 ein wichtiges Korrektiv gewesen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Troadecs Buch setzt ganz andere Schwerpunkte, verfolgt einen eigenständigen Ansatz, gelangt zu vielen guten Einzelergebnissen (etwa im Bereich der casali), und auch manche Provokation mag positive Reibungseffekte auslösen. Insgesamt ist die Studie verdienstvoll und sollte rezipiert werden. Als Gesamtkomposition ist sie allerdings meines Erachtens für eine Dissertationsschrift völlig überdehnt und nicht immer überzeugend; weniger Zusammenfassung von Bekanntem, weniger Bestreben, jeden Aspekt in noch so kleinen Unterkapiteln und Nebensätzen einzufügen, und mehr Konzentration auf das Neue und Wesentliche – dies hätte meines Erarchtens im Rahmen einer Dissertation einen gangbareren Weg geboten.
Tobias Daniels
Francesco De Nicola (a cura di), Dionis Chrysostomi De Ilio non capto Francisco Philelfo interprete. Dionis Chrysostomi De philosophia, De philosopho, De ornatu philosophi Georgio Merula interprete, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2021 (Il ritorno dei Classici nell’Umanesimo. 3. Edizione Nazionale delle Traduzioni dei testi greci in età umanistica e rinascimentale 11), VIII, 372 S., ISBN 978-88-9290-063-9, € 56.
Ein entscheidendes Charakteristikum des rinascimento war die Verbreitung antiker Texte. Dabei wurden von den Humanisten mit großem Ehrgeiz und teilweise in starker Konkurrenz untereinander „vergessene“ Hss. in Klosterbibliotheken entdeckt, kopiert, kommentiert und emendiert, mit Widmungen an einflussreiche Persönlichkeiten und Kollegen geschickt, später auch gedruckt in Umlauf gebracht. Die verstärkte Beschäftigung mit griechischen Texten der Antike (im 15. Jh. getragen vor allem von griechischsprachigen Migranten und Humanisten der italienischen Halbinsel) erfolgte aufgrund weithin fehlender oder mangelhafter Griechischkenntnisse zunächst mittels Übersetzungen ins Lateinische. Folgerichtig ist eine eigene Sektion des ambitionierten nationalen Projekts „Il ritorno dei Classici nell’Umanesimo“ diesen Übersetzungen gewidmet. Bei den Editionen der Übersetzungen stehen naturgemäß philologische, stilistische und übersetzungswissenschaftliche Fragen im Vordergrund, die kulturwissenschaftlichen Aspekte des Kulturtransfers, der Quellenkritik und der sich sukzessive entwickelnden wissenschaftlichen Edition sowie nicht zuletzt der Idee der „klassischen“ Antike, die große Teile Europas auf Jahrhunderte prägen sollte, spielen dabei allerdings eine ebenso wichtige Rolle. Der vorliegende elfte Bd. der Reihe ist mit Dion Chrysostomos einem nicht unbedingt klassischen Vertreter der frühkaiserzeitlichen „zweiten Sophistik“ gewidmet und präsentiert Übersetzungen von Francesco Filelfo und Georgio Merula aus den 20er und 60er Jahren des 15. Jh. Der Hg., der sich seit 20 Jahren mit diesem antiken Redner und dessen Rezeption beschäftigt, ist damit für die Edition der beiden Übersetzungen gleichsam prädestiniert. Er steht dabei vor einer doppelten textkritischen Aufgabe: Zum einen sind die griechischen Texte zu konstituieren, die den Übersetzern realiter als Vorlage dienten, zum anderen sind die handschriftlichen lateinischen Übersetzungen selbst nach editionswissenschaftlichen Kriterien zu behandeln. Dies schlägt sich in umfangreichen Vorworten und in komplexen textkritischen Apparaten nieder. Inhaltlich besonders interessant ist die oratio XI Dions „De Troia non capta“ („Introduzione“ und „Nota al testo“ S. 7–178, lateinischer Text Filelfos S. 183–233), die auf der Basis der hellenistischen und kaiserzeitlichen Homerexegese und in bester sophistischer Tradition den historischen Quellenwert der homerischen Epen in Frage stellt. Über die Beweggründe für die Auswahl der Rede und über die Abfassungszeit informiert Filelfo selbst in seinem Widmungsbrief an Leonardo Bruni: Die Rede fügt sich in die Diskussion der humanistischen Gelehrtenkreise über den historischen Wahrheitsgehalt der homerischen Epen ein, primär sollte die Übersetzung aber als „Qualifikationsschrift“ für die Besetzung des Rhetoriklehrstuhls in Florenz dienen. In seinen späteren Werken spielten die Homerkritik und Dion Chrysostomos keine Rolle mehr. Dennoch blieb die Übersetzung, die in mehreren Hss. vorliegt und mehrfach gedruckt wurde, eine wichtige Grundlage für die frühneuzeitliche Dion-Rezeption. Die schwierige Frage der von Filelfo benutzten Hss., die Abhängigkeitsverhältnisse der Hss. der lateinischen Übersetzung und die Rezeptionsgeschichte werden vom Hg. detailliert behandelt. Der Übersetzungstext selbst wird entsprechend der Notwendigkeit einer doppelten Textkonstituierung von einem umfangreichen textkritischen Apparat begleitet, der wichtige Einblicke in die Entstehung und Überlieferung der Übersetzung liefert. Ca. 40 Jahre später übersetzte der Humanist Giorgio Merula drei kurze philosophische Reden Dions, nämlich die orationes 70–72: „De philosophia, De philosopho, De ornatu philosophi“ („Introduzione“: S. 239–281; „Nota al testo“: S. 285–290; Text: S. 293–306). Merula, der aus einer adeligen Familie Alessandrias stammte, studierte in Mailand, u. a. bei Filelfo, später führte ihn sein Weg nach Mantua und nach Venedig, wo er wohl zwischen 1468 und 1471 die Übersetzungen der drei Reden anfertigte. Die Identifizierung der griechischen Vorlagen gestaltet sich noch schwieriger als bei Filelfo, es dürfte sich um keine der heute bekannten Dion-Hss. handeln. In der Übersetzungspraxis orientiert sich Merula stark an seinem Lehrer Filelfo, ohne allerdings übersetzungstechnisch und stilistisch dessen Qualität zu erreichen. Die Überlieferungslage ist in diesem Fall wesentlich weniger komplex: Die Übersetzung liegt nur in einer einzigen Hs. aus Ferrara vor, die Bernardo Bembo gewidmet ist. Eine umfangreiche Bibliographie (S. 307–336) und mehrere Indizes runden die Veröffentlichung ab. Die gelungene und interessante Studie richtet sich zweifelsohne in erster Linie an Philologinnen und Philologen, aufgrund der wichtigen Rolle der Übersetzung für den Kulturtransfer ist sie aber auch für die historisch orientierte Renaissance-Forschung von hoher Bedeutung. Neben dem Hg. ist vor allem dem comitato scientifico unter der kundigen Leitung von Mariarosa Cortesi zu danken, dass diese philologisch und historisch wichtigen Quellen für einen größeren Kreis von Forscherinnen und Forschern bequem zugänglich gemacht wurden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bemühungen sowohl personell als auch finanziell in Zukunft fortgeführt werden können.
Thomas Hofmann
Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues. Akten zum Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der Cusanus-Gesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell’Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues im Jahre 2014 in Rom, hg. von Walter Andreas Euler unter Mitarbeit von Alexandra Geissler, Trier (Paulinus Verlag) 2020 (Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 35), XXXIV, 477 pp., ill., ISBN 978-3-7902-1596-0, € 44,90.
Centrali nel volume sono i dodici interventi dei partecipanti al Convegno svoltosi a Roma nell’anniversario dei 550 anni dalla morte di Cusano, aperto dall’intervento di Arnold Esch („Die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Italien im 15. Jahrhundert“, pp. 119–139), che basandosi su fonti archivistiche racconta i pregiudizi e gli stereotipi che spinsero i due popoli, tedesco e italiano, l’uno contro l’altro, ponendo al centro dell’analisi la considerevole colonia dei tedeschi presenti a Roma nel periodo in cui Cusano frequentava l’Urbe, e arricchendo il racconto con le fonti letterarie. Le relazioni si susseguirono poi organizzate in tre sezioni, delle quali la prima focalizzata sul contesto storico, in cui Cusano trascorse i suoi anni a Roma, e i suoi legami con alcune istituzioni romane, testimoniati anche dalle sue ultime volontà. Attenta è l’analisi del testamento del 6 agosto 1464 condotta da Marco Brösch („Das Testament des Nikolaus von Kues und seine römischen Stiftungen“, pp. 39–97), che descrive le copie in cui è attualmente conservato – due nell’Archivio di Bernkastel-Kues, Urk. 48°, 48B, una in quello di Santa Maria dell’Anima in Roma, Fasc. 8, nr. 50 –, le quattro parti in cui è suddiviso, la seconda delle quali è costituita dall’inserto di quello redatto nell’estate del 1461, quando Cusano era gravemente malato. Precisa emerge la volontà del luogo di sepoltura, San Pietro in Vincoli di cui era titolare, e la destinazione ad es. all’ospizio di Sant’Andrea dell’Anima di un legato di ben 260 ducati, una consistente somma utilizzata per la costruzione dell’infirmaria, che lo avrebbe ricordato con lo stemma scolpito sulla porta d’entrata. Johannes Helmrath („Nikolaus von Kues in Rom“, pp. 141–181) spazia nel suo articolato e corposo contributo tra i luoghi romani frequentati da Cusano durante i vari soggiorni fondando il suo racconto su documenti, su dati forniti dai sermoni, dalle epistole con particolare attenzione anche al ruolo svolto dal cardinale in Orvieto, qui giunto ospite dell’amico veneziano Pietro Barbo per ristabilirsi fisicamente, ma pure in qualità di visitatore e riformatore della città e della diocesi con la speranza di mettere fine al conflitto tra le due istituzioni. Una legazione già ben illustrata dalla silloge di documenti raccolti in Marilena Rossi Caponeri/Marcello Pettinelli (a cura di), Prefazione di Giovanni Pugliese Carratelli, Nicola Cusano e la città di Orvieto. I documenti degli archivi orvietani (1459–1464), Roma (Edizioni della Cometa) 2007. Centrale nella vita del nostro è proprio l’attività di riformatore illustrata da Joachim Stieber („Die Reformatio generalis des Nikolaus von Kues und die Reformdekrete des Konzils von Basel. Grundsatz und Praxis der Reformanliegen im Vergleich“, pp. 279–325), che sottopone a confronto le operazioni del nuntius e orator del papa con l’attività legislativa del concilio e focalizza l’attenzione sullo scritto cusaniano „Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis“, una risposta al „Libellus dialogorum“ del Piccolomini. Il cardinale nel ritorno a Roma fece visita al monastero carmelitano di Monte Oliveto, ricordata dal sermone 293 (h XIX, nr. 16) pronunciato il 3 luglio 1463 „quando vestivit unum iuvenem in hoc“ e analizzato da Thomas M. Izbicki („Nicholas of Cusa and Monte Oliveto“, pp. 183–195) insieme alla lettera rivolta dal cardinale al giovane novizio, Nicola da Bologna (Albergati): una testimonianza molto personale del suo pensiero riguardo all’esistenza dell’uomo. Cusano in qualità di legatus urbis ebbe a che fare con gli officiali del comune capitolino, il cui aspetto sociale, economico, urbanistico, avviato dopo il rientro di papa Martino V e poi espanso da Niccolò V, era in grande evoluzione: a questo è dedicato il contributo di Andreas Rehberg („Stadt und Kommune Rom in der Zeit des Nikolaus von Kues“, 1424–1464, pp. 213–258), che illustra le sue componenti politiche, culturali – lo Studium e i suoi frequentatori –, i circoli raccolti ad esempio attorno a Bessarione, allo stesso Cusano, che disponeva sì di copisti, ma non anche di un suo fratello in questo ruolo, come invece si afferma basandosi su una errata identificazione più volte ripetuta dalla bibliografia citata a p. 239. La seconda sezione fu dedicata agli scritti filosofici riconducibili all’ultimo soggiorno romano: Claudia D’Amico („De non aliud. Eine negative Neuformulierung der Einheit“, pp. 3–20), dopo una breve presentazione della storia della tradizione del dialogo, entra nel cuore della speculazione cusaniana espressa con nuova formula e in cui giocano un ruolo determinante lo pseudo-Areopagita, Proclo e la teologia platonica. Di due testi, che non hanno alcun richiamo all’Urbe ma che furono qui composti tra la fine del 1463 e la Pasqua 1464 (il „De apice“ quattro mesi prima della morte) si occupa Hans Gerhard Senger („Letzte Cusanische ‚Jagdzüge‘ 1464: Compendium – De apice theoriae“, pp. 259–277), uno scritto nel quale il Cusano esprime al suo segretario Peter von Ercklentz, depositario testamentario anche intellettuale, il desiderio di essere letto come un pensatore in sviluppo, con concreti miglioramenti delle sue rispettive posizioni filosofiche giungendo nella Pasqua del 1464 a un nuovo più alto stadio di riflessione. Mentre alla presenza nel dialogo costruito sulla metafora della palla-anima della nozione di circulus come simbolo e di rotunditas rivolge la sua attenzione Kazuhiko Yamaki („Ein Interpretationsversuch des Rotunditas-Denkens in der Schrift De ludo globi“, pp. 327–341), per delinearne lo sviluppo all’interno della teoria dell’universo e del posto occupato dall’uomo, muovendo dal principio che vivere è muoversi. Gli ultimi tre contributi illuminano sui rapporti di Cusano con il mondo umanistico italiano: Paul Richard Blum („Lorenzo Valla und Nicolaus Cusanus“, pp. 21–37) sottolinea l’amicizia tra i due che si tradusse anche in una difesa e protezione di Valla da parte del cardinale presso il papa, il ruolo svolto dal Cusano nel dibattito sulla Donatio Constantini improntato su argomentazioni giuridiche, e le strategie argomentative messe in atto dai due intellettuali. A un lettore di Cusano, il nolano Giordano Bruno, rivolge la sua speculazione Gianluca Cuozzo („Das theologische Infinitesimale bei Cusanus und Bruno. Der Zusammenfall von Maximum und Minimum und die göttlichen ‚Kleinigkeiten‘“, pp. 99–117), con un riesame delle affermazioni di vari studiosi del fenomeno: Bruno, prodigo di complimenti, che non esita a qualificare il mosellano come „questo galantuomo“, continuatore di Pitagora e di Platone, riprende, anche senza citarlo letteralmente, in interi passaggi idee della „Docta ignorantia“, del „De beryllo“ e dell’„Idiota“, scegliendo, trasformando e utilizzando il tutto nel quadro della sua propria costruzione, che è soprattutto ricerca sul cosmo e la natura. Il Kim („The Lives of Alberti and Cusanus and Their Shared Objective. Deciphering the Empirical Word“, pp. 197–212) mette in parallelo le fasi della vita del cardinale straniero con quella di Leon Battista Alberti, figlio di un esiliato e abbreviatore apostolico, servendosi delle loro autobiografie e cogliendo temi propri dell’illustre fiorentino ricorrenti negli scritti cusaniani, concordanze sui principi matematici nella concezione dell’arte dell’Alberti, di cui Cusano possedeva gli „Elementa picturae“ (Cus 112, foll. 67r–73r). Una ricca messe di dati, di letture, di interpretazioni qualificano questo volume delle „Mitteilungen“ e incrementeranno nuove indagini sul Nicolaus Treverensis conosciuto e apprezzato molto presto nell’ambiente romano.
Mariarosa Cortesi
Jacob Langeloh, Der Islam auf dem Konzil von Basel (1431–1449). Eine Studie mit Editionen und Übersetzungen unter besonderer Berücksichtigung des Johannes von Ragusa, Wiesbaden (Harrassowitz) 2019 (Corpus Islamo-Christianum. Series Latina 10), XV, 551 pp., 9 ill., ISBN 978-3-447-11324-3, € 128.
La monografia affronta con solide basi documentarie uno dei temi presenti al Concilio riunito a Basilea, che vide coinvolti intellettuali e teologi di considerevole esperienza dottrinale e politica. Due le ampie e rilevanti sezioni in cui si articola il lavoro: la prima („Studie“, pp. 1–248) dedicata alle fonti e alla letteratura della tradizionale dialettica cristiano-islamica prodotte in ambito occidentale tra XII e XV secolo, la seconda („Editionen“, pp. 249–505) raccoglie l’edizione, a volte parziale, di testi latini, di notevole importanza, arricchiti dalla relativa traduzione tedesca a fronte, e sui quali sono fondate le argomentazioni elaborate durante il percorso storiografico. Alle semplici notizie sulla vita e gli insegnamenti del profeta recuperabili dalla „Legenda aurea“ di Jacopo da Varazze e dallo „Speculum historiale“ di Vincenzo di Beauvais, si affianca la raccolta di scritti musulmani e di confutazioni cristiane messa insieme, nella metà del XII secolo, per iniziativa dell’abate di Cluny, Pietro il Venerabile, denominata „Collectio toletana o Corpus Cluniacense“, con la traduzione latina del Corano curata da Roberto di Kotton nel 1143, le epistole di Pietro il Venerabile a Bernardo di Chiaravalle e di Pietro di Poitiers all’abate di Cluny e la „Summula totius haeresis Saracenorum“ attribuita allo stesso Venerabile, fonti note ai padri conciliari nel tentativo di decodificare l’Islam. Con estremo interesse era letto il „Contra legem Sarracenorum“ del fiorentino Ricoldo da Montecroce (1243?–1320), dal solido impianto dottrinale, nel quale sono riflesse le esperienze del domenicano in missione ad Acri, le discussioni con alcuni dotti musulmani a Baghdad grazie alla conoscenza della lingua araba. Insieme ai trattati contribuiscono a comporre il variegato panorama storico-letterario cronache, lettere, appunti e orazioni, tra le quali quella straordinaria che un ‚diplomatico‘, già ambasciatore presso Eugenio IV per conto di Giovanni VIII Paleologo, Demetrios Hyaleas, rivolse l’8 luglio 1435 ai padri conciliari per rinforzare la necessità dell’unione illustrando pure vari aspetti positivi dei musulmani. Fin dall’inizio l’Islam era stato avvertito come fenomeno politico prima che religioso, inoltre i latini, ignari della lingua araba, leggevano il Corano nella versione latina, ricorrevano a scritti esegetico-leggendari – „de generatione Mahumeti“, „Dialogus de doctrina Mahumeti“ fra il profeta e un ebreo tradotti entrambi da Ermanno Dalmata –, o apologetici come la „Risalat Al-Kindi“ tradotta da Pietro da Toledo, che costituivano una vivace apologetica antimusulmana, carente sul piano filologico e linguistico, mentre Ricoldo nel suo capolavoro, impostato sul genere della quaestio, con numerosi riferimenti alla „Summa theologica“ e alla „Summa contra Gentiles“ di Tommaso d’Aquino, non mancava di presentare aspetti meno controversistici nel rapporto tra le due culture e sulla possibilità di interazione e integrazione. L’elemento di unione tra le due sezioni del volume è rappresentato dalla figura di Giovanni Stojković da Ragusa, personalità di rilievo per lo studio della prima decade del dibattito sul tema islamico (1433–1444), impegnato a rappresentare in modo instancabile nelle discussioni l’ala radicale del partito conciliarista come teorico e scrittore religioso. Dottore in teologia a Parigi nel 1420 e poi docente, presto si trovò impegnato in incarichi di politica ecclesiastica, come ad esempio la legazione presso il papa a Roma per promuovere la convocazione di un Concilio generale (Pavia-Siena 1423–1424), o delegato dal cardinal Giuliano Cesarini ad aprire l’assise basileese, imponendosi poi tra i personaggi principali per la sua partecipazione attiva agli eventi conciliari testimoniata dai documenti ufficiali, in cui compare frequentemente il suo nome, e dagli scritti maturati in quel periodo. Attorno a lui ruotano altri due attori: lo spagnolo Juan de Segovia, il cui nome è legato alla celebre „Historia gestorum generalis synodi Basiliensis“, una delle fonti documentarie principali, e Niccolò da Cusa, giunto a Basilea con la fama di prestigioso canonista. Ma i tre sono legati anche dai libri di cui disponevano: e se l’interesse di Juan de Segovia per l’Islam è precedente al suo arrivo a Basilea, non meno quello di Cusano, per il quale può essere fatto risalire agli anni di studio all’università di Padova, dove le opere di Raimondo Lullo erano tra le mani di canonisti e teologi. Cusano e Stojković inoltre ebbero modo di consolidare il loro rapporto durante il soggiorno a Costantinopoli, dove si erano recati per trattare l’unione delle due chiese, il primo inviato nell’agosto 1437 quale rappresentante della minoranza conciliare in sostegno del papa, il secondo già nell’estate del 1435 per rappresentare il Concilio. Prima della partenza Cusano consegnò all’amico Juan de Segovia un codice con traduzioni dall’arabo e scritti controversistici, cioè una copia del Corpus Cluniacense, con la versione latina del Corano curata da Roberto di Ketton, che noi oggi troviamo nella biblioteca di Bernkastel-Kues, Cus 108; a Costantinopoli condusse importanti ricerche sull’Islam acquisendo una copia del Corano scritta in arabo posseduta dai francescani di Santa Croce, che gli fornirono pure le prime spiegazioni; un secondo esemplare presso il Convento domenicano di Pera con la stessa traduzione latina già posseduta, e notizie orali da parte del mercante Balthasar de Luparis su un gruppo di dodici notabili musulmani che amavano moltissimo il Vangelo e che volevano recarsi a Roma dal papa. Il Ragusino, che aveva iniziato a scrivere prima del viaggio il „De statu Christianorum terrarum orientalium“ rimasto incompiuto (edito a pp. 332–343), fece copiare, sempre nella capitale bizantina, un esemplare del Corano il 31 gennaio 1437 da Clemens Polonus de Vislicia, difficile da identificare, esemplare che confluì con il lascito del cardinale nella biblioteca dei domenicani di Basilea e che Juan de Segovia vide e segnalò conforme a quello a sua disposizione, ma scritto correcte nel „De gladio divini spiritus“. E plausibilmente dall’esemplare del ragusino venne tratto a Basilea l’8 maggio 1435 il manoscritto Ambrosiano C 201 inf. di proprietà dell’arcivescovo milanese Francesco Pizolpasso, pure eminente autorità al Concilio. Dalla presentazione dei codici disponibili la penetrante e sottile analisi di Langeloh si concentra sugli scritti impegnandosi su un nitido confronto con i documenti, sorretto da una decisa volontà di comprendere i testi, che gli permettono ad esempio di identificare nel ragusino l’autore anonimo della „Christiana fidei confessio coram Saracenis“ (pp. 250–277) scritta a seguito dell’incontro con tre frati francescani durante il suo soggiorno constantinopolitano, insieme al „Fragmentum de conditionibus legum, scilicet Alchorani et Evangelii“ (pp. 278–331), e di stabilire un abile confronto con un trattatello coevo e poco conosciuto, „De martyrio sanctorum“, composto da un giovane arrivato a Costantinopoli per imparare la lingua greca, ma che, conosciuti i tre zelanti francescani, si era unito a loro nella difficile missione di recarsi dal sultano per convertirlo. Giovanni Mercati (1947) aveva ipotizzato che si trattasse di un Tommaso d’Arezzo partito alla volta di Costantinopoli insieme a Giovanni Tortelli e a suo fratello. Nella sua tesi di laurea (1967/1968), p. Orazio Capriotti aveva avvalorato questa ipotesi indagando su materiale di Stojković a Basilea, sul testimone manoscritto Ambosiano C 17 sup. posseduto dal Pizolpasso e la stampa basileese del 1492, ma attualmente un nuovo testimone, Vallicelliano F 43, scritto dal Tortelli, ha spinto a riconsiderare l’attribuzione vedendo nell’umanista aretino non solo il copista ma pure l’autore dello scritto in cui il martirio è concepito e inserito in una prospettiva missionaria, come metodo di evangelizzazione (Caldelli 2009): paternità su cui è opportuno condurre indagini più approfondite e che Langeloh discute con equilibrata cautela. Suggestivi risultano quindi i percorsi individuati per illustrare i dibattiti e il confronto cultural-religioso sull’Islam, richiamando l’attenzione su lettere collocabili a metà tra privato e pubblico, su interlocutori che hanno lasciato un’impronta storica significativa e su testi scelti in modo consono, tra editi e inediti, sottoposti ad una interpretazione, che permette di superare stereotipi e che solleciterà ulteriori feconde indagini.
Mariarosa Cortesi
Ivan Mariano, Négociations et relations interculturelles entre la chrétienté latine et la chrétienté grecque aux conciles de Bâle et de Ferrare-Florence (1431–1439), Wiesbaden (Reichert) 2021, 218 pp., ill., ISBN 978-3-95490-520-1, € 79.
Il volume si inserisce nel quadro della storia delle relazioni diplomatiche, oltre e più che in quella dei concili: anzi alle questioni teologiche che dividevano la chiesa latina da quella greca sono dedicate solo sei pagine. Non è una mancanza, bensì – all’apparenza – un tratto consapevole dello studio, che non presenta il quadro completo dell’unione culminata nel 1439, bensì quello dei contatti tra le due chiese all’interno dei due concili. Lo studio dei concili come eventi che vanno oltre i loro aspetti teologici ha una lunga tradizione per Basilea, assai meno per Ferrara-Firenze. Il tutto è diviso in tre sezioni. La prima offre un’esposizione événementielle delle trattative tra le due parti dal 1431 al 1439, la seconda i contenuti principali delle stesse e la terza le loro forme e modalità, quindi il ruolo degli ambasciatori, gli aspetti protocollari e l’organizzazione, ossia la comunicazione non verbale, e la funzione degli interpreti. Unire i due concili in un’unica esposizione non significa appiattirli: è messa bene in luce la differenza tra Basilea, concilio già organizzato in cui la questione greca entra in un secondo momento, e Ferrara-Firenze, che nasce e si organizza proprio in vista dell’unione. Da parte latina i rapporti tesi tra papa e assemblea basilese si riflettono in una concorrenza nelle trattative e nelle ambascerie verso Costantinopoli (di modo che gli attori, invece di due vengono ad essere tre, complicando non poco la vicenda), mentre da parte greca si evidenzia la situazione precaria sotto la minaccia turca, che impone di affrontare tematiche particolari, quale la scelta di un luogo agevole, la richiesta di protezione militare e quella di un finanziamento interamente addossato ai latini. La scelta del luogo mette in luce le divisioni e la dispersione di forze tra gli occidentali, fino a divenire uno dei campi di rottura tra papa e concilio: quest’ultimo, dopo l’arrivo della prima missione greca a Basilea approva il decreto Sicut pia mater proponendo per lo più città italiane (oltre Buda e Vienna), ma – e sarà l’occasione di una spaccatura nel concilio stesso – in seguito la maggioranza proporrà la stessa Basilea, non contenuta nel decreto e inaccettabile per la controparte, che infine sceglierà le proposte della minoranza e di papa Eugenio IV. Non meno divisiva è la questione del finanziamento (in parte necessario per la difesa di Costantinopoli durante l’assenza del basileus) che, con la volontà dei padri basilesi di promulgare un’indulgenza e imporre una decima, finisce anch’esso nell’ambito della più generale concorrenza con il papa per la superiorità nella Chiesa. La parte più interessante è la terza, purtroppo di dimensioni minori rispetto alle prime due, ove sono esaminate le ambascerie delle due parti, a partire dai loro componenti, scelti in base a precise caratteristiche, tra le quali quella delle conoscenze linguistiche, teologiche e giuridiche (mira invece alla continuità il papa che invia ben cinque volte a Costantinopoli Cristoforo Garatoni). Non è facile da entrambe le parti trovare personalità bilingui e, anche come interpreti, vengono in soccorso personalità provenienti da territori ove le due lingue si sovrappongono (su tutti Creta e i domini marittimi veneziani). La divisione non è solo linguistica: nei dibattiti a Ferrara e Firenze (prima si era trattato solo di questioni organizzative, mai teologiche) si confrontano le lunghe disquisizioni latine basate sulla scolastica con esposizioni greche fondate sui padri della Chiesa. I punti in discussione (purgatorio, comunione con pane azimo, Filioque, primato papale), apparentemente insormontabili, volgono infine tutti a favore dei latini, e non è difficile cogliere dietro a questo cedimento la situazione pericolosa dei bizantini. Anche perché sulle questioni procedurali e di protocollo questi ultimi avevano fatto notevole resistenza, rifiutando la proposta latina di un pontefice seduto nel mezzo con i rappresentanti delle due chiese ai lati: infine il papa siederà più in alto, ma tra i latini, mentre i greci vorranno misurare esattamente l’altezza del seggio del basileus in modo che corrispondesse esattamente a quello dell’imperatore latino (vuoto, per la morte di Sigismondo). Il lavoro, basato sulle fonti edite latine e greche, contribuisce a ben inquadrare un aspetto importante della stagione conciliare, mostrando come questa sia un campo d’indagine ancora produttivo. Purtroppo è da segnalare la mancanza di un indice dei nomi di persona e di luogo, che, data la tematica, sarebbe stato essenziale.
Alberto Cadili
Fabian Kümmeler, Korčula. Ländliche Lebenswelten und Gemeinschaften im venezianischen Dalmatien (1420–1499), Berlin-Boston (Oldenbourg-De Gruyter) 2021 (Südosteuropäische Arbeiten 165), 516 S., ISBN 978-3-11-073893-3, € 69,96.
Zu Jahresende 1425 soll sich auf Korčula ein Ziegenbock – gebunden an einen Feigenbaum – selbst erdrosselt haben. Das Tier war mit zehn weiteren aus der Herde dem Patrizier Ser Simonetus abhandengekommen. Die Nachricht davon hatte sich rasch auf der Insel verbreitet, ging nach dem Gottesdienst von Mund zu Mund. In einem überschaubaren Gemeinwesen verlegte sich der Verdacht auch schnell auf die Familie Petarcich, die gestand, den Ziegenbock gehäutet und verspeist zu haben. Allerdings verhärtete sich auch die Diebstahlsvermutung. Der venezianische comes verhängte letztlich eine Geld- und Sühnestrafe, vermied aber die soziale Brandmarkung – Beispiel für die klug-dezente Rechtsprechung, deren mediatorische Ausrichtung letztlich das Ziel hatte, Korčula Schritt für Schritt in den Stato da Mar zu integrieren. Jene Geschichte vom Ziegenbock ist eine von zahlreichen lebensweltlichen „Kleinschicksalen“, die Fabian Kümmeler in seinem Buch, gestützt vor allem auf reiche Quellen aus dem Archiv in Zadar, erzählt. Das Buch bevölkern Schmuggler und Prostituierte, Pechbrenner in den Pinienwäldern der Insel und Konkubinen; man erfährt von Einbrüchen, Hochzeitsbeleidigungen und Weindiebstählen, und die Leserinnen und Leser werden auf eine Mordermittlung geführt. Doch verstrickt sich der Autor bei seiner dichten Beschreibung der Dorf- und Hirtengemeinschaft Korčulas nicht im Anekdotischen, sondern er weitet sein reiches Material zu einer Fallstudie venezianischer Herrschaftspraxis im ländlichen Raum zwischen den Jahren 1420 (Unterstellung der Inselgemeinschaft unter venezianische Oberhoheit) und 1499 (Beginn des dritten venezianisch-osmanischen Kriegs) aus. Auf Korčula, dessen Hafen ein Transitscharnier im Fernhandel und vor allem im Warenverkehr zwischen balkanischem Festland und adriatischer Küste war, wurden Wein, Oliven, Feigen, Käse produziert, Bauholz geschlagen, Marmor gebrochen und Pech hergestellt. Die Einwohner einte die slawische Sprache, wenngleich die Quellen slawisch-romanische Elemente aufweisen und somit Hinweise auf eine mehrsprachige Inselgesellschaft bieten. Nach klassischer Engführung – historischer Kontext, mikrohistorischer Hauptteil (Verwaltungsstrukturen, Konturierung der dörflichen, dann der pastoralen Gemeinschaften) – entwirft Kümmeler für die vier spätmittelalterlichen Korčulaner Dörfer (Blato, Smokvica, Žrnovo und Čara) ein Bild sich stets erneuernder Gemeinschaftsausprägungen, für deren Ausformung das Wechselspiel von Konflikt und Konsens entlang der venezianischen Gerichtspraxis und deren konstituierendem iustitia-Ideal prägend war. Man mag sich fragen, ob die Bedeutung des rechtlichen Elements quellenbedingt nicht überzeichnet ist, doch wird eine zunehmende administrative Professionalisierung aufgezeigt, die von venezianischer Seite behutsam vorangetrieben wurde, so dass das Inselleben – ohnedies gekennzeichnet durch einen relativ hohen Grad an institutionalisierter ländlicher Selbstverwaltung und von Venedig anerkannter innergemeinschaftlicher Konfliktlösungsmodellen – scheinbar kaum Veränderungen erfuhr. Es gab nur einen einzigen venezianischen Amtsträger, den comes, ansonsten setzte die Lagunenmetropole bei der Auswahl der „Beamten“ auf Einheimische mit Beziehungen und Ortskenntnissen, wobei ein relativ rascher Wechselrhythmus administrative Verkrustungen oder Entfremdungen verhinderte. Inspektionsreisen, die besonders ab den 1450er Jahren auf der Insel vom comes in Begleitung der kommunalen Richter sowie des Kanzlisten durchgeführt wurden, verstärkten Präsenz auch in der Peripherie. Kümmelers Studie liegt ein „offener Gemeinschaftsbegriff“ jenseits institutionalisierter communitas zugrunde. Angesiedelt zwischen den beiden gängigen Konzepten, den Stato da Mar methodisch-komparativ zu analysieren, dem Kommunikationsraum- und dem Commonwealth-Konzept, gelingt eine beispielhafte Verflechtungsgeschichte des ländlichen Raums im venezianischen Dalmatien zwischen saisonal geprägtem Alltag und dörflichem Selbstverständnis, zwischen Gerichts- und Verwaltungspraxis, zwischen sozioökonomischer Interaktion und einer in erstaunlicher Registervielfalt vorgebrachter Herrschaftspräsenz. Die vorzügliche, im Rahmen des Wiener Projekts „Society, Statehood and Religion Late Medieval Dalmatia“ entstandene und durch ein Orts-, Personen- sowie Sachregister zu erschließende Untersuchung steht in einer methodischen Tradition, die v. a. durch die wichtigen Studien Ermanno Erlandos zu den Altre Venezie zwischen Cavazere und Grado oder Rainer Becks zum bayerischen Dorf Unterfinning geformt wurde. Die mikrohistorische Untersuchung von herrschaftlichen Transformationsprozessen erlaubt ein vertieftes Verständnis für die administrativen Ausprägungen im Stato da Mar. Dies kann die Wiener Dissertation eindrücklich zeigen.
Christof Paulus
Klaus Brandstätter, Tirol und das späte Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis und Gustav Pfeifer, Innsbruck (Universitätsverlag Wagner) 2021 (Schlern-Schriften 375), 501 pp., ISBN 978-3-7030-6561-3, € 48.
Klaus Brandstätter ci ha lasciati nel 2014, vittima di una crudele malattia. Nella sua attività di ricerca, condotta principalmente presso l’Università di Innsbruck (dove era stato prima ricercatore e poi, dal 2001, docente di Storia medievale), egli aveva prodotto un notevole numero di saggi, collocati in svariate sedi editoriali e dunque non sempre di immediata reperibilità. I curatori del volume „Tirol und das späte Mittelalter“, legati a Brandstätter da legami professionali e di amicizia, hanno voluto raccogliere una parte di tali ricerche e ripubblicarle per permetterne una più agevole fruizione, senza trascurare – nelle note – qualche aggiornamento delle segnature archivistiche e qualche riferimento alla successiva edizione di fonti cui l’autore, ottimo conoscitore degli archivi dell’area trentino-tirolese, faceva riferimento. In una breve introduzione (pp. 9–11) Hörmann e Pfeifer ripercorrono le tappe della carriera e degli interessi di Brandstätter. A partire dagli anni Novanta egli si era dedicato allo studio delle dinamiche sociali, politiche ed economiche dell’area trentino-tirolese, in un arco cronologico che si colloca tra il tardo medioevo e la prima età moderna; aveva raccontato le vicende delle città e delle loro élites, le scelte dei principi e delle corti, l’attività degli imprenditori impegnati nel commercio o nello sfruttamento delle risorse minerarie e boschive, i rapporti sociali che plasmavano le gerarchie o determinavano le marginalità (con specifico riferimento alle presenze ebraiche). In questo panorama, i curatori hanno operato una selezione di venti contributi, scelti in quanto giudicati i più ampi e rappresentativi dell’attività dell’autore. Il volume si apre con un saggio del 2000 dedicato alla storia del concetto di „Tirolo“ e si articola poi in due sezioni, all’interno delle quali i singoli contributi sono posti in ordine cronologico di pubblicazione; la prima è intitolata „Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft“ (8 saggi, pp. 29–215), la seconda „Herrschaft und Adel“ (11 saggi, pp. 217–454). Per quanto le due partizioni contengano in effetti ricerche rivolte da un lato soprattutto alla storia economica e sociale e dall’altro alla storia del potere (con particolare attenzione all’epoca di Federico IV, 1406–1439), vi è un’inevitabile quota di eterogeneità e di sovrapposizione: per esempio, il tema dei percorsi stradali e di traffico emerge in entrambe le sezioni. Nel volume vi è poi, a pp. 455–465, una bibliografia degli scritti dell’autore che cita 107 saggi e quattro curatele; l’elenco perfeziona e completa quello che Josef Riedmann aveva pubblicato su „Tiroler Heimat“ nel 2014. Va detto che vengono computate in modo distinto le traduzioni e che si è rinunciato ad elencare le recensioni (cosa che non sarebbe stata priva di interesse). La consultazione di tale elenco permette anche di notare quali lavori non siano stati presi in esame nel volume: coerentemente con i criteri espressi nell’introduzione, in molti casi si tratta di testi più brevi e strettamente connessi al contesto di pubblicazione, come le schede che compaiono nei cataloghi di mostre come „Il sogno di un Principe“ (1995), „1500 circa“ (2000), „Margareta, contessa del Tirolo“ (2007) e nei volumi editi da Castel Roncolo. Si nota però che Brandstätter scrisse anche altri saggi che avrebbero pure potuto essere presi in considerazione nella raccolta. I limiti di spazio hanno imposto una scelta, e in qualche caso non si è voluto ripubblicare quanto è presente in altri volumi della stessa collana editoriale. Resta però qualche rimpianto per il mancato inserimento, in particolare, dei saggi dedicati a città come Bressanone/Brixen, Vipiteno/Sterzing, Schwaz e soprattutto Trento, cui Brandstätter dedicò i primi anni della sua attività di ricerca. Il volume si conclude con un indice dei nomi e un indice dei luoghi che contribuiscono a rendere la raccolta un oggetto di grande utilità per chi è interessato alle dinamiche storiche dell’area alpina. Visto che Brandstätter conosceva bene le fonti per lo studio dell’area e non mancava di farvi riferimento, ci si può chiedere se non si sarebbe potuto aggiungere un indice o almeno un prospetto complessivo delle fonti da lui via via utilizzate. Sono comunque rilievi marginali rispetto a un’operazione che è meritoria, e che permetterà di conoscere e utilizzare meglio i risultati delle ricerche dell’autore. Forse l’unica vera critica che si può fare ai curatori riguarda la scelta del titolo, nel quale vi è un riferimento geografico e uno cronologico che sembrano in qualche misura circoscrivere gli interessi di un ricercatore che invece non si richiuse mai entro confini tematici, geografici o cronologici e per il quale, come scrivono gli stessi curatori nell’introduzione, „Grenzen waren kein Thema“: un fatto non banale, in un’area nella quale le questioni confinarie erano state a lungo un argomento di accesa e spesso non solo accademica discussione.
Emanuele Curzel
Giovanni Salmeri/Giuseppe Marcellino (a cura di), Storiografia locale e storiografia regionale in Sicilia nel tardo Quattrocento e nella prima metà del Cinquecento. Alla scoperta del passato, Pisa (Edizioni ETS) 2020 (Studi di archeologia e storia del mondo antico e medievale 3), 240 S., Abb., ISBN 978-88-467-58934, € 24.
Die Humanismusforschung hat – fachhistorisch betrachtet – einen Schwerpunkt auf Mittel- und Norditalien, mit Ausläufern nach Rom und Neapel: anders ausgedrückt, orientierte man sich an den großen Höfen der Zeit. Sizilien stand und steht dabei – seiner in früh- und hochmittelalterlichen Studien derzeit wieder neu entdeckten Multipolarität, Hybridität und der sich in seiner Geschichte geradezu palimsestartig überlagernden vielgestaltigen kulturellen Prägungen zum Trotz – sicherlich nicht im Zentrum. Das gilt bekanntlich auch für die Ansätze mancher norditalienischer Humanisten, etwa Biondo Flavio. Wo Sizilien behandelt wurde, geschah dies als peripheres, geradezu von Italien abgelöstes Phänomen, obwohl die Humanisten ja hier Antike in Hülle und Fülle vorgefunden hätten. Der Bd. zeigt einmal mehr, dass es lohnenswert ist, sich mit forschungskonjunkturell eher randständigen Phänomenen zu befassen. Denn es waren nicht nur Männer wie der venezianische Adelige Pietro Bembo mit seinem Dialog „De Aetna“, die sich en passant humanistisch mit Sizilien befassten. Die Autoren des Bd. stellen, eingebettet in das Spannungsfeld von lokaler und regionaler Historiographie, einen ganzen Strauß von – bekannteren und weniger bekannten – meist sizilianischen Autoren und Werken dar, die von der reichen, auch künftig neu zu entdeckenden humanistisch-rinascimentalen Kultur der Insel zeugen. Massimo Zaggia beginnt den Reigen mit einer Vorstellung von „Descriptiones Siciliae“, die sich in „De primo bello Punico“ von Leonardo Bruni und „De bello Peloponnesiaco“ von Lorenzo Valla befinden, und ediert die entsprechenden Auszüge kritisch; Adele di Lorenzo stellt den in Palermo wirkenden dominikanischen Historiographen Pietro Ranzano und sein Werk „De primordiis urbis Panhormi“ (1470) und das Desiderat einer kritischen Edition vor. Giovanni Salmeri gibt einen Überblick über die – gerade für den griechischen Humanismus – zentrale Gestalt des Constantinos Lascaris, seine Schule in Messina und seine Schülerschaft. Alessandra Tramonta beschäftigt sich mit Bernardino Rizzo und seinem „De urbis Messanae pervetusta origine“ (ebenfalls mit Edition). Dario Barbera stellt das Werk „De rebus praeclaris syracusanis“ des aus Andalusien stammenden Lucio Cristoforo Scobar anhand archivalischer Studien in den Kontext seines Wirkens als Kanzlist in Syrakus. Giuseppe Marcellino präsentiert in drei konsekutiven Artikeln nicht nur den ebenfalls in Syrakus arbeitenden Bartolomeo De Grandis als Geschichtsschreiber und dessen Rezeption bei Claudio Mario Arezzo, sondern zugleich eine neu aufgefundene Sammlung von – hier erstmals edierten – 26 lateinischen Gedichten aus der Feder De Grandisʼ; ebenfalls von Marcellino stammt ein Aufsatz zur Wiederentdeckung des antiken Selinunt in der Renaissance. Abschließend analysiert Antonio Tempio das Werk des Catanesen Matteo Selvaggio. Die versammelten Beiträge zeigen das vielgestaltige, starke Interesse an der antiken und mittelalterlichen Vergangenheit der gesamten Insel in der Renaissance auf, zwischen städtischen Zentren und Höfen, in Spanien und dem festländischen Italien, zu denen die sizilianischen Humanisten oftmals Verbindungen hatten. So lokal, wie die ältere Forschung den sizilianischen Humanismus sah, war er offensichtlich nicht; bzw. Biondo & Co. waren es ebenfalls, auf ihre Art: „Storia d’Italia“ war erst ein Gegenstand Guicciardinis.
Tobias Daniels
Giuseppe Mazzanti, Un imperatore musulmano. Il Liber de sceleribus et infelicitate perfidi turchi ac de spurcitia et feditate gentis et secte sue (1467/68) di Rodrigo Sánchez de Arévalo, Bologna (Bononia University Press) 2020 (Diritto cultura società. Storia e problemi della giustizia criminale 15), 214 S., ISBN 978-88-6923-604-4, € 30.
Rodrigo Sánchez de Arévalo verfasste den hier edierten Traktat während seiner Tätigkeit als Kastellan der Engelsburg, aus der bislang vor allem sein Umgang mit den dort einsitzenden Mitgliedern der römischen Akademie bekannt ist. Die ebenso konzise wie kenntnisreiche Einleitung (S. 9–52) umreißt Biographie und geistiges Profil des Prälaten, dessen bedeutende Karriere ihm nacheinander die Bischofssitze von Oviedo, Zamora, Calahorra und Palencia einbrachte, wobei er im letzten Jahrzehnt seines Lebens († 1470) in Rom residierte und als Sekretär und Thesaurar zum innersten Zirkel um die Päpste gehörte. In dieser Zeit entwickelte er eine rege schriftstellerische Tätigkeit mit theologischen, juristischen und historischen Werken, die häufig von aktuellen Problemen seiner kurialen Umwelt oder seiner kastilischen Heimat angeregt waren. Mit dem „Liber de sceleribus“, der von Giuseppe Mazzanti auf 1467 bis Oktober 1469 datiert wird (S. 28), reagierte Sánchez de Arévalo im Auftrag Pauls II. auf an den Sultan adressierte Schriften Georgs von Trapezunt, dessen turkophile Tendenzen an der Kurie für große Unruhe sorgten. Das grundgelehrte Werk ist mit unzähligen Zitaten vor allem aus der kanonistisch-theologischen, gelegentlich auch der klassischen Tradition gespickt, während die vergleichsweise wenigen Referenzen auf den Koran hochmittelalterlichen christlichen Autoren entnommen sind. Der scholastisch anmutende Aufbau konfrontiert 20 „Irrtümer“ des Georg von Trapezunt jeweils mit einer Widerlegung; vorangestellt sind eine Widmung an Paul II. und ein an den Papst gerichteter Prolog; am Ende folgt eine thesenartige Zusammenfassung der 20 Abschnitte. Inhaltlich bietet der „Liber de sceleribus“ über weite Strecken ein Kompendium des negativen Türken- und Islambilds, wie es in der Kreuzzugspropaganda des 15. Jh. ausgearbeitet worden war. Sánchez de Arévalo legt größten Wert darauf, dass der Sultan, den er in einer apokalyptischen Perspektive verortet, niemals die Nachfolge der christlichen Kaiser antreten könne, und stellt sich damit nicht nur gegen Georg von Trapezunt, sondern implizit auch gegen die „Epistola ad Mahumetem“ Pius’ II. Seine Eigenart gewinnt der Traktat jedoch durch seine Widerlegung der „Irrtümer“ XVI bis XX, in denen es um die Prärogativen des christlichen Klerus und die Macht des Papstes geht; Sündhaftigkeit und Versagen der Kleriker hatte Georg von Trapezunt u. a. zum Anlass genommen, um dem Sultan die Universalherrschaft (ohne Konversion!) anzutragen. Auf diese Vision eines muslimischen Kaisers spielt der Obertitel des Bandes an. Wie der Editor mit Recht hervorhebt (S. 42–45), unterstützen die Ausführungen Sánchez’ de Arévalo zur gottgewollten hierokratischen Stellung von Papst und Klerus ideologische und symbolische Aspekte der Politik Pauls II. Dabei positioniert er sich durch Zitate des Constitutum Constantini auf der Seite derjenigen, die dessen Echtheit verfochten, obwohl ihm die Gegenargumente bekannt sein mussten. Der Traktat ist in zwei Hss. überliefert (Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 971 aus dem Besitz Bessarions und Vat. Lat. 972 aus dem Besitz Pauls II.), die voneinander abweichende Abschriften enthalten; Beispiele unterschiedlicher Formulierungen werden S. 48–52 präsentiert. Diese lassen überwiegend darauf schließen, dass Vat. Lat. 971 eine vermutlich durch den Autor selbst verbesserte Version enthält. Die Edition (S. 53–197) bietet im Obertext den orthographisch leicht normalisierten Wortlaut des Vat. Lat. 971 mit moderner Zeichensetzung und in einem Variantenapparat die Lesarten des Vat. Lat. 972. Zitate und sinngemäße Übernahmen von Vorlagen werden im Kommentar nachgewiesen. Der Text wird durch einen Index der Zitate und einen Index der Personennamen erschlossen. Mit dieser Edition ist erfreulicherweise nicht nur auf dem Weg zur kritischen Ausgabe aller Werke des Rodrigo Sánchez de Arévalo ein wichtiger Schritt getan, sondern auch ein weiterer erhellender Beitrag zum geistigen Klima der Kurie Pauls II. geleistet worden.
Claudia Märtl
Thomas Noll, Das Bildprogramm der Sixtinischen Kapelle in Rom. Michelangelos Deckenfresken in der malerischen Gesamtausstattung von Sixtus IV. bis Paul III., Stuttgart (Hiersemann) 2019 (Päpste und Papsttum 47), VIII, 166 S., Abb., ISBN 978-3-7772-1927-1, € 88.
Aus den in Rom überreich vorhandenen, künstlerisch wertvoll ausgestalteten Sakralräumen ragt die Sixtinische Kapelle im päpstlichen Palast monolithisch hervor. Vor allem zwei Aspekte sind dabei weltweit bekannt – zum ersten der Ofen und der daran angeschlossene Schornstein, die den Verlauf einer Papstwahl der Öffentlichkeit anzeigen, und zum zweiten die unverwechselbaren Ausmalungen, vor allem die Deckenfresken und das „Jüngste Gericht“ Michelangelos. Wurden die verschiedenen Entstehungsstufen bisher oft getrennt voneinander diskutiert und die Wandbilder, die unter Papst Sixtus IV. in Auftrag gegeben wurden, seltener thematisiert, so bringt Noll alle drei Phasen der Ausmalung in der vorliegenden Arbeit in einen Zusammenhang. Er stellt sowohl die kirchenpolitischen Rahmenbedingungen für die Entstehung der jeweiligen Bildprogramme als auch die zeitgenössischen Lesarten in das Zentrum seiner Studie. Das ausführlich beschriebene Programm der Wandbilder, die in den späten 1470er bis frühen 1480er Jahren von vier Malern geschaffen wurden, und die Inschriften (S. 7–31) setzen den Schwerpunkt auf das alt- und neutestamentliche Heilsgeschehen. Hervorzuheben ist dabei die Reihe der Papstbildnisse, die jeweils exakt die Regierungszeit eines Pontifikats und für die Frühzeit den Tag der Erlangung der Märtyrerkrone nennen. Daraus leitet sich eine hohe Autorität des Amtes ab. Die Autorität des Auftraggebers, Papst Sixtus IV., hingegen wurde noch zusätzlich dadurch erhöht, dass mit seiner Abbildung die Reihe der Papstbildnisse in das heute nicht mehr erhaltene Altarbild mündete, in dem er im Kreis der Apostel, Petrus auf ihn weisend, der Himmelskönigin Maria anempfohlen wurde. Zudem ist er auch bei der Darstellung der Übertragung der Schlüsselgewalt in einer Inschrift festgehalten, was die Botschaft des Bildprogramms unmissverständlich deutlich macht: Die Kontinuitätslinie von Mose über Christus und Petrus sowie die Vorgängerpäpste bis zu Sixtus IV. sowie eine kirchenpolitische Manifestation gegen weltliche Herrscher und Verfechter des Konziliarismus (S. 36–49). Im Anschluss an dieses erste Hauptkapitel widmet sich das zweite den Deckenbildern Michelangelos, der durch Papst Julius II. damit beauftragt wurde. Nach einer ausführlichen Bildbeschreibung soll hier vor allem die ekklesiologische Perspektive erwähnt werden. Noll bettet die alttestamentarischen Historien der Deckenbilder Michelangelos vor den Hintergrund der regelmäßigen Auseinandersetzungen und Kriege Juliusʼ II. zur Befestigung und Vergrößerung des Patrimonium Petri ein. Dabei werden die Bilder jedoch nicht zu sehr in die Tagespolitik eingebunden; vielmehr würden sie auf eine Grundkonstante päpstlicher Politik verweisen (S. 88–116), wobei freilich Julius II. dem Krieg besondere Aufmerksamkeit widmete, wie selbst papstnahe Geistliche, wie Onofrio Panvinio, Familiar von Kardinal Alessandro Farnese, kritisch bemerkten. Das abschließende dritte Hauptkapitel ist dem weithin bekannten Weltgericht Michelangelos gewidmet, das Jesus in seiner Verurteilung der Verdammten in den Mittelpunkt setzt (S. 117–142). Zur Demonstration der päpstlichen Schlüsselgewalt wird Petrus als wichtigste Person in Bezug auf den richtenden Jesus gesetzt; selbst die Darstellung von Maria, die hier nicht als Fürbittende auftritt, weicht von der Bildtradition ab. Diese hier nur knapp vorgestellten Ausführungen Nolls, die durch mehrere Abb. der behandelten Schlüsselszenen veranschaulicht werden, bieten für die historische Bewertung des Selbstverständnisses des späten 15. und frühen 16. Jh. wichtige Anknüpfungspunkte. An erster Stelle das sich in den verschiedenen Bildprogrammen wiederfindende Motiv der herausgehobenen und siegreichen Rolle des Petrus und damit des Oberhauptes der irdischen Kirche. Das große Verdienst des Autors ist, dass er die verschiedenen Programme der Wand- und Deckenbilder der Sixtinischen Kapelle sowie deren unterschiedliche Entstehungsphasen – und bei Michelangelos Darstellung den starken Bruch mit den herkömmlichen Motiven – inhaltlich und ikonographisch miteinander verflochten hat. Dadurch gewinnen die Machtansprüche und Legitimationsstrategien der Päpste Sixtusʼ IV. und Juliusʼ II. deutlich an Kontur.
Jörg Voigt
Tobias Daniels, Die Verschwörung der Pazzi. Ein politischer Skandal und seine europäischen Resonanzen, Stuttgart (Hiersemann) 2020 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 70), 663 pp., ISBN 978-3-7772-2037-6, € 174.
The failed Pazzi Conspiracy of 1478 in Florence, in which assassins attempted to kill Lorenzo de’ Medici and succeeded in killing his brother, Giuliano, has always commanded attention on account of the gripping chain of events it comprised – a murder signaled by the raising of the Host at Easter mass in the Cathedral; the grisly execution of those involved, including the display and defiling of their bodies; a papal interdict; a war and the risky diplomatic mission that ended it – and on account of the dramatis personae: the young Lorenzo de’ Medici, amid pomp and splendor, who through his statecraft aggressively asserted Florentine and personal prerogatives; the Pazzi, a Florentine family of magnate status who had displaced the Medici in papal favor; Pope Sixtus IV, a Franciscan with theological credentials, who was supportive of the plot and imposed the interdict; the Pope’s mercenary captain, Federico da Montefeltro, who was ready to invade had the plot succeeded; and Ferrante of Naples, whose army seized most of the territory to the south of Florence. The story was told stylishly first by Poliziano, whose narrative made a hero of Lorenzo, and there has been no shortage of good retellings, including recent ones by Lauro Martines (with important new documentation), Marcello Simonetta (integrating the role of Montefeltro), and Niccolò Capponi (who inserts a fictional character to give it immediacy). Tobias Daniels’s new book, originally his Habilitationsschrift, attempts something so completely different that future retellings will rely necessarily on his pathbreaking research. Although this large volume covers many subjects, its major revelation lies in the portrayal of the Pazzi conflict’s ramifications throughout Europe and the Mediterranean. It is true that even today the Pazzi episode is often reduced in scale to a family vendetta typical of Florence, and one must sympathize with historian Massimo Miglio, who, in a recent comment, bewailed Florence as an all-consuming „Moloch“ for Renaissance research. What is splendid in the new book is that it shows how and why a conflict between Lorenzo de’ Medici and the Pazzi family mattered to the rest of Europe. Seven substantial chapters discuss the following topics: the patterns by which contemporary news was spread in Italy and beyond; the impact of the conflict on Papal finance and the banks of the Pazzi and Medici; the public relations battle during the interdict and ensuing war; the maneuverings in Rome of the European powers; how a peace was concluded by the Italian powers; the ways in which later writers remembered the conflict. A substantial appendix publishes a series of new documentary finds from the years 1478–1480, although scholars will meanwhile want to refer to Daniels’s previous collection of documents, „La congiura dei Pazzi. I documenti del conflitto fra Lorenzo de’ Medici e Sisto IV“ (2013). With special attention to the mass of surviving diplomatic correspondence, Daniels cites sources from archives and libraries in no fewer than fifty-five cities, more than half of them north of the Alps. Although Papal propaganda tried to represent the Pazzi strife to northern European courts as an Italian affair – a struggle between freedom-loving citizens against a local tyrant who happened to be a „mere merchant“ – the Medici and Pazzi banks were international entities of great clout, with branches, agents and clients that extended throughout Europe and the Mediterranean, so the details and motivations of the parties were widely known. Lorenzo, moreover, was pursuing a line not unlike the policies of northern monarchs who were asserting national control over major ecclesiastical appointments through initiatives like the Pragmatic Sanction of Bourges. Not by coincidence did Lorenzo’s differences with Sixtus become full blown when he blocked the accession of Francesco Salviati to the archbishopric of Pisa. Northern European powers were well informed of the progress of the conflict; and France and the Empire saw in it an opportunity to exercise influence over the Church, ideally through the calling of a Church council, even if that meant setting aside differences over the Burgundian succession. Thanks to Daniels, the failed Pazzi conspiracy, the Sistine interdict and the treatises published on both sides, like the ideas broached in the diplomatic correspondence, all assume their proper importance in this book as elements in a significant episode in the long and difficult history of relations between the Papacy and the secular states of Europe.
William J. Connell
Dorett Elodie Werhahn-Piorkowski, Die Regule Cancellarie Innozenz’ VIII. und Alexanders VI. Überlieferungsgeschichte, Inkunabelkatalog und Edition der päpstlichen Kanzleiregeln im frühen Buchdruck, Wiesbaden (Harrassowitz) 2021 (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 76), XLVI, 666 S., Abb., ISBN 978-3-447-11568-1, € 95.
Die päpstliche Kanzlei entwickelte sich im Spätmittelalter zur größten Verwaltungsbehörde in Europa. Ihre wachsenden und sich ausdifferenzierenden Amtsgeschäfte resultierten dabei nicht so sehr aus den politischen Ambitionen der Päpste, sondern vielmehr aus dem kirchlichen Benefizialwesen – in der Forschung zutreffend auch als „Pfründenmarkt“ bezeichnet – und den kurialen Gerichten. Für den reibungslosen Ablauf bedurfte es Regularien, deren Erforschung sich vor allem der 2017 verstorbene Marburger Mediävist Andreas Meyer gewidmet hat. Aus diesem Kontext heraus ist die vorliegende Marburger Dissertation von Dorett Elodie Werhahn-Piorkowski erwachsen, die eine Untersuchung und Erstedition der Kanzleiregeln der Päpste Innozenz’ VIII. (1484–1492) und Alexanders VI. (1492–1503) vorlegt – mit Blick auf die europaweite Verbreitung der Kanzleiregeln, die Entwicklung der kurialen Behörden und den beginnenden Buchdruck ein höchst anspruchsvolles Vorhaben! Zunächst bietet die Autorin einen konzisen Überblick über die Traditionslinien und die Strukturen der päpstlichen Kanzlei vom späten 12. bis in die erste Hälfte des 16. Jh., in deren Verlauf ein stetes Wachstum an Ämtern und Teilbehörden zu verzeichnen ist (S. 24–36). Über 180 handschriftliche Textzeugen belegen trotz des Fehlens eines Kanzleioriginals die Verbreitung und den Gebrauch der ersten Kanzleiregeln, in dem der stilus curie, also die formale Ausgestaltung päpstlicher Schreiben mit detaillierten Angaben zum Geschäftsgang, geregelt wurde. Hintergrund waren die Kollationsrechte, die die Päpste seit dem 13. Jh. zunehmend an sich zogen, und zwar jene, die apud sedem apostolicam vakant wurden. Weitere Ausgestaltung des päpstlichen Benefizialrechts erfolgte unter dem avignonesischen Papsttum. Diese Konstitutionen mit den ausgestalteten Reservatsrechten finden dann Eingang in die Regule Cancellarie, deren Genese jedoch nicht Mitte des 15. Jh. zu einem Abschluss kam, wie es die ältere Forschung noch annimmt, sondern die stets weiter ergänzt wurden, so auch im Untersuchungszeitraum der vorliegenden Dissertation. Die päpstlichen Kanzleiregeln wurden von den Zeitgenossen wahrgenommen und seit dem Pontifikat Innozenz’ VIII. kommentiert. Vorgestellt wird die ausführliche Kommentierung des Spaniers und langjährigen Kurialen Alphonsus de Soto, wodurch die Rezeption und Anwendung der Kanzleiregeln deutlich wird, die auch Alltägliches, Anekdotenhaftes und persönliches Urteil der Regel Innozenz’ VIII. gegenüber denen seiner Vorgänger miteinschließen, die offenbar zum Vergleich herangezogen wurden (S. 69–83). Ein höchst bemerkenswerter Blick in das Innere der päpstlichen Kanzlei! Größere Klarheit als bisher kann die Autorin auch bei der Frage schaffen, wer zum Erhalt der Kanzleiregeln bzw. Exzerpte berechtigt war, und wie das Verfahren ihrer Beschaffung ablief. Das juristische Personal der Kurie, Rotarichter und sämtliche sonstigen Richter waren verpflichtet, Urteile unter Verwendung der amtlich ausgezogenen Kanzleiregelkopien zu treffen, um welche der Vizekanzler ersucht werden musste (S. 89–95). Mit Aufkommen des Buchdrucks wurden diese Regeln jedoch nicht gegenstandslos, sondern gerade der autorisierte Umlauf der Kanzleiregeln sollte die Verbreitung wilder Abzüge unterbinden (S. 97–99). Dies wurde unter Innozenz VIII. unter Androhung der Exkommunikation der Drucker eingefordert! Die Autorin bettet dann die päpstlichen Kanzleiregeln in den frühen Buchdruck ein – bei den Kanzleiregeln Innozenz’ VIII. liegt zumindest noch ein handschriftlicher Zeuge vor, dem 337 Exemplare der 44 unterscheidbaren Ausgaben gegenüberstehen; von den Kanzleiregeln Alexanders VI. liegen schließlich nur noch gedruckte Fassungen der 22 Ausgaben in 87 Exemplaren vor. Weiterhin stellt die Autorin Druckorte, Werkstätten und auch Biogramme der vornehmlich deutschen Drucker in Rom auf. Unter Innozenz VIII. stand die Offizin des deutschen Druckers Eucharius Silber am Campo de’ Fiori in besonderer Gunst (S. 167–177). Besonders hervorzuheben ist auch der zweite Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, nämlich die Edition der Kanzleiregeln Innozenz’ VIII. und Alexanders VI., die nach allen Regeln der Kunst vorgelegt wird. In dem umfassenden textkritischen Apparat ist der Inkunabelkatalog – jeweils mit Angaben zum Entstehungskontext, zum jeweiligen Titelblatt, zu den Überlieferungsorten und zur Datierung – zu allen der insgesamt 66 unterschiedlichen Ausgaben der Kanzleiregeln beider Pontifikate besonders hervorzuheben (S. 227–386). Ebenfalls beeindruckend ist die kritische Erstedition der beiden Kanzleiregeln (S. 389–627). Was die Autorin hier vorgelegt hat, kann nicht hoch genug geschätzt werden und ist hinsichtlich der inhaltlichen Tiefe der behandelten Themen eigentlich eine Habilitation – die zukünftige historische und kanonistische Forschung wird auf die vorliegenden Forschungsergebnisse und die Edition der Regule Cancellarie der beiden Päpste des ausgehenden 15. und frühen 16. Jh. ohne Zweifel dankbar zurückgreifen.
Jörg Voigt
Hieronymus Münzer, Itinerarium, hg. von Klaus Herbers, unter Mitarbeit von Wiebke Deichmann, René Hurtienne, Sofia Meyer, Miriam Montag, Lisa Walleit; mit einem Beitrag von Tina B. Orth-Müller, Wiesbaden (Harrassowitz) 2020 (Monumenta Germaniae Historica. Reiseberichte des Mittelalters 1), CCCVIII, 572 pp., ill., ISBN 978-3-447-10972-7, € 148.
Grazie al noto umanista Hartmann Schedel è giunto a noi il racconto del lungo viaggio compiuto dal medico di Nürnberg, Hieronymus Münzer, l’„Itinerarium sive peregrinatio“, trascritto dallo stesso Schedel nel manoscritto Clm 431 (foll. 94r–274v) della Bayerische Staatsbibliothek di München. Il viaggio, compiuto tra il 2 agosto 1494 e il 15 aprile 1495 insieme a tre amici, figli di ricchi mercanti che parlavano italiano e francese, Antonio Herwart di Augsburg, Caspar Fischer e Nikolaus Wolkenstein suoi concittadini, porta Münzer verso la Francia fino a Marsiglia, quindi verso la Spagna con una incursione in Portogallo, quindi nel ritorno attraversando la Francia verso le Fiandre e infine, dopo essere passato per Köln, Worms e Frankfurt, il rientro a casa, dove trova la famiglia sana e salva. Il tutto è raccontato mescolando la scrittura letteraria con quella documentaria per offrire uno scorcio dell’Europa tra le reggenze di Carlo VIII re di Francia, i re di Castiglia e Aragona e trasmettendo la sua visione sui paesi visitati (Parigi, Rouen, Lille e Bruges etc.). Località, monumenti, dinamiche e strategie politiche, il vivere quotidiano della popolazione, il mondo degli intellettuali e degli aristocratici sono tutti registrati nel diario con attenzione e meticolosità a confermare le motivazioni dell’avventura intrapresa espresse nella eloquente prefazione, che si apre con una allusione ad Aristotele, di vedere molte genti, conoscere le abitudini e i costumi dei popoli e tramandare tutto ciò che si è incontrato e vissuto. Ma come ha ben individuato e illustrato Tina B. Orth-Müller nella sua „Appendice“ (pp. CXXXIX–CXLIX) alla base dell’attribuzione del viaggio a più alti e più nobili motivi di quelli dell’infuriare della peste, che determinarono l’allontanamento dalla città, sta anche un’ampia ripresa dal „De officiis“ di Cicerone I 4, 13, naturalmente non esplicitata, cui segue il ricordo di un viaggio compiuto in Italia nel 1484, anno precisato come „anno sexto doctoratus mei in facultate medica Papie“. Nella straordinaria spedizione del dottore norimberghese, che ha lasciato informazioni preziose, una enorme quantità di dettagli sulle città attraversate e visitate, occupano un posto rilevante le visite ai monasteri, che lo sbalordiscono per la bellezza del luogo in cui sorgono (ad es. Montserrat), per la struttura architettonica simile a quella di un castello (Poblet) o per la ricchezza come Guadalupe, narrata in modo particolareggiato, iniziando dalla storia della sua fondazione in un luogo pieno di vigneti, uliveti, aranceti, espandendosi poi nella presentazione dei luoghi che compongono il monastero (chiesa, sala del capitolo, celle, biblioteca con 36 banchi, ben fornita di libri dalle belle legature, infermeria, sacrestia con il suo tesoro), il numero di monaci che lo abitano (140 compresi i conversi) e tutto il mondo che ruota attorno alla vita del complesso (artigiani, domestici etc.). Molto ci sarebbe da raccontare su questo straordinario cenobio, afferma Münzer, però „brevitatis causa obmitto“ (p. 240, r. 3), una espressione che ritorna spesso nel diario insieme ad altre dello stesso tenore, come „quid plura?“, in aggiunta a quelle che annunciano una storia eclatante che non viene poi raccontata. Per ricordare la visita a Santiago di Compostela sente la necessità di integrare il suo diario con estratti dal noto „Liber Jacobi“ o „Codex Calixtinus“ (pp. 194–210), a volte parafrasando a volte riprendendo alla lettera non solo la „Historia Turpini“ (l. IV), il libro maggiormente diffuso, o il quinto libro conosciuto come „Guida del pellegrino di san Giacomo“, ma pure una parte del sermone „Veneranda dies“: il tutto „brevibus, dum essem Compostelle in domo ciusdam capellani Iohannis Rami, devotissimi hominis, ex originali eius excerpsi“. Münzer diviene molto prolisso quando evoca la chiesa di San Giacomo, una delle tre principali della cristianità dopo Roma e quella di Efeso in Asia, distrutta, ne ricorda la costruzione voluta da Carlo Magno e indica con precisione le dimensioni impressionanti con le sue dodici cappelle. Una nota particolare è destinata ai religiosi, l’arcivescovo, i 45 canonici, tra i quali solo sette hanno il privilegio di celebrare la messa all’altare maggiore e sono denominati cardinali di san Giacomo; numerose le reliquie qui conservate, le feste religiose qui celebrate, ma riprovevole il comportamento dei pellegrini: „Et continuo tantus clamor est in ecclesia populi, ut nundinas crederes. Modica ibi devocio est. Dignus esset sanctissimus apostolus, ut maiori reverencia veneraretur.“ (p. 214, r. 12–15) Interessanti le osservazioni sulla vita degli abitanti musulmani a Granada, dove possono praticare liberamente i loro riti che il norimberghese racconta con particolari, senza tralasciare note sull’abbigliamento, sulle abitazioni per lo più piccole, sordide all’esterno, ma bellissime all’interno, oltre ogni aspettativa, e „intra se intricate et involute, ut nidos yrundinum crederes“ (p. 120, r. 7 sg.). Il periplo compiuto da Münzer per fuggire alla peste, per il desiderio di conoscere luoghi e popoli nuovi e forse, ipotizzando in modo non troppo fantasioso per l’epoca, anche con un incarico di informatore segreto del suo sostenitore, Massimiliano d’Asburgo, è raccontato con uno stile ricco di paratassi, con ellissi del predicato, con divergenze rispetto alla proposizione principale, un latino semplice, a volte vicino alla lingua parlata, che rivela un testo dalla scrittura per lo più immediata, priva di rifacimento, ma che pone il problema del rapporto di quanto trascritto da Schedel nell’unico testimone dell’„Itinerarium“ con quello uscito dalla penna di Münzer, di eventuali interventi di Hartmann. Le altre parti del manoscritto mostrano che Schedel includeva materiali come allegati, alcuni dei quali potrebbero aver fornito una base per la compilazione del diario; e se „jedoch unklar [bleibt], wer die Verschränkungen und die internen Verweise vornahm, Münzer oder Schedel“ (p. CVII), „ist Münzers Itinerarium ein eindrucksvolles Beispiel für die weitgehend vom Mittellateinischen geprägte Alltagsprache eines Nürnberger Humanisten“ (Orth-Müller, p. CXLIX).
Mariarosa Cortesi
Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, hg. von Joachim Heinzle. Bd. III: Vom späten Mittelalter zum Beginn der Neuzeit, Teil 2: Die Literatur des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, Teilbd. 1: Modelle literarischer Interessenbildung, von Werner Williams-Krapp, Berlin-Boston (De Gruyter) 2020, XI, 774 S., Abb., ISBN 978-3-484-10706-9, € 157,95.
Die gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Entwicklungen des 15. und frühen 16. Jh. – zu nennen sind hier das aufstrebende Städtewesen, die territoriale Konstituierung des Reiches sowie der Konziliarismus und die religiösen Reformbewegungen, ebenso die Entstehung der Universitäten, die sich etablierende und professionalisierende landesherrliche, kirchliche und städtische Verwaltung sowie die Laienbildung und der Humanismus – führten zu einer Blüte der Literaturproduktion, die durch den Buchdruck seit der zweiten Hälfte des 15. Jh. besonders intensive Impulse erfuhr. Diesen Themenfeldern widmet sich Williams-Krapp in seiner umfangreichen Überblicksstudie, in der er drei Schwerpunkte setzt: die Literaturproduktion in der spätmittelalterlichen europäischen Metropole Nürnberg, weiterhin in den Reformbewegungen der Orden und abschließend im Renaissance-Humanismus. Am Beispiel der „Literaturhauptstadt des Reichs“ Nürnberg (S. 37) kann Williams-Krapp zeigen, wie sich die Literatur nicht nur im Umfeld der klösterlichen Niederlassungen entwickelte, sondern wie stark Laien an der Produktion und Rezeption von Literatur partizipierten, und dies selbst in der Mittelschicht, wie Beispiele von Handwerkerdichtungen zeigen (S. 48–94). Reise- und Pilgerberichte sowie Familien-, Stadt- und Weltchroniken entstanden dagegen innerhalb der Nürnberger Oberschicht, wie im Fall des Patriziers Nikolaus Muffel, der 1452 als städtischer Gesandter an der Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom teilnahm und in diesem Kontext auch einen Pilgerführer im Stile der „Mirabilia Romae“ verfasste (S. 153 f.). Breiten Raum nimmt daran anschließend die literarische Produktion ein, die im Zuge der kirchlichen Reformbestrebungen und der Observanzbewegungen innerhalb des Ordenswesens vor allem in der zweiten Hälfte des 15. Jh. erfolgte (S. 195–506). Die virulente Frage nach einer gottgefälligen und heilssichernden vita religiosa erfasste sowohl den Welt- und Ordensklerus als auch die Laien und war somit ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Aus der daraus resultierenden – und noch immer nicht in ihrer Fülle bekannten – volkssprachlichen Überlieferung konzentriert sich Williams-Krapp zunächst auf die Bettelorden. Mit Blick auf die Dominikaner und Dominikanerinnen wird die literaturgeschichtliche Bedeutung der Ordensniederlassungen in Süddeutschland und am Mittelrhein aufgezeigt (S. 206–360); dahinter tritt jene der Ordensprovinz Saxonia zurück (S. 360–363). An dieser Stelle sei bemerkt, dass die östlichen Ordensprovinzen und Reformzentren hätten stärker eingebunden werden können, wie beispielsweise die der Franziskaner und Klarissen, die durch die umfassenden Aufsätze von Volker Honemann aus dem Jahr 2015 zum deutschsprachigen Schrifttum der Franziskaner in der Saxonia, zu ihren Büchern und Bibliotheken sowie zur Historiografie aufgearbeitet sind, oder die Klöster der Benediktiner der Bursfelder Kongregation, zu deren wichtigsten Zentren auch das Erfurter Peterskloster zählte, das durch den Doppelbd. von Matthias Eifler zur Buchkultur und Literaturrezeption im Kontext der Bursfelder Klosterreform von 2017 mustergültig erforscht ist. Positiv hervorzuheben ist, dass der norddeutsche Raum, basierend auf dem aktuellen Forschungsstand, einbezogen wird. Lag das Interesse in der älteren Forschung auf einzelnen Personen, wie beispielsweise dem Windesheimer Chorherren Johannes Busch, der durch den Kardinallegaten Nikolaus von Kues mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet wurde, so rückt Williams-Krapp nun die Auswirkungen dieser Klosterreformen in den Blick, die oft von anonym bleibenden Nonnen literarisch wiedergegeben wurden. Auch das Schrifttum der reformierten Zisterzienserinnenklöster Wienhausen, Wöltingerode und Medingen wird einbezogen (S. 440–449). Abgeschlossen wird die Überblicksdarstellung mit einem vertieften Blick auf den Renaissance-Humanismus im deutschsprachigen Raum, worunter ein kleiner, elitärer und bestens vernetzter Zirkel zu verstehen ist. Vor allem die Universitäten bildeten frühe Zentren der Humanisten (S. 518–528), aber auch Fürstenhöfe, wie beispielsweise jener der Kurfürsten von Heidelberg; sie finden sich jedoch auch in Städten und Klöstern. Der vorliegende Bd. schließt mit mehreren Abb. und Registern zu einzelnen besprochenen Hss., Personen und Autoren, Werken sowie Orten und Institutionen ab. Er bietet trotz der kleinen Einschränkungen eine aktuelle und sehr solide Grundlage für die Untersuchung der deutschsprachigen Literatur im Spätmittelalter von Geistlichen und Laien.
Jörg Voigt
Francesca Niutta (a cura di), I romani e lʼaltrove. Viaggi e paesi reali e immaginati nel Rinascimento, Roma (Roma nel Rinascimento) 2020 (RR. Inedita Saggi 90), XIII, 254 S., Abb., ISBN 978-88-85800-17-5, € 25.
„Alle Wege führen nach Rom“ – so das geflügelte Wort; doch wohin führten die Wege aus Rom heraus? Dieser in die Gegenrichtung des traditionellen Forschungsinteresses invertierte Frage ist der Bd. gewidmet, der aus einer Vortragsreihe hervorgegangen ist und von daher eine gewisse Heterogenität hat. Vorgestellt werden in vier Sektionen erstens die höchsten kurialen Ämter (Arnold Esch über Papst Piusʼ II. Ausflüge aufs Land und sein realistisches Erleben und Andreas Rehberg über die Mission des Legaten Onofrio Santacroce und dessen Eindrücke im Norden 1468, mit Teiledition des „De excidio civitatis Leodiensis“ von Angelo Sabino), zweitens Laien (Anna Esposito zu Notariatsakten, aus denen sich Pilgerreisen römischer Frauen rekonstruieren lassen – ein Phänomen, das von Interesse ist, da Rom selbst ja Pilgerziel war! –; Claudia Bischetti bespricht aus florentinischen Quellen schöpfend die Reiseitinerare der Clarice und Alfonsina Orsini; Ivana Ait römische Kaufleute und Barone auf professioneller und Pilgerreise, mit einer neuen Quelle zu den Orsini), drittens „Reisen der Erinnerung“ (Anna Modigliani mit einem close reading des Anonimo Romano, Anna Cavallaro zur Trajanssäule als künstlerischer Inspirationsquelle), und viertens Darstellungen anderer Welten und Kulturen (Outi Merisalo zu der Indienreise des Niccolò deʼ Conti, beschrieben durch Poggio Bracciolini in „De varietate fortunae“; Carlotta Mazzoncini zur Darstellung der Neuen Welt in der römischen Druckpresse nach den Entdeckerfahrten, vorwiegend bei Giuliano Dati; Andrea Fara zur Darstellung des Islam in dem ebenfalls gedruckten Traktat „De moribus Turcorum“ des Georg von Ungarn; Stefania Pasti zur jener des islamischen Spaniens bei Egidio da Viterbo, der 1518 nach Spanien aufbrach, und Andrea Donnini zur Africa des muslimischen Gelehrten am Hof Leos X., Leone Africano). In gewohnter Weise durch den Verlag Roma nel Rinascimento vorbildlich lektoriert und durch Indizes erschlossen, zeigt der Bd. eine Facette der Geschichte Roms in der Renaissance im weiteren geographischen, praktischen, intellektuellen und ideellen Kontext der Geschichte des Reisens auf.
Tobias Daniels
Francesco Maturanzio. Studi per il cinquecentesimo anniversario della morte (1518–2018), Perugia (Deputazione di Storia Patria per l’Umbria) 2019 (ma 2020) (Bollettino della Deputazione di Storia patria per l’Umbria 116,1), 504 pp., € 40.
All’umanista di spicco della cultura perugina dedicò una biografia Guglielmo Zappacosta (Francesco Maturanzio umanista perugino, Bergamo, Minerva Italica, 1970), fondandola su fonti catastali e documentandola con l’edizione di suoi numerosi scritti. A questo ancora oggi fondamentale strumento si aggiungono i contributi raccolti nel volume, che riprendono in gran parte notizie e testi offerti dalle ricerche dello Zappacosta, ne precisano alcune affermazioni e dati muovendo da nuove indagini compiute successivamente, e suggeriscono approfondimenti sulla produzione letteraria dell’illustre perugino. L’ambiente politico, in cui Maturanzio visse e operò, viene illustrato da Maria Grazia Nico Ottaviani („Perugia nel contesto italiano tra Quattrocento e i primi del Cinquecento“, pp. 33–49), che racconta gli equilibri tra l’autorità pontificia e il governo comunale affidato a componenti di spicco della famiglia dei Baglioni, i legami con i Medici, i rapporti matrimoniali con gli Sforza. Stefania Zucchini („‚aliquibus virtutibus et eruditionibus ornati‘. Studium e cultura umanistica nella Perugia di Maturanzio. Con un’appendice documentaria sugli insegnamenti del settore ‚umanistico‘ nel Quattrocento“, pp. 51–89) traccia una essenziale storia dell’insegnamento delle artes, arricchita da un’utile tabella con i nomi dei docenti di grammatica, retorica, arte oratoria e poesia dello Studium perugino dall’anno accademico 1399–1400 fino al 1503–1504. Il nostro umanista, dopo la prima formazione in patria alla scuola di Guido Dall’Isola e successivamente perfezionata con esperienze presso Guarino a Ferrara, Ognibene da Lonigo a Vicenza e con un soggiorno a Rodi/Creta (1472–1474) per migliorare la conoscenza del greco, ritornerà a Perugia, dove sarà segretario del governatore Niccolò Perotti (1474–1477), precettore dei due nipoti e, dal 1476, docente di poesia, quindi di eloquenza, documentato dalla „Oratio pro incohandis studiis“ pronunciata all’apertura dell’anno accademico. Una orazione analizzata da Mauro Donnini („L’organizzazione del sapere nell’ideale didattico di Francesco Maturanzio“, pp. 11–31) nella sua integrità, grazie all’individuazione di due testimoni ignoti allo Zappacosta, che permettono di illustrare il cursus studiorum costruito dal maestro. Dopo alcune puntate fuori città, come ad es. a Roma, nel 1492 Maturanzio iniziò l’insegnamento a Vicenza, che però lasciò improvvisamente già nel 1496 per Venezia, spinto, dice a un amico, dal bisogno di riprendere gli studi di filosofia, ma forse anche per sfuggire da maldicenze e dalla nomina, per lui oltraggiosa, di un secondo docente pubblico, individuato da Giovanni Pellizzari („Ne in astrum digitum intendas! Maturanzio e Vicenza“, pp. 91–170) in Barnaba da Celsano, pure allievo di Ognibene da Lonigo. Durante la breve sosta veneziana, poiché nel 1498 Maturanzio è già di ritorno in patria, dove rimase fino alla morte (1518), compare la stampa di un suo commento alla „Rhetorica ad Herennium“ insieme a quello di Mancinelli, esegesi a cui Maturanzio non era nuovo essendosi già cimentato sulle „Filippiche“ ciceroniane per un corso universitario tenuto a Perugia, forse nel 1486–1487, sollecitato dal collega Angelo Cantagallina, quando ambedue erano ospiti di Fabrizio degli Oddi, protonotario apostolico, nella sua casa suburbana, e pubblicato per la prima volta a Vicenza il 9 giugno 1488 (Silvia Fiaschi, „Dalla lettura ‚suburbana‘ al commento: Maturanzio e le Filippiche di Cicerone“, pp. 229–243). Numerose sono le orazioni a cui dedica particolare attenzione John Butcher („Il linguaggio delle orazioni latine di Francesco Maturanzio“, pp. 171–189), scritti per lo più accademici, costruiti con l’assemblaggio di passi tratti dagli autori classici e con finalità pedagogiche, mentre della scrittura epistolare, per la maggior parte inedita e che occupa un posto ragguardevole nell’attività di Maturanzio, Benedetta d’Anghera („Per una edizione delle Epistole di Francesco Maturanzio: ricognizione delle fonti manoscritte“, pp. 245–255) segnala i manoscritti in cui le lettere sono conservate soffermandosi sul Vat. lat. 5890, che ne tramanda più di duecento nella sua prima parte (foll. 1r–174) e che proviene dal lascito di Prospero Podiani. Ancora un manoscritto della Biblioteca Vaticana, l’Ottoboniano lat. 2011, con i suoi 237 carmi da affiancare a quelli del codice perugino miscellaneo 438 (G 27), foll. 72r–88v, permette a Fabio Stok („La produzione poetica“, pp. 191–205) di individuare riscritture attribuibili all’autore all’interno di carmi che ricordano il soggiorno a Rodi e l’incontro con il maestro di greco Metrofane, di conoscere l’ordine originario, del ciclo mariano introdotto da un carme „Ad lectorem“, ciclo composto di 19 carmina di cui si occupa Emore Paoli („La devozione di un umanista: i carmina mariani di Francesco Maturanzio“, pp. 207–227). Ma Maturanzio aveva debuttato in campo letterario ancora giovane con 14 epitaffi e con la „Cronaca della città di Perugia“ ‚recentemente recuperata, scritta in una prosa semplice, che lascia trasparire localismi conformi alla lingua scritta mescolati a varianti toscane (Carla Gambacorta, „Maturanzio e il volgare“, pp. 257–272). Non così i tituli di un ciclo pittorico di illustri cittadini, di cui oggi non rimane nulla, voluto dal celebre condottiero Braccio Baglioni come decorazione dell’atrio del proprio palazzo e raccontato da Alessandra Donati („Maturanzio e le arti figurative“, pp. 273–308). „Molto rari“ i riferimenti alla musica all’interno di una silloge di carmina destinati al nobile Alfano Alfani e conservati nel manoscritto C 61 della biblioteca perugina, in parte autografo di Maturanzio, che Biancamaria Brumana („Francesco Maturanzio sulle tracce della musica di Scaramella“, pp. 309–326) cerca di recuperare. Maturanzio è noto per la sua conoscenza del greco e per la ricca biblioteca: del profilo dello studioso e cultore della lingua e della civiltà greca si occupa Isabella Proietti („Maturanzio grecista“, pp. 327–341), che già aveva studiato i manoscritti greci per la parte conservata presso la Biblioteca Comunale Augusta di Perugia e di cui ora completa la presentazione avanzando pure l’ipotesi che durante il suo soggiorno tra Vicenza e Venezia il perugino si sia procurato codici, ora identificati, provenienti da quest’area geografica. Della consistente biblioteca, in cui appaiono privilegiati strumenti grammaticali e lessicali e autori utili per l’apprendimento della lingua e per l’insegnamento, ricca pure di esemplari di alcune significative edizioni a stampa, Donatella Nebbiai/Maria Alessandra Panzanelli Fratoni („La biblioteca dell’umanista“, pp. 343–494) propongono nel loro corposo contributo, una ricostruzione e un’analisi basandosi sul documento, scoperto recentemente, che nel 1529 descrisse la raccolta destinata dall’umanista, morto dieci anni prima, alla biblioteca dell’abbazia benedettina di San Pietro di Perugia. In particolare Nebbiai si occupa della identificazione e descrizione dei codici superstiti, non sempre facile ma sostenuta dalle note di provenienza o dal versetto del salmo scritto dal notaio sui libri per lui di difficile lettura, Panzanelli Fratoni esamina gli esemplari a stampa. Una collezione che ha subíto per alcune sue parti spostamenti nelle mani dello spagnolo Diego Hurtado de Mendoza, del bergamasco Basilio Zanchi, il cui ex libris si legge in otto unità tra quelli giunti al perugino Prospero Podiani, e che per i numerosi testi e personaggi coinvolti nella lunga attività politica e culturale del collezionista perugino risulta una testimonianza indiscutibile di un mondo che riserverà ancora sorprese.
Mariarosa Cortesi
Fabrizio Nevola, Street life in Renaissance Italy, New Haven-London (Yale University Press) 2020, 320 pp., ill., ISBN 978-0-300-17543-1, USD 60.
This beautifully illustrated book by Fabrizio Nevola deserves to be read by a wider audience than might normally be expected for a monograph by an art historian. It should especially appeal to anyone who wants to have a fuller understanding of the lived experience of urban life during the Italian Renaissance. More precisely, Fabrizio Nevola aims to introduce his reader to an interdisciplinary approach that crosses the bridge that too often separates urban historians and art or architectural historians in their efforts to conjure up urban life of the past. He carefully grounds this innovative approach in contemporary theories of urban space, falling back on household thinkers, such as Michel de Certeau, Henri Lefebvre, or Michel Foucault, and drawing on urban design theorists, like Jan Gehl and Kevin Lynch. He applies this approach systematically to a selection of Italian cities, including the usual suspects, such as Florence, Rome or Naples, but also smaller and lesser-known towns, like Imola. Thanks to this methodology Nevola manages to shed new light on an often overlooked aspect of one of the best-studied periods and areas of the pre-modern past, namely the street life of the Italian Renaissance city (1400–1600). More in particular, he is able to move beyond the formal analysis of built forms, typical of traditional architectural history, and to focus instead on the interaction of the streets that make up the physical fabric of a city and the social life that takes place within that built environment. The street is an „ecosystem“ of people, buildings and spaces, and events. This linkage of urban materiality with the sociality of space results in a comparative socio-cultural analysis of the pre-modern street. Although Nevola acknowledges his debt to earlier studies on the domestic interior of (largely elite) homes or sacred spaces in Italian cities, he deliberately shifts his focus to the public realm of the city and its material culture. While existing studies have often focused on the ritual use of this space by city elites, Nevola pays particular attention to its prosaic, everyday and non-elite functions as well as to the dialectic between both forms of use. Despite the remarkable amount of information packed into this monograph, rich in both detail and imagery (160 plates, mostly in full colour), Fabrizio Nevola manages to keep the narrative reader-friendly, a testimony to his abilities as a writer. The arrangement of his book falls into two halves, each consisting of three chapters. Part one takes a macro perspective and considers the city as a whole. Adopting a top-down approach, Nevola moves from the schemes of urban renewal imposed by ambitious city planners and civic authorities in the fifteenth and sixteenth centuries (chapter 1) to the actual experience and sensory environment of daily street life (chapter 2). He ends this section with a discussion of the street as an instrument of surveillance and control (chapter 3). Starting from Kevin Lynch’s typology of the imageability of the city (i. e. paths, edges, districts, nodes, and landmarks), part two looks into the individual components of the urban fabric through a narrowing frame of focus. More precisely, Nevola moves from the wide-frame street ecology of city centres and neighbourhoods (chapter 4), over street corners as nodes in urban networks (chapter 5), to the local landmark of the residential family palace, a building that he re-evaluates as a contact zone between private and public spheres (chapter 6). Finally, the epilogue is devoted to public squares and their dialogue with such individual palaces. Each chapter opens with a paradigmatic example – a microstudy – that clearly sets the scene for a broader analysis and comparison of the available evidence. For his learned readings and cogent interpretations of a truly impressive body of material Nevola draws not only on a wide variety of textual sources, such as architectural treatises, archival documentation, or even fictional stories, but he also relies on a vast array of visual evidence. He derives this visual evidence both directly from the physical fabric of the city itself and indirectly from numerous artworks, maps and building and city plans. In short, this work indisputably constitutes a substantive and valuable contribution to the field of urban history. It puts general theory to productive use and offers us a diverse and nuanced account of the complexities of street life in the Italian Renaissance city. It sets a high standard for future research into this intriguing topic.
David P. H. Napolitano
Modus supplicandi. Zwischen herrschaftlicher Gnade und importunitas petentium, hg. von Christian Lackner und Daniel Luger, Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2019 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 72), 224 S., Abb., ISBN 978-3-205-23238-4, € 40.
Der Hg. Christian Lackner macht schon in seiner Einleitung klar, dass das Supplikenwesen seinen ersten Höhepunkt an der Römischen Kurie bzw. den kirchlichen Gerichtshöfen (vorgestellt von Ludwig Schmugge anhand der Pönitentiarie und von Jasmin Hauck anhand Florentiner Quellen) erfahren hat und das Vorbild für ähnliche Praktiken an den europäischen Höfen von Italien (Gian Maria Varanini) bis England, Böhmen (Petr Elbel) und Ungarn (Bence Péterfi) wurde. Die Entwicklung verlief im Einzelnen sehr uneinheitlich. Den Eindruck von geringerer Formalisierung bieten die Suppliken/Bitten in der Übergangszeit Friedrichs III. (1440–1493) vom Mittelalter zur schriftlich konnotierten Neuzeit (Daniel Luger). Dies bestätigt auch ein Blick in die aus Tirol an den Sohn Maximilian I. (1490–1519) gerichteten Suppliken (Nadja Krajicek). Sie wurden oft noch mündlich und informell vorgebracht. Im Vergleich zur international angegangenen Kurie hatten es die sonstigen Monarchen weitgehend nur mit eigenen Untertanen zu tun. Suppliken als reine „Ego-Dokumente“ zu behandeln, ist allerdings nicht statthaft, da sie rechtlichen und behördlichen Anforderungen entsprechen mussten (S. 123). Nicht allein die Kurie war Vorbild. In Burgund richtete man sich an Frankreich aus (S. 175). Dagegen war am Hof Kaiser Friedrichs III. das Hofzeremoniell noch wenig ausgeprägt (S. 130 f.). Die Scharniere an der Kurie waren die Prokuratoren; als solche Spezialisten fungierten aber auch anderenorts geschulte Notare. Ihre Dienstleistungen hatten ihren Preis, waren aber abhängig vom Stand und den ökonomischen Verhältnissen der Petenten und oft verhandelbar (S. 28 f., 41–44 zu Rom). Manchmal mussten aber eigens eingesetzte Gesandtschaften bei Hofe auftreten, um Gesuchen den nötigen Nachdruck zu verleihen (S. 116 zu Böhmen). Der Stadtherr oder Monarch konnte sich als Wächter und Garant der Justiz und als Protektor der Armen inszenieren (für Italien S. 57, für Tirol S. 145). Die Entgegennahme der Suppliken oblag allerdings oft Sekretären (so in Ungarn S. 86 f.). Nachgefragt werden konnte alles: Am Kaiserhof waren es oft Privilegien wie das Palatinat (S. 131); in anderen Monarchien gab man Wappenbriefe oder Belehnungen aus (S. 104 f., 184 f.). Besondere Brisanz lässt sich beobachten, wenn – wie Erzherzog Maximilian im Falle der Burgundischen Länder – ein Ortsfremder in bereits etablierte Verwaltungsstrukturen eintrat. Christian Lackner analysiert hierzu ein halbes Dutzend Originalsuppliken aus Burgund, die sich in Wien erhalten haben und seit 1855 gedruckt vorliegen. Man stellt schon eine gewisse bürokratische Routine fest (S. 176). Claudia Garnier untersucht die Kommunikationsmuster hinter den Bittschriften am Kaiserhof (S. 182). Auch Geschenke und die Rituale der Ehrerbietung spielten eine große Rolle (S. 187; man vgl. hierzu die Besprechung des Bandes „Stilus – Modus – Usus“, in: QFIAB 101 (2021), S. 678–680). Zum Schluss stellt Thomas Schreiber ein Fallbeispiel aus der 38 000 Aktenseiten umfassenden Onlinedatenbank „Untertanensuppliken am Reichshofrat Kaiser Rudolfs II. (1576–1612)“ vor (https://www.ku.de/ggf/geschichte/vergleichende-landesgeschichte-und-geschichte-der-fruehen-neuzeit/forschungsdatenbanken/untertanensuppliken-am-reichshofrat; 27.1.2022). Die Brisanz des „votum ad imperatorem“ für den Regensburger Schneidergesellen Niklas Huber aus dem Jahr 1595 lag darin, dass er auf die konfessionelle Seite seines Falles abhob. In der damaligen komplexen politischen Situation des Reichsgefüges entpuppte sich dies aber als riskant, da der Kaiser sich eigentlich hütete, gegenüber einem protestantischen Reichsstand allzu sehr als Protektor eines Katholiken aufzutreten (S. 201–220, bes. S. 209, 213). Der Untertitel des Bd. „Zwischen herrschaftlicher Gnade und importunitas petentium“ ist also gut gewählt und lädt zu weiteren vergleichenden Untersuchungen ein.
Andreas Rehberg
Catherine Kikuchi, La Venise des livres. 1469–1530, Ceyzérieu (Champ Vallon) 2018 (Époques), 351 S., Abb., ISBN 979-10-267-0702-8, € 26.
Die im Jahre 2016 an der Pariser Sorbonne bei der Venedig-Kennerin Élisabeth Crouzet-Pavan (Vorwort, S. 7–13) verteidigte Dissertation bündelt die vielfältige Forschung zum Venezianer Druckwesen unter der Fragestellung, wie die Stadt innerhalb nur weniger Jahrzehnte zum europäischen Vorreiter der neuen Technik werden konnte (Kap. 1). Sie geht dabei von den Menschen aus, die seit 1469 in und außerhalb der Metropole für die Herstellung und den Vertrieb der Bücher tätig waren, und wendet insbesondere die prosopographische Methode an. Dafür wurden umfangreiche Archivstudien in Venedig unternommen (Verzeichnis S. 329–339) und insbesondere Privilegien, Verträge und Testamente ausgewertet; die herausgearbeiteten Biographien und Familienstrukturen werden allerdings nicht separat geboten, lediglich einige Auswertungs-Graphen und Verteilungs-Karten (eine digitale Datenbank ist S. 23 angekündigt; vgl. dazu Catherine Kikuchi, L’imprimerie en réseau. La construction de l’édition comme marché économique et culturel. Venise, 1469–1500, in: Temporalités 27 [2018], https://doi.org/10.4000/temporalites.4371; 25.2.2022). Es gelingt der Arbeit in überzeugender Weise, die besondere Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der venezianischen Offizinen aus der sozialen Zusammensetzung des neuen Gewerbes und seiner Vertriebsstrukturen abzuleiten. Zu den Protagonisten gehörten beispielsweise so bemerkenswerte Figuren wie Paula von Messina, die in zweiter Ehe den Erstdrucker Johannes von Speyer heiratete und als Witwe mit Nicolas Jenson aus Frankreich und zwei Frankfurter Kaufleuten aus dem Fondaco dei Tedeschi eine Sozietät einging (S. 284–290), oder der aus Latium stammende Aldus Manutius, der handliche Bücher und die Kursivschrift einführte, oder Erhard Ratdolt aus Augsburg, der den Mehrfarbendruck perfektionierte und das erste vollständige Titelblatt der Druckgeschichte setzte. Wie die Vf. zeigen kann, war es für die Dynamik des Buchdrucks und -handels von großem Vorteil, dass das Druckwesen einerseits über das Handelshaus der Deutschen von einem fest etablierten Kapital- und Handelsumfeld gerade in Richtung der transalpinen Regionen profitieren konnte, von wo die Pioniere der neuen Technik ja zunächst kamen und wo mit (Buch-)Messen ein internationaler Vertrieb befördert werden konnte, das Gewerbe andererseits in Venedig erst sehr spät, seit dem Jahre 1549, in eine spezifische zünftische Struktur eingebunden wurde. Als weiteren, entscheidenden Faktor nimmt die Monographie die vielfältigen Zuwandererniederlassungen in den Blick, zu denen neben der deutschen unter anderen die italienischen vor allem aus Mailand und dem Montferrat sowie die griechische und später auch die jüdische gehörten (Kap. 2). Die dort anzutreffenden Kenntnisse anderer Sprachen und Alphabete, zu denen neben dem griechischen und jüdischen auch das glagolitische, kyrillische, armenische und sogar das arabische gehörten, trugen ebenso zum weltweiten Erfolg der „Buchstadt“ bei wie die zum Stadtstaat gehörende nahegelegene Universität Padua, die für die Erstellung und den Absatz von Büchern ein Reservoir an Fachleuten und potentiellen Abnehmern bot (Kap. 4). Bei der Zuweisung eines „Fremden“-Status merkt man der Arbeit allerdings an, dass auf eine theoretische Auseinandersetzung mit dem dahinterstehenden Konzept weitgehend verzichtet wird (kritisch zu sehen ist beispielsweise die fortwährende Rede von Angehörigen einer bestimmten Herkunfts-„colonie“, die grundsätzlich von den „Vénitiens“ zu unterscheiden seien): erst ganz am Ende der Arbeit wird darüber räsoniert, dass in einem „Meltingpot“ wie Venedig bei Zuwanderern der zweiten oder gar dritten Generation kaum mehr von solchen die Rede sein kann und diese in den vor allem benutzten seriellen Quellen kaum mehr zu identifizieren sind („Des étrangers qui n’en sont plus“, S. 302–307). Das in der älteren Forschung geradezu mythisch überhöhte Buchwesen Venedigs wird am Beispiel der ersten drei Jahrzehnte als durch hohe geographische und soziale Mobilität bedingtes dynamisches, gleichzeitig aber auch instabiles und hochriskantes Gewerbe gekennzeichnet, das zwar prominente Erfolgsgeschichten kennt wie die von Jenson und Manutius – wobei aber selbst diese beiden bei ihrer Karriere in einer Adels-Oligarchie die „gläserne Decke“ (S. 314) nach ganz oben nicht durchstoßen konnten –, aber auch zahlreiche weniger bekannte Niederlagen und Konflikte, die hier teils erstmals näher beleuchtet werden (Kap. 3). Das letzte Kapitel untersucht schließlich die gelungene Integration und Sozialisation der am Buchwesen beteiligten Personen unter dem Schlagwort der „Konstruktion einer Welt des Buches“ (Kap. 5). Hier wird zu Recht die Bedeutung des gerade in Venedig äußerst diversifizierten und integrativen Bruderschaftswesens unterstrichen sowie die der Familie und insbesondere der Frauen, die als „Integrationsvektoren“ Garanten für die gerade im kapitalintensiven arbeitsteiligen Buchwesen essentielle ökonomische Kooperation und soziale Vernetzung waren.
Uwe Israel
Europa cristiana e Impero ottomano. Momenti e problematiche, a cura di Agostino Borromeo, Pierantonio Piatti e Hans Ernst Weidinger, Wien (Hollitzer) 2020 (Ottomania 9), XXIV, 403 pp., ISBN 978-3-99012-186-3, € 70; ed. parallela: Città del Vaticano (Libreria Editrice Vaticana) 2020 (Atti e documenti / Pontificio Comitato di Scienze Storiche 56).
Rezensionen
Frühe Neuzeit
Da circa due decenni, la storiografia, in particolare quella di età moderna, manifesta un rinnovato e diffuso interesse per la storia ottomana a cui gli specialisti guardano, sempre più, secondo prospettive plurali e interculturali. Il volume „Europa cristiana e Impero ottomano. Momenti e problematiche“ si inserisce proprio in questo articolato e stimolante ambito di ricerca mirando ad approfondire la sfaccettata questione della presenza turca in Europa orientale e dei suoi rapporti con la cristianità. L’attenzione della storiografia odierna per questo complesso tema, a sua volta, è connessa e arricchita dal recente fermento storiografico sul dibattuto fenomeno delle „crociate tardive“. Lo studio qui presentato, tuttavia, va oltre l’analisi della conflittualità fornendo un quadro più ampio delle interazioni tra cristiani e ottomani attraverso un approccio multifocale, interdisciplinare e diacronico. La dimensione dello scontro, dunque, si rapporta a quella dell’incontro interrogandosi sui contrasti e sulle reciproche influenze tra christianitas e Sublime Porta in differenti ambiti (religioso, culturale, sociopolitico etc.) lungo un esteso arco temporale che spazia dal Medioevo all’età contemporanea. In linea con tale consegna, l’opera si compone di 18 saggi suddivisi in cinque sezioni allo scopo di fornire una mappatura esaustiva sulle relazioni tra Europa cristiana e Impero ottomano, con una particolare attenzione per i territori balcanici. Gli articoli della prima sezione, „Inquadramento storico“, ricostruiscono i momenti chiave dell’espansione islamica in Europa orientale e, soprattutto, i molteplici effetti prodotti dalla dominazione turca su alcuni paesi dei Balcani. Elemento comune a questi saggi e storiograficamente interessante è il punto di vista adottato dagli autori che elaborano la loro indagine sulla frastagliata percezione delle popolazioni serba, ungherese, dalmata e montenegrina nei confronti degli ottomani evidenziando i complessi esiti scaturiti dalla coesistenza, spesso basata sul binomio opposizione – complementarità, delle suddette comunità con il mondo turco. La seconda parte, intitolata „Chiese cristiane e Impero ottomano“, riflette su problematiche di ambito più specificamente religioso legate alla reciproca percezione e interazione tra cristiani, di diversa confessione, e turchi. Dalla peculiare concezione di Lutero nei confronti della minaccia islamica, al differente trattamento che le autorità ottomane riservavano ai sudditi cattolici e a quelli riformati in Ungheria, alle contrapposizioni e difficili convivenze tra dominazione turca e popolazioni cristiane in Bosnia e in Albania, alla particolare posizione espressa dalla Chiesa ortodossa di Grecia a favore della dominazione sultanale giungendo, poi, alla politica antiturca perseguita dal Papato tra i pontificati di Pio V e di Innocenzo XI. Da questa ampia disamina si ricava un ritratto sfaccettato e complesso dei rapporti tra il mondo cristiano e quello ottomano. Dal piano religioso, l’indagine si sposta all’ambito militare per approfondire tematiche riguardanti aspetti concreti e teorici dello scontro tra turchi e cristiani. I tre saggi della sezione „Guerra“ analizzano il funzionamento del corpo d’élite dell’esercito sultanale e l’eterogenea produzione letteraria cristiana che, tra XVI e XVII secolo, suggeriva molteplici strategie di guerra contro la Sublime Porta evidenziando, così, la marcata sensibilità europea per la minaccia „infedele“. Prospettiva, questa, arricchita dall’esame degli scritti di Raimondo Montecuccoli sulla comparazione bellica tra Occidente cristiano e Oriente ottomano. I contributi della quarta parte del volume, intitolata „Immagine del Turco“, collegano le precedenti sezioni analizzando la percezione del pericolo turco dall’ottica della cristianità e l’evoluzione di questa polimorfica rappresentazione che, a dispetto del suo mutamento, risulta vincolata ad una prospettiva stereotipica. Difatti, dopo l’immagine scolpita dalla letteratura umanistico-rinascimentale, che individuava negli ottomani il nemico giurato, l’assoluta alterità, dell’Europa cristiana, ricorrendo alla contrapposizione barbari – civiltà mutuata dalla classicità greco-romana, tra XVII e XVIII secolo il Turco diventa, progressivamente, una figura esotica oggetto di comicità. L’ultimo gruppo di saggi, „Islamizzazione e eredità ottomana“, si interroga sull’eterogeneo lascito della dominazione turca in Europa orientale, soffermandosi su alcuni tratti peculiari della cultura islamica dei territori balcanici, approfondendo il processo di islamizzazione della Bosnia e facendo luce, anche, sul poco noto ambito di studio rappresentato dalle confraternite mistiche musulmane dei Balcani. Le riflessioni esposte in questo volume, dunque, attraverso un’indagine di prospettiva ampia e multifocale dei rapporti tra Impero ottomano ed Europa cristiana, dischiudono stimolanti prospettive future di approfondimento.
Giulio Merlani
Stefan Hanß/Dorothea McEwan (Eds.), The Habsburg Mediterranean 1500–1800, Wien (Österreichische Akademie der Wissenschaften) 2021 (Sitzungsberichte / Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse 914) (Archiv für österreichische Geschichte 145), 402 pp., ill., ISBN 978-3-7001-8809-4, € 79.
Frutto di un convegno internazionale tenuto a Gerusalemme nel 2018, il volume curato da Stefan Hanß e Dorothea McEwan è, come affermano i curatori nell’introduzione, uno studio asburgo-centrico del Mediterraneo e uno studio mediterraneo-centrico dell’Impero asburgico. Ce n’era bisogno: dopo l’abdicazione di Carlo V e la divisione dei possedimenti asburgici tra un ramo spagnolo e uno imperiale, il Mediterraneo è stato sempre considerato in relazione al primo ramo della casata – almeno per il periodo anteriore al 1719, quando Trieste, l’unico sbocco del Sacro Romano Impero sul Mediterraneo, venne dichiarata porto franco. Il libro che ha imposto il Mediterraneo come oggetto di studio – „La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II“ di Fernand Braudel – porta sì il nome di un Asburgo nel titolo, ma è quello di un Asburgo di Spagna. Che ne fu invece di tutta quell’altra parte dei possedimenti asburgici? Questo libro sostiene, in modo convincente, che studiare i rapporti tra il Mediterraneo e il Sacro Romano Impero sia una scelta che permette di capire meglio entrambi. Costantemente rinegoziato da molteplici attori sociali, il Mediterraneo asburgico è un’area policentrica, caratterizzata da un’incessante mobilità di persone, merci, animali, piante e idee, in cui contatti e conflitti, connessioni e disconnessioni, mobilità e immobilità concorrevano a creare uno spazio vibrante e soprattutto decisivo per dare forma ai caratteri fondamentali del Sacro Romano Impero, non solo in negativo, cioè nella sua secolare competizione con l’altro grande impero mediterraneo, quello ottomano, ma anche in positivo. Proprio sotto il segno della negoziazione e della mobilità (quest’ultima intesa tanto come mobilità di persone quanto di beni tangibili e intangibili) è costruita la struttura del libro, che si articola appunto in tre parti. La prima, „Negotiating the Habsburg Mediterranean“, esplora tre casi in cui l’appartenenza all’Impero fu, per vari motivi, contesa: Michael J. Levin analizza nella condizione di Genova un esempio paradigmatico del Mediterraneo asburgico. Il capitolo analizza l’interazione tra la politica asburgica e quella genovese al passaggio dall’intransigente Lope de Soria al più accomodante don Gómez Suárez de Figueroa, considerato più adatto a gestire le oscillazioni del governo genovese che, con il voltafaccia di Andrea Doria, era rapidamente passato dall’obbedienza francese a quella asburgica. Nel capitolo successivo, Eric Dursteler studia lo stesso tipo di competizione con un altro scomodo vicino dell’Impero asburgico, l’Impero ottomano, attraverso un episodio celebre, come il tentativo di sottrarre nel 1596 agli ottomani la fortezza dalmata di Clissa nelle loro mani da mezzo secolo. In questo caso la tensione era ulteriormente complicata dalla presenza sul triplex confinium della Repubblica di Venezia e dall’attività sul mare degli uscocchi, rifugiati balcanici espulsi dagli ottomani e integrati nei territori asburgici con funzioni di pirateria nell’Adriatico (oggetto a loro volta di un capitolo del volume, scritto da Alexander Koller). Gli Uscocchi ci introducono alla seconda sezione del libro, dedicata ai Flows of people, su cui, per ragioni di competenza professionale, mi soffermerò più a lungo, sperando di riuscire ad accendere l’interesse di chi legge anche per gli altri contenuti di questo libro così ricco. Il primo di questi flussi di persone attraverso il Mediterraneo asburgico è quello studiato da Emanuel Buttigieg, che osserva il rapporto tra il centro e la periferia dell’Impero asburgico alla luce di uno studio sui suoi sudditi che divennero membri dell’ordine cavalleresco di Malta e sui modi in cui seppero modulare la loro appartenenza a un ordine sovranazionale con la loro lealtà alla dinastia. Il libro segue poi la mobilità tra il centro dell’Impero (Vienna) e il mondo mediterraneo in un senso sia centrifugo che centripeto: dal primo punto di vista Mordechay Lewy, in uno dei saggi più riusciti del volume, mostra le strategie di dissimulazione dei pellegrini protestanti in Terrasanta per come vengono trattate tanto nei loro resoconti quanto nella „Navis peregrinorum“, il registro degli ospiti della Custodia francescana di Gerusalemme. Si tratta di un capitolo su cui merita soffermarsi un po’ più a lungo per la sottigliezza con cui trae, da un’analisi ravvicinata delle fonti, ipotesi affascinanti, se non incrollabili certezze interpretative. È un piacere per il lettore vedere come, dopo la Pace di Westfalia, il mondo cattolico guardasse a quello protestante in modo sempre meno polemico e sempre più rassegnato partendo dalla differente denominazione riservata nella „Navis peregrinorum“ ai pellegrini provenienti dal Nordeuropa: registrati come „eretici“ fino al 1650, da quella data cominciano a diventare sempre più „a fide christiana alieni“. Altrettanto affascinante è poi osservare in atto le strategie di dissimulazione religiosa di questi pellegrini: esemplare è il caso, evocato a p. 216, di quel Martinus Seusenius, che gioca sulla sua provenienza dalla Franconia per nascondere la sua provenienza tedesca e spacciarsi per uno che viene „ex Francia Orientali“. Dal punto di vista invece della mobilità umana in direzione centripeta, merita di essere segnalato il saggio di Tobias Graf intorno ai principi arabi che nel Settecento arrivavano nei territori asburgici accampando vere o presunte vessazioni da parte degli ottomani per ricevere aiuti economici. Si tratta di una ricerca che beneficerebbe di una maggiore attenzione alla continuità del tema: il sospetto verso le imposture di chi si presenta come vittima della ferocia ottomana è, come ha mostrato Piero Camporesi, vecchio quanto l’ossessione per i vagabondi. Altrettanto utile sarebbe guardare a casi simili, come quello dell’emiro druso Fakhr al-Dīn e alle relazioni che egli intessé con la Toscana granducale del Seicento. Lo stesso si potrebbe dire per l’elefante di Massimiliano II, studiato qui da Václav Bůžek, che è un parente stretto della giraffa donata a Lorenzo il Magnifico dal sultano mamelucco, tanto da far pensare che „The Habsburg Mediterranean“ si capisca meglio se letto a fianco di „Florence in the Early Modern World: New Perspectives“, a cura di Nicholas Scott Baker e Brian Jeffrey Maxson, London 2020). Nonostante queste osservazioni, il saggio offre un’interessante discussione su come queste figure costruirono il loro self-fashioning di figure liminali tra mondo islamico e mondo cristiano e in quanto tale bisognose di protezione, suscitando le perplessità di gente comune, magistrati ed eccezionali osservatori della natura e dell’umanità come Carsten Niebuhr: costruendo narrazioni basate su elementi inventati ma non del tutto immaginari (fictional, ma non fictive, per usare la sottile ma efficace dicotomia di Graf), questi principi arabi – impostori, nella stragrande maggioranza dei casi – provocarono comunque l’effetto, reale e tangibile, di far diventare il Mediterraneo parte integrante dell’esperienza dei sudditi asburgici. In questi ultimi due casi l’attenzione è posta su gruppi di persone, ma il libro contiene anche esempi di mobilità individuali, come un dettagliato confronto tra il „De ritibus et differentiis Graecorum et Armeniorum“ e lo „Specchio della peregrinatione“, le due opere principali del soldato, pellegrino ed etnografo nato in Ungheria ma di probabile origine croata Bartolomeo Georgijević (qui studiato da Sundar Henny sulla scia delle ricerche di Massimo Moretti) e un altrettanto attento studio incrociato del diario e della raccolta di disegni prodotti dal capitano Christoph von Sternsee, che fu al seguito di Carlo V durante un momento decisivo per capire il Mediterraneo asburgico, come la campagna di Tunisi. L’ultima sezione tocca invece, come si è detto, i nessi tra cultura materiale e intellettuale. I due curatori analizzano l’ambasciata asburgica a Istanbul come un microcosmo in cui i sudditi di entrambi gli imperi coltivarono un gusto comune per gli oggetti artistici (Stefan Hanß) e il pluralismo legale che dominò i rapporti tra gli ufficiali diplomatici ottomani e i protettorati ecclesiastici sui cristiani residenti o sudditi della Porta (Dorothea McEwan). Recensire un libro collettaneo non è mai un’impresa semplice, meno che mai quando i temi trattati sono così vari. Spero comunque di avere reso l’idea di come „The Habsburg Mediterranean“ da un lato colmi una lacuna nella storiografia post-braudeliana e dall’altro contribuisca ad aprire nuove prospettive di ricerca.
Lucio Biasiori
Juan Manuel Santana Pérez/Germán Santana Pérez, Puertas en el Mar. Islas africanas atlánticas en el Antiguo Régimen, Valencia (Tirant lo Blanch) 2022, 376 pp., ill., ISBN 978-84-18656-88-0, € 27,90.
Rispetto a molti volumi che negli ultimi decenni hanno trattato la storia dell’Atlantico e delle sue isole attraverso una prospettiva interconnessa con il continente europeo, quello africano e quello americano della prima età moderna (come per esempio „The Rise of the Trans-Atlantic Slave Trade in Western Africa, 1300–1589“ di Toby Green), „Puertas en el Mar“ colpisce per un approccio inedito, del tutto interno e per così dire locale. Gli autori hanno scelto di trattare la Macaronesia (in particolare Madeira, le Canarie e Capo Verde) e le isole di São Tomé e Principe (le isole del golfo di Guinea) come territori con una loro specifica storia e solo secondariamente si sono soffermati sulle influenze dei tre continenti su queste aree. Il libro è suddiviso in tre capitoli introduttivi (introduzione, fonti e stato della questione), 12 capitoli, che trattano della geografia degli arcipelaghi, della loro agricoltura, la pesca, il commercio, la società, l’amministrazione e la difesa, la storia delle mentalità, e una conclusione. Il caso del capitolo nono („Comercio“) illustra forse meglio di altri la questione della prospettiva che ho definito „interna“ e „locale“. Se di solito la storia della tratta delle persone rese schiave viene studiata e descritta come un fenomeno che origina sulle coste del continente africano, attraversa gli arcipelaghi dell’Atlantico e infine si conclude sul continente americano, „Puertas en el Mar“ invece si sofferma, volta per volta, sulle isole della Macaronesia interessate da tale fenomeno. Così gli autori ci conducono, come montando un lungo piano sequenza, da un arcipelago all’altro, da un’isola all’altra e da queste, in un costante andirivieni, alle coste vicine. Così, ad esempio, spiegano come a Funchal (Madeira) fosse attivo tale tipo di commercio nel 1470 (p. 193); poi si soffermano sulle Canarie e sulla loro relazione con il vicino Sahara (p. 194) e poi tratteggiano il quadro della schiavitù a Capo Verde e São Tomé (p. 195), che avevano relazioni dirette con la Elimina, Sierra Leone e Liberia in Africa occidentale. Allo stesso modo il capitolo settimo („Cultivos centrales de exportación“), incentrato sulle esportazioni agricole, non segue con una prospettiva tradizionale la traiettoria dello zucchero dal Mediterraneo orientale alle Americhe (classico, per esempio, nel lavoro di John Thornton, „The Rise and Fall of the Plantation Complex“), ma spostando la prospettiva tra i vari arcipelaghi, mostra dove fossero impiantate le prime piantagioni; poi si sofferma sulla coltivazione delle banane, che dalle Canarie arrivarono nel Nuovo Mondo, delle patate, che viceversa arrivarono alle Canarie dal Nuovo Mondo e così via, sulle arance e i limoni, sull’aloe vera, il riso etc. Nel capitolo 10 („Sociedad“) ritorna ancora il tema della schiavitù (pp. 237–249), ma qui gli autori mostrano come nei diversi arcipelaghi la componente delle persone rese schiave fosse diversa. Madeira e le Canarie si costituirono come società di persone libere in cui c’erano anche persone ridotte in schiavitù, mentre Capo Verde, São Tomé e Principe nacquero come vere e proprie società schiavistiche. Interessanti sono i paragrafi sulle Canarie (pp. 243–246), perché mostrano quanto variegata fosse qui la presenza delle persone rese schiave, musulmani, amazigh, provenienti dall’Africa sub-sahariana e la popolazione indigena, assorbita e massacrata tra il Quattrocento e il Cinquecento. Non manca una prospettiva di storia istituzionale nel capitolo undicesimo, che affronta la questione della difesa e dei pirati, che a più riprese attaccarono gli arcipelaghi della Macaronesia (celebri gli infruttuosi tentativi di Francis Drake di espugnare La Palma, La Gomera e Las Palmas p. 268). L’ultimo capitolo, il dodicesimo, si sofferma su alcuni aspetti di quello che gli autori chiamano „immaginario insulare“. Tratta del timore per i corsari, le balene, degli ex voto dei marinari e della fascinazione esercitata alle Canarie dalla leggenda dell’isola incantata di San Borondón (pp. 302–310) – un’isola flottante avvistata più volte nel corso dell’età moderna e menzionata da personaggi come Colombo, l’ingegnere Leonardo Torriani e il gesuita Matías Sánchez Bernalt. In quella che è una panoramica densa di riferimenti bibliografici (sono 38 le pagine della bibliografia), gli autori non hanno però tralasciato le fonti d’archivio. Anzi. Hanno avviato per questo volume un’intensa campagna di ricerca, consultando fonti presso 25 archivi in 7 diversi paesi. È ciò che succede quando si vuole studiare un insieme così ampio di arcipelaghi, come la Macaronesia. La questione però non dipende solamente dal fatto che molte fonti sono disperse tra le isole e la penisola iberica (Madeira e Lisbona, Capo Verde e Lisbona etc.), ma anche dal fatto che le isole Canarie sono ricchissime di archivi. Nel complesso „Puertas en el Mar“ offre un approccio inedito e una prospettiva utile per chi volesse guardare all’Atlantico non solo come a un oceano attraversato dalla storia, ma come uno spazio dove gli eventi, le dinamiche e i processi si sono fissati in una dimensione insulare.
Carlo Taviani
Fabrice Fitch, Renaissance Polyphony, Cambridge (Cambridge University Press) 2020 (Cambridge Introduction to Music), XX, 273 pp., ISBN 978-0-521-89933-8, GBP 69,99.
Anyone who has prepared a musicology syllabus knows that specialised studies are easier to find than good introductions that provide students with the fundamental tools to approach a given repertory independently. The series „Cambridge Introduction to Music“ seeks to help in this task, addressing students of music at the undergraduate and graduate level as well as readers „who want to broaden their understanding of the music they enjoy“. Among the most recently published volumes is „Renaissance Polyphony“ by Fabrice Fitch, the object of this review. As stated in chapter 1, „Renaissance Polyphony“ tackles a very specific repertory, namely the European art polyphony transmitted by written sources between c. 1440 and c. 1590. These chronological extremes build on a widely accepted historiographical narrative and correspond respectively to the continental reception of English Mass cycles and to the deaths of Orlandus Lassus and Giovanni Pierluigi da Palestrina, unquestioned masters of the polyphonic art who both died in 1594. Needless to say, the decision to focus on art polyphony excludes repertories that characterised the sound world of fifteenth- and sixteenth-century Europeans to a greater degree, such as plainchant, monophonic songs, vernacular hymns and so on. Nonetheless, I regard the focus on great Renaissance polyphony as absolutely legitimate for an introductory book, given its central role in our contemporary musical culture. The most interesting aspect of the publication, however, is not its topic (covered in virtually all the music history textbooks currently available), but rather the way in which the topic is addressed. While introductory studies often tackle cultural and social aspects, ostensibly more accessible to a public of non-specialists, Fabrice Fitch takes a very different approach. In place of composers’ biographies and large-scale historical overviews, he focuses instead on musical styles and compositional techniques, with a command of the topic and a clarity of exposition that are certainly the result of years of teaching these very subjects. This focus notwithstanding, Fabrice Fitch does not downplay the importance of the social dynamics underlying the production of musical works. In chapter 3 „Makers of polyphony“, for instance, he discusses the people directly responsible for music-making but leaves aside concrete examples to sketch general tendencies instead. This helps the reader to gain a sense of the historical conditions under which the works discussed in the book originated, without being overwhelmed by dates and the names of now obscure places. Chapters 4–13 are devoted entirely to technical aspects that allow for a more informed appreciation of the music, both in its sounding and material dimensions. Fabrice Fitch rightly argues that „there is more to Renaissance polyphony than meets the ear“ (p. 2) and he succeeds in highlighting aspects of music that can be appreciated only in its written form. Thus, a knowledge of notation and its intricacies appears useful not just to the performer but also to the listener: an important point for an introductory book that will hopefully inspire readers to explore this fascinating topic in greater depth. Chapters 5 and 11 discuss voice-names, voice ranges, voice functions, scoring, texture, and scale, providing fundamental information that equips the reader with sound ideas on how to approach a piece of polyphony. Chapters 8–10 focus instead on the main genres of polyphony, following Johannes Tinctoris’ (d. 1511) famous tripartite division into mass, motet, and secular music. Although he follows historical definitions, Fabrice Fitch does not conceal the problems entailed by studying fifteenth- and sixteenth-century polyphony through the lens of genre (see pp. 96–102). In my opinion, it is also very important that Fabrice Fitch succeeds in demonstrating the playful and humorous side of Renaissance polyphony, an art that many imagine as quintessentially „churchy“ and austere (see for instance pp. 134 f. and 200). On the negative side, I should mention that the author occasionally provides an excess of information in an overly short space: some paragraphs on pitch (chapter 4) and mensuration (chapter 6) seem frankly too concise and complex for a non-specialist readership and might simply have been omitted. Lastly, the reader should be aware that the book is weighted towards the second half of the fifteenth and the early sixteenth century: this focus is legitimate, but it might have been better to make it explicit – and defend it – in the introductory chapter. These issues notwithstanding, „Renaissance polyphony“ is a true joy and could also be profitably read by those with a prior knowledge of the music discussed who wish to gain a clearer overview of its principal stylistic features. In the acknowledgements, Fabrice Fitch expresses the hope that the book will fulfil its commissioner’s wish „to see in print the book she would like to have read as a student“ (p. xvi). For my part I can say that this is a book I wish I had read as a student; I am glad to have had the chance to read it now.
Antonio Chemotti
Ursula Jaitner-Hahner, Città di Castello nel Quattrocento e nel Cinquecento. Economia, cultura e società, prefazione di Maria Grazia Nico Ottaviani, Città di Castello (Edizioni Nuova Prhomos) 2020 (Biblioteca del Centro Studi „Mario Pancrazi“ 27), 479 S., ISBN 978-88-6853-554-4, € 30.
Die ausgewiesene Expertin der Geschichte von Città di Castello – u. a. durch eine zweibändige Biographie des Humanisten Lelio Tifernate oder auch eine fundamentale Abhandlung zu den Kurialen aus Città di Castello – legt mit dieser Monographie die Ergebnisse einer fast 50jährigen Archivarbeit vor, in der sie Quellen hauptsächlich aus den lokalen Archiven in Umbrien und der Toskana sowie Rom und dem Vatikan zusammengetragen hat, wobei neben der römischen Zentrale vor allem die reichen Notariatsbestände vor Ort auffallen, die hier umfassend ausgewertet werden. Gegenüber der chronologischen Erzählung bevorzugt sie einen systematischen Zugriff, der sich vor allem auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte des Lebens in der Stadt vom 15. zum 16. Jh. konzentriert. Von dem Hauptsektor, der Tuchproduktion, bis hin zu den Schustern, von den Kaufleuten und ihren Verbindungen nach Florenz, bis hin zu Testamenten und Kunstaufträgen reicht das weite Panorama der zu Tage geförderten Novitäten. Armut und Reichtum, das soziale und medizinische Fürsorgewesen werden ebenso in größtem Detail erhellt wie die vielgestaltigen Verbindungen ins päpstliche Rom und die vor Ort tonangebende Familie Vitelli. Im Bereich der Gelehrsamkeit wird nicht nur das Schulwesen generell vorgestellt, sondern auch einzelne Ärzte, Juristen, Familien mit ihren Bibliotheken im Spiegel der aufgefundenen Notariatsakten, ebenso wie der Buchdruck. So entsteht ein suggestives Bild einer vielgestaltigen Gelehrsamkeit in der Stadt, die teils aufs Engste mit Rom (und den Orsini) verflochten war (zumal nach der Reform von 1559); und so ist auch mancher literarischer Fund – wie jener der Oxforder Hs. mit poetischen Werken des Humanisten Cristano Canauli – aus römischer Sicht hochinteressant, die unter anderem Gedichte auf den Kardinal Bernardino Carvajal oder den Zeremonienmeister Paride Grassi umfassen. Das Buch wird durch umfangreiche Listen öffentlicher Funktionäre und Editionen bereichert; wichtige Dokumente – insbesondere im Bereich der lateinischen Gelehrsamkeit – werden in einem Anhang ediert. Ein detailliertes Register erschließt die ungeheuer vielen Quellenfunde auf allen Gebieten der städtischen Geschichte und ihrer Verflechtungen. Dafür stellt das Werk ein fundamentales Kompendium und zugleich eine wahre Fundgrube dar. Jeder, der sich künftig mit Città di Castello in Spätmittelalter und Früher Neuzeit beschäftigt, wird dieses Buch mit großem Gewinn konsultieren.
Tobias Daniels
Lucrezia Borgia, Lettere 1494–1519, a cura di Diane Ghirardo con la collaborazione di Enrico Angiolini, presentazione di Anna Maria Buzzi, prefazione di Patrizia Cremonini, Mantova (Direzione Generale Archivi – Tre lune edizioni) 2020 (Pubblicazioni degli Archivi di Stato – Archivio di Stato di Modena), XLI, 753 S., ISBN 978-88-319-0412-4, € 38.
Dieser voluminöse Bd. enthält außer einer Edition der Briefe Lucrezia Borgias zwei Aufsätze und eine editorische Vorbemerkung. Patrizia Cremonini, „Missive ingannevoli e verità nascoste. Vero e verosimile svelati da un cifrario di Lucrezia Borgia d’Este conservato nell’Archivio di Stato di Modena“ (S. XVII–XXXI), bespricht einen 27 Punkte umfassenden, von ihr auf 1509–1514 datierten Chiffrenschlüssel, der Alltagsphrasen zur Umschreibung politischer und militärischer Sachverhalte verwendete. Diane Ghirardi, „Lucrezia scrive“ (S. 1–59), gibt eine Einführung zur Überlieferungssituation der Schreiben Lucrezia Borgias, ihrer Biographie, speziell ihrem Leben in Ferrara, ihrer Bildung und literarischen Beziehungen; sie schließt mit einer Einordnung der Briefe Lucrezias in frühneuzeitliche Kanzleigewohnheiten, einer diplomatischen Beschreibung der äußeren Merkmale und einem Überblick zu den Adressaten der Schreiben. Enrico Angiolini, „Nota sui criteri di trascrizione“ (S. 61–65), informiert u. a. über die leichten Normalisierungen und Modernisierungen der Orthographie beim Abdruck der – mit Ausnahme einiger kastilischer Briefe – im italienischen volgare verfassten Schreiben. Zu beachten ist auch der kleingedruckte Hinweis gegenüber S. 73: autographe Partien von der Hand Lucrezias stehen zwischen Asterisken (*–**). Der Hauptteil, die Edition (S. 71–648), umfasst 727 Schreiben Lucrezias, die Diane Ghirardi in zwanzigjähriger Forschungsarbeit in Archiven und Bibliotheken zusammengetragen hat. Diese eindrucksvolle Zahl stellt nach Schätzung der Editorin (S. 4–6) nur einen Bruchteil des ursprünglich wohl in die Tausende gehenden Briefwechsels dar. Die meisten originalen Briefe Lucrezias hat das Archivio di Stato di Mantova aus dem Bestand der Gonzaga beigesteuert, während von Seiten der Este im Archivio di Stato di Modena Kopien und Entwürfe ausgehender Schreiben erhalten geblieben sind. Die Liste der benutzten Bestände (S. XXXVI–XLI) verweist darüber hinaus auf das Vatikanische Archiv, das Staatsarchiv in Florenz, die Biblioteca Ambrosiana in Mailand mit dem bekannten Codex Pietro Bembos sowie Institutionen in Imola, Ferrara, Todi u. a. Die Texte sind in chronologischer Reihenfolge abgedruckt (eine Übersicht ermöglicht der „Elenco delle lettere“, S. 649–673), mit Nennung der Datierung und des Adressaten in der Kopfzeile und Angabe des Überlieferungsorts in der zweiten Zeile. Bei originalen Schreiben werden auch die Adressen auf der Außenseite wiedergegeben. Textkritische Anmerkungen werden zu Korrekturen, Streichungen, Lücken und irrigen Schreibungen angebracht; der Sachkommentar gibt vor allem Hinweise zu erwähnten Personen, die zum Teil auch aus ungedruckten Quellen geschöpft sind. Sechs Abb. (nach S. 65, nach S. 641) vermitteln einen Eindruck zumal von den autographen Schreiben Lucrezias. Die Edition wird durch einen Index der Personennamen erschlossen; eine umfangreiche Bibliographie ist beigegeben (S. 675–733). Es kann nicht genug betont werden, dass diese Edition einen Meilenstein darstellt, auf den die Forschung gewartet hat, seit Ferdinand Gregorovius in seiner Biographie der Lucrezia 1874 erstmals in größerem Umfang auf ihre in Mantua und Modena erhaltenen Briefe hinwies. Diane Ghirardi ist es gelungen, die in den ersten einschlägigen Publikationen des 19. Jh. genannten Zahlen von erhaltenen Briefen Lucrezias weit mehr als zu verdoppeln. Über die Biographie der Lucrezia und ihrer Briefpartner und -partnerinnen hinaus ist diese Edition von größtem Interesse für viele weitere Themen, wie etwa weibliche Kommunikationspflege, politisches Agieren von Fürstinnen, fürstliche Patronage- und Klientelnetzwerke. Dass Diane Ghirardi die Kärrnerarbeit des Sammelns und Edierens auf sich genommen hat, verdient höchste Anerkennung. Ein kleiner Wermutstropfen: diese Leistung hätte es verdient gehabt, auf besserem Papier gedruckt zu werden.
Claudia Märtl
Franco Cazzola, Uomini e fiumi. Per una storia idraulica ed agraria della bassa pianura del Po (1450–1620), Roma (Viella) 2021 (I libri di Viella 380), 432 pp., ISBN 978-88-331-3745-2, € 38.
Con questo ultimo lavoro Franco Cazzola conferma di essere uno dei maggiori conoscitori della variegata materia dell’acqua nei suoi rapporti con l’agricoltura, specialmente in un’area come quella padana la quale ha dovuto confrontarsi perennemente con l’elemento naturale rappresentato dal maggiore fiume italiano, il Po. In questa approfondita analisi, frutto di decenni di ricerche archivistiche e di letture a 360 gradi sia di carattere regionale che internazionale, Cazzola non dipinge né un quadro roseo né trae delle conclusioni trionfalistiche sulla vittoria dell’uomo sull’elemento acqua. Anzi le sue ultime pagine ci ricordano come la natura e in particolar modo i fiumi possono sempre riprendere il sopravvento sulle supposte conquiste economiche e idrauliche e riconquistare quegli spazi e quelle aree urbane che si consideravano definitivamente sotto controllo: il caso della città di Venezia, con cui Cazzola chiude la sua ricerca, è in questo senso significativo. A questa città e alla sua politica di carattere regionale l’autore ha dedicato un’attenzione tanto pregnante quanto quella dedicata ai fiumi della destra Po, perché i destini della Repubblica si erano intrecciati indissolubilmente alle politiche e alle imprese agricole che erano state condotte lungo il Po e il suo delta ma che potevano intersecare quelle esistenti nella bassa pianura veronese e padovana. Un’attenzione particolare è stata data alla deviazione del Po con il taglio di Porto Viro, effettuato all’interno dei territori veneziani in un periodo storico cruciale, allorquando il Ducato di Ferrara sarebbe stato incluso e quindi governato dallo Stato Pontificio. Ciò significò l’inizio di una politica delle acque che assunse un altro indirizzo ma che in ogni caso coincise con la perdita dei prosciugamenti condotti con grande impegno finanziario da parte della potente famiglia dei Bentivoglio. Il ruolo di questi e altri imprenditori di origine aristocratica-feudale non avrebbe comunque impedito la partecipazione attiva da parte delle comunità rurali nelle operazioni di bonifica effettuate all’interno sia delle aree modenesi e bolognesi come in molte terre sulla destra Po. Tali comunità sarebbero risultate, secondo l’ottica di Cazzola, più partecipi rispetto a quelle che avrebbero operato nell’ambito dei consorzi veneti, dei quali una lunga tradizione storiografica ha sottolineato il ruolo speculativo e aristocratico da parte della classe dirigente veneziana piuttosto che un coinvolgimento „dal basso“. È questo un punto importante nella disamina che ne fa l’autore e che meriterebbe ulteriori approfondimenti e confronti. Così per il rifiuto che l’autore fa delle teorie di Karl Wittfogel, a proposito del dispotismo idraulico sviluppato in Cina, certamente in un’area geografica molto lontana dalla Pianura padana ma che può essere almeno testato per le sue implicazioni istituzioni e sociali con quest’ultima area. Merito comunque di Franco Cazzola è quello di aver saputo elaborare e controllare una materia ricca di fonti letterarie e archivistiche concernenti le trasformazioni e le vicende idrografiche dei tanti corsi d’acqua che hanno solcato la Pianura Padana, dalla Lombardia al Veneto, integrandole nel complesso quadro di Comuni e Signorie italiani e di seguirne le vicende politiche e finanziarie. Governare tali territori significava fare delle scelte le quali tradivano interessi economici e familiari e non sempre di carattere generale. L’affaire Bentivoglio e la politica idraulica della città di Ferrara (la terza nello Stato Pontificio dopo Roma e Bologna), inglobata nello Stato della Chiesa unitamente all’altra cittadina „anfibia“ di Comacchio rappresentano nella trattazione di Cazzola un capitolo chiave in questa direzione. Questi aspetti economici-speculativi non gli fanno dimenticare altre due chiavi di lettura, non meno significative, vale a dire gli aspetti tecnologici che hanno accompagnato le operazioni di prosciugamento dei terreni agricoli non disgiunte dalle conoscenze di idraulica che conoscono in questo periodo e in queste regioni un rilievo importante: basti pensare alla figura centrale dell’Aleotti e a tutto il confronto con l’idraulica veneta. Una temperie culturale e scientifica che sicuramente non sarebbe cessata allorquando Ferrara perderà il controllo diretto del Po o sarà risolta l’annosa problematica legata al controllo del fiume Reno, deviato dapprima nel Po e poi fatto sfociare direttamente in Adriatico. Ma „acque furiose“ confrontate con „argini fragili“, nonché il governo e il sapere delle acque, gloria rinascimentale italiana, sono lì a ricordarci che l’impegno tecnologico, le politiche speculative legate alla fame di terra e al reddito agricolo che se ne poteva trarre non hanno permesso di vincere definitivamente l’elemento idrico in un’area nevralgica come la Pianura padana. L’analisi delle variazioni climatiche, un capitolo al centro della trattazione di Cazzola, risulta tanto più meritoria in quanto non solo si lega alla contemporaneità ma richiama una problematica storiografica che non ha ricevuto sino a tempi recenti la dovuta attenzione.
Salvatore Ciriacono
Giovanni Gioviano Pontano, De bello Neapolitano, a cura di Giuseppe Germano, Antonietta Iacono e Francesco Senatore, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2019 (Il ritorno dei classici nell’umanesimo. 4: Edizione nazionale dei testi della storiografia umanistica 13), LVII, 603 S., ISBN 978-88-8450-917-8, € 85.
Das Werk „De bello Neapolitano“, welches der bedeutende neapolitanische Humanist Pontano 1503 bei seinem Tod unvollendet hinterließ, stellt eine lange geringgeschätzte, spätestens seit den Studien von Tateo aber viel herangezogene historiographische Quelle zu dem Thronnachfolgekrieg im Königreich Neapel der Jahre 1458–1465 dar, in dem sich Ferrante d’Aragona nach dem Tod Alfons des Weisen gegen die Barone und Johann von Anjou behauptete (eine tabellarische Ereignisrekonstruktion S. 151–173). Im Rahmen der „Edizione nazionale dei testi della storiografia umanistica“ liegt es nun in einer opulenten Ausgabe kritisch ediert vor. Die Hg. zeichnen in einer magistralen Einführung zunächst Forschungsgeschichte und Werkstruktur nach, erklären, wie „De bello Neapolitano“ zunächst als lobpreisende Geschichtsschreibung verstanden wurde, nun aber als eine Art offizieller Hofgeschichtsschreibung einzuschätzen sei. Auf der Grundlage der neuesten Editionen der neapolitanischen und Mantuaner Botschafterkorrespondenzen stellen sie dann den bewaffneten Konflikt historisch dar, ordnen ihn historiographisch ein und bewerten die Darstellung Pontanos. Das Werk ist unikal autograph überliefert in der (hier detailliert beschriebenen) Sammelhs. 3413 der Wiener Nationalbibliothek, gedruckt wurde es auf dieser Grundlage 1509 durch Pietro Summonte bei Sigismund Mayr. In puncto Abfassungszeit plädieren die Hg. für ein Datum nach 1494/1495 (S. 97) und zeigen anhand der vier unterscheidbaren handschriftlichen Korrekturen Pontanos die Bearbeitungsstufen auf. Pontanos Schreibstil wird mit seiner Kanzlistentätigkeit in Beziehung gesetzt, ebenso wie seine humanistische Orientierung an antiken rhetorischen Modellen und Autoren (bevorzugt Livius und Sallust) nachvollzogen wird. Ebenfalls werden die narrativen Sequenzen des Textes regestenartig vorgestellt (S. 173–189). Die Textedition (S. 197–468) umfasst einen dreigliedrigen Fußnotenapparat mit Varianten und Emendierungen, literarischen Quellen und präzisen historischen Einordnungen. Eine besondere Preziose stellen die beigegebenen Editionen von 16 Briefen aus der Kanzlei Ferrantes zu den Ereignissen dar, die hier erstmals der Hand Pontanos zugewiesen werden konnten (S. 469–507). Umfassende Orts-, Personen- und Quellenregister (S. 509–599) beschließen den in jeder Hinsicht vorbildlichen, akkuraten Bd. Ihm ist eine weite Rezeption im Rahmen des aktuell neuen Interesses an der Historiographie Süditaliens in Mittelalter und Renaissance sehr zu wünschen.
Tobias Daniels
Popolazione e immigrazione a Roma nel Rinascimento. In ricordo di Egmont Lee, a cura di Anna Esposito, Roma (Roma nel Rinascimento) 2019 (RR inedita 84. Saggi), 156 S., ISBN 978-88-85800-12-0, € 20.
Der Name des kanadischen Historikers Egmont Lee († 2016) ist untrennbar verbunden mit der Sozialgeschichte Roms in der Frührenaissance. In diesem Sammelbd. sind die Beiträge des zu seinen Ehren am 8. Mai 2018 an der Fondazione Besso abgehaltenen Kolloquiums abgedruckt, zusammen mit dem Manuskript eines von ihm selbst im Oktober 2013 gehaltenen Vortrags (S. 137–145). Alle Beiträge unterstreichen die Bedeutung der von Lee edierten „Census“ (1516–1517) und „Descriptio Urbis“ (1526–1527) als herausragende Quellen für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Ewigen Stadt. Der „Census“ gibt Auskunft über die Besitzerverhältnisse, die „Descriptio“ über die „Munde“ (bocche), also Einwohner pro Wohnungseinheit (20, 24, 33). Ein roter Faden des Sammelbd. ist die Unterstreichung des Immobilienmarktes als bedeutendsten Politikfaktors der Zeit. Tabellen (Susanna Passigli, Angela Lanconelli) und Quelleneditionen (Ivana Ait) ergänzen die Beiträge. Ein Mehrwert des Bd. sind die Mikrostudien, die in der Tradition von Lee einzelne herausragende Quellen vorstellen. Dem Vorwort von Anna Esposito und dem darauffolgenden Lebensbild Alfio Cortonesis („In ricordo di Egmont“, S. 9 f.) schließen sich die sieben Beiträge des Kolloquiums an. Den Anfang macht „Gli studi di Egmont Lee. Roma tra due ‚censimenti‘ della popolazione (1516/17–1526/27)“ von Manuel Vaquero Piñeiro (S. 11–21). Vaquero würdigt beide Volkszählungen und stellt eine Kontinuitätslinie zwischen den beiden Quellen fest: beide sind nämlich als Ergebnis des aktiven Ausbaus der Immobilienbesteuerung in der Stadt der Päpste zu sehen (S. 13). Die Erste erlaube Haushalte zu zählen, wohingegen die Zweite einen Schwerpunkt auf die Bewohner habe (S. 20). Im nächsten Beitrag „Le donne nei censimenti romani del Cinquecento“ widmet sich die Hg. den Frauen in den Volkszählungen (S. 23–31). Anna Esposito konzentriert ihre Analyse auf den „Census“ von 1516. Sie stellt fest, dass von Frauen geführte Haushalte ärmer als Männer-Haushalte waren (S. 26); ihre Berufe zeigen ihre sozial sehr schwache Stellung mehrheitlich als Prostituierte und Wäschefrauen (S. 28). Beginnend mit den Verhältnissen im Borgo widmet sich Andreas Rehberg den mit der Kurie verbundenen Personen in den Verzeichnissen in „Evidenze nascoste: i curiali nella Descriptio Urbis“ (S. 33–47). Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Kurialen tendenziell sehr niedrig angegeben wurde, wodurch für diese Berufsgruppen eine weitere Kontextualisierung der Quellen vonnöten sei (S. 41, 46). Susanna Passigli thematisiert in „Le parrocchie di Roma nel Quattrocento: aggiornamenti“ (S. 49–81) eine andere Quelle aus dem Jahre 1455 mit dem schlichten Namen „Entrata e uscita“ (ASR, Camerale I, Collectorie camerali, b. 1189, reg. 1). Trotz der grundlegend schweren Erfassung der Pfarreien (da viele Kirchbauten Pfarr- und Stiftskirchen waren) lasse sich nach Passigli eine allgemeine Tendenz zur Reduzierung der Anzahl von Pfarreien bis 1569 festmachen (S. 53). In „Ponte optima regio a curialibus frequentata: mercato immobiliare e provedimenti papali a favore degli inquilini. Prime osservazioni“ (S. 63–99) stellt Ivana Ait ebenfalls eine Quelle vor, nämlich die Constitutio sive decretum cum confirmatione in favorem inquilinorum aus Oktober 1510 (AAV, Camera Apostolica, Div. Cam. 58). Nach Ait ergibt sich eine enge Verflechtung zwischen der Bebauung des Tiberufers und der in Rom beliebten Praxis der Erbpacht (S. 93), deren Ende mit der Constitutio (zugunsten der Kurialen) eingeläutet wurde. Luciano Palermo liefert eine wirtschaftshistorische Mikrostudie über die Handelskorrespondenz des Agnolo di ser Pino im Archivio Datini (Prato) in „Le strategie mercantili del fiorentino Agnolo di ser Pino nella Roma del tardo Trecento“ (S. 101–121). Dabei kommt die Bedeutung Genuas für den Handel in, nach und aus Rom zum Vorschein (S. 114). Angela Lanconelli lenkt die Aufmerksamkeit zurück zur Sozialgeschichte in „Mobilità geografica delle maestranze edili nel tardo medioevo: testimonianze dai libri di spese per i restauri delle rocche pontificie nel Patrimonio di San Pietro in Tuscia“ (S. 123–135). Über die Analyse von AAV, Camera Apostolica, Introitus et exitus 266 widmet sich Lanconelli der Frage nach der Integration von Fremden im bewegten (und militärisch umkämpften) 14. Jh. Sie stellt fest, dass die unklare Terminologie der Quellen mögliche Rückschlüsse verhindert (S. 129). Der Bd. wird abgeschlossen von Lee selbst („Crime and Ethnic Solidarity in Early Modern Rome“, S. 137–145). Durch die Untersuchung von Primärquellen der Apostolischen Kammer und des Gerichtshofs des Senators von Rom im Römischen Staatsarchiv konnte er schon 2013 das Fehlen von gemeinsamen Tendenzen bei ausländischen Straftätern im Rom der Frührenaissance beobachten (S. 138, 144). Schmal in der Länge und groß in der Erkenntnis würdigt dieser Bd. das wissenschaftliche Erbe Egmont Lees für die Ewige Stadt.
Ignacio García Lascurain Bernstorff
Giovanna Sapori, Decorare i palazzi. Da Raffaello a Zuccari, Roma (Artemide) 2020, 336 S., Abb., ISBN 978-88-7575-345-0, € 30.
Die Kunsthistorikerin Giovanna Sapori von der Università di Roma Tre hat sich als Expertin für die Malerei des 16. Jh. einen Namen gemacht. In elf reich bebilderten Abschnitten ohne Überschriften werden Kompositionen und Dekorationssysteme mit dem Ziel vorgestellt, für den Zeitraum von 1540 bis 1570 Werkstätten und Mobilität der Künstler sowie die Erwartungen ihrer Auftraggeber zu rekonstruieren. Es zeigt sich schnell, dass der Erfolg eines Malers neben seinen künstlerischen Qualitäten auch seinen Fähigkeiten als Unternehmer geschuldet war. Dies wird immer wieder mit eindrücklichen Beispielen belegt. So zielten Jacopo Ripandas antikisierende Szenen im Konservatorenpalast darauf ab, die Kontinuität der Werte und Befugnisse der städtischen Magistrate zu bekräftigen (S. 19). Das unübertroffene Vorbild waren stets die Stanzen des Raffael im Vatikan. Zum Vergleich lädt auch die Sala delle Prospettive des Baldassare Peruzzi und seiner Mitarbeiter in der Villa Farnesina ein. Die Vf. unterscheidet die Künstler der zweiten Garde, die z. B. im Palast des Kurialen Melchiorre Baldassini tätig waren (S. 64). Cesare Nebbia und Giovanni Guerra leiteten etwa hundert Personen: Maler, Stuckateure, Dekorateure, Lehrlinge, Arbeiter und Meister. Einen guten Ruf genossen die umbrischen Künstler. Immer wieder erfährt man etwas über heraldische Bezüge, die aber noch vertieft werden sollten. Vasari jedenfalls war sich 1551 nicht zu schade, ein Wappen Julius’ III. an die Fassade des Palazzo Altoviti zu malen (S. 135 Anm. 11). Die Baronalfamilien Colonna und Orsini versuchten, einander Künstler wie Taddeo Zuccari abzuwerben. Anspruchsvolle Zyklen verlangten viel Zeit, wie die Fresken im Farnese-Palast von Caprarola, die von 1562 bis 1583 ausgeführt wurden. Gelegentlich erfährt man auch etwas zu den Ideengebern ikonografischer Programme im Hintergrund (S. 171 f.). Im Anhang werden von Patrizia Di Benedetti und Alessandro Giammaria 1500 Archivdokumente über die Arbeit von Malern und Stuckateuren in römischen Palästen zusammengetragen (aufgefächert nach Ort und Art der Arbeit, Chronologie, Entlohnung). Stellt man dies in Relation zu den 180 aufgelisteten Künstlern, wird klar, dass man von Vollständigkeit nicht sprechen kann (S. 179 f.). Ein gefragter Maler wie Girolamo Muziano musste 1561 Sorge dafür tragen, dass Farben für die Decken der Maultiere des Kardinals Ippolito d’Este angeschafft wurden (S. 227). Auch in diesen Listen schlagen Ausgaben für heraldische Elemente aller Art zu Buche. Insgesamt ergibt sich ein hervorragender Einblick in das Kunstschaffen in Rom, das auch für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte weiterführende Aufschlüsse erlaubt.
Andreas Rehberg
Guillaume Alonge/Raffaele Ruggiero (sous la direction de), Relations diplomatiques franco-italiennes dans l’Europe de la première modernité. Communication politique et circulation des savoirs, Lecce-Rovato, Pensa MultiMedia Editore, 2020 (Mele cotogne. Studi filologici, storici, letterari 4), 424 pp., ISBN 978-88-6760-724-2, € 45.
Analizzare le relazioni diplomatiche tra la Francia e la penisola italiana agli inizi dell’Età Moderna significa ricostruire un mondo variegato di momenti e figure all’interno di un periodo di trasformazioni storiche, politiche e culturali. Con questo obiettivo, i due curatori del volume, Guillaume Alonge e Raffaele Ruggiero, si inseriscono in un filone di studi già ampiamente battuto, affrontandolo con uno sguardo innovativo, volto ad indagare gli effetti di media e lunga durata degli scambi politici, religiosi, culturali e militari in atto fra i due spazi geografici, nonché ad evidenziare l’importanza dell’elemento umano, individuale. Ne scaturisce un’opera che, offrendo un ventaglio di situazioni multiformi nell’arte delle negoziazioni del XVI secolo, si colloca con profitto all’interno del rinnovamento degli studi sulla storia della diplomazia intrapreso negli ultimi anni. Il volume, di taglio interdisciplinare, prende le mosse dalla giornata di studi dedicata alle „Relations diplomatiques franco-italiennes dans l’Europe de la première modernité“ organizzata dal Centre Aixois d’Études Romanes dell’Università di Aix-Marseille (12–13 dicembre 2018). Perlopiù in lingua francese (appena quattro le relazioni in italiano), il libro presenta dodici saggi a firma di storici e letterati, ciascuno con la propria bibliografia, più una breve prefazione di Ruggiero e un’introduzione di Alonge. Felice commistione tra esperti professori e giovani ricercatori, il testo è idealmente suddiviso in quattro sezioni. La prima riguarda i rapporti franco-fiorentini ad inizio Cinquecento, con i contributi di Emanuele Cutinelli-Rendina (pp. 31–50) e Jean-Louis Fournel (pp. 51–76) dedicati alle missioni di personaggi illustri, come Machiavelli o Guicciardini, e meno noti, come Luca d’Antonio degli Albizzi e Francesco Soderini. Seguono poi le relazioni di Guy Le Thiec (pp. 77–128), Marco Iacovella (pp. 129–156) e Jean Senié (pp. 157–182), sugli scambi politico-culturali tra alcune delle maggiori famiglie signorili in Italia (Borgia, Este e Gonzaga) e la corte di Francesco I. Una terza sezione, di cui fanno parte i saggi di Dante Fedele (pp. 183–230), Valentina Leone (pp. 231–270) e Raffaele Ruggiero (pp. 271–292), si concentra sulle connessioni tra l’arte delle negoziazioni e l’attività letteraria, evidenziando il ruolo dell’ambasciatore come strumento di diffusione di arte e cultura. Infine l’ultima parte, alla quale appartengono i contributi di Delphine Chiocci e Pierre Névejans (pp. 293–322), Damien Fontvieille (pp. 323–344), Guillaume Alonge (pp. 345–372), Paolo Carta e Dorota Gregorowicz (pp. 373–402), analizza i codici di comportamento e le pratiche comunicative degli ambasciatori dagli anni Quaranta fino alla fine del XVI secolo. Tale organizzazione della materia, cronologicamente ordinata, appare nel complesso tutt’altro che rigida: basti pensare, ad esempio, ai legami fra diplomazia e letteratura, questione attorno alla quale ruota la terza sezione, ma che in realtà si trova al centro di quasi tutti i contributi. In controtendenza con alcune delle più recenti miscellanee sulla storia della diplomazia, il libro limita lo studio ad un solo secolo e ad un preciso spazio geografico. Lungi dal perseguire l’esaustività, come dichiarato in apertura di volume (p. 12), tale scelta è determinata dalla volontà dei curatori di rappresentare il mondo variegato e multiforme della diplomazia cinquecentesca, all’interno del quale non vi era ancora un modello di ambasciatore, ma agivano attori differenti: da rappresentanti ufficiali ad agenti informali e spie, da principi e membri di famiglie nobiliari a uomini di chiesa e di armi, da mercanti e banchieri a letterati ed umanisti. Proprio nell’insistenza sull’elemento individuale risiede, a mio avviso, il pregio maggiore del libro, che attraverso l’analisi di personaggi di estrazione e formazione diversa nella loro attività diplomatica, offre uno spaccato eccezionale di quel laboratorio di esperienze e situazioni in cui si venne formando l’arte delle negoziazioni rappresentato dall’Italia del Cinquecento. Ma fra gli obiettivi centrati dal volume vi è anche quello di mostrare come la circolazione di uomini, testi, opere d’arte e idee fra la penisola italiana e la Francia non si interruppe bruscamente con la sconfitta di Francesco I a Pavia (1525): ad un’„Italia dell’Imperatore“, che si affermò a partire dal 1530, continuò ancora a lungo a contrapporsi un’„Italia del Cristianissimo“, ovvero un’Italia costantemente fedele al monarca transalpino (pp. 13 sg.). Attorno a tali questioni ruota la maggior parte dei contributi del libro, che si propone quindi, a pieno titolo, come fonte imprescindibile nello studio dei rapporti politico-culturali in atto tra la Francia e l’Italia agli inizi dell’Età Moderna.
Carlo Campitelli
Paolo Sachet, Publishing for the Popes. The Roman Curia and the Use of Printing (1527–1555), Leiden-Boston (Brill) 2020 (Library of the Written Word 80), XII, 306 S., Abb., ISBN 978-90-04-34864-6, € 138.
Paolo Sachet widmet seine gut strukturierte Studie der komplexen Beziehung zwischen der sich institutionalisierenden Kurie und dem Buchdruck von 1527 bis 1555. Er kann überzeugend zeigen, wie das aufstrebende Medium durch die Einrichtung eigener Druckerpressen systematisch von der Kurie in Dienst genommen wurde. Damit will er sich vom Mainstream der bisherigen Forschung absetzen, die den Blick bislang vor allem auf die Herausforderungen für die Kirche durch die Verbreitung von Ideen gerichtet hatte. Andererseits bestätigt Sachet die umfangreichen bereits vorhandenen Arbeiten, in denen die Janusköpfigkeit der Kurie als Wissensproduzentin und Kontrollinstanz facettenreich herausgearbeitet wurde. Methodologisch entscheidet sich der Autor für einen akteursorientierten Zugang, indem er seine Studie auf die treibende Kraft hinter der Einrichtung der Druckerpresse in Rom fokussiert. Es handelt sich um Kardinal Marcello Cervini (1501–1555), der später für kurze Zeit Papst werden sollte. Das Buch besteht aus acht Abschnitten; der methodischen und theoretischen Einleitung folgt das „Prelude“, das den Kontext für die Kapitel „Portrait of a Cardinale Editore“, „Cervini’s Greek Press“, „Cervini’s Latin Press“ und „Cervini’s Editorial Activity after 1544“ bietet. Im „Prelude“ geht Sachet auf einzelne Fälle ein, in denen er frühe Fälle der päpstlichen Indienstnahme von Druckereien aufzeigt. Besondere Beachtung wird hier der umständlichen Herausbildung des Amtes des stampatore camerale geschenkt. Der dritte Abschnitt „Portrait of a Cardinale Editore“ nimmt vor allem die Ausbildung und die gelehrten Netzwerke des Kardinals in den Blick, um seine Entscheidungen und sein Engagement für die Druckerpresse zu erklären. Die folgenden beiden Kapitel widmen sich jeweils der Einrichtung einer griechischen und einer lateinischen Presse. Auch wenn die griechische Presse nur für drei Jahre (1540–1543) eingesetzt wurde und sich als letztlich wenig produktiv erwies, so war sie doch der Netzwerkknoten, der Cervini mit einer ganzen Reihe Gelehrter verband und anhand dessen er sich vorsichtig als Patron versuchen konnte. Viel erfolgreicher war Cervinis zweites Projekt, seine 1541 eingerichtete lateinische Presse, auch wenn sie die griechische Presse nicht überdauerte. In beiden Fällen setzte der Kardinal auf philologisch hervorragend ausgebildete Männer, deren Arbeit Sachet detailliert bespricht. Das sechste Kapitel „Cervini’s Editorial Activity after 1544“ widmet sich Cervinis antiprotestantischem Kampf und zeigt ihn als Patron und Drahtzieher hinter zahlreichen italienischen, französischen, deutschen und schweizerischen Drucken, die für kontroverstheologische Zwecke eingesetzt wurden. Geradezu als Klammer zum „Prelude“ funktioniert das siebte Kapitel, der „Epilogue“, in dem der kontextualisierende rote Faden des Buches wieder aufgenommen und ein Ausblick geboten wird. Unter anderem wird hier auch das mittlerweile etablierte Amt des stampatore camerale beleuchtet. Mit dieser Studie gelingt es Sachet zu zeigen, wie wichtig die von Cervini direkt oder über Umwege unterstützten Bücher für die Generierung einer konfessionell geprägten Wissensproduktion waren. Dazu passt auch, dass polemische Werke kaum Platz fanden, schließlich sollten diese Bücher den Klerus in der Abwehr anderer Glaubensinhalte inhaltlich stärken. Der Bd. beinhaltet zudem zwei Appendices, die eine Edition der Buchhaltungsdokumentation der griechischen Presse sowie eine Liste der von Cervini gesponserten Drucke verzeichnen. Kenntnisreich und überzeugend zeigt Sachet, wie Cervini den Grundstein für die Politisierung der Druckerpresse durch das Papsttum gelegt hatte und wie dieses Medium zentral für die konfessionalisierenden Maßnahmen der Kurie wurde.
Andreea Badea
Marie von Lüneburg, Tyrannei und Teufel. Die Wahrnehmung der Inquisition in deutschsprachigen Druckmedien im 16. Jahrhundert, Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2020, 234 pp., ill., ISBN 978-3-412-51615-4, € 45.
Il tema dell’immagine negativa dell’inquisizione, sia spagnola che romana, e della sua diffusione in Europa non è certo nuovo. Con un’ampia documentazione di testi a stampa, incisioni e fogli volanti, l’autrice analizza la costruzione di questa immagine negativa nei territori del Sacro Romano Impero fra il 1530 e la fine del XVI secolo, dove l’inquisizione non fu mai introdotta. Si tratta, quindi, di fonti indirette, che recepivano e veicolavano notizie, immagini, resoconti anche sull’attività repressiva del dissenso religioso dei tribunali della fede spagnolo e, successivamente, romano. Un’attenzione particolare è riservata nel volume al contesto – politico, religioso e culturale – in cui questa produzione si colloca e, soprattutto, si diffonde. Proprio in questa contestualizzazione, si possono cogliere momenti in cui l’immagine negativa dell’inquisizione si modifica, si sfuma o si rafforza, divenendo lo specchio di diffuse paure originate dalle guerre che devastarono i territori imperiali. Basata sulla ricerca condotta per la dissertazione dottorale (2018), la monografia si articola in quattro capitoli preceduti da un’ampia introduzione, in cui si analizzano studi sull’inquisizione: il panorama appare abbastanza limitato, soprattutto per quanto riguarda la ricca bibliografia recente sull’inquisizione romana. L’autrice osserva che lo „spazio del discorso“ sull’inquisizione si arricchisce di ogni tipologia di pubblicazione che trattava, direttamente o indirettamente, aspetti relativi al tribunale della fede diffusi nel Sacro Romano Impero. Anche lo spazio geografico è molto ampio e, forse, sarebbe stata opportuna una più specifica osservazione delle differenze sulla produzione, circolazione e ricezione di questi materiali. Il primo capitolo presenta in dettaglio il quadro politico, con la progressiva affermazione della „tirannide“ imperiale che si manifestava soprattutto nelle diete, da Augusta (1530) a Worms (1545). L’osservazione dei tentativi, per lo più fallimentari, di riconciliazione fra cattolici e protestanti nelle delicate fasi del conflitto confessionale è accompagnata anche dall’analisi – non troppo approfondita, però – dell’opera dei nunzi. Un contributo originale è sicuramente offerto da quanto osservato sul ruolo che, già nel 1540, ebbe il conflitto fra la Spagna e i Paesi Bassi, destinato ad esplodere pochi anni più tardi e a durare per ottant’anni. I protestanti temettero che la repressione ispano-imperiale, sostenuta dal potere inquisitoriale, potesse essere estesa anche nei territori tedeschi. Successivamente, come mostrano pamphlets e gravures (p. 169), la figura del duca d’Alba sarebbe diventata l’emblema della congiura repressiva messa in atto dalla Spagna, dall’imperatore e dal papa. Il secondo capitolo si concentra nell’analizzare il ruolo del papa e come nelle fonti esaminate i motivi denigratori della sua figura cambino nel corso della prima metà del Cinquecento, proprio in relazione all’instabile contesto politico europeo. Dalle rappresentazioni del papa anticristo, della Roma-Babilonia presenti negli scritti luterani si passa, successivamente, a stigmatizzare il papa come artefice della repressione inquisitoriale che manda a morte innocenti, martiri della vera fede. Avvalorata da casi clamorosi di condanne, questa immagine si lega, in particolare, ad alcune figure di pontefici come Paolo IV e, in seguito, al papa inquisitore Pio V. Il binomio papa-inquisizione avrebbe costituito un motivo costante della propaganda antiromana e anticattolica e si sarebbe arricchita anche di una contrapposizione fra la libertà protestante e la tirannide inquisitoriale e papale, declinata in un’ottica che rafforzava una identità nazionale (p. 185). Il terzo capitolo riprende l’analisi della rivolta dei Paesi Bassi e la sua risonanza nell’Impero. Una significativa e originale osservazione dell’autrice riguarda il contesto francese e quanto le nascenti tensioni fra cattolici e ugonotti abbiano contribuito a diffondere nei territori degli Asburgo il timore di un’estensione del conflitto e della repressione. Ma, intanto, come si osserva nel quarto capitolo, un’altra presenza inquietava il mondo protestante: i Gesuiti e la loro missione di riconquista delle terre passate all’eresia. Il timore e la manifesta ostilità verso l’ordine ignaziano, considerato, non a torto, la longa manus del papa si colorirà di caratteri negativi che entreranno a far parte per secoli della propaganda anticattolica, anche quando la leggenda nera sull’inquisizione sfumerà i suoi contorni. Non erano solo i Gesuiti impegnati nella riconquista confessionale: il ruolo „indiretto“ dell’inquisizione romana si concretizzava attraverso vescovi e nunzi ed è testimoniato dalla ricca documentazione, studiata recentemente, che l’autrice mostra di non conoscere (p. 189, nota 68). Il libro mantiene ancora un po’ troppo evidenti le caratteristiche della dissertazione dottorale; raccoglie una straordinaria quantità di materiali editi, senza però approfondire aspetti contenutistici e, soprattutto, senza indagare a fondo chi potessero essere gli autori (l’anonimato è spesso fittizio) né il contesto culturale in cui fioriva questa editoria. Si tratta, complessivamente, di un interessante e utile contributo che stimola la ricerca sia sul tema della circolazione delle notizie, dell’informazione, sia sulla creazione di stereotipi destinati a segnare, nel tempo, la propaganda antiromana diffusa e radicata nell’Europa riformata.
Irene Fosi
Girolamo Cardano, Sulla consolazione, a cura di Marialuisa Baldi, con la collaborazione di Guido Canziani, Firenze (Olschki) 2021 (Hyperchen. Testi e studi per la storia della cultura del Rinascimento 7), XVI, 194 pp., ISBN 978-88-222-6745-0, € 35.
„È per me che ho scritto questo lavoro“ (p. 6): fin dall’inizio del „De consolatione“, Cardano chiarisce lo statuto del libro, che esce nel 1542 privo di dedica. Si tratta del primo testo filosofico pubblicato da Cardano, originariamente intitolato dall’autore „Accusator“, e poi stampato invece con il più classico titolo „De consolatione“. Marialuisa Baldi presenta in questo volume la traduzione di uno scritto di Cardano che „è quasi un repertorio di fonti“ (Girolamo Cardano, De consolatione, a cura di Marialuisa Baldi, Firenze 2019, p. 22), ricchissimo in riferimenti classici, puntualmente forniti da Baldi in nota. Ma le fonti classiche sul tema della sopportazione delle sventure sono intessute da Cardano non solo con l’intento di mostrare le fondamenta di un tema classico, ma anche per impostare un esperimento filosofico acuto e originale, che Baldi ci permette di apprezzare in una traduzione elegante ed agile allo stesso tempo. Il testo è diviso in tre libri. Il primo, che è il più breve, introduce il tema della natura dei mali che gli uomini rifuggono, suddividendoli in mali comuni (come la fame o la peste), e in mali propri semplici (ad esempio come la perdita di un figlio) o mali propri composti (quando diverse sventure si presentano contemporaneamente). Classicamente, Cardano sottolinea che l’unica legge stabile cui sottostà la vita umana è che non esiste nulla di stabile. Diversi riferimenti agli aspetti fisici dell’esperienza del dolore, e al punto di vista del medico („i medici riportano che il piacere si ha quando si ritorna alla propria conformazione naturale dopo una sensazione dolorosa“, p. 21) preparano il campo per gli sviluppi filosofici presentati nei due libri successivi. Nel secondo libro, ad esempio, Cardano dedica ampio spazio alla differenziazione tra uomo e animale, un tema portante della sua riflessione filosofica matura. Il paragone tra uomo e animale è utilizzato per investigare che cosa distingue l’uno e l’altro di fronte all’esperienza del dolore. Se è vero che l’animale è superiore all’uomo per quanto riguarda singole caratteristiche, come ad esempio la lunghezza della vita (l’elefante vive più a lungo dell’uomo), o la velocità (la lepre è più svelta dell’uomo), questa superiorità fisica dell’animale è considerata da Cardano un indizio del fatto che „l’animo umano è separato da ogni materia corporea“ (p. 32). Eppure la concentrazione sul tema del dolore impedisce a Cardano di superare con facilità la difficoltà filosofica posta dal fatto che gli animali sembrano avere un chiaro vantaggio per quanto riguarda l’esperienza della preoccupazione di fronte al dolore e alla morte. Così il tema della „differenza antropologica“, per così dire, riemerge insistentemente anche nel terzo libro, in cui Cardano concede che gli animali privi di ragione „vivono felici e contenti … Solo all’uomo il senno è stato dato per la sua rovina“ (p. 155). Se l’obiettivo è quello di liberarsi, con la consolazione, dalle afflizioni, allora anche la felicità inconsapevole degli animali potrebbe presentarsi come un obiettivo cui tendere. Il tema dell’equiparazione tra uomo e animale naturalmente può fungere da cavallo di Troia per mettere in dubbio l’immortalità dell’anima umana, allineando tutte le creature su un pericoloso mortalismo. Infatti Baldi, nell’utile introduzione che è posta in apertura dell’edizione latina del „De consolatione“, scrive che „l’opinione della mortalità può avere una sua utilità per rimuovere la paura della morte in quanto ostacolo all’esercizio di una vita il più possibile felice, secondo virtù“ („De consolatione“, p. 36). Questi ribaltamenti di prospettiva mostrano come Cardano sfrutti il tema della consolazione per mettere in piedi un esperimento filosofico: che cosa resta di queste distinzioni teoriche – tra uomo e animale, tra mortalità e immortalità dell’anima, tra la vita angosciata dello studioso e la vita semplice e quasi animale del povero – se si stabilisce come punto di fuga dell’indagine il solo scopo di liberarsi del dolore? Il „De consolatione“ traccia quindi un campo d’azione specifico, che coincide con la riflessione filosofica sull’esperienza tutta terrena del dolore. È a questa prospettiva consapevolmente, artificialmente, limitata che Cardano fa riferimento quando, con una bella metafora, scrive che „in questo mondo“ gli uomini somigliano alle fave: „alcune sono piccole, altre grandi, altre in fiore, altre piene di frutti; alcuni secche, altre rigogliose, altre striminzite, altre ancora germoglianti. Eppure un solo autunno le trasforma tutte in brevissimo tempo in stoppie vuote e non vi è più alcuna differenza tra loro, in ciò che sono e in ciò che sono state; insieme muoiono e non nasceranno più“ (p. 160). Questa tendenziale uguaglianza non si risolve, però, in un appiattimento teorico sul topos del dolore che elimina tutte le distinzioni, ma permette invece a Cardano di impostare un laboratorio filosofico nel quale fonti antiche e contemporanee godono della stessa legittimità, e nel quale Cardano può mettere alla prova tesi filosofiche che lo accompagneranno per il resto della sua carriera. In questo senso si può concordare con Baldi quando sostiene che il „De consolatione“ rappresenta un punto importante per Cardano non solo dal punto di vista cronologico ma anche dal „punto di vista teorico della costruzione del pensiero“ („De consolatione“, p. 15). Questa traduzione permetterà di rendere noto questo importante testo oltre la cerchia degli studiosi di Cardano; come indicato dalla curatrice, sarà necessario fare riferimento all’edizione latina per gli strumenti di contestualizzazione storico-filosofica e per l’apparato filologico.
Cecilia Muratori
Laura Stagno/Borja Franco Llopis (Eds.), Lepanto and Beyond. Images of Religious Alterity from Genoa and the Christian Mediterranean, Leuven (Leuven University Press) 2021, 325 pp., ill., ISBN 978-94-6270-264-6, € 55.
„Lepanto and Beyond“ is a collection of eleven articles dealing with the construction of perceptions surrounding the Battle of Lepanto and the „Muslim Other“ in early modern Italy and Spain. The volume is innovative in its study of Lepanto through Genoese sources, often disregarded in favour of their Venetian and Spanish counterparts. In addition to this, the collection offers several contributions on the representation of Ottoman subjects promoted by European states and patricians. To achieve their aims, the editors have brought together scholars employing an array of sources and methods ranging from battle accounts and captivity narratives to iconographic and literary analysis. These contributions are divided into three parts. The first introduces the question of alterity, starting with the editors’ overview of the scholarly literature on representations of Muslims and Lepanto in Italy and Iberia. This is followed by Steven Hutchinson’s chapter, which discusses theoretical approaches to the issue of alterity, connecting them to European captivity narratives and fiction to discuss the condition of Christians in the Ottoman Empire. Part 2 develops this framework with case studies concerning the narratives and iconographies which followed the Christian victory at Lepanto. In Chapter 3, Stefan Hanß provides an analysis of the competing media campaigns following the Battle. By studying written accounts, paintings, material culture and public performances in their social context, Hanß builds a „histoire de l’événement, in which the focus of history is on its production“ (p. 81). This is followed by Chapter 4, in which Victor Mínguez highlights recurring themes and motifs in global representations of the Battle – namely the extermination of Muslim soldiers and sailors – ranging from Giorgio Vasari’s Vatican paintings to a ceremonial shield built by indigenous Mexican craftsmen. The next chapters by Daniele Sanguineti, Emiliano Beri and Laura Stagno focus on the Genoese role in the Battle and its visual representations, especially through the figure of Giovanni Andrea Doria, commander of the Genoese fleet. The admiral is also the case study of Chapter 8, in which Bastien Carpentier uses epistolary sources to argue that Genoese war entrepreneurs in the service of the Habsburg Empire depended on a menacing figure of the Turk as a „necessary enemy“ in order to maintain their galley contracts (p. 241). Part 3 deals with Mediterranean slavery in the two centuries following Lepanto, beginning with Andrea Zappia’s chapter on the reciprocal condition between Muslim captives in Genoa and Genoese captives in the Maghreb. In Chapter 10, Giuseppe Capriotti analyses a cycle of frescoes in a villa on the Adriatic coast of the Pontifical State which include representations of „Turkish“ captives. Finally, in Chapter 11, Mercedes Alcalá Galán approaches the topic through literary analysis, with an engrossing discussion of sexual themes in early modern Spanish fiction concerning Christian captivity in North Africa. The volume is highly recommended; however, the two leading themes of religious alterity and the Genoese role in Lepanto are tenuously held together. The contributions on Genoa (Sanguineti, Beri, Stagno) largely focus on the histoire-bataille of Lepanto, Giovanni Andrea Doria, and depictions of the military victory, while the chapters on representations of religious alterity (Mínguez, Capriotti, Alcalá Galán) do not deal with the Republic and its sources. This missed connection is made conspicuous by Zappia’s contribution on the large presence of enslaved Muslims in Genoa and the important role of Genoese slaves and renegades in the Ottoman Empire. Genoese perceptions of Islam and daily relationships to religious „Others“ – tied to encounters across the Mediterranean and the Atlantic, in frontier lands such as Tabarca, and in the city of Genoa itself – form a history spanning far beyond Lepanto, against which official images and media campaigns must necessarily be weighed. Nonetheless, „Lepanto and Beyond“ achieves its dual aim of shedding new light on media campaigns following the Battle and of investigating representations of the Ottoman in the Christian Mediterranean.
Achille Marotta
Klaus Jaitner, Instruktionen und Relationen für die Nuntien und Legaten an den europäischen Fürstenhöfen von Sixtus V. bis Innozenz IX. (1585–1591), Freiburg i. Br. (Herder) 2021 (Römische Quartalschrift. Supplementband 68), 512 pp., ISBN 978-3-451-39068-5, € 85.
Klaus Jaitner è conosciuto tra gli studiosi di storia moderna soprattutto per le eccellenti edizioni delle istruzioni generali ai nunzi e legati relative ai pontificati di Clemente VIII (1592–1605) e di Gregorio XV (1621–1623). Il presente volume si colloca nello stesso filone, includendo il pontificato di Sisto V (1585–1590) e i tre brevi periodi di governo di Urbano VII (seconda metà di settembre 1590), Gregorio XIV (dicembre 1590 – ottobre 1591) e Innocenzo IX (novembre – dicembre 1591). Il volume è strutturato essenzialmente in quattro parti. Anzitutto una breve presentazione dei papi, con le rispettive reti familiari e clientelari, con particolare riguardo alle famiglie Montalto e Sfondrati, legate ai due pontefici che regnarono più a lungo; di essi si descrivono le principali linee dell’azione politica, soffermandosi maggiormente sul pontificato di Sisto V (pp. 13–65). Segue la sezione dedicata agli inviati pontifici e alla loro attività (pp. 66–355), che costituisce la parte centrale dell’opera. Nel breve periodo di sei anni preso in considerazione partirono da Roma 44 inviati che espletarono 49 missioni, a testimonianza di un’azione diplomatica piuttosto intensa. Le schede biografiche ad essi dedicate sono di differente struttura e composizione e a volte, come nei casi di Ippolito Aldobrandini, Enrico Caetani e Giovanni Francesco Morosini, si sovrappongono alla presentazione delle linee programmatiche della politica pontificia. Un interrogativo sorge circa il carmelitano spagnolo Martín de Acuña, vescovo di Lipari, indicato come inquisitore di Malta negli anni 1587–1591, del quale sono citati il breve di nomina (p. 74) e la corrispondenza (pp. 259 sg.). Alexander Bonnici non lo menziona nel suo repertorio degli inquisitori e colloca negli stessi anni Paolo Bellardito, nominato il 15 settembre 1587, predecessore di Acuña come vescovo di Lipari (Medieval and Roman Inquisition in Malta, Rabat 1998, p. 40). Secondo Balbino Velasco Bayón, che non sembra conoscere la sua attività come inquisitore di Malta, Acuña sarebbe morto nella sua città natale, Manzanilla, non lontano da Siviglia, nel 1591, non nel 1593 (Historia del Carmen español, vol. 3, Roma 1994, p. 407). Nella sezione „Instruktionen und Relationen“ (pp. 191–355), che riprende il titolo all’intero volume, sono passate in rassegna le 49 missioni. Di ciascuna si indicano la corrispondenza, custodita nei depositi vaticani o altrove, eventuali edizioni in pubblicazioni antiche o recenti, e le facoltà, ove disponibili. Il numero di testi editi è piuttosto esiguo, se confrontato con il numero delle missioni: 7 istruzioni e 7 relazioni finali. Vengono inclusi inoltre gli scritti di Antonio Maria Graziani relativi alla morte e alla successione di Stefano Báthory, re di Polonia (1586–1587; pp. 225–238), che sembrerebbero appartenere piuttosto alla categoria dei memoriali, e l’„Apologia“ del cardinale Giovanni Francesco Morosini (pp. 319–334), chiamato a giustificarsi in concistoro al termine della sua nunziatura in Francia. Seguendo lo schema già adottato per l’edizione di Gregorio XV, la terza parte enumera persone non direttamente implicate nell’attività di rappresentanza diplomatica, quali i membri della corte e della curia romana, i referendari, categoria che in quegli anni si avviava ad assumere un ruolo importante, soprattutto dopo i regolamenti per il relativo collegio promulgati da Sisto V (22 settembre 1586), i vescovi della penisola italiana di nomina pontificia, e i cardinali creati nel periodo in oggetto; tutti questi inquadrano e completano l’insieme dei collaboratori del pontefice. Conclude l’opera un’articolata appendice, che riporta l’elenco delle abbreviazioni, la lista dei documenti d’archivio, la bibliografia e due diversi indici delle persone e dei luoghi. Nel suo complesso, il volume si distingue per la ricchezza dei dati prosopografici, frutto di una lunga e meticolosa ricerca d’archivio, che si colloca accanto ai repertori esistenti e introduce nel vasto panorama della politica pontificia in un frangente complesso come furono gli ultimi anni della guerra civile in Francia, in cui si posero le basi per la pacificazione del regno e per la conversione di Enrico di Navarra, fenomeni dai quali derivò una rinnovata presenza della Francia sulla scena internazionale, mentre all’estremo opposto del continente, con l’ascesa al trono di Sigismondo III Wasa, si avviava la stabilizzazione della Polonia-Lituania, preludio alla scelta confessionale di matrice cattolica avvenuta all’inizio del secolo seguente. L’elencazione dei funzionari della curia e dei membri della corte permette di seguire il progressivo costituirsi degli organi di governo della Sede, un processo iniziato nel secolo precedente che ricevette un decisivo impulso grazie all’iniziativa di Sisto V e pose le basi per l’evoluzione dei decenni successivi. Nonostante l’abbondanza e la varietà dei dati offerti, resta un interrogativo circa l’equilibrio generale dell’opera, che prospetta nel titolo materiali circa l’attività diplomatica ma appare piuttosto indirizzata verso un’analisi prosopografica della curia e della corte pontificia.
Silvano Giordano
Filip Malesevic, Kardinal Cesare Baronio und das Kurienzeremoniell des posttridentinischen Papsttums. Ein Beitrag zur Geschichte der römischen Kurie während der zweiten Hälfte des Cinquecento, Berlin-Boston (De Gruyter) 2022, XI, 581 S., Abb., ISBN 978-3-11-074116-2, € 99,95.
Malesevics Darstellung, der Druckfassung seiner an der Universität Fribourg eingereichten Diss., mangelt es nicht an Ehrgeiz. Kirchengeschichte, Kanonistik, Theologie, Liturgie und Ikonographie finden hier zusammen; beeindruckend wirkt die Fülle publizierter und unpublizierter Quellen, die der Vf. ausgewertet hat. Die verschlungene, durch zahllose Abschweifungen sich auszeichnende Argumentation zusammenzufassen fällt indes nicht leicht. Quellen und Quellendeutung, facts und fiction, gehen zudem nahtlos ineinander über. Eines der Anliegen von Malesevic besteht darin, Baronios Hauptwerk, den „Annales ecclesiastici“ (1588–1607), eine neue Genese zuzuschreiben. Die Forschung hatte ihren Ursprung bislang in seinen auf Drängen des Filippo Neri bald nach 1557 einsetzenden Ansprachen zur Kirchengeschichte vor dem römischen Oratorium erkannt. In diesem Sinne äußerten sich neben Baronio selbst etliche Zeugen, die man ab 1595 in Neris Heiligsprechungsprozess vernahm. Der Umstand, dass die ersten Bände der „Annales“ 1593–1594 durch die Druckerei der Kongregation neu aufgelegt wurden, schien die Allianz von Kirchengeschichte und Oratorianern zu bestätigen. Malesevic möchte diese vermutete Nähe dagegen in den Bereich frommer Legendenbildung abschieben und bemüht sich vielmehr, Baronios Distanz Neri und dem Oratorium gegenüber herauszustellen. Stattdessen soll Baronio schon früh in Kontakt mit den interessierten Kreisen der Kurie gestanden haben. Die Idee zu seiner Kirchengeschichte sei dann zwischen 1577 und 1579 aus der Zusammenarbeit mit Guglielmo Sirleto hervorgegangen – in der literarischen Auseinandersetzung mit dem Protestantismus der schillerndste Gelehrte, den die päpstliche Verwaltung jener Jahre aufzuweisen hatte. Diese Neudatierung gelingt M. vor allem deshalb, weil er einen viel zitierten Brief Baronios an Sirleto (16. Mai 1577) anders deutet als gemeinhin üblich. Dort ist vom „rescrivere l’historia ecclesiatica“ die Rede, was der Vf. gerade nicht auf Baronios eigene Kirchengeschichte bezieht, sondern auf die des Carlo Sigonio, die der Indexkongregation allen chronologischen Unstimmigkeiten zum Trotz zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben soll. Dabei unterschlägt Malesevic allerdings den Nachsatz: „et ponervi l’ultima mano“, was sich schwerlich auf ein fremdes Werk beziehen lässt. Seine eigentliche Eintrittskarte in die kuriale Kirchenhistoriographie habe Baronio dann mit seiner Vita des Gregor von Nazianz (um 1580) vorgelegt, die ihm seine Mitarbeit an der Neuausgabe des „Martyrologium Romanum“ eröffnet habe. Seit Erscheinen der Magdeburger Zenturien (1559–1574), dem epochalen Opus protestantischer Kirchengeschichte, setzte man in Rom alles daran, das dort gezeichnete Bild von der römischen Kirche zu widerlegen. Päpstliche Arbeitsgruppen wie die Indexkongregation, die Congregatio antimagdeburgica und die Congregatio Germanica stellten sich dieser Herausforderung. Die Beleuchtung ihrer Arbeit und der mit ihr einhergehenden personellen Verflechtungen machen die besten Seiten des vorliegenden Buches aus. Orella y Unzue (1975) folgend werden darüber hinaus die frühen Schriften gegen die Zenturiatoren in Erinnerung gerufen. Der Eindruck, dass es sich bei diesen unkoordiniert veröffentlichten Werken bereits um Vorarbeiten zu einer großen, gleichsam offiziellen Antwort der römischen Kurie gehandelt habe, täuscht allerdings. Hier ging es um Ordensinitiativen oder auch um private Unternehmungen. Nicht einmal die Schriften des Onofrio Panvinio lassen sich als kuriale Werke vereinnahmen. Das hätte auch die Beachtung von Stefan Bauers solider Monographie (2020) über diesen wohl bedeutendsten katholischen Kirchenhistoriker vor Baronio verdeutlichen können. Seine ritengeschichtlichen Untersuchungen, die verschiedene kirchliche Bräuche in der heidnischen Antike verankern, gossen vielmehr Wasser auf die Mühlen der Zenturiatoren und ihren Vorwurf des pagano-papisme. Warum der Vf. Panvinios eigentliche Papstgeschichte (bes. Vat. lat. 6102–6107) in diesem Zusammenhang übergeht, bleibt unklar. Stattdessen sucht er Panvinios Erwiderung auf die protestantische „Ecclesiastica Historia“ in der Farnese-Villa von Caprarola, wo der Gelehrte als ikonographischer Berater tätig war – eine Beteiligung, die indes viel eher an seine panegyrisch geprägten Arbeiten zur Geschichte der römischen Familien anknüpft als an die älteren Bemühungen gegen die Zenturien. Fehl am Platze sind dann auch die Ausführungen über die Basilika von St. Peter. Die Versuche, sie über die Lateranbasilika zur ersten Kirche Roms zu erheben, reichen bis ins Mittelalter zurück und richten sich nicht an die Magdeburger. Den Grund, warum die frühen Vorstöße gegen die Zenturiatoren scheitern mussten, sieht Malesevic – diese These überrascht nun wirklich – darin, dass das Kurienzeremoniell zu ihrer Zeit noch nicht weit genug entwickelt gewesen sei. Die vermeintlich enge Verflechtung von Kurienzeremoniell und Kirchengeschichtsschreibung durchzieht das vorliegende Buch wie ein Leitmotiv, ohne dass diese Beziehung näher erläutert würde. Im Zentrum des Zeremoniells stand angeblich die „Sakramentsverwaltung“, vorab die des nobelsten aller Sakramente, der Eucharistie. Zugleich ging es bei der Ausarbeitung dieses Zeremoniells um die „Aneignung des römischen Stadtraums“. „Während des Tridentinum entwickelte sich die Dominanz einer spezifisch christozentrischen Thematik des Messopfers, die dann in Rom sowohl die Marien- als auch die Heiligenfrömmigkeit allmählich verdrängte.“ (S. 101) So klingt nur einer von vielen theologisch wie historisch fragwürdigen Sätzen, bei denen M.s Leser den Kopf schütteln dürften. „Sakramentsverwaltung“ und „Sanktifizierung des Stadtraum“ sind im Folgenden die Paradigmen, unter denen Schrifttum, Zeremoniell und päpstliche Kunst der zweiten Hälfte des 16. Jh. durchforstet werden. Die These, dass das Jubeljahr von 1575 mit Blick auf dieses kuriale Programm einen entscheidenden Fortschritt markierte, bleibt insofern unbewiesen, als es zu dem notwendigen Vergleich mit den älteren Jubeljahren nicht kommt. Allzu einseitig interpretiert M. die von ihm herangezogenen Texte. Panvinios „De ritu sepeliendi“ (1568) oder Mucanzios der Forschung durchaus nicht unbekannte Schrift „De sanctorum … imaginibus“ (1573) handeln gewiss nicht in erster Linie von Eucharistie und „Sakramentsverwaltung“, und Carlo Borromeos „Instructiones fabricae“ (1577) entstanden keinesfalls als Anweisungen für die Quarant’ore-Inszenierungen, wie Malesevic es suggeriert. Kaum weniger forciert kommen die ikonographischen Interpretationen daher, denn in der vatikanischen Cappella Paolina, der Galleria delle Carte Geografiche und der Sala Bologna sind es allenfalls Einzelszenen, die etwas wie eine „Sakramentsverwaltung“ andeuten, nicht die übergreifenden Bildprogramme. Am ehesten lassen sich die Darstellungen Gregors des Großen in den Sale dei Foconi einer primär liturgischen Deutung unterziehen. Unbefriedigend bleiben schließlich auch die zeremonialgeschichtlichen Analysen des Autors. Reliquienweisungen – keineswegs eine Erfindung nachtridentinischer Zeit – werden über Gebühr an die Sakramentsverehrung angenähert. Gänzlich verunglückt wirkt der Abschnitt über die 1580 von Gregor XIII. gegründete Cappella Gregoriana in St. Peter. In der dem Kappadokier Gregor von Nazianz geweihten Kapelle ging es nicht darum, die „liturgische Dominanz des römischen Ritus“ vor Augen zu stellen, denn ihre Riten wollte man den Griechen bei allen Unionsgesprächen belassen. Bezeichnenderweise feierte der hl. Basilius, wie schon Baglione erkannte, auf Muzianos Altarbild in derselben Kapelle nach griechischem Brauch – die neben dem Altar aufgestellten Rhipidia lassen daran keinen Zweifel. Vielmehr ging es bei den Unionsverhandlungen seit dem Konzil von Florenz um die östliche Anerkennung des päpstlichen Primats. In St. Peter kam sie durch die zentrale Stellung des Petrusgrabes zum Ausdruck, um das herum sich die zahlreichen Altäre der lateinischen und griechischen Väter versammeln. Entbehrlich erscheint dann auch der Abschnitt über die seit 1578 entdeckten Katakombenheiligen. Als Mittel zur „Aneignung des Stadtraums“ dienten sie gerade nicht, denn zu spektakulären Translationen in die innerstädtischen Kirchen kam es in keinem der Fälle. Außerhalb Roms verfuhr man anders. Für eine Neulektüre von Baronios „Annales ecclesiastici“ verwendet Malesevic die von ihm erprobten Paradigmen befremdlicherweise nicht. Vielleicht hätten sich hier doch aufschlussreiche Einsichten ergeben. Zusammenfassend stellt man mit Bedauern fest, selten einem Buch begegnet zu sein, bei dem der Aufwand an Quellenforschung und die verlässlichen neuen Ergebnisse in einem so eklatanten Missverhältnis stehen. Die Gesamtthese überzeugt ebenso wenig wie die meisten Einzelanalysen. Selten ist man darüber hinaus einer Publikation von derart schludrigem Redaktionsniveau begegnet. Die Zahl der Druckfehler dürfte sich auf mehrere Hundert belaufen. Kaum eine Quellentranskription, die ohne Fehler bliebe. Flüchtigkeiten stören allenthalben: Baronios „De origine oratorii“ ist durchgehend falsch zitiert, aus dem partriarchium lateranense wird ein patriarchum lateranensis oder lateranenis, die limina apostolorum übersetzt der Vf. als „apostolische Grenzen Roms“! Paulus von Theben, der Eremit, wird mit dem Apostel Paulus verwechselt (S. 193), Simon Magus dafür zum Heiligen erklärt (S. 326), und die alttestamentliche Stiftshütte (tabernaculum) gerät zur „Schiffshütte“! (S. 365) Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. All das wirkt überaus peinlich – nicht nur für den Autor, sondern auch für seine Gutachter und den Verlag.
Ingo Herklotz
Giovanni Brancaccio, Calabria ribelle. Tommaso Campanella e la rivolta politica del 1599, Milano (Franco Angeli) 2019 (Biblioteca di storia), 351 pp., ISBN 978-88-917-8887-0, € 32.
Il 450° anniversario della nascita di Tommaso Campanella, avvenuta a Stilo il 5 settembre 1568, ha offerto agli studiosi l’opportunità di fare nuova luce sulla traiettoria biografica e intellettuale del filosofo calabrese, nonché sulla storia, affascinante e complessa, della sua plurisecolare ricezione. Fra questi studiosi vi è Giovanni Brancaccio, professore ordinario di Storia moderna presso l’Università di Chieti-Pescara e autore del libro „Calabria ribelle. Tommaso Campanella e la rivolta politica del 1599“, uscito per i tipi della Franco Angeli nel 2019. Come si evince chiaramente dal titolo, Brancaccio ha posto al centro della ricerca un tema consueto e per più aspetti obbligato della storiografia su Campanella, la cui vita fu segnata a fondo, in maniera drammatica, dalla partecipazione alla congiura calabrese di fine Cinquecento. Nel far ciò, Brancaccio ha saputo coniugare la conoscenza specialistica del Mezzogiorno moderno, a cui ha dedicato infatti numerosi contributi, con l’esame di parte importante della documentazione raccolta da Luigi Amabile e, in seguito, da altri studiosi. Il tutto con l’obiettivo di contrastare, da un lato, coloro che minimizzano il significato storico-politico della congiura o addirittura continuano a negarne l’esistenza, e dall’altro quanti „hanno ipotizzato che Campanella si limitasse, in realtà, a fornire alla rivolta solo il suo carisma di grande uomo di cultura ed il suo messaggio profetico dell’imminente ordine nuovo“ (p. 166). Il risultato è un volume che, ferma restando la centralità tematica assegnata alla rivolta e al ruolo svoltovi da Campanella, ha un taglio sostanzialmente biografico e presenta alcuni punti di forza e taluni aspetti problematici. Brancaccio ha senza dubbio il merito di portare all’attenzione dei lettori e delle lettrici non solo i tratti unici della congiura, tali cioè da differenziarla da fenomeni analoghi verificatisi nel corso dei secoli XVI e XVII, in Italia meridionale; ma anche i suoi legami organici con le condizioni sociali ed economiche della Calabria e, più in generale, del Regno di Napoli. L’autore, infatti, compie un’attenta disamina del processo di causazione e delle caratteristiche della rivolta, sviluppando al riguardo un ragionamento che, salvo errore, si impernia sulle seguenti considerazioni: 1) la congiura fu „un’insurrezione politica di chiara matrice antispagnola“, che „mise a dura prova la tenuta dell’ordine costituito del Regno e il suo stesso assetto politico-istituzionale“, sia perché godette di un consenso ampio e socialmente trasversale, sia perché ebbe come teatro l’intero territorio delle due province calabresi (pp. 331 sg.); 2) se è vero, per Brancaccio, che la congiura non provocò l’esplosione di altre rivolte nel Mezzogiorno, è però altrettanto vero che può considerarsi, almeno „per alcuni aspetti“, la „prima concreta manifestazione di un processo storico che vide registrarsi durante il secolo XVII nel Regno di Napoli e nell’intero sistema imperiale spagnolo un susseguirsi di agitazioni, insurrezioni, congiunture rivoluzionarie e moti“ (p. 19); 3) a far sì che la rivolta fosse un tentativo senza seguito contribuirono, secondo Brancaccio, i suoi stessi elementi di originalità, ossia le ragioni per cui si configurò come „un unicum fra le rivolte italiane del Seicento“. Queste ragioni vanno ricercate tanto nella miscela esplosiva di profetismo, millenarismo e previsioni astrologiche che animò e alimentò l’azione dei congiurati, quanto nella discontinuità, anzi nella rottura „con i valori tradizionali di fedeltà alla monarchia e al re suo vertice“ (pp. 157 sg., 162). Se così stanno le cose, non resta che domandarci quale fosse – sempre secondo Brancaccio – il contributo di Campanella all’organizzazione della congiura e, soprattutto, quale „posto“ occupassero le vicende del 1599 nell’itinerarium mentis dello Stilese. Ebbene, la risposta fornita dallo studioso alla seconda domanda solleva, perlomeno in chi scrive, motivi di perplessità e merita perciò di essere discussa, benché per sommi capi e con intenti esclusivamente interlocutori. Ma andiamo con ordine. Brancaccio, se non sbaglio, sminuisce l’importanza del ruolo degli altri leader della congiura, quali Dionisio Ponzio e Maurizio de’ Rinaldis, a tutto vantaggio di Campanella, nelle cui mani pone la guida politica, culturale e militare della congiura stessa. Pur ammettendo in via concessiva che il filosofo „non avesse al suo attivo alcuna esperienza di governo sia pure di breve durata“, per non parlare poi (aggiungo io) di quella militare, Brancaccio prende una posizione chiara e – forse fin troppo – netta: Campanella, „oltre ad essere il teorico della congiura“, fu „il vero e proprio capo del movimento. A lui spettò il compito di dare ai rivoltosi le istruzioni da seguire, i mezzi da adottare nello scontro armato con l’esercito spagnolo … e le necessarie misure da prendere nella fase della costruzione del nuovo Regno-repubblica“. In altre parole, a detta dello studioso Campanella, „da filosofo e uomo di grande cultura, assurse allora a cospiratore dell’insurrezione, ad ideologo della congiura e a teorico della costruzione di un nuovo apparato statale“ (pp. 106, 332). Ciò che più conta, tuttavia, è che per Brancaccio i propositi rivoluzionari di Campanella non si spensero in seguito alla repressione spagnola o dopo una detenzione lunga quasi ventisette anni, ma rimasero „al centro“ della sua riflessione politica, come „apparve evidente nella [loro] idealizzazione filosofica che si concretò nella ‚Città del Sole‘“. L’autore, benché riconosca che il „dialogo poetico“ non nacque esclusivamente sul terreno della congiura e del suo fallimento, sottolinea infatti che „lo strutturarsi della città solare portava a compimento, sia pure sul piano dell’utopia, le idee riformatrici della rivolta“. Detto altrimenti, Brancaccio è dell’avviso che Campanella, con la „Città del Sole“, „intese continuare a dare nuova linfa vitale alla profonda ispirazione di rinnovamento politico e religioso che era stato alla base della sua concreta esperienza rivoluzionaria“ (pp. 219 sg., 224, 334 sg.). In questo modo lo studioso non fa che ripetere un’interpretazione tradizionale e financo scontata dell’operetta, la quale gode sì di vasto consenso in sede storiografica, ma di recente è stata messa in discussione da Luca Addante con argomentazioni solide e persuasive, di cui il volume sembra però non tenere conto. Inoltre, Brancaccio, conferendo centralità ai suddetti propositi, dà l’impressione di condividere il giudizio – espresso da Luigi Ferrari e ripreso da Amabile – che vede in Campanella un cospiratore irriducibile e continuo, una sorta di rivoluzionario vita natural durante. Si tratta di un giudizio francamente irricevibile, se non altro perché può indurre nell’errore di sopravvalutare la pur importante componente politica del pensiero campanelliano e privilegiarla rispetto ad altri suoi elementi costitutivi. Il che contribuisce forse a spiegare la ragione per cui l’autore si soffermi a lungo sui principali scritti politici dello Stilese, mentre dedica poca o nulla attenzione a opere come la „Metafisica“ e la „Teologia“, nelle quali si trova a mio parere la chiave per risolvere (o almeno per provare a risolvere) quello che Eugenio Garin chiamò opportunamente „il segreto di Campanella“ – ammesso, sia ben chiaro, che una chiave del genere esista.
Alessio Panichi
Géraud Poumarède, L’Empire de Venise et les Turcs, XVIe–XVIIe siècles, Paris (Classiques Garnier) 2020 (Histoire des temps modernes 7), 740 pp., ill., ISBN 978-2-406-10327-1, € 54.
Il tema dei rapporti tra Venezia e l’Impero ottomano, come realtà analizzabile in un antitetico e, insieme, sincretico paradigma di incontro-scontro è stato, a partire dalle considerazioni di Braudel, oggetto di una vivace riflessione specialistica. Questo approccio sulle relazioni turco-veneziane costituisce la direttrice del presente volume di Géraud Poumarède che, in continuità con la feconda prospettiva storiografica aperta da Paolo Preto, offre una dettagliata rappresentazione della storia di Venezia, tra XVI e XVII secolo, attraverso il filtro della reciprocità, piuttosto che della conflittualità, con il mondo ottomano. Adoperando una notevole base documentaria, l’autore, oltre ad esaminare l’incontro-scontro tra turchi e veneziani, mostra come questi fattori si integrino in un sistema fragile ma coerente. L’indagine condotta dallo storico è molto ampia ed esaustiva, basti considerare le dimensioni stesse dell’opera, articolata in circa 600 pagine di testo, oltre 100 di bibliografia e dotata di indici dei nomi e dei luoghi. Come ravvisabile dal titolo, il volume affronta una difficile e controversa problematica storiografica, fonte di acceso dibattito (David Chambers; Benjamin Arbel; Maria Fusaro etc.), quella dell’identità imperiale di Venezia. Questa ambiziosa tesi, saldata da Poumarède all’esame delle relazioni turco-veneziane, viene analizzata in modo innovativo attraverso la prospettiva dello Stato da Mar e, dunque, secondo una direttrice biunivoca dal centro alla periferia del dominio della Serenissima che evidenzia il ruolo nevralgico avuto dall’oltremare nel processo di elaborazione dell’identità politico-culturale veneziana e, al contempo, dischiude ulteriori interrogativi. Da un punto di vista metodologico, la ricerca compiuta dallo storico si basa su un’ampia consultazione di molteplici fonti archivistiche, soprattutto veneziane, abilmente collegate e incrociate tra loro. Seguendo questa traiettoria multifocale, l’opera si articola in 4 sezioni correlate (identità imperiali; trattative e scontri turco-veneziani; presenza e insediamenti della Serenissima in Levante; implicazioni con i territori ottomani) che sondano il funzionamento del composito mondo di Venezia secondo una visione organicistica, volta a dimostrare come l’eterogeneo e articolato sistema veneziano abbia, secondo Poumarède, una sua intima coerenza proprio nella natura imperiale che le autorità veneziane avvertono di sé stesse. Analizzando le origini mitiche di Venezia e il suo esclusivo rapporto con il mare, la prima parte del volume pone l’accento sul modo in cui da questa epica genesi scaturiscono le contrastanti anime dell’identità veneziana, scissa tra dimensione commerciale e aspirazione imperiale. È nel mare, dunque, che la Serenissima trova la ragione della sua prosperità e la legittimità del proprio potere sovrano. In tale cornice, lo Stato da Mar viene esaminato e definito da Poumarède quale elemento portante dello sviluppo non solo economico-materiale ma, anche, ideologico-politico di Venezia. Di qui, l’attenzione si sposta, nella seconda parte dell’opera, sulla politica veneziana di fronte al Turco e sulla sua dibattuta „ambiguità“ che l’autore dimostra necessaria in quanto funzionale alla preservazione dell’equilibrio, fragile, interno alla controversa identità di Venezia. Difatti, l’inesorabile avanzata ottomana in Levante mostra la città lagunare obbligata ad una costante rielaborazione politico-simbolica della sua sovranità e del suo destino corroborando, così, l’immagine di dipendenza di Venezia dai possedimenti d’oltremare nonché la loro centralità nel processo di strutturazione identitaria dello Stato veneto. Non a caso Poumarède sottolinea quanto l’interazione con i sultani sia sempre improntata al dialogo e alla prudenza da parte del governo veneziano che evita lo scontro e ricerca con tenacia la pace tramite il canale diplomatico. Quest’ultimo, ampiamente analizzato nella terza sezione dell’opera, si configura quale linfa vitale dell’apparato difensivo di Venezia. I diversi rappresentanti dei territori soggetti alla Serenissima, infatti, costituiscono una risorsa di cui l’autore sottolinea versatilità e capillarità descrivendola come un sistema gerarchizzato e policentrico dalle connessioni sia verticali sia orizzontali che Venezia avrebbe sviluppato proprio in risposta alla crescente vicinanza ottomana. Lo Stato da Mar, infine, viene rappresentato da Poumarède in un rapporto di complementarità con il mondo turco attraverso l’analisi dei numerosi casi di interazione tra i due imperi che attestano la permeabilità e la compenetrazione della frontiera turco-veneziana, fatta di zone grigie vitali per la reciproca prosperità. Queste valutazioni consolidano la riflessione iniziale dell’autore diretta a delineare la storia della Serenissima attraverso la prospettiva dello Stato da Mar quale elemento chiave per lo sviluppo identitario di Venezia proprio perché punto di connessione e mutualità con l’Impero ottomano.
Giulio Merlani
Ioanna Iordanou, Venice’s Secret Service. Organizing Intelligence in the Renaissance, Oxford (Oxford University Press) 2019, 263, XIII S., Abb., ISBN 978-0-19-879131-7, GBP 31,99.
Die Autorin, Dozentin für Human Ressource Management an der University of Warwick, nimmt in ihrem Bd. die ökonomischen Implikationen der venezianischen Geheim- und Sicherheitspolitik von 1500 bis 1630 in den Blick und liefert neue Perspektiven für die meist auf politische oder institutionengeschichtliche Aspekte konzentrierte Intelligenceforschung. Die Anknüpfung an aktuelle Diskurse ist sehr knapp und lässt sowohl die New Diplomacy History als auch die Debatten um Öffentlichkeit (z. B. Jan Assmann), Wissen und Geopolitik unerwähnt. Darüber hinaus werden die gegenwärtig vielfach produzierten Einzelstudien aus anderen Ländern nicht aufgegriffen, denkt man an Navarro Bonillas oder Perez’ Studien zur spanischen Geheimdiplomatie oder Karl de Leeuws Arbeiten zu den Niederlanden. Auch fehlen einige grundlegende ältere Titel im Literaturverzeichnis (z. B. Charles Carter 1964, Jules Finot 1902, Aloys Meister 1896, Josef Susta 1897). Insofern ist der Abschnitt zur Forschungsdiskussion leider – wie bei englischsprachiger Literatur häufig zu beobachten – für hiesige Ansprüche zu dünn geraten. Es wurden Quellen aus den einschlägigen Archiven in Venedig, Florenz, Rom, Simancas und London herangezogen. Warum das Osmanische Archiv nicht konsultiert wurde, um bei zentralen Quellen die Gegenüberlieferung einzubeziehen, bleibt offen. Abseits dieser Schwäche ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema indes sehr überzeugend geraten. Die These, der Rat der Zehn habe nicht primär militärisch-politische Ziele verfolgt (S. 5), sondern kommerzielle und ökonomische, belegt die Autorin in einer beeindruckenden Weise, indem sie in sechs Kapiteln ein Mosaik der Interessen, Methoden, Beziehungen, Kompetenzen und Strukturen entwirft. Zu Beginn wird die Republik Venedig als „Dominion“ (S. 16) im europäischen Panorama verortet und danach staatliche Geheimpolitik als venezianische Tugend („virtue“) erörtert, wobei dieser Begriff nicht ganz zutreffend wirkt. Für die Ausbildung der „Kunst der Defensive“ (S. 18) werden die Kriege mit den Osmanen hauptursächlich herangeführt und die Beziehungen zu den anderen italienischen Stadtstaaten, Spanien, England und Frankreich in die Analyse einbezogen. Dass hier das Heilige Römische Reich und das Kaiserhaus in dieser sonst sehr guten Typologie gänzlich unerwähnt bleiben, lässt dieses Panorama leider unvollständig erscheinen. Stringent wird allerdings argumentiert, inwiefern eine erfolgreiche „State secrecy“ eine „Illusion“ (S. 64) bleiben musste. Das dritte Kapitel bietet einen Überblick zur Organisation der venezianischen Kanzleien, des Innen- und Außendienstes und der Kommunikation sowie ihrer Regulation. Diese eher klassisch daherkommende Organisationsgeschichte hält dennoch einige methodische Überraschungen bereit, da die Autorin das System auch hinsichtlich der sozialen Interaktion und modernen Managementstrukturen hinterfragt. Insbesondere die Funktionalität der Außenposten und Stützpunkte als Informationsrelays wurde bisher noch nirgendwo so gut dargelegt. Lesenswert sind auch die aus den Beobachtungen abgeleiteten Schlussfolgerungen, wie beispielsweise die immer zahlreicher werdenden Vorschriften auf die Diplomaten wirkten und immer ineffektiver wurden. Das vierte Kapitel widmet sich der Kryptologiegeschichte und liefert einen Überblick über die Professionalisierung, Organisation und Personalpolitik der Kanzleien. Der fachwissenschaftliche Hintergrund der Autorin kommt hier deutlich zum Tragen und bringt einen neuen Input in das sonst von Informationstechnikern und Sprachwissenschaftlern dominierte Gebiet. Nachdem somit die für Venedig typische defensive Methode vorgestellt wurde, richtet sich im fünften Kapitel der Blick auf die Agenten, die in professionelle Informanten und „amateur informers“ (S. 165) wie Händler und Kaufleute eingeteilt werden. Andere Akteure werden hier leider nicht eigens erörtert. Das Abschlusskapitel wendet sich den „Sondermaßnahmen“ wie Gegenspionage, Terror, Folter, Auftragsmorden, Chemiewaffen, Interzeption und Bestechung zu. Diese werden beispielhaft in ihrer Notwendigkeit und Durchführung vorgestellt, wobei die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit sowie die Entwicklung hin zur „normalization“ (S. 212) aus heutiger Sicht durchaus kritisch betrachtet, aber auch mit Blick auf andere Staaten relativiert wird. Die Autorin weicht auch der Frage nicht aus, inwiefern die Geheimpolitik dem „common good“ gedient habe (S. 221). Mithin werden auch die ethischen Implikationen des Themas aufgegriffen, was die sehr bereichernde Forschungsperspektive der Autorin hervorhebt. Die Kapitel sind in ihrer Länge mit einem leichten Überhang bei der Organisationsgeschichte gleichmäßig verteilt. Der Bd. schließt mit einem Epilog, der den Faden vom Beginn aufnimmt und die Stärken und Schwächen der venezianischen Geheimpolitik zusammenfasst: effektive Organisation und wirtschaftliche Ausrichtung gehörten zur „DNA“ des Stadtstaats (S. 218) und es habe eine grundlegend defensive Intention zugunsten der Sicherheit der Lagunenstadt und ihrer Bürger vorgeherrscht. Das Thema rege zur Reflektion von Kernfragen an, wie beispielsweise „Wer wollen wir sein?“ und „Wie soll man sich an uns erinnern?“, so dass diese Einzelstudie dauerhaft aktuelle und persönliche Bezüge herstellt. Die Zusammenführung von Management, Ethik und Geschichtswissenschaft macht diesen Bd. sehr interessant und lesenswert. Durch die elegante Sprache der Autorin ist das Buch durchweg sehr gut lesbar und abwechslungsreich. Ein Index hilft beim Auffinden von Personen und Themen. Es liegt auch in der ersten Auflage bereits in türkischer und italienischer Übersetzung vor.
Anne-Simone Rous
Elizabeth A. Horodowich, The Venetian Discovery of America. Geographic Imagination and Print Culture in the Age of Encounters, Cambridge (Cambridge University Press) 2018, XV, 327 S., ISBN 978-1-107-15087-4, GBP 75.
Venedig war eine Verliererin der Erweiterung der Welt nach dem neuen „Übersee“ seit 1492/1493. Zwar sind genügend Venezianer und andere Italiener (man denke nur an Giovanni Cabotto und seine Söhne oder an den Genuesen Columbus) maßgeblich an der Erforschung der neu gefundenen Länder beteiligt, aber das geschah in fremden Diensten. Gleichzeitig verlor Venedig mehr und mehr die Kontrolle über „sein“ Meer, das östliche Mittelmeer als Weg nach Asien. Wie ging man in der „Serenissima“ damit um, in der früher fast alles zusammengelaufen war? Die Vf. stellt diese Frage im Zuge von mehreren Zugriffen auf Venedigs Umgang mit den neuen Erforschungen, aus denen unter anderem deutlich wird, dass und wie man sich in Venedig der Illusion hingeben konnte, eigentlich die treibende Kraft zu sein – obwohl Venedig und die Venezianer nie ernstliche Pläne machten, in den „Amerikas“ zu kolonisieren oder auch nur Handel zu treiben. Ergebnis der „venezianischen Entdeckung Amerikas“ war allerdings nicht nur Selbsttäuschung, sondern ein allumfassender Einfluß auf das Bild, das sich Lateineuropa von der „Neuen Welt“ machte. Denn die Macht des Drucks entschied, was bekannt wurde, und Venedig war immer noch einer der Informationsknotenpunkte sowie Produzent von Informationsmaterial. Als größtes Druckerzentrum und als traditionell wichtiges Wissenszentrum (nicht zuletzt für Kartographie) hatte Venedig und hatten seine Sammler und Drucker Zugriff auf Deutung, ja sogar Kolonisation des Wissens, das dann europaweit in Umlauf gebracht wurde. Und Venedigs Rolle bei der (Re-)Organisation aller dort eintreffenden umfassenden Informationen war eben nicht uneigennützig, denn Venedig druckte nicht nur, sondern sorgte dafür, dass der eigene Platz in dieser Drucker-Welt weithin sichtbar war. Dabei wirkten, so fasst Horodowich die Gliederung ihres Bandes (der bei aller typologischen Aufteilung des Stoffes auch einer grundsätzlich chronologischen Linie folgt), „Venetian rhetorics of ‚firstness‘, similitude, othering, comparison, and simultaneity“. Nach der Einleitung folgen dementsprechend fünf Kapitel. „Compiled Geographies: The Venetian Travelogue and the Americas“ betrachtet Druckwerke ab 1504/1507 (eine Zusammenstellung der venezianischen Americana im Appendix zu diesem Kapitel) und hier v. a. die Vorworte (oder Ramusios „Discorsi“), die das Werk in den venezianischen Diskurs einordnen ebenso wie die Venedig-Bilder im Frontispiz als visueller Eindruck. Betont wird die Bedeutung von Übersetzungen neuer Reiseberichte ins „Italienische“ (leider nur am Rande konkretisiert als „Florentinisch“, was angesichts des doch sehr anderen Veneziano klarer hätte sein dürfen). „Giovanni Battista Ramusio’s Venetian New World“ widmet sich dann dem ersten großen Sammler von (übersetzten) Reiseberichten. Man mag anmerken: die Venezianer und speziell Ramusio zogen eine Linie von den Reisen ins mongolische Asien eines Marco Polo und anderer, die einseitig gewesen sein mag, aber keineswegs weit hergeholt ist, und die heute zu Unrecht fast immer vergessen wird, wenn es etwa um den Beginn der Globalgeschichte geht. Zu Recht zentral und besonders reichhaltig blickt „The Venetian Mapping of the Americas“ auf die Dominanz der venezianischen Kartenproduktion, in der die Venezianer schon früher eine Spitzenstellung einnahmen, deren Wirkung auf die heute berühmtere niederländische Kartographie des 16. und 17. Jh. nicht unterschätzt werden darf. Besonders die traditionell große Textmenge, die in detailliertere, größere Weltkarten eingefügt wurde und oft einen Beitrag zu gelehrten Diskursen über geographische und kosmologische Fragen lieferte, machte Raum für venezianische Vereinnahmung. Und die Wirkmacht der Karten wird auch deutlich, wenn sie als visuelles Mittel erscheinen, neben der spanischen Übermacht in Entdeckungsreisen auch die politische Macht in Italien aus venezianischer Sicht zu kontextualisieren. Eine berühmt-berüchtigte Karte enthält auch das Werk, dem sich „Venetians in America. Nicolò Zen and the Virtual Exploration of the New World“ in erster Linie zuwenden. Zen konstruierte aus vorhandenem Wissen und klugen Erfindungen die Entdeckung der/einer neuen Welt durch seine Vorfahren um 1380. Und wie oft bei solchen fiktiven Texten, die Reales darstellen könnten, nimmt die Forschung, sozusagen, übel, dass sie getäuscht wird. Dagegen setzt Horodovich eine schöne Wirkungs-Analyse der Mittel, mit denen Zen überzeugen wollte. Der Vergleich mit der Heimat schließlich ist verbreitet in Reisebeschreibungen, der Vergleich mit Venedig reicht weit über die Venezianer hinaus. Ein besonders eindrückliches Beispiel sind hier Beschreibungen und Darstellungen der aztekischen Metropole Tenochtitlan, am Ort des heutigen Mexiko Stadt in einen See gebaut. Und weil der Vergleich so nahe lag, kommt denn Tenochtitlan in venezianischen Werken über die Neue Welt ganz besonders intensiv vor („Venice in Tenochtitlan: The Correspondence of the Old World and the New“). Ein Index schließt das reich bebilderte und in seiner Argumentation faszinierende und überzeugende Werk ab.
Felicitas Schmieder
Antal Molnár, Confessionalization on the Frontier. The Balkan Catholics between Roman Reform and Ottoman Reality, Roma (Viella) 2019 (Interadria 22), 266 S., 12 Karten, ISBN 978-88-331-3080-4, € 40.
Die internationale Forschung zur Konfessionalisierung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum mit den Balkanländern während der osmanischen Herrschaft auseinandergesetzt. Eine wichtige Ausnahme bildet Antal Molnár, der sich bereits im Rahmen seines Promotionsprojekts diesem Forschungsfeld zugewendet hatte. Seine Dissertation erschien 2002 auf ungarisch und 2007 auf französisch („Le Saint-Siège, Raguse et les missions catholiques de la Hongrie Ottomane 1572–1647“). Neun Aufsätze, die er zwischenzeitlich publizierte, werden im vorliegenden Sammelbd. veröffentlicht. Sie enthalten weitere wichtige Aufschlüsse über die konfessionellen Entwicklungen in Mittel- und Südosteuropa während der Frühen Neuzeit. Die Spielräume der christlichen Kirchen, insbesondere des Katholizismus, wurden dabei grundsätzlich durch zwei Faktoren bestimmt: durch den Einfluss und die Protektion wohlhabender und gut vernetzter Kaufleute, die in gewisser Weise den Mangel an der Beteiligung von Christen an der weltlichen Herrschaft ausglichen, und durch die Aktivitäten alter (Franziskaner) wie neuer (Jesuiten) Orden im Bereich der Pastoral und Mission, die ihrerseits einen Ersatz bildeten für das defizitäre Diözesansystem und die beschränkten Möglichkeiten der Bischöfe. Insgesamt war der Katholizismus auf dem Balkan geprägt durch starke transkonfessionelle Verbindungen, ein unzureichendes dogmatisches Fundament und Probleme bei der kirchlichen Disziplin und den jurisdiktionellen Kompetenzen. Auch wenn die Katholiken die kleinste Konfessionsgruppe in diesem Raum bildeten, konnten sie nach Molnár auf Grund von Mobilität und ihrer politischen und kulturellen Bedeutung eine große Wirkmächtigkeit entfalten (S. 13). In Bosnien bildete der Franziskanerorden seit der 2. Hälfte des 14. Jh. die einzige Instanz zur Vermittlung des katholischen Glaubens. Während der osmanischen Herrschaft gelang es dem Orden, seine pastoralen Aktivitäten mit Duldung der weltlichen Autoritäten unter Einhaltung bestimmter Vorgaben, aber in einem gewissen Gegensatz zum tridentinischen Reformprozess weiterzuführen. Die mit maßgeblicher Unterstützung durch Papst und Kurie erfolgten Niederlagen der Türken gegen Ende des 17. Jh. lösten allerdings eine Phase der Unterdrückung des Katholizismus in Bosnien aus, von dem sich der Franziskanerorden nur schwer und langsam erholte. Um 1600 waren Franziskaner in Bulgarien und Jesuiten in Ungarn missionarisch aktiv. Ihre Direktiven erhielten sie von der Inquisition. Im Gegensatz zur 1622 errichteten zentralen kurialen Missionsbehörde (Propaganda fide), die bei ihrem Vorgehen eher auf Überzeugungsarbeit setzte, zeichnete sich die Praxis der von der Inquisition gelenkten Mission durch Zwang und Verfahren vor Gericht aus (S. 45). Venedig als Seemacht mit Besitzungen an der dalmatinischen und griechischen Küste hatte vor allem wirtschaftliche Interessen auf dem Balkan (Handelsachse Sarajewo-Ragusa [Dubrovnik]-Venedig; Bosnier als Vertreter venezianischer Handelshäuser; bosnische Kolonie in Venedig). Der Einfluss der Markusrepublik auf das konfessionelle Geschehen (auch indirekt über den Nuntius in Venedig) trat allerdings im 17. Jh. gegenüber Ragusa (mit dem Erzbischof als Protagonisten) zurück. Der Konflikt um die Jurisdiktion der katholischen Kapelle in Belgrad zeigt die enge Verknüpfung von kirchlichen und wirtschaftlichen Interessen. In der Tat standen sich hier Franziskaner und bosnische Händler auf der einen und Jesuiten und Kaufleute aus Ragusa auf der anderen Seite feindlich gegenüber. Ein vergleichbarer Dissens entwickelte sich um die Kapelle von Novi Pazar, wo ebenfalls Ragusa (Erzbischof, Senat und Kaufleute) vehement an den traditionellen Rechten festhielt und so in Gegensatz geriet zu den Intentionen, Interessen und Methoden der römischen Propaganda-Behörde und deren Interessensvertreter vor Ort (Erzbischof von Antivari [Bar]). Der Erzbischof von Antivari (Pietro Massarecchi) spielte neben anderen Prälaten (u. a. Francesco Bianchi) auch eine zentrale Rolle bei der Formierung einer frühen katholischen nationalen Identität Albaniens. Auch dieser Prozess wurde Ende des 17. Jh. abrupt gestoppt durch die politischen Veränderungen in der Folge des Großen Türkenkriegs. So sie nicht emigrierte, hatte die nunmehr stark dezimierte katholische albanische Bevölkerung unter Repressalien und Zwangsislamisierung zu leiden, wie der Autor feststellt (S. 155). Im 17. Jh. kam es gelegentlich auch zu Versuchen einer Union zwischen katholischer und serbisch-orthodoxer Kirche, die allerdings mangels Unterstützung der jeweiligen Kirchenleitungen zum Scheitern verurteilt waren (bei allerdings erheblichen Unterschieden in der Bewertung der jeweiligen Positionen und Absichten durch die kroatische und serbische Historiographie). Ein weiteres Kapitel unterstreicht nochmals eindrücklich die katastrophalen Auswirkungen der Türkenpolitik Innozenz’ XI. So wurde, wie Molnár überzeugend darlegt, die Vertreibung der Türken aus Mitteleuropa zu einem hohen Preis erkauft (S. 177). Durch den Massenexodus von Priestern, Ordensleuten und Gläubigen kam der Katholizismus auf dem von den Osmanen kontrollierten Balkan nahezu komplett zum Erliegen. Der letzte Beitrag bringt die interessante Analyse der Biographie von Magdalena Pereš-Vuksanović (Francesca Schiavona) nach Dokumenten der römischen Biblioteca Vallicelliana. Die Protagonistin wechselte während ihres Lebens häufiger ihre geschlechtliche Identität durch den Gebrauch von männlicher Kleidung und eines männlichen Vornamens. Das auslösende Moment dafür war die Entscheidung für ein zölibatäres Leben und gegen eine Verehelichung. Sie entsprach damit einerseits dem Typus der barocken Heiligen mit ihrer Abkehr von Sexualität (S. 195), andererseits aber auch der auf dem patriarchalisch geprägten Balkan anzutreffenden, weltweit einzigartigen Praxis des Auftretens von Frauen als Männer in bestimmten gesellschaftlichen und familiären Zwangslagen (S. 202). Diese Verhaltensmuster, die noch bis in unserer Zeit festzustellen sind, könnten auf antike Vorbilder (Amazonen, evtl. auch Teuta) zurückzuführen sein. Ein Glossar zu osmanischen und südslawischen Termini, zwölf Karten, eine Spezialbibliographie und ein Index der Eigennamen und Orte schließen diesen Bd. ab. Die Forschungen von Molnár bestätigen die These, dass die katholische Konfessionalisierung vor allem an der Peripherie nach eigenen Gesetzen verlief. Sie stellen einen Meilenstein in der Erforschung der gesellschaftlichen und konfessionellen Verhältnisse auf dem Balkan während der Frühen Neuzeit dar und brechen mit dem lange Zeit in der Historiographie vorherrschenden Narrativ des Triumphs des Christentums über den Halbmond in den 80er Jahren des 17. Jh.
Alexander Koller
Jennifer K. Nelson (Ed.), Gian Vittorio Rossi’s Eudemiae libri decem. Edited and Translated with an Introduction and Notes, Tübingen (Narr Francke Attempo Verlag) 2021 (NeoLatina 36), 618 S., ISBN 978-3-8233-8430-4, € 86,40.
Werke der Belletristik, die sich offen als Gesellschafts- und Zeitkritik zu erkennen geben, gehen auch den Historiker an. Gian Vittorio Rossi, alias Ianus Nicius Erythraeus (1577–1647), der Forschung zum 17. Jh. vor allem wegen seiner dreibändigen, freilich nur mit Vorsicht zu benutzenden „Pinacotheca imaginum illustrium …“ (1643–1648) geläufig, legte mit seiner 1637 in Leiden und, um zwei Bücher erweitert, 1645 in Amsterdam erschienenen „Eudemia“ eine solche Satire vor. Die verdienstvolle Ausgabe von Jennifer K. Nelson bietet neben der kollationierten und reich kommentierten Edition der beiden Druckfassungen erstmals eine vollständige, ebenso zuverlässige wie gut lesbare englische Übersetzung von Rossis Schrift. Die im Jahr 31 n. Chr. bei der gescheiterten Verschwörung des Sejanus gegen Kaiser Tiberius ansetzende Erzählung schildert die Flucht zweier Römer, Flavius Vopiscus Niger und Paulus Aemilius Verus, auf die mauretanische Insel Eudemia. Die dort vorgefundenen Lebensverhältnisse stehen im Mittelpunkt des Romans, gleichwohl die beiden Entflohenen ihr endgültiges Domizil erst auf einer Nachbarinsel finden sollen. Die lose Rahmenhandlung – hier macht sich die in Boccaccios „Decamerone“ wurzelnde Tradition italienischer Novellensammlungen geltend – bietet den Vorwand für eine kaum überschaubare Fülle von Geschichten, Charakterporträts und Einzelschicksalen, mit denen die Protagonisten auf ihrer Reise konfrontiert werden. Ekphraseis von Landschaften, Gärten, Bau- und Kunstwerken bereichern die Ereignisse. Dass die Insel Eudemia zur Zeit des Tiberius nichts anderes als das Rom des 17. Jh. verkörpert, wurde unmittelbar nach Erscheinen des Buches offenbar. Allzu deutlich treten hinter dem rex sacrorum und seinen zwölf Dynasten der Papst und das Kardinalskollegium hervor. Kirchliche Praktiken wie Exorzismus, Reliquienkult und Buchzensur kommen ebenso wenig verschleiert zur Sprache wie die römische Justiz, der Karneval, die berühmte Accademia degli Umoristi und die jüdische Bevölkerung der Stadt. Rossis Kritik an dieser Gesellschaft reicht von den undankbaren Brotgebern, die die Leistungen ihrer Untergebenen, zumal deren geistige Leistungen, nicht würdigen, und der äußerlichen Repräsentation der Mächtigen, ihrem ostentativen Konsum in Bestattungsluxus und verschwenderischer Bankettkultur, bis zu einer fragwürdigen, wenn nicht korrupten Rechtsprechung und einem Apparat von unfähigen Amtsträgern, die ihre Stellung allein der Protektion und den Bestechungsgeldern verdanken. Auch Verstellung und Heuchelei haben diesen Karrieristen nach oben verholfen. Statt gewissenhafter Pflichterfüllung machen Gelage, Päderastie und Prostitution das lustbetonte Leben auf Eudemia aus, wobei die Misogynie des Autors kaum zu verkennen bleibt. Betrug und Scharlatanerie bestimmen das gesellschaftliche Miteinander. O tempora, o mores! Dieses Verdikt gilt auch im Bereich des Geisteslebens. Gelehrte, die einen Großteil ihrer Zeit mit dem so viel beklagten Antichambrieren verbringen, widmen sich Astrologie und Alchemie; in irrwitziger Selbstüberschätzung glauben sie, besser Latein zu schreiben als Cicero und die Klassiker und neigen zu einer verblendeten Überbewertung zeitgenössischer Hervorbringungen. Die Querelle des anciens et des modernes kündigt sich hier bereits an. Ganz wie seine Sprache steht Rossi dabei unmissverständlich auf Seiten der Antike. In der Neuauflage von 1645 hat der Autor seine zersetzende Tendenz allerdings durch eine panegyrische Note abgemildert. Eine Bienenallegorese, wie man sie zur Zeit der Barberini so häufig vornahm, führt im zehnten Buch zum überschwänglichen Lob auf die soeben abgedankte Papstfamilie. Im selben Kapitel wird dann auch das im 17. Jh. so beliebte Gegenmittel zum Weltschmerz propagiert, die stoische Philosophie nämlich, die allein gegen die Versuchungen der korrupten höfischen Gesellschaft immunisiert (X.35). Nelsons Textkommentar besticht vor allem in philologischer Hinsicht. Hunderte von Similien aus Plautus, Cicero, Horaz und anderen klassischen Autoren sind akribisch nachgewiesen. Kontroverser dürften ihre historischen Anmerkungen, die in erster Linie auf eine Identifizierung der fiktiven mit historischen Persönlichkeiten abzielen, diskutiert werden. Schon im 17. Jh. kursierten verschiedene, voneinander abweichende „Schlüssel“ zum Verständnis des Werks; die neuere Forschung griff diesen Faden auf, ohne dabei zu endgültigen Ergebnissen gelangt zu sein. Einige Kurzschaltungen scheinen unumstößlich: Humanus ist Urban VIII., sein Neffe Mellitus Francesco Barberini, Tyrrhenus ist Rossis Förderer Fabio Chigi, nachmals Papst Alexander VII.; hinter Nicius Rufus verbirgt sich Rossi selbst, hinter Offuscatus der Katakombenforscher Antonio Bosio; Teras entspricht dem maestro del Sacro Palazzo Niccolò Riccardi; Ptrerotius steht für Leone Allacci. Andere Vorschläge – König Geryon als Karl V., Gallonius für Gabriel Naudé, Hiero Volusius als Girolamo Aleandro, Plusius Accipiter für Arrigo Falconio – wirken dagegen fragwürdig. Zumindest setzen die von Nelson ins Spiel gebrachten Persönlichkeiten zeitlich wie geografisch eine sehr breite Streuung voraus. Auch unterschiedliche Namensgebungen für dieselbe Gestalt möchte die Hg. zulassen, wobei noch immer zahlreiche Verschlüsselungen ohne reale Bezugspersonen bleiben. Diese Versuche und ihre methodischen Voraussetzungen werden von der zukünftigen Forschung zu diskutieren sein. Für die Erfüllung einer solchen Aufgabe bietet die neue Edition zumindest eine hervorragende Grundlage. Etlichen der hinter seiner „Eudemia“ vermuteten Pesönlichkeiten hat Rossi in seiner „Pinacotheca“ literarische Porträts gewidmet. Der von Nelson angekündigten Neuausgabe auch dieses Werks, die auf Grundlage der vom gedruckten Text mithin erheblich abweichenden Hss. erfolgen soll, darf man mit Spannung entgegensehen.
Ingo Herklotz
Godfrey Henschen, The Revised Bollandist Dossier (1659) on St Peter Thomas O. Carm., edited and translated by Patrick Mullins, Roma (Edizioni Carmelitane) 2021 (Textus et Studia Historica Carmelitana 50), 535 S., Abb., ISBN 978-88-7288-201-6, € 37.
Um 1305 im Périgord geboren, trat Pierre Thomas im Alter von 20 Jahren in den Karmeliterorden ein. Er amtierte als Generalprokurator des Ordens an der avignonesischen Kurie und stieg zum offiziellen Hofprediger auf. 1354 erfolgte die Ernennung zum Bischof von Patti und Lipari. 1359 wechselte er auf den Bischofsstuhl von Korinth, 1363 wurde er Erzbischof von Kreta, nur ein Jahr später Patriarch von Konstantinopel. Sein Amt als päpstlicher Legat bedingte eine umfangreiche Reisetätigkeit in die Länder und Inseln des östlichen Mittelmeers. Ein Ziel stand dabei im Vordergrund: die Wiederherstellung der Einheit mit den Kirchen des Ostens. Daneben engagierte er sich in Kreuzzugsangelegenheiten: Das von ihm beförderte passagium generale von 1365 konnte mit der Eroberung Alexandrias immerhin ephemere Erfolge erzielen. 1366 starb Pierre Thomas in Famagusta auf Zypern. Die Kanonisation erfolgte 1609 durch Paul V. Sein Gedenktag ist der 8. Januar und noch heute sieht der Orden in „this fourteenth century saint a precursor of ecumenism“ (www.ocarm.org/en/item/99-st-peter-thomas-bishop; 3.3.2022), was man so sehen kann, aber nicht zwangsläufig auch muss. Als sich im 17. Jh. die Forschungen zur Hagiographie im Großunternehmen der von den Bollandisten verantworteten „Acta Sanctorum“ verdichteten, setzte man auf historische Kritik, was vor allem Kritik am hagiographischen Wildwuchs bedeutete, hinter dem die historischen Heiligengestalten häufiger nur noch schemenhaft erkennbar waren. Godfrey Henschen, der hochgelehrte Jesuit, war es, der 1643 in einem der Januar-Bände der „Acta Sanctorum“ die Vita des Pierre Thomas aus der Feder des zypriotischen Kanzlers Philippe de Mézières († 1405) edierte, kommentierte und thematisch verwandte Texte hinzufügte (Acta sanctorum Jan. 2, S. 990–1023). Dieses Dossier hatte der Karmelit Patrick Mullins bereits 2018 zum Gegenstand einer umfangreichen Monographie gemacht. Jetzt legt er nach. Als sich Henschen 1659 nach 16 Jahren dazu entschloss, eine revidierte Fassung des Textes vorzulegen, entsprang dies sicherlich dem Wunsch, einige Unstimmigkeiten und Fehler zu beseitigen. So lagen ihm nun beispielsweise weitere Hss. mit der Vita des Pierre Thomas vor. Auf ihrer Grundlage konnten Verbesserungen am Vitentext selbst vorgenommen werden. Auch war in der Zwischenzeit in den Papstregistern von 1354 die Originalbulle aufgetaucht, mit der Pierre Thomas einst zum Bischof von Patti und Lipari ernannt worden war. Strukturell griff Henschen ebenfalls ein und sorgte durch die Verschiebung und Ergänzung einzelner Abschnitte für ein besseres Textverständnis. Darüber hinaus war es ihm wichtig, die Zeit, die Pierre Thomas einst in Bologna zugebracht hatte, thematisch sehr viel stärker zu gewichten. Eines sollte freilich mit bedacht werden: Henschen war an einem guten Verhältnis zum Karmeliterorden gelegen und einige Korrekturen dürften bei den geschichts- und traditionsbewussten Frauenbrüdern durchaus auf Wohlwollen gestoßen sein. Bei dem revidierten Dossier von 1659 handelte es sich um den einzigen der vielen, von Henschen verfassten, publizierten und später neu durchgesehenen Texte, die in einem Separatdruck erscheinen konnten, was einerseits von seiner Bedeutung für die hagiographische Forschung zeugt, andererseits aber auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass die belgische Karmeliterprovinz ihn selbst in Auftrag gegeben bzw. finanziert hatte. Immerhin wurde die Widmung (in ausladend-barockem Duktus) vor den zum Provinzkapitel versammelten Karmelitern der belgischen Provinz am 8. Mai 1659 verlesen. Darin wird Henschen nicht müde, auf die guten Beziehungen hinzuweisen, die ihn mit dem Orden verbinden. Allerdings blieb „his attitude towards the more dubious aspects of what was then alleged to be the origins of the Carmelite tradition“ (S. 17) davon unberührt. Noch immer äußerte Henschen wohlbegründete Zweifel an der Gründung des Ordens durch den Propheten Elias selbst und damit an seiner Anciennität. Die Übersetzung von Henschens auf Lateinisch (mit gelegentlichen griechischen Einsprengseln) verfasstem Dossier liest sich gut und flüssig. Mullins hat ganz offensichtlich darauf geachtet, lange und umständliche Satzperioden aufzuspalten. Nachvollziehen lassen sich seine Entscheidungen stets durch einen Blick auf die Fußnoten. Hier findet sich der Originaltext ebenso abgedruckt wie die für das Verständnis komplexer Sachverhalte nötigen Verständnishilfen. Und dort, wo Henschens Text in der Übersetzung Interpretationsspielraum zulässt, wird explizit darauf verwiesen. Quellenzitate, die Henschen anführt, werden ebenfalls nachgewiesen. Ein Herzensanliegen war es Mullins, an Stellen, wo sich die derzeitige Forschungsmeinung fundamental von den im Text getätigten Aussagen unterscheidet, einzugreifen und auf diese Diskrepanz hinzuweisen. Im Haupttext wird an Stellen, an denen sich der Text von 1659 von der 1643 publizierten Vorgängerversion unterscheidet, durch Paralleldruck die Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Für Forschungen zur frühneuzeitlichen Historiographie über die Karmeliter ist Mullins Übersetzung eine hochwillkommene Ergänzung. Sie leistet zweierlei: zum einen wirft sie Licht auf die Arbeitsweise der Bollandisten mit ihrer Maxime, allein der historischen Wahrheit verpflichtet zu sein, zum anderen bietet sie Einblick in Bedeutung und Stellenwert der Karmeliter Mitte des 17. Jh., zu einem Zeitpunkt also, als die Bedeutung und die Einheit des Ordens, für die exemplarisch Pierre Thomas stand, schon längst Vergangenheit waren.
Ralf Lützelschwab
Gianluca Paolucci (a cura di), Illuminatismo tra Germania e Italia nel tardo Settecento, Roma (Istituto Italiano di Studi Germanici) 2019, 224 S., Abb., ISBN 978-88-95868-37-0, € 22.
Die Erforschung des Illuminatenordens hat in den letzten Jahren viele neue Quellen hervorgebracht. Insbesondere ist hierbei das Forschungszentrum in Gotha, geleitet von Martin Mulsow, zu erwähnen. Vor allem in Hinsicht auf Biographien von Ordensmitgliedern sowie bezüglich interner Kommunikationsstrukturen ist mittlerweile viel Neues bekannt. Bis heute werden die Illuminaten, um Missverständnissen vorzubeugen, häufig mit dem Epitheton „bayerisch“ versehen. Gerade die Geschichte der Ausbreitung des Ordens zeigt aber deutlich, dass dies eine irreführende Bezeichnung ist. Erstens sind die in der Literatur häufig zitierten Rechtfertigungsschriften nach den Verboten bereits im Exil entstanden, zweitens gibt es genügend (über-)regionale Ausprägungen. Bis heute etwas unterbelichtet in der Forschung sind Versuche von Illuminaten, in italienischen Territorien Fuß zu fassen. Der vorliegende Sammelbd., der auf eine Tagung von 2017 zurückgeht, schließt dementsprechend eine Forschungslücke: Im Vordergrund stehen biographische Herangehensweisen an den Schweizer Tommaso de Bassus (Massimo Lardi), Friedrich Münter (Gianluca Paolucci), Costanzo di Costanzo (Reinhard Markner) sowie Alessandro Savioli (Furio Bacchini). Die Ausbreitung des Illuminatenordens in den italienischen Gebieten kann anhand dieser Akteure anschaulich beschrieben werden. Bassus operierte von Innsbruck aus kommend im norditalienischen Bereich, Münters bekannte Reise hat vor allem in Süditalien dafür gesorgt, dass illuminatisches Gedankengut bekannt war. Costanzo di Costanzo war sicherlich das bedeutendste italienische Mitglied. Markner rekonstruiert aufgrund von neuen Quellenfunden Costanzo di Costanzos illuminatische Biographie. Auch die Biographie des im Orden den Namen Brutus führenden Savioli wird im Sammelbd. eindrücklich dargestellt. Neben diesen biographischen Zugängen gibt es auch einen historiografischen. Gian Maria Cazzaniga verdeutlicht die Ansätze der bisherigen Historiographie über die Illuminaten in Italien in Hinsicht auf ihren Einfluss auf mögliche Deutungen des Risorgimento. Den Abschluss des darstellenden Teils bildet der Beitrag von Elisa D’Annibale über Augustin Barruels berühmtes verschwörungstheoretisches Werk über die Interpretation der Französischen Revolution als Folge eines Komplotts von radikalen Aufklärern, radikalen Freimaurern und eben den Illuminaten. Hierbei wird der italienische Kontext aufgezeigt. Besonders aufschlussreich ist die Auseinandersetzung mit dem Übersetzer des Buchs, Ignazio Lorenzo Thjulen, ins Italienische. Gerade die internationalen Übersetzungen dieses Werkes sollten in Zukunft in der Forschung näher beleuchtet werden. Abgerundet wird dieser Sammelbd. durch die Editionen von neuen Quellen und Auszügen von gedruckten Werken, die sich allesamt auf die vorgestellten Beiträge beziehen. Dies setzt weitere Anreize, sich genauer mit der „italienischen Geschichte“ des Illuminatenordens zu beschäftigen. Der Sammelbd. liefert neue Erkenntnisse, Deutungen sowie Quellen und führt den Leserinnen und Lesern vor Augen, dass der Blick über den deutschsprachigen Tellerrand bezüglich der Illuminatenforschung hoch an der Zeit ist.
Claus Oberhauser
Walter Panciera, The Republic of Venice in the 18th Century, translated by Kalina Yamboliev, Roma (Viella) 2021 (Viella History, Art and Humanities Collection 10), 142 pp., ill., ISBN 978-88-331-3757-5, € 30.
La traduzione in inglese dell’opera di Walter Panciera „La Repubblica di Venezia nel Settecento“ segue fedelmente l’originale (edito sempre da Viella nel 2014) e risponde allo scopo con il quale il lavoro era nato: realizzare una storia della Serenissima nel suo ultimo secolo di vita destinata a un largo pubblico, non per forza specialistico. La versione inglese allarga quindi l’audience di un testo di successo che, come dichiarato dallo stesso autore nell’introduzione, va a colmare l’assenza di un’opera interpretativa di sintesi nella storiografia dedicata alla storia veneziana del XVIII secolo (brevemente richiamata). Il risultato è un libro di facile comprensione, conciso e schematico, ma anche completo e puntuale, volto a stimolare altri storici „to dedicate more energy to sharing the findings of our research more widely“ (p. 10). L’obiettivo, che giustifica l’assenza di note e riferimenti all’interno del testo, viene felicemente conseguito in sei parti (che seguono l’introduzione), ciascuna suddivisa in brevi paragrafi di numero variabile e arricchita di immagini, mappe e grafici, che analizzano i diversi aspetti della realtà veneziana settecentesca: territorio, politica, economia, società e cultura. Completano il volume un epilogo, dedicato alle vicende relative alla caduta della Repubblica a fine secolo, una bibliografia divisa per capitoli e un indice dei nomi e dei luoghi. L’immagine di Venezia che emerge dal libro è quella di uno Stato che nei suoi caratteri fondamentali era rimasto fermo ai secoli precedenti – quando aveva raggiunto l’apice della potenza – essendo governato da un ceto dirigente aristocratico dedito principalmente alla difesa dei propri privilegi. Un immobilismo, tanto più evidente se paragonato all’evoluzione dei grandi Stati europei, che rendeva la Serenissima quasi un relitto politico-istituzionale destinato ad essere travolto dagli eventi (ovvero dalle armi della Francia rivoluzionaria). Al contrario, in campo economico e sociale si registrarono, nel XVIII secolo, importanti sviluppi e trasformazioni. Pur ammettendo l’assenza di una vera e propria economia nazionale, Panciera descrive le significative innovazioni che caratterizzarono diversi settori della realtà veneziana settecentesca: dalle numerose iniziative pubbliche e private nello sfruttamento delle risorse idriche all’importanza del commercio del legno proveniente dalle comunità montane, dai miglioramenti dell’Arsenale alla creazione di nuove confraternite e ospedali. Un dinamismo economico-commerciale – che consente di contestare in parte l’idea di una generale decadenza – cui si accompagnava un’eccezionale vivacità in campo culturale, con la stagione dell’illuminismo veneto, ricca di idee, progetti e realizzazioni (basti pensare all’opera di Carlo Goldoni, alla fioritura di gazzette e giornali, o alla larga diffusione dei testi dei philosophes e dello spirito enciclopedico). Ampio spazio viene dato infine all’analisi del territorio e del dominio della Repubblica, da Corfù fino all’Adda, passando per la Dalmazia, l’Istria e la Carnia. Particolarismo e policentrismo sono infatti aspetti fondamentali della realtà veneziana settecentesca, che conducono l’autore ad affermare che la Serenissima non si trasformò mai in una nazione o in una capitale moderna, ma rimase fino all’ultimo la Dominante. Se complessivamente il libro, sulla base dei più recenti studi e della storiografia classica, risulta essere un’attenta sintesi di eventi e aspetti della Repubblica di Venezia nel Settecento, esso rappresenta altresì un prezioso strumento di riflessione. Panciera confuta con successo ogni visione stereotipata di questo antico Stato e del suo complesso territorio: „raising the banner of St. Mark today as a symbol of the best of all possible worlds and the redemption of an alleged non-Italian national identity is an unconscious or even abdication of the normal logic of things and of the will of progress that marks the very path of our modernity“ (p. 112). Fine ultimo del libro è infatti quello di contrastare la mitizzazione e l’uso strumentale della storia veneziana portato avanti di recente da alcune correnti politiche „in an anti-modern and anti-italian function“ (p. 112). Una proiezione verso l’attualità che va di pari passo con la vocazione divulgativa e conferisce all’opera maggiore pregio, rendendola un punto di partenza imprescindibile per qualunque riflessione sulla Repubblica veneziana nel XVIII secolo.
Carlo Campitelli
Andrea Zedler, Kantaten für Fürst und Kaiser. Antonio Caldaras Kompositionen zwischen Unterhaltung und höfischem Zeremoniell, Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2020 (Schriftenreihe des Österreichischen Historischen Instituts in Rom 5), 584 S., Abb., ISBN 978-3-205-20971-3, € 59,99.
Antonio Caldara è stato uno dei più prolifici, quotati e solidi compositori del primo Settecento; eppure per molti aspetti attende ancora che gli si rivolga piena attenzione, soprattutto se lo paragoniamo con il contemporaneo Händel, a cui sono dedicati in gran copia periodici, pubblicazioni, incisioni, produzioni, associazioni, festival. Non che manchino gli studi (a titolo esemplare ricordiamo il volume di Ursula Kirkendale del 1966, tradotto in inglese e aggiornato nel 2007), come pure le esecuzioni, che spesso lo accostano, appunto, a Händel; a tutt’oggi però non c’è un catalogo, le opere teatrali sono note unicamente a chi ne legge i manoscritti, tra gli oratori soltanto la „Maddalena ai piedi di Cristo“ ha conosciuto un minimo di diffusione, la musica sacra compare solo sporadicamente in concerto e su CD, e persino le cantate, più semplici da proporre al circuito produttivo, non hanno la popolarità di cui godono ad esempio quelle del succitato Sassone. Ad esse non era stato dedicato fin qui alcun affondo monografico: il poderoso volume di Andrea Zedler va dunque a colmare un vuoto, e seppur „limitato“ alle cantate romane e viennesi a una e due voci costituisce un contributo fondamentale per la conoscenza del repertorio e un buon modello dal punto di vista metodologico. Il lavoro indaga l’attività di Caldara per il principe Ruspoli a Roma e per Carlo VI a Vienna, e prende in considerazione 180 cantate (79 per Roma e 101 per Vienna). Il corposo capitolo introduttivo aggiorna meticolosamente sullo stato dell’arte, definisce gli aspetti metodologici e delimita l’ambito dell’indagine a partire da partiture e documenti. Gli oggetti musicali sono inquadrati nel contesto della loro produzione, funzione e fruizione, utilizzando anche strumenti propri delle indagini sul cerimoniale e la rappresentazione nelle corti e nei circoli aristocratici dell’epoca e toccando così questioni che investono anche aspetti sociali e di politica culturale. La prospettiva è di ampio respiro e risponde agli orientamenti più aggiornati della ricerca sulle cantate; uno dei tanti pregi del volume è quello di coniugare l’ampiezza interdisciplinare della cornice con una visione di dettaglio fondata su un solido studio storico-musicale, testuale e codicologico di ogni singolo pezzo. Il confronto tra produzione romana e produzione viennese, con l’identificazione delle caratteristiche legate ai due contesti culturali, politici e produttivi, è il fulcro del lavoro, e ne informa anche l’organizzazione. I due ampi capitoli centrali sono strutturati simmetricamente, aiutando ad apprezzare meglio analogie e differenze tra Roma e Vienna. Emergono così con chiarezza alcune specificità, legate ad esempio alla diversa funzione delle cantate, alle tematiche dei testi o a fattori più squisitamente musicali riferibili a organici e luoghi di esecuzione. Il percorso appoggia su una mole cospicua di dati storici e analitici che dopo il momento della minuziosa descrizione trovano apprezzabile sintesi nell’ultimo capitolo, „Continuità e cambiamento“, dove si sottolinea la grande capacità di Caldara di rispondere perfettamente alle aspettative musicali e culturali dei suoi committenti e alle condizioni materiali dei due ambienti, e si rimarca la necessità di rendersi conto delle dinamiche dei contesti storici per calibrare un giudizio complessivo anche estetico sulla produzione musicale. La monografia si rivela anche prezioso strumento di consultazione, grazie all’accuratezza dell’elenco di fonti e bibliografia, alle quattro appendici, che forniscono le cronologie delle cantate per Roma e Vienna, le trascrizioni integrali dei testi viennesi e le partiture di due cantate ritenute „idealtipiche“ per i due corpora, e non ultimo all’indice analitico, che consente di muoversi agevolmente nelle quasi 600 pagine di trattazione. Unico neo: le trascrizioni dei testi italiani. Evidentemente la scelta è stata di seguire pedissequamente le lezioni dei manoscritti, generando una serie di problemi che, a mio parere, vanno invece risolti adottando un moderato interventismo per normalizzare almeno i passi più ambigui e correggere gli errori palesi, a favore di una piena leggibilità del testo. Solo un paio di esempi: è ricorrente la confusione tra „e“ congiunzione ed „è“ voce verbale, che andrebbe accentata anche in assenza del segno nei manoscritti, pena l’incomprensione del significato; e assai sospetti sono versi come „Ma qual pregionantar puoi“ (p. 121) che mi pare evidente si debba leggere „Ma qual pregio vantar puoi“. Non ritengo utile elencare tutte le imprecisioni di cui purtroppo il volume abbonda sotto questo aspetto (e d’altra parte anche solo la mole del lavoro induce all’indulgenza); credo tuttavia sia opportuno discutere il criterio di trascrizione, che non mi sembra adeguato e non è abitualmente adottato dalla comunità scientifica di lingua italiana nell’edizione dei testi per musica. Se si mira alla piena intellegibilità del testo, un’apprezzabile tendenza conservativa non dovrebbe escludere l’introduzione di accenti, qualche intervento sulla punteggiatura e una lieve normalizzazione degli elementi che non incidono sulla patina linguistica storica. Ciò detto, i pregi del lavoro permettono di marginalizzare questo aspetto (considerando anche che la trascrizione dei testi è funzionale e non siamo in presenza di un’edizione) a favore dell’interesse del tema, dell’acribia con cui è condotta la ricerca, del rigore metodologico e del deciso passo in avanti delle conoscenze su Caldara e sulla sua produzione cantatistica che il lavoro di Zedler mette a disposizione della comunità degli studiosi, degli esecutori e degli appassionati.
Angela Romagnoli
Stefano Pivato, Storia sociale della bicicletta, Bologna (Il Mulino) 2019 (Biblioteca storica), 251 S., Abb., ISBN 978-88-15-28521-8, € 22.
Rezensionen
19.–20. Jahrhundert
Im Zeitalter der Klimakrise und Energiewende scheint das Fahrrad eine rosige Zukunft vor sich zu haben. Die neuesten Erscheinungsformen seiner 150-jährigen Geschichte, wie das e-Bike oder das Bikesharing, zeugen von der Anpassungsfähigkeit der Fahrräder, die als Grundpfeiler einer nachhaltigen Mobilität und der Verkehrswende gelten. Sie sind vor allem in urbanen Zentren als Ersatz oder Ergänzung des Auto- und öffentlichen Nahverkehrs effizient und in der Freizeit für Ausflüge oder Sport beliebter als je zuvor. Dabei ist Fahrradfahren nicht nur ökologisch und gesund, sondern bietet auch in sozialer Hinsicht viele nennenswerte Vorteile, weil kostengünstig was Kauf und Reparatur angeht und technisch sowie bürokratisch unkompliziert (keine Anmeldung, Führerschein, Steuer). Bilden diese Eigenschaften und Zuschreibungen eine Konstante der langen Fahrradgeschichte? Ja und nein, denn Euphorie, Expansion und Inklusion waren zwar Teil dieser Geschichte, aber auch Skepsis, Stagnation und Verteufelung. Die vielfältige Bedeutung des Fahrrads im Bereich der Mobilitäts-, Sport-, Kultur-, Geschlechter- und Gesellschaftsgeschichte wird nun in der 2019 erschienenen Monografie des Historikers Stefano Pivato eingehend untersucht. Als Überblickswerk mit Fokus auf Italien konzipiert, ist die Arbeit nicht nur thematisch breit aufgestellt, sondern auch zeitlich weit gefasst. Sie beginnt mit dem Aufstieg des Fahrrads als neuen Transportmittels im ausgehenden 19. Jh. und erzählt seine Geschichte bis zum Ende des 20. Jh., als seine Renaissance im Sinne einer ökologischen, individuellen, urbanen Mobilität begann. Die Studie ist in zehn Kapitel gegliedert, die jeweils einen thematischen Schwerpunkt haben, aber zugleich auch chronologisch aufgebaut sind. Das erste Kapitel ist dem Durchbruch des modernen Fahrrads gewidmet: Mit der Verbesserung der ersten Modelle und der technischen Modernisierung (z. B. Dunlops Fahrradluftreifen) entwickelte sich das Fahrrad im letzten Drittel des 19. Jh. von einem exklusiven und unsicheren zu einem belastbaren und massenkompatiblen Fahrzeug. Diese Entwicklung trug dazu bei, die fahrradfeindliche Politik von vielen Städten wie Mailand zu überwinden, wo aufgrund der hohen Unfallanfälligkeit der ersten Fahrräder ein drakonisches Fahrradverbot galt. In den 1890er Jahren wurden auch erste Fahrradschulen für Frauen gegründet und die zunehmende Popularität der biciclette ging mit dem Aufschwung der Fahrradkultur Hand in Hand: Fahrräder wurden bei Ballettvorstellungen in der Mailänder Scala vorgeführt und Erfolgsautoren wie Emilio Salgari wählten Radfahrer als Protagonisten ihrer Romane. Aus Forschungsgründen oder Abenteuerlust unternahmen immer mehr Frauen und Männer spektakuläre Fahrradtouren über mehrere hundert, sogar tausend Kilometer, worüber die Massenpresse ausführlich berichtete. 1893 schickte die Tageszeitung „Corriere della Sera“ einen Reporter zu der Weltausstellung in Chicago, wobei die Besonderheit des Auftrags war, die lange Reise mit dem Fahrrad zu beschreiten und für die Zeitung wöchentlich darüber zu berichten. Die Anzahl der Fahrräder erreichte in Italien erst 1919 die Millionenschwelle, mit großer Verspätung etwa im Vergleich zu den französischen Nachbarn. Der Durchbruch des Fahrrads war alles andere als reibungslos. Bis weit ins 20. Jh. hinein galten Fahrräder, insbesondere wenn Frauen als Fahrerinnen involviert waren, als gefährlich, „anarchisch“ und unanständig. Die Verbreitung der „neuen Religion“ wurde von konservativen Politikern und der katholischen Kirche mit großer Skepsis betrachtet (Kapitel 2). Auf dem Land wurden die „Stahlrosse“ von Menschen und Hunden angegriffen, woraufhin sich Fahrradfahrerinnen und -fahrer mit Revolvern oder Peitschen bewaffneten. Auch Fahrraddiebstähle waren bereits um 1900 ein Problem, das die Presse zusätzlich skandalisierte. Die folgenden Kapitel bieten eine Vertiefung über bereits erwähnte Themenkomplexe wie das Verhältnis von katholischer Kirche und Fahrrad (Kapitel 3), die Fahrradbegeisterung der Frauen, die mit antifeministischen Vorurteilen und Angriffen konfrontiert wurden (Kapitel 4), die Ära der nationalistischen und sozialistischen Radfahrvereine (Kapitel 5 und 6), die Helden des Radsports (Kapitel 7), die Fahrräder und die Resistenza (Kapitel 8) sowie das Fahrrad und die Provinz (Kapitel 9) und schließlich das zehnte Kapitel über die (Anti)Modernität des Fahrrads, das auch als Fazit gilt. Hier stellt Pivato fest, dass sich nach den (für das Fahrrad) „goldenen 50er“ eine Wende vollzog, als Autos, Motorroller und Fußball die Popularität des Fahrrads als Verkehrsmittel bzw. Sport übertrafen. Der Niedergang war aber nur partiell und von kurzer Dauer, denn er wurde bereits von der Ölpreiskrise in den 1970er Jahren gestoppt. Pivatos Gesellschaftsgeschichte des Fahrrads bietet eine für Italien noch fehlende, umfassende Überblickdarstellung und ist ein absolutes Lesevergnügen.
Amerigo Caruso
Gabriele B. Clemens, Geschichte des Risorgimento. Italiens Weg in die Moderne (1770–1870), Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2021 (Italien in der Moderne 27), 264 pp., Abb., ISBN 978-3-412-52094-6, € 30.
Il volume di Gabriele Clemens sulla storia del Risorgimento italiano intende aggiornare un pubblico ampio di lingua tedesca sugli sviluppi che la storiografia italiana ed internazionale ha registrato nei primi decenni del ventunesimo secolo. In particolare, Clemens sottolinea l’importanza dei recenti studi di storia della cultura che hanno affiancato la letteratura, oramai consolidata, sulla storia politica dell’unificazione italiana. L’interesse del volume, tuttavia, non si limita a questa attenta rassegna storiografica, ma si estende al tentativo di Clemens di inserire la tradizione storiografica italiana sul Risorgimento nella periodizzazione proposta da Reinhart Koselleck per la storia europea, cristallizzatasi nel concetto di Sattelzeit. Questo ha due importanti conseguenze sulla struttura dell’opera. Laddove, infatti, con Risorgimento in generale si intende il movimento di rinascita culturale e identitaria delle élite che è stato prodromo dell’indipendenza politica italiana, Clemens inferisce in senso koselleckiano il complesso e lungo processo di trasformazione delle categorie prima mentali e poi sociali, politiche ed economiche che sancirebbe l’ingresso italiano nella modernità. Di conseguenza cambia l’estensione temporale del periodo analizzato. Solitamente, lo studio del Risorgimento italiano ha come punto di inizio l’ingresso delle truppe francesi in Italia e si occupa, quindi, prevalentemente dell’Ottocento, mentre Clemens, importando il costrutto storiografico koselleckiano, predata il principio di questa grande trasformazione alle riforme istituzionali che, dai vari governi degli stati italiani, vennero introdotte già a partire dagli anni ’70 del Settecento. Da qui il sottotitolo del volume „Italiens Weg in die Moderne (1770–1870)“. Da qui anche la struttura dell’opera che dedica il primo capitolo ad una sintetica analisi dell’assetto istituzionale degli stati italiani di Ancien Régime e delle componenti riformiste presenti all’interno dei governi locali. Solo nel secondo capitolo Clemens entra nel merito dell’occupazione francese e dei cambiamenti che questa portò non solo a livello politico, ma anche socioeconomico e, di conseguenza, culturale. Di particolare interesse, in questo senso, l’analisi della diversione di reddito dovuta alla vendita dei beni pubblici ed ecclesiastici e degli effetti che questo fenomeno economico ebbe sulle forme di mecenatismo e collezionismo artistico. Di seguito, Clemens dedica tre capitoli rispettivamente alla storia politica, economica e culturale dell’Ottocento italiano, de-italianizzando, ove legittimo, i processi di cambiamento, sottolineando, cioè, quanto di europeo, in realtà, vi fosse in fenomeni che la storiografia italiana ha altrimenti teso a leggere in maniera accentuata come nazionali o proto-nazionali. Gli ultimi tre capitoli del volume sono, infine, dedicati a ripercorrere la via italiana, questa sì unica, all’indipendenza ed alla unificazione, anche in questo caso con uno sguardo attento a evenienze solo di recente accentuate dalla storiografia nella loro matrice culturale, come il brigantaggio, il controllo mafioso di intere zone del mezzogiorno ed il conflitto tra i vari poteri del neonato stato nazionale. Il volume, ben scritto, si legge con interesse e costituisce sicuramente un ottimo strumento didattico e divulgativo, particolarmente per chi, nei paesi di lingua tedesca, vuole approfondire la storiografia risorgimentale. Rimane dubbia la legittimità della traslazione nel concetto di Risorgimento di quel complesso che, in storiografia, prende il nome di modernità. Clemens stessa vi accenna quando sottolinea la poca partecipazione della popolazione generale alla conquista dell’indipendenza come anche l’arretratezza dell’economia, confinata ad una agricoltura pur, in alcune zone, molto produttiva. La modernità, in Italia, a meno di non ridurla al processo di unificazione nazionale, avvenne solo con il Novecento, in buona parte dopo la Seconda guerra mondiale. Questo vale in particolar modo per le categorie linguistiche e mentali cui Koselleck fa specifico riferimento. Basterebbe citare il persistere delle tesi vichiane nella filosofia della storia o il rifiuto dell’empirismo, che ebbe qualche rara scintilla tra la fine dell’Ottocento e l’inizio del Novecento. Non solo, dunque, l’Italia era poco moderna de facto, nella sua struttura economica e sociale, lo era anche nelle idee, non in ultimo per l’influenza pervasiva della Chiesa e di una religiosità, Clemens lo ricorda, finanche primitiva. Dati che, di nuovo, non cambieranno se non con il miracolo economico del dopoguerra. Quindi, è da sottolineare il percorso „verso la modernità“ che Clemens usa nel sottotitolo del volume, rimarcando con ciò l’inizio di un processo che trova la sua realizzazione ben più tardi. Il processo di unificazione nazionale, infine, risultando dalla piemontesizzazione istituzionale dell’intera penisola rappresentò addirittura un passo indietro rispetto a quei rari barbagli di pensiero moderno, particolarmente in ambito giuridico, che avevano illuminato taluni stati italiani preunitari. Da rimarcare, infine, che il volume, dalla copertina all’apparato iconografico, si propone come un prodotto editoriale di elevata qualità. Da correggere, in una futura riedizione, alcuni refusi, da attribuire probabilmente alla casa editrice più che all’autrice. Cito solo „Trienno“ al posto di „Triennio“, ripetutamente nel testo ma anche nel titolo di un paragrafo (p. 23) e, ad esempio, un „Baciocchirhob“ (p. 33). Rimane intatto, peraltro, l’interesse per un volume coraggioso nella sua tesi storiografica, completo nella trattazione storica ed aggiornato nella bibliografia di riferimento.
Monika Poettinger
Du jansénisme au modernisme. La bulle „Auctorem fidei“ (1794), pivot du magistère romain, sous la direction de Jean-Baptiste Amadieu et Simon Icard, Paris (Beauchesne) 2020 (Théologie historique 129), 318 S., ISBN 978-2-7010-2293-2, € 32.
Dieser aus einer Tagung an der Sorbonne hervorgegangene Sammelbd. weist eine für dieses Genre ungewöhnliche – und sehr begrüßenswerte – Kohärenz auf. Die versammelten Aufsätze sind reich an kirchen- und theologiehistorischen Erkenntnissen, die für Spezialisten von Interesse sein werden. Die Hg. entwickeln eine klare Fragestellung in einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit der Forschung zu diesem Thema. Ihr Ziel ist eine Neubewertung der Bulle Auctorem Fidei (1794), die oft als eine letzte, nutzlose Verurteilung des Jansenismus gilt, einer religiösen Bewegung, die sich angeblich in den 1790er Jahren im Niedergang befand. Da Auctorem fidei meist vor allem als ein Schlusspunkt in den Erzählungen zur Geschichte des Jansenismus im 18. Jh. Beachtung fand, sind deren Genese und Wirkungen wenig erforscht. Die Hg. verteidigen die These, Auctorem fidei sei von einer kaum zu unterschätzenden Bedeutung gewesen, weil sie die Verurteilung von „modernen Irrtümern“ und somit die „théologie intransigeante“ des 19. Jh. eingeleitet habe. Auctorem fidei war eine unmittelbare Antwort auf das jansenistisch-gallikanische Konzil von Pistoia (1786), wie Simon Icard in seinem Aufsatz zeigt. Sie verurteilte den Kern der jansenistischen Welt- und Selbstwahrnehmung: die Idee, dass die Anhänger des Augustinus – wie sich die Jansenisten nannten – die letzten Zeugen der Wahrheit in einer Welt seien, die sonst der Finsternis angefallen sei. Diese These war keineswegs neu, wie Icard zeigt, sondern ging auf die Anfänge des Jansenismus zurück. Anders als etwa Catherine Maires These einer Neuerfindung (oder schlicht Erfindung) des Jansenismus im 18. Jh. betont somit Icard die Kontinuitäten im jansenistischen Selbstverständnis. Auch Sylvio Hermann De Franceschi identifiziert bedeutende Kontinuitäten zwischen der Theologie von Cornelius Jansen im frühen 17. Jh. und der des Konzils von Pistoia im späten 18. Jh.: Beide verurteilten die Scholastik als Ursprung der probabilistischen Moraltheologie. Freilich zeigt auch De Franceschi, dass diese Meinung kein Alleinstellungsmerkmal der Jansenisten war, sondern von vielen Kirchenmännern geteilt wurden, die vom Augustinismus beeinflusst waren. De Franceschi macht zwei sich feindlich gegenüberstehende theologische Traditionen im 17. und 18. Jh. aus: die scholastische, die auf der Philosophie gründete und seiner Meinung nach sich in der Aufklärungszeit im Niedergang befand, und die gelehrt-historische. Nach den interessanten Ausführungen von Wolfgang Mager zur der consultation der Anwälte des Parlement de Paris 1727–1728, die thematisch ein wenig aus dem Rahmen fallen, untersucht Gérard Pelletier die komplizierte Genese des Textes. Er zeigt, dass es durchaus Konflikte in Rom darüber gab, wie man mit dem Konzil von Pistoia umgehen sollte. Im zweiten Teil seines Aufsatzes bewertet Pelletier die Bulle aus theologischem Gesichtspunkt und kommt zu dem Ergebnis, Auctorem fidei sei trotz ihrer Benutzung durch modernitätsfeindliche Strömungen immer noch aktuell und nützlich. Marco Rochini, Grazia Grasso und Jean Dubray geben fundierte Einblicke in die Geschichte der unmittelbaren Rezeption der Bulle durch die Sympathisanten und Anhänger des Konzils von Pistoia in Italien. Rochini zeigt, dass Auctorem fidei zwar nicht das Ende des Jansenismus einleitete, aber den Hoffnungen dieser Bewegung ein Ende setzte und zu einer Spaltung des Jansenismus führte. Grasso und Dubray beleuchten in ihren Aufsätzen den Kampf derer, die sich gegen die Bulle auflehnten. Die Rolle des Abbé Grégoire wird im Aufsatz von Dubray besonders betont. Die beiden restlichen Aufsätze untersuchen die längerfristige Rezeption der Bulle. Rémy Hême de Lacotte zeigt, dass sich in Frankreich bis etwa 1830 vor allem die Gegner des Gallikanismus auf Auctorem fidei beriefen. Erst nach 1830 fand die Bulle eine Zweitverwertung als Ressource im Kampf gegen die „modernen Irrtümer“. Jean-Baptiste Amadieu geht dieser neuartigen Benutzung von Auctorem fidei auf den Grund, die seiner Ansicht nach auf einer Entkontextualisierung des Textes beruhte. Der erkenntnisreiche Sammelbd. wird durch eine nützliche Übersetzung der Bulle ins Französische abgerundet.
Damien Tricoire
Consoli e consolati italiani dagli Stati preunitari al fascismo (1802–1945), a cura di Marcella Aglietti, Mathieu Grenet e Fabrice Jesné, Roma (École française de Rome) 2020 (Collection de l’École française de Rome 569), 434 S., Abb., ISBN 978-2-7283-1416-4, € 45.
Gute Sammelbde. zum breiten Feld der Nationsforschung zu publizieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Dass das hier zu besprechende Buch zu den gelungeneren Exemplaren der Gattung zu zählen ist, sei gleich eingangs gesagt. Die drei Hg. nehmen sich darin einer Forschungslücke der italienischen Geschichte im langen 19. Jh. an: einer Analyse der konsularischen Netzwerke aller italienischer Staaten zwischen napoleonischer Zeit und Faschismus mit einem klaren Fokus auf den Mittelmeerraum. Es mag an der Komplexität der Materie liegen, dass sich bisher niemand an die Erforschung des eigentlich im Trend liegenden Themas einer kulturgeschichtlich und transnational erweiterten Diplomatiegeschichte gewagt hat, obwohl vergleichbare Studien zu anderen Ländern längst vorliegen. Umso dankbarer liest man nun die schriftlichen Erträge, die 16 französische und italienische Historikerinnen und Historiker in einem mehrjährigen Projekt zwischen École française de Rome, französischen Universitäten und weiteren französischen Auslandsinstituten erarbeitet haben. Wie Marcella Aglietti und Fabrice Jesné in ihrer Einleitung schreiben, geht es übergreifend um den Beitrag der italienischen Konsuln zur Nationsbildung, deren Anfänge weit in die Zeit vor der Nationalstaatsgründung zurückgehen und deren Auswirkungen bis in die Zeit der faschistischen Regierung hineinreichen. Ein solches „langes Risorgimento“ der italienischen Konsulargeschichte war voller Licht und Schatten, voller Konflikte und individueller Handlungsspielräume in unterschiedlichen politischen Systemen. Schon vor 1848 konstruierten italienische Konsuln überall im Mittelmeerraum eine Bindung zwischen Staat und Nation im Sinne eines „intermediären Territorialregimes“ mit, während sie im Faschismus dann Regimegegner von der „italianità“ ausschlossen. Das geschah freilich nicht in einer linearen, homogenen und konfliktfreien Weise, sondern implizierte auch Misserfolge, Rivalitäten und komplementäre Identitäten. Dies analysiert wie unter einem Brennglas zunächst Fabrice Jesné selbst. In seinem Auftaktbeitrag betrachtet er den Übergang aller italienischen Konsulardienste im Zuge der Nationalstaatsgründung zu einem einzigen Dienst. Bei diesem amalgamhaften Prozess der Erneuerung des Konsularnetzes der Jahre 1859 bis 1870 kam es zur Schließung von Konsulaten an Orten mit mehrfacher Präsenz, zu einer Neuqualifizierung des Personals und zur Entlassung widerspenstiger Angestellter. Loyalitätskonflikte und berufliche Überlebensstrategien reichten vom Festhalten am Legitimismus bis hin zur Übernahme in den nationalstaatlichen Dienst. Die folgenden fünf Beiträge greifen in der Chronologie zurück oder behandeln ebenso Aspekte der Transitionsphase. Annalisa Biagianti bringt die Anfänge des italienischen Konsularnetzes in französischer und napoleonischer Zeit auf die Formel Bürokratisierung, Modernisierung und mehr Kontrolle über die Mobilität der Bürger und identifiziert eine flexible Definition von „italianità“. Die beiden zuletzt genannten Punkte bestätigen Laura Di Fiore und Chiara Lucrezio Monticelli für die Zeit nach den Restaurationen, in der, besonders in Süditalien, auch alternative Identitäten gestärkt wurden. Antonio D’Alessandri und Gabriele Montalbano zeichnen in ihren Studien über italienische Konsuln im Osmanischen Reich (Balkan, östlicher Mittelmeerraum und Tunesien) das Bild langfristiger Auswirkungen von 1848, arbeiten aber auch individuelle Handlungsspielräume und regionale Partikularismen heraus. Marcella Aglietti schließlich beleuchtet die internationale Bewegung für die italienische Staatsbürgerschaft durch verschiedenste konsularische Dienste zwischen 1859 und 1866 in Venedig. Die folgenden vier Beiträge untersuchen die Bewahrung und Stärkung der italienischen Identität durch konsularische Aktivitäten zwischen dem liberalen Italien der 1870er Jahre und dem Beginn der faschistischen Herrschaft (Thibault Bechini für das Generalkonsulat Marseille, Marie Bossaert für die konsularischen Dolmetscher im Osmanischen Reich (Dragomanen) sowie Alessandro Polsi und Costantino Paonessa für Ägypten). Die verbleibenden drei Studien sind dem Wirken italienischer Konsuln und Konsulate in faschistischer Zeit in Südfrankreich (Caroline Pane), Algerien (Hugo Vermeren) und Tunesien (Martino Oppizzi) gewidmet. Sie zeigen, dass den Bemühungen um eine Faschisierung der Auslandsitaliener nur begrenzte Erfolge beschert waren. Zusammenfassende Reflexionen von Mathieu Grenet runden das Bild ab. Gewiss lässt der Bd. angesichts eines langen Betrachtungszeitraums und einer großen geographischen Spannbreite zeitliche und räumliche Leerstellen wie den Ersten Weltkrieg oder die Iberische Halbinsel. Neben Informationen zu den Autorinnen und Autoren hätte sich der Rezensent auch mehr Grafiken, Karten und Tabellen gewünscht, die nur in wenigen Beiträgen die komplexen Sachverhalte visuell veranschaulichen. Doch fallen diese Kritikpunkte kaum ins Gewicht angesichts der durchgängig hervorragend aus Archivquellen und aktueller internationaler Forschungsliteratur (mit Lücken bei deutschsprachigen Arbeiten) geschriebenen Aufsätze, die teilweise auch unedierte Quellen im Anhang mitliefern. In der Summe handelt es sich bei der Publikation um eine beeindruckende gemeinschaftliche Forschungsleistung, die durch große Kohärenz überzeugt und eine unentbehrliche Grundlage für weitere Arbeiten zu italienischen Konsulaten und Konsuln im 19. und 20. Jh. darstellt – sei es für vergleichende Blicke auf andere nationale Konsulardienste, für eine noch zu schreibende materielle Alltagsgeschichte des Konsularwesens oder für eine ebenfalls noch fehlende Geschichte des italienischen konsularischen Systems nach 1945.
Jens Späth
Laura Di Fiore, Gli Invisibili. Polizia politica e agenti segreti nell’Ottocento borbonico, Napoli (FedOAPress – Federico II University Press) 2018 (Clio. Saggi di scienze storiche, archeologiche e storico-artistiche 21), 150 pp., ISBN 978-88-6887-035-5, http://www.fedoa.unina.it/11950/; 7.5.2022.
Ha un titolo suggestivo il volume di Laura Di Fiore sulla polizia del secondo periodo borbonico: „Gli Invisibili“; il termine si riferisce alla categoria degli informatori ed è tratto da un documento coevo. La ricerca si basa su una puntuale e intelligente consultazione di un gran numero di memorie rimaste finora segregate nell’universo delle carte amministrative e rivolte spesso direttamente al sovrano per sollecitare riforme, corse in avanti, o più spesso arretramenti rispetto a una situazione che le élites conservatrici del Regno giudicavano evidentemente troppo discosta dall’antico ordine da restaurare. L’antico ordine era quello, irrecuperabile, precedente alla rivoluzione francese e alla dominazione napoleonica, e il dibattito ricostruito dall’autrice si basa per lo più implicitamente su un paradosso: sull’esigenza di mantenere e al tempo stesso depotenziare una serie di innovazioni di carattere giuridico-istituzionale introdotte nel decennio francese e a grandi linee accolte dopo la Restaurazione, nell’impossibilità di tornare indietro e nella irrinunciabilità di una serie di strutture che erano venute a costruire la più salda e limpida architettura della nuova „monarchia amministrativa“. Sulla base di queste memorie, per lo più anonime, documenti di grande interesse per la comprensione delle ragioni profonde di un sistema di dominio e al tempo stesso delle sollecitazioni al cambiamento da cui è scosso, emerge un quadro mosso, attraversato da profonde fratture e linee di conflitto, che non sono certo solo meridionali e che possiamo meglio cogliere in un orizzonte comparativo, ben presente nel libro. Queste linee di conflitto possono essere analizzate alla luce di due processi sovrapposti e intrecciati: la formazione dello stato moderno nel lungo periodo, con l’articolarsi della governamentalità, e la dinamica ottocentesca, caratterizzata da un profondo mutamento dei sistemi politici. L’autrice segue la vicenda della polizia nel Mezzogiorno preunitario su due piani, quello della progettualità e quello della prassi amministrativa: se dopo il 1820–1821 l’esistenza di un autonomo ministero di Polizia non è più messa in dubbio, si articola un ampio dibattito intorno alle funzioni e alle prerogative del corpo, emanazione del riformismo murattiano. Nelle memorie analizzate nel testo, prodotte sia nel regno borbonico che negli altri stati preunitari, emergono delle questioni di fondo che riguardano in primo luogo il rapporto della polizia con la legge, rapporto particolarmente problematico nel caso della polizia politica, della quale si cerca di tracciare il carattere specifico. L’attività di polizia si situa in un terreno di confine fra legge e discrezionalità ed evidenzia una tensione di fondo tra vecchi schemi di dominio, di carattere personalistico e paternalistico, e il nuovo schema dello stato di diritto. La definizione problematica della natura e dei compiti della polizia politica può essere letta come dato rappresentativo di una disarmonica compresenza di diversi paradigmi del dominio. Nella ricca letteratura amministrativa esaminata è attestato un parallelo fra la polizia politica (per sua natura legata alla sfera del segreto e della delazione e all’indagine delle coscienze) e l’Inquisizione. In una delle memorie si parla delle funzioni e mansioni della polizia politica, che comprendono la lettura dei dati espressivi ben oltre le parole, e l’anamnesi delle fisionomie, dei gesti, degli sguardi (il „controllo degli occhi“): siamo di fronte a dinamiche lunghe di definizione del potere in termini di biopolitica (l’orizzonte foucaultiano è una implicita presenza teorica di questa ricerca). L’altra svolta è quella post 1848: si registra ora non solo una recrudescenza delle attività della polizia politica, come è ovvio, ma anche una loro maggiore uniformità, sistematicità, professionalizzazione. L’esistenza stessa di un nutrito esercito di esuli accentua il carattere transnazionale delle operazioni di polizia e rafforza il ruolo dei consoli e soprattutto delle spie. L’autrice dedica spazio a una ulteriore, importante dimensione della sorveglianza: i luoghi pubblici e in particolare il teatro, mettendo in rilievo il suo ruolo di veicolo di un linguaggio politico altamente emozionale. La vigilanza poliziesca cambia di segno ma non di sostanza nel passaggio allo stato unitario: si evidenziano in questa fase le ombre della transizione legate alla ambigua gestione di Liborio Romano. Ma già dal 1848–1849 è anche la situazione internazionale a cambiare, con il mutato atteggiamento dell’Inghilterra esemplificato dalle „Lettere sui Processi di Stato del Regno di Napoli“ di W. E. Gladstone a Lord Aberdeen (1851): questo libretto così come tanta altra pubblicistica contribuiscono allo svuotamento del consenso intorno alla monarchia borbonica in fondo non meno dei comportamenti repressivi e occhiuti di quanto soprattutto nell’ultimo decennio si caratterizza come un vero „stato di polizia“.
Costanza D’Elia
Roberto Regoli/Ilaria Fiumi Sermattei (a cura di), La religione dei nuovi tempi. Il riformismo spirituale nell’età di Leone XII, Ancona (Centro Stampa Digitale del Consiglio Regionale delle Marche), 2020 (Quaderni del Consiglio Regionale delle Marche 336), 387 pp., ISBN X-978-88-3280-128-6.
„Alcuni pontificati sono più religiosi di altri“ (p. 17), afferma Roberto Regoli nel suo saggio di apertura. Osservazione che richiama subito la centralità cruciale rivestita dalle esigenze religiose nel papato di Leone XII (1823–1829), tema chiave di quest’opera collettanea curata dallo stesso Regoli e da Ilaria Fiumi Sermattei. Il volume è il nono di un progetto di durata pluriennale su Leone XII ideato da Valerio Barberis e sviluppato da Ilaria Fiumi Sermattei grazie alla collaborazione di una moltitudine di studiosi e studiose a livello internazionale. Nasce quindi nell’ambito di un ponderoso lavoro di ricerca inaugurato nel 2012 e destinato a concludersi nel 2023, in occasione del bicentenario dell’elezione del cardinale Annibale della Genga al soglio petrino. Avvalendosi di una solida base di indagini precedenti e di nuovi scavi archivistici, il libro riflette sui molteplici volti che assunse l’azione riformistica leonina sul versante spirituale durante la Restaurazione. Un’epoca in cui, in seguito al periodo rivoluzionario e napoleonico, il rapporto della popolazione europea con la dimensione religiosa aveva subito profondi mutamenti, ai quali Leone XII cercò di rispondere su una pluralità di fronti finora solo parzialmente messi a fuoco. La priorità che egli attribuì alla questione della rinascita morale e religiosa della società viene ricostruita dal saggio di Regoli, che rilegge il suo pontificato alla luce della costante tensione spirituale da cui fu animato. Ne emerge l’intento papale di riaffermare l’autorità della Chiesa attraverso la proposta di una forma di cattolicesimo nemica dell’„indifferentismo“, del „deismo“, del „naturalismo“ (pp. 21, 23) e, al contempo, più intima, asciutta, meno secolarizzata, che ben si conciliava con le istanze di rinnovamento spirituale presenti nella cultura romantica coeva. I tre contributi successivi sottolineano, tuttavia, i limiti con cui si scontrò questo indirizzo originario, approfondendo il controverso rapporto intrattenuto dal pontefice con Félicité-Robert de Lamennais (saggio di Sylvain Milbach) e gli intransigenti cattolici francesi (saggio di Rémy Hême de Lacotte) e italiani (saggio di Daniele Federici). Essi mostrano come le simpatie personali di Leone XII nei confronti di tali ambienti, stimolate da numerose affinità di vedute – in primis la lotta all’„indifferentismo“ –, si tradussero in esplicite prese di posizione soltanto nel primo triennio di governo. Mentre il 1826 si riconferma l’anno della svolta, quando il radicalismo papale fu costretto a retrocedere di fronte al realismo politico della Curia, avviando una fase più moderata, protrattasi fino al termine del pontificato. Gli otto saggi che compongono il corpus centrale del volume colgono, da angolature inedite, il riformismo leonino in atto, mettendone in risalto, in particolare, una duplice sensibilità. Da un lato, l’attenzione nel favorire la fioritura degli istituti religiosi. A incentivare le nuove fondazioni concorrevano, infatti, la tendenza a semplificarne l’iter di approvazione (saggio di Giancarlo Rocca) e ad accogliere un modello di Congregazione femminile conventuale fino ad allora sconosciuto, contraddistinto da voti semplici e clausura parziale, espressione emblematica della rinascita cattolica postrivoluzionaria. Altamente rappresentative, in tal senso, le vicende delle Dame dell’Istruzione Cristiana di Gand, in Belgio, investigate da Kristien Suenens. Quanto agli istituti antichi, invece, ne veniva monitorata la condizione per poi, eventualmente, elaborarne un piano di riforma, spesso in senso centralizzatore, mirante a ripristinarne il prestigio e l’efficienza, come illustra Giancarlo Rocca. Così accadde alla Congregazione dei Silvestrini, di cui, però, fallì il tentativo di unione con i Camaldolesi (saggio di Ugo Paoli). Riuscì, per contro, quello delle Maestre Pie Venerini con le Filippini: dedite entrambe all’istruzione popolare, videro in tal modo ridimensionata la propria autonomia (saggio di Maria Carmela De Marino). Dall’altro lato, le ricerche qui raccolte delineano una parallela dinamica di maggiore avvicinamento del pontefice e del clero al popolo dei fedeli, che, talvolta, poté trarre vantaggio da processi di lungo corso. Cinzia Sulas, concentrandosi sul peculiare itinerario apostolico del sacerdote Pio Bruno Lanteri, illumina alcune modalità attraverso cui, grazie anche al supporto papale, si fece strada un graduale coinvolgimento del laicato cattolico tanto nel controllo della stampa e della lettura, quanto nella produzione culturale in ambito religioso. Giuseppe Biancardi analizza le lente trasformazioni a cui andò incontro la catechesi, tra prassi consolidate e più originali esperienze di „formazione cristiana integrale“ (p. 172). Domenico Rocciolo rivela il nuovo significato assunto a Roma dalle ammonizioni dei parroci, antiche pratiche di sorveglianza della popolazione: reintrodotte nel 1823, si caricarono del compito di recuperare „le persone cadute nell’errore“ (p. 255), nel quadro di un più generale programma di moralizzazione della città, teso a riguadagnarle il ruolo di guida della cristianità. Amplia ulteriormente la prospettiva Giacomo Ferri esaminando l’operato di Placido Zurla, cardinale vicario di Roma. Dimostra, infatti, come, nel caso considerato, il rilancio dell’attività di controllo sulla circolazione libraria, l’arte, la formazione del clero, la morale urbana, divenisse uno strumento attraverso cui declinare a livello locale, tramite una specifica politica culturale, gli aneliti riformistici promossi dal papato. Gli ultimi tre saggi allargano lo sguardo all’intervento leonino nei campi della cerimonialità e dell’arte. Superando un’interpretazione dicotomica imperniata sul binomio conservazione-innovazione, preferiscono ragionare su divieti e ripristini per esplorare in nuove direzioni quella „teologia della visibilità“ – secondo l’efficace definizione di Philippe Boutry – abbracciata dal pontefice, specchio della sua concezione ecclesiologica. Con acutezza chiariscono, quindi, le motivazioni che condussero all’abolizione del rito della Croce luminosa in San Pietro (saggio di Martine Boiteux), al recupero delle tavole di carità e dei convivi dei cardinali (saggio di Simone Raponi), nonché alla censura di alcune immagini della Calcografia Camerale, accompagnata dalla valorizzazione di altre (Ilaria Fiumi Sermattei). Ricco di nuove ipotesi di ricerca, il volume conferma, insieme ai precedenti, la profonda complessità di un papato breve, ma in grado di estendere la propria influenza sul lungo periodo, poiché attraversato da numerose tendenze anticipatrici di successivi orientamenti del cattolicesimo ottocentesco.
Federica Re
Fernanda Alfieri, Veronica e il diavolo. Storia di un esorcismo a Roma, Torino (Einaudi) 2021 (Frontiere), 376 S., ISBN 978-88-06-21106-6, € 21.
Das Buch von Fernanda Alfieri behandelt im engsten Sinn einen gut dokumentierten Fall von Exorzismus im Rom des beginnenden 19. Jh., ist aber im weitesten Sinn ein beeindruckendes Zeitbild des postnapoleonischen Europa. Das Werk ist eine dichte Beschreibung, in der Selbstzeugnisse von einer und über eine Hauptakteurin mit Quellen zu anderen, über das napoleonische Mitteleuropa verstreuten Akteuren und Akteurinnen und mit weiteren zur Kirchen-, Ordens- und Medizingeschichte verflochten werden. Der Ausgangspunkt ist die Auffindung von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen verschiedener Akteure, die in einem Exorzismus an einer jungen Römerin aus gehobenen Handwerkskreisen involviert waren. Es handelt sich sowohl um Aufzeichnungen verschiedener Mitglieder des mit dem Fall beauftragten Jesuitenordens, als auch um den schriftlichen Bericht des zur Begutachtung herangezogenen Arztes und um Äußerungen von Familienmitgliedern der dem Exorzismus unterzogenen Frau. Im Zuge ihrer Arbeiten im Jesuitenarchiv in Rom ist der Autorin ein Zufallsfund unter dem Titel „Esorcisazione di Maria Antonina Hamerani, ritenuta ossessa (1834–35)“ in die Hände gelangt, bei dem nachträglich der Vorname durchgestrichen und durch „Veronica“ ersetzt wurde (S. 7). Entlang dieses Manuskriptes entwirrt Alfieri in Form einer wissenschaftlich fundierten Enthüllungsgeschichte diesen Fall, der sich im römischen Viertel Sant’Eustachio in den Jahren 1834–1835 ereignet hat. Die Hauptquellen sind das Diarium des Jesuitenpaters Manera und jenes seines Ordenskollegen Pater Massa, die beide unter der Leitung des vorgesetzten Pater Kohlmann an den einzelnen Sitzungen des Exorzismus teilnahmen. Die einzelnen Kapitel beginnen mit den verschiedenen Tagebucheinträgen gefolgt von einer ausführlichen Kontextualisierung durch die Autorin. Es werden die Folgen der napoleonischen Eroberung, die Vertreibung und Rehabilitierung des Jesuitenordens, die wechselvollen Schicksale einzelner Ordensbrüder, der Werdegang der Familie Hamerani und des herangezogenen römischen Arztes Andrea Belli sowie die zeitgenössischen Entwicklungen in der Medizin nachgezeichnet. Das Werk ist gerahmt von einer ungewöhnlich persönlichen, teilweise romanhaften Einleitung und einem Schluss. Diese Teile beschreiben in erhabener, teilweise mit Pathos angereicherter Sprache die Schwierigkeit der historischen Rekonstruktion, den Umgang mit Lücken in der Überlieferung, die Problematik offen gebliebener Fragen und der Suche nach letzten Hinweisen (z. B. dem Grab der Veronica Hamerani). Die Aufarbeitung dieser besonderen Quellen erlaubt tiefgehende Einblicke in die angewandte Praxis des Exorzismus, in die damit verbundenen Herausforderungen sowie in die mit der Aufgabe wachsenden Zweifel der Akteure. Die Autorin führt in der Kontextualisierung der Quellen theologische und medizinische Erklärungsmodelle der Zeit an, versucht Glaube und Vernunft (war sie besessen oder war sie krank?) als Kontrapunkte in diesem verzweifelten Kampf um die Errettung oder Heilung der jungen Frau darzustellen, zeigt aber gleichzeitig auch Schnittstellen zwischen diesen Ansätzen auf. Die Primärquellen ermöglichen dabei einen guten Einblick in die Alltagsproblematiken und die transdisziplinäre Praxis der „Experten“, wenn z. B. der Jesuitenpater den Puls der „Besessenen“ überprüft. Hier wäre ein Hinweis auf die Befähigung und dahingehende Ausbildung der Patres nützlich gewesen. Eine Stärke der Arbeit ist die fesselnde Erzählweise; man will wissen, wie es ausgeht. Möglicherweise liegt hier auch gleichzeitig die Schwäche des Werkes: die ungenaue Trennung zwischen Fiktion, Annahmen und Fakten. So spannend Historienromane und -filme auch sind, so schwer ist es für die oft mit Lücken konfrontierte wissenschaftliche Forschung in diesem Format ernst genommen zu werden. So verweist Alfieri beispielsweise statt mit einem der guten wissenschaftlichen Praxis entsprechenden Anmerkungsapparat nur allgemein auf die benutzten Quellen und auf weiterführende Literatur ohne direkte Zuordnung zu den Fundstellen. Alfieri hat in der Erforschung und Rekonstruktion der Biografien, des Werdegangs und der Funktion der einzelnen Akteurinnen und Akteure im Rahmen des Exorzismus eine enorme Rechercheleistung erbracht, wie das reiche Quellenregister und die Bibliografie beweisen. Dass sie die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Forschungsarbeit in ein literarisches Kleid gehüllt hat, ist eine mutige Entscheidung. Man kann sich an der Schwere der Sprache und den sich ziehenden Beschreibungen des Forschungsumfeldes stoßen, ebenso an den tagebuchartigen, persönlichen Schlussbemerkungen der Autorin und ihr Mitleid(en) mit der Protagonistin; man muss allerdings zugeben, dass diese Form der Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen – ähnlich wie bei Historienfilmen – eine große Breitenwirkung erzielen kann und weitaus mehr rezipiert wird als die herkömmliche Darstellung von Forschungsergebnissen, die Distanziertheit zum Forschungsobjekt als Inbegriff von Sachlichkeit und Wissenschaftlichkeit propagiert. In diesem Sinn ist Alfieri, ausgehend von einem gut belegten Exorzismusfall, ein aufwühlendes, emotionsgeladenes, aber gut recherchiertes Bild des postnapoleonischen Kirchenstaates und seiner Akteure gelungen.
Elena Taddei
Hugh Macdonald, Bizet in Italy. Letters and Journals, 1857–1860, Woodbridge, Suffolk (Boydell & Brewer) 2021, XIII, 258 S., Abb., ISBN 978-1-78327-580-1, GBP 45.
Wer „Bizet“ hört, denkt üblicherweise an „Carmen“ und damit auch an stilisiertes Spanien-Flair, während Bizet bekanntlich Franzose war und das südliche Nachbarland faktisch niemals besucht hat. Noch weniger bringt man den Komponisten gewöhnlich mit Italien in Verbindung. Dies könnte sich nun ändern. Denn der britische Musikwissenschaftler und Dirigent Hugh Macdonald legte im vergangenen Jahr mit „Bizet in Italy“ eine kritisch kommentierte Quellensammlung in englischer Sprache vor, die Bizet und den Kulturraum Italien erstmals konsequent und umfassender in Resonanz miteinander bringt. Tatsächlich scheint dies auf den ersten Blick abwegig: In der Bizet-Biographik kommt Italien allenfalls en passant zum Tragen, wenn es um seinen Gewinn des „Prix de Rome“ 1857 geht. Diese Auszeichnung bescherte dem jungen Absolventen des Conservatoire de Paris einen knapp dreijährigen Studienaufenthalt an der Villa Medici, dem Sitz der Académie de France in Rom. Zugleich ist bekannt, wie Macdonald klarstellt, dass Bizet mit Ausnahme von Rossini wenig von den meisten italienischen Protagonisten der Musikgeschichte hielt und sich ebenso wenig wie um Wagner um die italienische Operngeschichte scherte, während sein Fokus dezidiert auf den französischen Vertretern der Grand opéra lag. Italianisierende Anklänge sucht man in Bizets Partituren ebenso vergeblich wie Belege für eine besondere kompositorische Produktivität während seiner römischen Jahre im Werkverzeichnis. Entstanden sind lediglich ein relativ resonanzloses „Te Deum“ und drei unvollständige Partituren: die Oper „Don Procopio“, die ode-symphonie „Vasco da Gama“ und eine zweite Symphonie, die Bizet erst Jahre später abschloss. Warum also lohnt es sich dennoch, anhand des vorliegenden Buches über das Verhältnis von Bizet und Italien nachzudenken? Macdonald ist ein ausgewiesener Kenner der französischen Musikgeschichte, der abgesehen von seiner Monographie „Bizet“ (Oxford University Press 2014) bisher vor allem als Hg. verschiedener Bde. zu Berlioz’ Korrespondenz und historisch-kritischer Editionen für die New Berlioz Edition (z. B. „Benvenuto Cellini“, „Les Troyens“, „Béatrice et Bénédict“, „Harold en Italie“, „Messe solennelle“) in Erscheinung getreten ist. Macdonalds editionsphilologische Erfahrung und souveräne Kenntnis der französischen Musikgeschichte kommen auch dem Bd. „Bizet in Italy“ zugute. Das Resultat ist ein nach wissenschaftlichen Standards erarbeiteter, auskunftsreicher Beitrag zur Schließung gleich mehrerer Forschungslücken: Macdonalds Bd. ergänzt die Bizet-Biographik rund um den Rom-Aufenthalt durch zahlreiche kompetent wie komprimiert annotierte Quellen v. a. aus den Beständen der Bibliothèque Nationale de France, aber auch aus den Archives Nationales. Sie dokumentieren über einen längeren Zeitraum in einer frühen Formationsphase des Komponisten hinweg allerhand Begegnungen mit Vertretern diverser Kunstsparten in Rom sowie zahlreiche künstlerische, gelegentlich auch recht profane Aktivitäten (etwa Bizets ausgiebige Bordellbesuche) und weitere, durch anschauliche Karten illustrierte Ausflüge innerhalb Italiens. Das teilweise bis dato unveröffentlichte oder erstmals vollständig publizierte Material ist, wenngleich in englischer Übersetzung der Originale, schon deshalb bemerkenswert, weil Bizet nur in Italien Tagebuch schrieb und hier zudem rund 80 Briefe an Bizets Eltern auf einmal versammelt sind, punktuell ergänzt um offizielle Empfehlungsschreiben oder Korrespondenzen mit Staatsfunktionären und anderen Komponisten. Damit gewährt der Bd. einen konzentrierten Einblick in das Alltagsleben („I’m the Villa’s dandy“, S. 54) sowie das engste persönliche Umfeld des Komponisten, zuvorderst geprägt durch die enge Beziehung zur Mutter in einer professionell Weichen stellenden Phase. Nicht zuletzt die politischen Spannungen rund um das Regno d’Italia sind den Berichten des patriotisch eingestellten Bizet bisweilen anzumerken. Der wichtigste Beitrag von Macdonalds Bd. besteht aber darin, dass er dazu reizt, deutlich interdisziplinärer und internationaler als bisher über Bizet und sein Œuvre in europäischen Zusammenhängen nachzudenken. Auch dank der praktischen Erweiterung des Personen- und Ortsregisters um einen „Index of Artists and Architects“ führt Macdonald vor Augen, wie entscheidend der Rom-Aufenthalt für Bizets Konfrontation mit der italienischen Architektur und Renaissancemalerei, die erheblich über Raffaello und Michelangelo hinausging, sowie der weiteren Kulturgeschichte gewesen ist – auch wenn sich dies nicht unmittelbar in kompositorischer Produktivität niederschlug. Gleichwohl eröffnen über 230 im Bd. genannte Maler, Bildhauer und Architekten ein denkbar eindrucksvolles Panorama. In Zeiten der zunehmenden disziplinären Entgrenzung und der Forderung nach einer Globalisierung musikhistorischer Forschung ermöglicht dies einen neuen Blick auf die Prägung von Künstlern wie Bizet, die bisher primär in nationalen Kontexten rezipiert worden sind. Gelegentlich verlockt die Lektüre dazu, Bizet schlicht als einen weiteren musikalischen Italienreisenden nach Goethe zu betrachten, der (Überraschung!) beseelt von der Campagna schwärmte. Jenseits dessen wächst bei der Lektüre von „Bizet in Italy“ nicht bloß das Bewusstsein für die starke Wirkung Roms auf das Gemüt des jungen Bizet („All in all I am always very happy“, S. 55). Vor allem sensibilisiert das Buch nachdrücklich für die immense Intensität dreier Jahre voller Erlebnisse inmitten von Sex und Hochkultur in der Biographie des jungen Komponisten in Italien. Inwiefern sich hier noch konkretere Bezüge zur späteren musikalischen Entwicklung in ‚französischen Kontexten‘ herstellen lassen, bleibt zu klären.
Carolin Krahn
Marco Bellabarba/Camilla Tenaglia (a cura di), Chiesa e nazione ai confini d’Italia, Firenze (Le Monnier) 2021 (Quaderni di storia), VI, 254 pp., ISBN 978-88-00-75159-9, € 19.
All’alba del ventesimo secolo, la Chiesa cattolica si trovava nella difficile posizione propria di un’organizzazione di carattere ed ambizioni universali all’apice dell’era dei nazionalismi. Concentrandosi sull’Italia e sull’impero asburgico, i saggi raccolti in questo volume arricchiscono la storiografia sulla compatibilità fra identità religiose, dinastiche e nazionali, sul multiforme atteggiamento delle istituzioni ecclesiastiche, dalle Congregazioni vaticane fino al basso clero, nei confronti del nazionalismo dilagante nei decenni del secolo e sul rapporto fra Chiesa e modernità. Il saggio di Andreas Gottsmann dimostra la divaricazione fra la prudenza estrema delle Congregazioni vaticane e le pulsioni nazionaliste che spesso influenzavano il basso clero nei territori dell’impero, sottolineando il ruolo centrale dei vescovi operanti sulle linee di faglia e non tralasciando di analizzare l’estrema varietà delle situazioni regionali né il ruolo svolto dal clero nel processo di nazionalizzazione di aree prevalentemente rurali appartenenti alle minoranze etnico-linguistiche dell’Impero. Giorgio Vecchio analizza il percorso dei cattolici italiani dal rigetto radicale dell’idea nazionale della generazione che aveva vissuto gli anni culminanti del Risorgimento, al riconoscimento del patriottismo nelle generazioni nate dopo il 1870. Il mondo cattolico italiano (con importanti eccezioni) si spostò, nei primi anni del secolo e specialmente nel corso della Grande Guerra, su posizioni esplicitamente nazionalistiche, favorendo un allineamento al militarismo ed al nazionalismo del futuro regime fascista. L’evoluzione del punto di vista della Santa Sede sul fenomeno di nazionalizzazione del culto, non solo in Italia, è l’oggetto del saggio di Raffaella Perin. Se Benedetto XV aveva riconosciuto l’impossibilità di opporsi alla nazionalizzazione dei culti, l’autrice dimostra la complessità del percorso del suo successore Pio XI, che passò dall’accettazione di un nazionalismo patriottico ma rispettoso delle prerogative della Chiesa, ad una condanna tout court del nazionalismo, da lui sempre più associato al razzismo ed all’estremismo spesso anticattolico del fascismo e del nazismo. Questa linea, non completamente esplicitata a causa della morte del pontefice, non fu ripresa dal successore Pio XII. I saggi di Armando Vadagnini, Paolo Pombeni, Severino Vareschi e Camilla Tenaglia si incentrano sulla figura del vescovo di Trento Celestino Endrici, operante nella situazione particolare di una terra di confine, completamente cattolica, che passa dal dominio asburgico a quello italiano. Nonostante la sua italianità, la sua resistenza al giuseppismo ed il suo rifiuto di sostenere apertamente la guerra dell’Austria-Ungheria gli procurassero la fama di nazionalista italiano, l’internamento durante il conflitto e la patente di patriota dopo di esso, la sua figura emerge da queste analisi come in armonia con la crescente diffidenza di Pio XII per il nazionalismo e coerente nella difesa dell’autonomia della Chiesa. Il patriottismo italiano di Endrici, da lui strumentalmente rivendicato durante il periodo fascista, viene infatti ridimensionato, mentre emergono i suoi dubbi circa la politica fascista di denazionalizzazione, nel timore che questa avrebbe spinto la popolazione tedescofona verso l’odiato „neopaganesimo“ nazista. Quattro casi studio concludono il volume. Se Oliver Panichi descrive come il tentativo di sostituire il nome croato alla denominazione della chiesa romana di San Girolamo degli Illirici causasse un incidente diplomatico fra Santa Sede, Italia e Austria-Ungheria, Ivan Portelli dimostra come la mancanza di delimitazione linguistica della Diocesi di Gorizia accentuasse i contrasti nazionali e le divisioni partitiche, in cui i contrasti fra cristiano-sociali e conservatori si innestano anche in dinamiche etniche. Il subentrare dell’Italia all’Impero asburgico causerà forti tensioni e frequenti casi di violenza, costringendo la Chiesa Cattolica a difendere il clero locale, prevalentemente di lingua slava, dalle politiche di assimilazione del fascismo. Andrea Sarri descrive l’attività dei vescovi tedeschi della Diocesi di Bressanone nel periodo fra le due guerre, individuando la sicura continuità nella volontà di difendere l’ordine sociale contrapposta ad una più incerta disposizione verso il Regime fascista. Daiana Menti conclude il volume con un saggio sull’attività del gesuita Pietro Tacchi Venturi quale mediatore fra la Chiesa ed il Regime sulla delicata questione dell’italianizzazione delle minoranze tedesche e slave, i cui iniziali successi nell’evitare gli eccessi delle politiche assimilazioniste furono indeboliti dalla volontà della Segreteria di Stato di non danneggiare i propri rapporti con un regime fascista sempre più intransigente.
Jacopo Pili
Nicolò Palazzetti, Béla Bartók in Italy. The Politics of Myth-Making, Woodbridge, Suffolk (Boydell & Brewer) 2021 (Music in Society and Culture), XIV, 302 S., Abb., ISBN 978-1-78327-620-2, GBP 65.
Was Komponistinnen und Komponisten für uns „bedeuten“, ist einer komplexen Mischung aus Werkexegese, Aufführungsgeschichte, Künstlerbiographie und öffentlichem Image im Zusammenspiel mit Zeitgeist und sozialem und politischem Hintergrund unterworfen. Für Studien, die sich mit derartigen Konstellationen befassen, ist Béla Bartók sicher ein aufschlussreicher Fall. Die Forschung ist in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht blind gewesen für die verschiedenen relevanten Kontexte seiner Musik. Es finden sich diverse Beiträge, die ihr Verhältnis zu zeitgenössischer Literatur, zu Philosophie, politischen Entwicklungen und nationalen und sozialen Aspekten behandeln. All das ist wiederum für neue Perspektiven auf die Musik genutzt worden. Diese eher traditionelle Argumentationsrichtung ist in jüngeren Jahren durch Ansätze ergänzt worden, die Bartóks Musik als Ausgangspunkt nehmen, ohne notwendigerweise auch zu ihm zurückzukehren. Die Kontexte der Kompositionen werden zum eigentlichen Thema und erlauben Beobachtungen über die Musik hinaus. Nicolò Palazzettis „Béla Bartók in Italy“ gehört in diese Kategorie der Annäherung. Im Zentrum seiner Studie steht der „Bartók myth“, ein Glaube an „Bartók’s moral prowess“, beruhend auf einem „allegorical and idealised set of beliefs that have been uncritically accepted and cast in the form of a narrative“ (S. 3). Das Ziel des Autors ist keine Dekonstruktion dieses Mythos, sondern die Analyse seiner Aneignung und Auslegung in verschiedenen politischen Konstellationen der italienischen Geschichte. Palazzetti konzentriert sich auf einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren, beginnend mit Bartóks erstem „offiziellen“ Besuch in Italien 1911 und abschließend mit 1956, als die „Bartókian wave“ der Nachkriegsjahre wieder abebbte. Dieser Zeitrahmen wird anhand verschiedener Phasen der politischen Entwicklungen in fünf Abschnitte unterteilt, die gleichzeitig in Kongruenz mit bestimmten Meilensteinen der Bartók-Rezeption in Italien stehen. Die Kapitel beginnen jeweils mit einem gerafften Überblick zum herrschenden politischen Klima, bevor die Rolle charakterisiert wird, die Bartóks Musik und öffentliche Wahrnehmung spielten. Diese Auswertung wird durch die gründlichere Diskussion ausgewählter Ereignisse, Schriften oder persönlicher Verhältnisse unterstützt. Bei seinem Weg durch mehr als vier Jahrzehnte italienischer Bartók-Rezeption gelingen Palazzetti mehrere bemerkenswerte Beobachtungen. Der Popularitätsanstieg in Italien am Ende der 1930er Jahre trotz der mittlerweile erfolgten Distanzierung Bartóks von der Nazi-Ideologie wird als Symptom einer kulturellen Rivalität der deutschen und italienischen Regimes gedeutet, die wiederum als Reaktion Italiens auf seine zweitrangige militärische Rolle im Achsenbündnis erklärt wird. Ein anderer erhellender Aspekt ist die Kontinuität von Bartóks Ansehen vor und nach 1945, im Widerspruch zur gängigen Verklärung dieses Jahres als „Jahr Null“ im Sinne eines unbelasteten Neubeginns. Die „Bartókian wave“ vom Ende der 1940er Jahre bis in die 1950er Jahre hinein – gekennzeichnet durch neue Aufmerksamkeit für seine Musik und seine Volksmusikforschung sowie durch vielfältige Einflüsse auf italienische Komponisten – wird nicht als Symptom des ideologischen Gegensatzes im Kalten Krieg gesehen, sondern als Phänomen, das bis in die Zwischenkriegszeit zurückreicht und durch seine verschiedenen Facetten von unterschiedlichen politischen und philosophischen Lagern getragen werden konnte. Ein eigenes Kapitel ist „Bartók’s Influence on Italian Composers“ gewidmet und liefert analytische Beobachtungen zur Illustration des kompositorischen Aspekts der italienischen „Bartókian wave“. Die Besprechungen von Werken Bruno Madernas, Goffredo Petrassis und anderer sowie die Gedanken zu Bartóks Nachtmusik-Idiom und seinem Nachleben in der modernen italienischen Musik beinhalten viele anregende Befunde, auch wenn sie gegenüber der vorherrschenden Methodik des Buches einen gewissen Exkurscharakter haben. Die „Conclusion“ verweist in partieller Opposition zur bisher gezeigten potenziellen Vieldeutigkeit auf einen „original value of critique, opposition and even redemption“ des Bartók-Mythos, der ihn als bleibendes Ideal qualifiziert. Insgesamt wird es für alle Bartók-Interessierten lohnenswert sein, die Evolution seiner Wahrnehmung in Italien nachzuverfolgen, sowohl im Hinblick auf ideologische Vereinnahmungen als auch auf die wechselnde Bewertung einzelner Facetten in der Wahrnehmung des Komponisten. Der Anhang mit einem Überblick über Aufführungen von Bartók-Werken in Italien zwischen 1911 und 1950 ist darüber hinaus eine willkommene Beigabe. In einem größeren Kontext ist Nicolò Palazzettis „Béla Bartók in Italy“ eine einsichtsreiche Fallstudie zur veränderlichen Wertschätzung für einen Komponisten vor einem wechselhaften politischen Hintergrund. Es wäre zu wünschen, dass die expliziten Anregungen, diese Annäherung an den Bartók-Komplex geographisch und chronologisch auszuweiten, in nicht allzu ferner Zukunft aufgegriffen werden.
Michael Braun
Christoph Cornelissen/Gabriele D’Ottavio (a cura di), La Repubblica di Weimar. Democrazia e modernità, Bologna (Il Mulino) 2021 (Fondazione Bruno Kessler. Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento. Quaderni 107), 302 pp., ISBN 978-88-15-29409-8, € 25.
„Dovremmo essere contenti di non esserci stati. La Repubblica di Weimar fu un fallimento sin dal principio“; così Hans Magnus Enzensberger nel 2008, nella sua „prima glossa“, dedicata proprio all’esperienza weimariana, che si trova nell’altrimenti bello e originale libro incentrato sul generale della Reichswehr Kurt von Hammerstein („Hammerstein o dell’ostinazione“, traduzione italiana di Valentina Tortelli, Torino 2008). Enzensberger riproduce il contromito speculare a quello dominante – anche in Italia – che in fondo di storiografico ha ben poco, e per il quale l’esperienza repubblicana tedesca post-1918, se da un lato appare schiacciata tra la vessatoria pace di Versailles e l’ascesa al potere di Hitler, considerata inevitabile, dall’altro però presenta tali e tanti fattori di innovazione, modernizzazione e fascino culturale, dal far pensare che di Weimar non ci si possa liberare tanto facilmente, né nel bene né nel male. Per uscire da questa impasse, occorre indubbiamente moltiplicare gli sforzi storiografici e storico-culturali, nel senso di un approfondimento e di una problematizzazione dei risultati raggiunti: esattamente come fa questo volume collettaneo, per la cura binazionale di Christoph Cornelissen e Gabriele D’Ottavio, che raccoglie contributi importanti di studiosi italiani e tedeschi (in maggioranza questi ultimi), frutto di un convegno tenutosi a Trento presso la fondazione Bruno Kessler nel 2019, e dedicati a lumeggiare non solo le questioni storiografiche interne all’età weimariana, ma anche la sua Wirkungsgeschichte. L’obiettivo del volume, infatti, consiste nel „problematizzare l’esperienza di Weimar come parte integrante della storia della democrazia e della modernità in Germania“, come si esprimono i curatori nella loro introduzione (p. 15). Per cui le molteplici linee storiografico-interpretative che si intersecano in questo volume vanno a produrre un’immagine ovviamente sfaccettata, ma decisamente interessante e a tratti molto innovativa della Repubblica: esaminando la „cultura del ricordo“ che attraversa la stessa cultura politico-costituzionale weimariana e si prolunga fino ai giorni nostri (Andreas Wirsching); oppure le interpretazioni dei suoi problematici inizi, in particolare della „rivoluzione di Novembre“ (Alexander Gallus), volta a volta „tradita“, dimidiata o dimenticata; o ripercorrendo i modelli socio-culturali dominanti, tra liberalizzazione e militarizzazione (Dirk Schumann); oppure passando in rassegna la cultura politica di governo alla base delle celebrazioni in onore della Costituzione (Nadine Rossol, che mostra in maniera convincente come non fossero solo le ali estreme a monopolizzare il paesaggio ideologico e simbolico del tempo). Naturalmente, un percorso-chiave nel volume è offerto anche dal concetto di crisi economica (nei contributi di Jan-Otmar Hesse/Elisa Poletto e di Gustavo Corni – il quale si concentra sulla politica agraria, rilevando le premesse che portarono a quella nazista). Mentre la seconda parte del volume si impegna a lumeggiare i tratti teoretici di fondo, ovvero di costruzione dell’identità liberale dell’individuo (Moritz Föllmer), o di quella della donna, meno avanzata di quanto la vulgata positiva intorno al laboratorio costituzionale weimariano frequentemente rilevi (Kirsten Heinsohn). Il volume prosegue con contributi, decisamente interessanti, sulle dimensioni latamente geopolitiche della Repubblica: da quello di Christoph Cornelissen/Dirk van Laak, che rileva come la politica estera weimariana abbia ricevuto scarsa attenzione interpretativa (del resto, ricordano gli stessi autori, Ebert non andò mai in visita ufficiale all’estero); a quello di Vanessa Conze, che indaga i movimenti europeistici nell’età weimariana – i quali non appaiono tanto innovativi, quanto fortemente debitori alla cultura politica del tempo, tutta presa a declinare un’idea di Europa come „Abendland“ o addirittura come nuovo „Reich“ transnazionale. L’ultima parte del volume, coerentemente con gli assunti di base, si confronta più esplicitamente con l’„eredità“ e l’„attualità“ dell’esperienza weimariana: ripercorrendone le tappe esemplate nell’evoluzione accademica e scientifica della sociologia (Alessandro Cavalli); o istituendo un intenso confronto con l’attualità (Martin Sabrow), in cui in conclusione si sottolinea come „il ritorno di Weimar al centro delle nostre riflessioni è la prova di una nuova insicurezza tedesca: possiamo veramente essere così sicuri dei nostri valori come lo eravamo quaranta anni fa?“ (p. 276). Un interrogativo che, riportandoci per così dire a Weimar come a un „passato che non passa“, ci dice quanto sia ancora importante quel quindicennio di inizio Novecento nella riflessione storiografica, politica e culturale.
Gabriele Guerra
In Treue fest durch die Systeme. Geschichte der Südtiroler Blasmusik 1918–1948, Innsbruck (Universitätsverlag Wagner) 2021 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs. Sonderband, Fuori collana 6), 858 S., Abb., ISBN 978-3-7030-6551-4, € 49,90.
Der Anlass für die Untersuchung war die öffentliche Kritik, die im Herbst 2013 im österreichischen Bundesland Tirol über die Verstrickung von Exponenten der Volks- und Blasmusik mit dem Nationalsozialismus geführt und auch in Südtirol rezipiert wurde. Immerhin stand das Land südlich des Brenners von Herbst 1943 bis Kriegsende als Teil der „Operationszone Alpenvorland“ unter der Herrschaft des Gauleiters und Reichsstatthalters von Tirol-Vorarlberg Franz Hofer, den Adolf Hitler am 27. September 1943 zum „Obersten Kommissar“ in der „Operationszone Alpenvorland“ ernannt hatte. Freilich war es naheliegend, den Bogen der Untersuchung weiter zu spannen und die Geschichte der Südtiroler Blasmusik vom Ende der Habsburgermonarchie bis in die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten. Diese Aufgabe haben die Bearbeiter durch akribisches Quellenstudium hervorragend gelöst. Ausgewertet wurden nicht nur die einschlägigen Bestände der in Frage kommenden Staats- und Landesarchive wie z. B. das Archivio Centrale dello Stato in Rom, das Staatsarchiv Bozen und die Landesarchive in Bozen und Innsbruck, sondern auch zahlreiche Kommunal- und Vereinsarchive. Zunächst befasst sich der Musikwissenschaftler Achim Hofer (Universität Koblenz-Landau) mit dem Gegenstand und der Geschichte der Blasmusik. Im zweiten Teil analysiert der Musikwissenschaftler Kurt Drexel (Universität Innsbruck) die politische Funktion und die identitätsstiftende Wirkung von Musik am Beispiel Tirols in der NS-Zeit. Im darauffolgenden Hauptteil des Buches rekonstruiert der Leiter des Stadtarchivs Brixen Hubert Mock die Geschichte der Südtiroler Musikkapellen von 1918–1948. Dann widmet sich der Musikwissenschaftler Thomas Nußbaumer (Universität Mozarteum Salzburg/Innsbruck) dem musikalischen Repertoire der Südtiroler Blasmusikkapellen und darüber hinaus den Forschungen zur Blasmusik, die die Südtiroler Kulturkommission des SS-Ahnenerbes von 1940–1942 betrieben hat. Im letzten Beitrag befasst sich der Ethnologe Reinhard Bodner (Institut für Geschichte des ländlichen Raumes, St. Pölten) mit dem Verhältnis der Musiktracht zur Trachtenmusik und mit ihrer Funktion als „vermeintlich stabilen Identitätsentwurf“ (S. 770). Das mit vielen interessanten Abb. bereicherte Buch verdient eine Rezeption nicht nur in der Nische der Blasmusikfreunde oder der Musikwissenschaft, denn es verdeutlicht in hervorragender Weise, wie ein Kulturgut im Wandel der politischen Systeme unterschiedlichen Instrumentalisierungsbestrebungen ausgesetzt ist. Die Südtiroler Blasmusikkapellen haben im gesamten Untersuchungszeitraum Stücke aus dem Repertoire der Marschmusik der Habsburgermonarchie sowie Bearbeitungen von Opern-, Operetten- und Konzertstücken vorwiegend italienischer und österreichischer Provenienz gespielt. Obwohl Südtirol 1919 durch den Vertrag von St. Germain zu Italien gekommen und der Faschismus im Oktober 1922 an die Macht gelangt war, kam die Italianisierung der Südtiroler Blasmusik über Ansätze nicht hinaus. Deutsche Musik konnte in der Regel auch weiterhin dargeboten werden. Selbstverständlich mussten die Nationalhymne „Marcia Reale“ und anschließend die Hymne der faschistischen Partei, die „Giovinezza“, intoniert werden. Manchmal haben das einzelne Kapellen verweigert und damit ihre Auflösung riskiert. Aus der Gemeinde Feldthurns ist aus dem Jahr 1928 ein Fall von Respektlosigkeit dokumentiert, weil ein Südtiroler zum Geburtstag des Königs Viktor Emanuel III. die „Marcia Reale“ in einem „nicht zulässigen Arrangement“ (S. 558), nämlich mit einer Mundharmonika, gespielt hat, wobei über die Konsequenzen des Vorfalls nichts bekannt ist. Zu den politisch besonders aufgeladenen Stücken zählte der „Andreas-Hofer-Marsch“ als Symbol der Tiroler Identität. Im faschistischen Italien unerwünscht, wurde er in der „Operationszone Alpenvorland“ triumphierend als Sinnbild der „unbedingte[n] Wehrbereitschaft der Volksgemeinschaft“ (S. 536) gespielt. Bei offiziellen Anlässen wie Gedenkfeiern und Heldenehrungen oder zur Begrüßung Hofers wurde nun in Südtirol besonders häufig Sepp Tanzers vermutlich 1942 komponierter „Standschützen-Marsch“ gespielt, der 1943 mit folgender Widmung ausgegeben wurde: „Dem Landesoberstschützenmeister im Standschützenverband Tirol-Vorarlberg Gauleiter und Reichsstatthalter Pg. Franz Hofer in Dankbarkeit gewidmet.“ (S. 62, Abb. 1 und S. 608) Für den Trio-Teil des Marsches hatte Tanzer „Hellau! Miar sein Tirolerbuam“ gewählt, das vermutlich Hofers Lieblingslied war. Tanzers Vergangenheit als einer der höchsten Musikfunktionäre Tirols in der NS-Zeit und seine Bemühungen, mit dem „Standschützen-Marsch“ die besondere Anerkennung des Gauleiters zu erlangen, führten in den letzten Jahren zu heftiger Kritik an dem Stück und zur Empfehlung des Blasmusikverbands Tirol, es nicht mehr aufzuführen, was allerdings nicht gegen die musikalische Qualität des Marsches spricht. Populärer als der „Standschützen-Marsch“ dürfte in Südtirol aber auch in der Zeit der „Operationszone Alpenvorland“ das „Bozner Bergsteigerlied“ gewesen sein, „das offenbar schon damals den Rang einer Art geheimen Südtiroler Hymne einnahm, weil es auf eine subtile Art und Weise auf die Konflikte der Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg anspielt“ (S. 609). Während südlich der Salurner Klause „Bella ciao“ als Lied der Resistenza Berühmtheit erlangte, gab es in Südtirol nichts Gleichartiges, weil der Südtiroler Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den letzten Kriegsjahren nur schwach gewesen ist.
Michael Thöndl
Daniel Hedinger, Die Achse. Berlin-Rom-Tokio 1919–1946, München (C. H. Beck) 2021, 543 S., Abb., ISBN 978-3-406-74153-1, € 29,95.
Es ist wenig überraschend, dass die „Achse“ in den letzten Jahren zunehmend an Interesse gewonnen hat, bietet sich doch das Bündnis als idealer Forschungsgegenstand für die Untersuchung grenzübergreifender Beziehungen zwischen faschistischen Regimes auf dem Höhepunkt ihres Einflusses in der Zwischenkriegszeit an. Bemerkenswert ist dennoch, dass erst im letzten Jahrzehnt dieses Erkenntnisinteresse von einer methodischen Erneuerung begleitet wurde – eine Verzögerung, die symptomatisch für die relativ späte Eröffnung der Faschismusforschung für genuin transnationale und globale Ansätze ist. Daniel Hedinger zielt in seiner Studie zur „Achse Berlin-Rom-Tokio“, die 2017 an der LMU München als Habilitationsschrift angenommen wurde, auf eine reife globalgeschichtliche Untersuchung des Dreierbündnisses ab. Dieser „Beitrag zur Globalgeschichte des Faschismus“ (S. 12) macht sich zur Aufgabe, „erstmals die Geschichte der Achse unter Berücksichtigung aller drei Mächte“ (S. 8) zu behandeln. Von einer Einleitung und einem Prolog zur Entstehung der Versailler Ordnung ausgehend richtet Hedinger, an Sebastian Conrad anlehnend, seine Aufmerksamkeit auf sechs chronologisch aufgereihte „globale Momente“ (S. 8, 15). In ihrer Abfolge sollten diese „belegen …, wie die drei Mächte ab den frühen Dreißigerjahren sukzessive in ein wechselseitiges politisch-ideologisches Bezugssystem gelangten“ (S. 410) und lassen sich in ihrer empirischen Darlegung als Phasen von Beschleunigung oder Synchronisierung der gegenseitigen Verflechtungen verstehen. Zum einen ergeben sich die Momente wie erwartet aus geopolitischen Großereignissen, wie etwa der japanische Überfall auf die Mandschurei (S. 69–76, 147–156), die NS-„Machtergreifung“ (S. 91–100, 106–114), der Äthiopienkrieg (S. 122–174), die deutschen (S. 274–278, 286–292) oder japanischen (S. 331–339) „Blitzkriegs“-Erfolge, der Antikomintern- (S. 183–190, 212–222) und Dreimächtepakt (S. 306–317) oder der spanische Bürgerkrieg (S. 205–209). Zum anderen betrachtet Hedinger auch Tendenzen in der Entwicklung eines gemeinsamen politisch-diplomatischen Stils (S. 221–231), in der gegenseitigen Wahrnehmung (S. 279–286, 293–300) sowie bei der wechselseitigen Bezugnahme – wie das zehnjährige Jubiläum des „Marsches auf Rom“ und die „universalistischen“ Versuche des italienischen Faschismus (S. 77–84, 114 f.), den japanischen „Faschismusboom“ (S. 84–90) und die Unterstützung im Äthiopienfeldzug (S. 127–134) – als einen festen Bestandteil globaler Momente. Die insgesamt sechs Momente, je paarweise gebündelt, ordnet Hedinger drei grundsätzlichen Phasen der Entwicklung der „Achse“ zu: „Gravitation“ (1931–1935), „Kooperation“ (1936–1939) und „Eskalation“ (1940–1942), die als chronologisches Grundgerüst der Untersuchung dienen. Dabei nimmt die Studie in der Argumentation und inneren Gliederung der jeweiligen Unterkapitel implizit drei Elemente in den Blick, die im engen Zusammenhang mit der angestrebten globalgeschichtlichen und gleichseitigen Perspektive auf die „Achse“ stehen: Erstens werden die Interaktionen zwischen den drei Partnern im dyadischen Geflecht untersucht. Zweitens sind in diesem Geflecht innenpolitische Dynamiken im Wechselspiel zu den diplomatischen und transnationalen zu berücksichtigen. Drittens ergibt sich aus der Gesamtheit der Dreiecksbeziehungen und deren innenpolitischen Implikationen eine prozessuale Eigendynamik, die dem Autor zufolge nicht allein aus den Einzelentwicklungen der drei Länder zu erklären ist. Triebkraft dieser Eigendynamik sei eine „kumulative Radikalisierung“ der drei Mächte gewesen, die „erst im transnationalen Wechselspiel der Achsenmächte“ entstanden sei (S. 13). Dieser zentralen These nach sei daher das Bündnis selbst als Produkt wechselseitiger Radikalisierungsprozesse zu lesen (S. 417). Hedinger verfolgt diese These konsequent im Laufe der Abhandlung, obwohl dem unumgänglichen Fluchtpunkt dieser globalen kumulativen Radikalisierung, sprich: den Kolonial- und Vernichtungskriegen mit ihren genozidalen und radikal-imperialistischen Dynamiken, vergleichsweise wenig Platz eingeräumt wird (etwa S. 157–164, 170–174, 206 f., 231–237, 339–345, 354–364). Es steht dennoch außer Zweifel, dass die Wechselwirkungen zwischen den drei Mächten den Kern der Untersuchung darstellen – ein Vorhaben, das wegen der breiten räumlichen und historisch-kontextuellen Auslegung per se auf detaillierte Darlegungen angewiesen ist. Ebenfalls auf die Forschungsarchitektur der Studie lässt sich auch das Fehlen eines Blicks auf die Beziehungen der künftigen Partner vor 1932/1933 zurückführen, die im Prolog nur angedeutet werden. Anders als behauptet (S. 78, 87), hatten faschistische und affine Bewegungen schon vor der Weltwirtschaftskrise eine genuin grenzübergreifende Dimension inne. Zwar mag sich die Perspektive der Studie auf die globale, d. h. nicht eurozentrische, Dimension des Phänomens beziehen (S. 81). Aber die „Achse“ verfügte in den labileren transnationalen faschistischen Beziehungen der Zwanzigerjahre mindestens in Europa über einen bedeutenden Hintergrund. Dass sich Hedingers lesbare und lesenswerte Untersuchung nicht damit befasst, ist dennoch als kleines Manko ihres ansonsten mutigen Ansatzes anzusehen, und in diesem Zusammenhang darf eine Bilanz durchaus positiv ausfallen.
Daniele Toro
Gregor Wand, Der Diplomat und die Päpste. Die Mission des ersten deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl – Diego von Bergen 1920–1943, Paderborn (Brill, Ferdinand Schöningh) 2021 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen 140), X, 254 S., ISBN 978-3-506-7605-0, € 69.
Gerd Westdickenberg, Diplomat beim Heiligen Stuhl. Diego von Bergen. Diener dreier Herren, Berlin (Edition Deutsche Klassik) 2021, 399 S., Abb., ISBN 978-3-8478-5287-2, € 49,80.
Über den langjährigen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Diego von Bergen (1872–1944), liegen zwei, etwa parallel erschienene Studien vor. Die eine, von einem späteren Nachfolger auf diesem Posten, Gerd Westdickenberg, die andere, die Dissertation Gregor Wands. Nach letzterem wiesen die Mitarbeiter der verhältnismäßig kleinen Preußischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl das typische Profil der traditionell-konservativen Berufsdiplomaten im Kaiserreich auf: adelig, vermögend und evangelisch. Sie verfügten in der Regel über eine militärische und juristische Ausbildung. Seit 1871 wurde diese Exklusion etwas aufgerissen durch nobilitierte Vertreter aus dem Großbürgertum. Katholische Diplomaten wurden nicht an die Gesandtschaft versetzt, da dies als zu großes Zugeständnis an den Papst angesehen wurde, was letztlich eine Auswirkung des Kulturkampfes war. Bergen, von 1906 bis 1911 Legationssekretär an der Gesandtschaft, wo er u. a. in Kontakt mit Eugenio Pacelli kam, war zunächst 1919 Gesandter, bis die preußische Vertretung 1920 in eine deutsche Botschaft umgewandelte wurde – mit dieser Problematik hat sich Westdickenberg auseinandergesetzt. Er blieb auch in der Weimarer Republik monarchistisch eingestellt, vertrat, so Wand, konservativ-nationale Ansichten und widersetzte sich nicht nur den Reformbestrebungen des Auswärtigen Amts (AA), Seiteneinsteigern eine Karrierechance zu bieten, sondern auch der Versöhnungspolitik Gustav Stresemanns, da er zunächst einen Ausgleich mit Frankreich und Belgien ablehnte und die Politik von Locarno nur als Grundlage für eine Revisionspolitik gegenüber Polen akzeptierte. Auf die konkrete Politik zwischen 1919 und 1933 geht Wand kaum ein. Er erwähnt vor allem die Ruhrkrise, in der die Botschaft primär versuchte, Papst Pius XI. die Haltung des Deutschen Reichs verständlich zu machen und ihn dazu zu bringen, sich für die deutschen Belange einzusetzen. Zu seinen Aufgaben gehörte ebenso, die örtliche Presse im deutschen Sinne zu beeinflussen. Hinzu kamen die Oberschlesien-Frage und Reparationsforderungen der Alliierten. Auf diese Probleme geht Westdickenberg ausführlicher ein. Er erwähnt auch die Versuche einer Stärkung des deutschen Einflusses an der Kurie sowie die Abwehr eines Untersuchungsausschusses im Reichstag zur Friedensinitiative Papst Benedikts XV. von 1917, da dies die Veröffentlichung von Vatikandokumenten zur Folge gehabt hätte, was die Kurie vehement ablehnte. Im Gegensatz zu Wand untersucht Westdickenberg sehr ausführlich das Reichskonkordat und seine Genese. Zwar spielte Bergen bei den Verhandlungen in der Endphase nur eine sehr marginale Rolle, da Vizekanzler Franz von Papen dafür nach Rom reiste, aber der Autor billigt ihm eine sehr aktive Mitwirkung bei den ersten Verhandlungen zu Beginn der 1920er Jahre zu. Allerdings ist die Verständigung mit der Kurie nicht völlig am AA vorbei verhandelt worden, wie Wand annimmt, da auch der Vatikanreferent in der Berliner Zentrale involviert war. Aber bereits bei den ersten Besprechungen 1922 wurde Bergen übergangen. Westdickenberg untersucht sehr ausführlich die einzelnen Phasen, bei denen der Botschafter am Rand beteiligt war. Wand setzt dies voraus und geht darauf nicht ein. Für ihn war der Botschafter ein Gegner des Reichskonkordats, da es der katholischen Kirche in Deutschland zu viel Macht geben würde. Demgegenüber steht ein Bericht an das AA, in dem er, wie Westdickenberg erwähnt, das Abkommen grundsätzlich billigt und lediglich Art. 29 (Regelung für katholische Minderheiten im Deutschen Reich, was sich besonders auf Polen bezog) und Art. 2 (Fortsetzung der Länderkonkordate mit Preußen, Bayern und Baden, obwohl es keine Länder mehr gab) bemängelte. Schließlich kritisierte der Botschafter auch die mangelnde Professionalität bei den Verhandlungen. Der Schwerpunkt beider Arbeiten liegt auf der nationalsozialistischen Zeit. Für Wand übte Reichsaußenminister Constantin Frhr. von Neurath, 1921 bis 1930 Quirinalbotschafter, eine Selbstgleichschaltung aus, die auch von der Vatikanbotschaft übernommen wurde, was sich zunächst in der Kooperation mit NSDAP-Organisationen in Rom niederschlug – so wurde eine römische Hitlerjugend auf dem Botschaftsgelände eingerichtet –, und eine Anzahl von Botschaftsmitgliedern – zunächst der niedere und der mittlere Dienst – traten der Partei bei; ab 1936 wurden verdienstvolle katholische Diplomaten systematisch aus den kirchenpolitischen Agenden abgezogen. Das Revirement von 1938 zu Joachim von Ribbentrop überstand Bergen problemlos, da er weiterhin die Politik des Deutschen Reichs gegenüber dem Heiligen Stuhl vertrat, was mit der zunehmenden Annäherung Hitlers an Mussolini um so wichtiger wurde, da der Duce Wert auf die italienischen Katholiken legte, die die zunehmenden antikatholischen Maßnahmen im Deutschen Reich sehr kritischen sahen, was die Achse Rom-Berlin sehr unbeliebt machte. Das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der Kurie wurde zunehmend gestört, da die häufigen Beschwerden über die Botschaft und die Nuntiatur wegen der Verfolgung von Katholiken kaum Ergebnisse brachten. Zudem lehnte Bergen nach Wand die Friedensinitiative und die Neutralitätspolitik Pius’ XII. während des Zweiten Weltkriegs ab und empfahl seiner Regierung, sie nicht zu beachten. Nach Westdickenberg reagierte der Botschafter zunächst positiv, da der Papst bei einem Gespräch Anfang Juni 1939 über eine Annäherung gesprochen hatte. Während Wand kaum darauf eingeht und nur Ribbentrops Ankündigung von Mitte Juli über weitere Maßnahmen gegen die katholische Kirche erwähnt, nimmt Westdickenberg lediglich an, die Zeit sei über diese zaghaften Verständigungsversuche hinweggegangen. Beide Autoren billigen dem Botschafter zu, kein überzeugter Nationalsozialist gewesen zu sein. Für Wand haben Bergen und die Botschaft die nationalsozialistische Rassenpolitik und den Terror des Regimes gegenüber dem Vatikan abgeschirmt und zu verharmlosen versucht. Zwar hätten sie im Gegensatz zu anderen Personen im AA diese Politik nicht aktiv unterstützt, aber doch durch passive Hinnahme Vorschub geleistet. Zumindest in groben Zügen seien dem Botschafter und seinen Mitarbeitern die nationalsozialistischen Verbrechen bekannt gewesen. Westdickenberg äußert sich dazu nicht direkt: Er erwähnt lediglich, der Botschafter habe die Kritik Pius’ XI. an den Judenverfolgungen und die Berichterstattung über die Euthanasie zurückgewiesen. Zwar haben beide Autoren dasselbe Thema, aber unterschiedlicher hätten sie es nicht angehen können. Der ehemalige Botschafter bietet eher eine Dienstbiographie (mit Daten seiner Laufbahn, aber weitgehend ohne private Angaben). In Wands Darstellung spielt Bergen zwar eine bedeutende Rolle, aber dessen Tätigkeit bildet lediglich den Hintergrund für eine längsgeschichtlich angelegte institutionelle Darlegung zum AA, die bis in die 70er Jahre des 19. Jh. zurückgreift. Beide Arbeiten überschneiden sich dadurch nur in geringem Maß und ergänzen sich. Auch aus der wissenschaftlichen Betrachtung gibt es Unterschiede: Wand arbeitet sehr stark mit Anmerkungen, der Apparat Westdickenbergs beschränkt sich auf die wichtigsten Belegstellen. Sein Quellen- und Literaturverzeichnis ist verwirrend: Unter Archivmaterial werden die Dokumente des Politischen Archivs des AA ebenso aufgeführt wie die online-Edition der Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, unter „ungedruckte Quellen“ Belegstellen aus dem Internet, unabhängig davon, ob ein Aufsatz auch in einer gedruckten Form vorliegt, und unter „gedruckte Quellen“ die Literatur. Trotzdem bleiben Lücken. So fehlt in beiden Arbeiten völlig die Kulturpolitik, vor allem gegenüber den zahlreichen katholischen Institutionen – aber auch den evangelischen – für längerfristig oder ständig in Rom und in Italien lebende Deutsche, die mehr oder weniger enge Beziehungen zu ihrer Heimat unterhielten und vor allem wichtig für das Verhältnis zum Heiligen Stuhl waren. In einem Fall gehen beide auf ein Ereignis aus diesem Kontext ein, bewerten es unterschiedlich und liegen beide falsch, da sie sich auf die ältere Literatur und nicht auf die Quellen beziehen: die Ablösung P. Constantin Noppels SJ als Rektor des Germanicum et Hungaricum, das seit der Gegenreformation Priester für den deutschsprachigen Markt ausbildete. Wand bewertet die Maßnahmen der Vatikanbotschaft dazu „als ein funktionierendes Rädchens des NS-Unterdrückungsapparats“. Westdickenberg hält eine Intervention zwar für möglich, aber für „wenig wahrscheinlich“. Ausgangspunkt war eine Teilnahme katholischer Jugendverbände an der Ostermesse 1935 in St. Peter mit im Dritten Reich verbotenen Uniformen. Bergen hatte zunächst in einem Bericht den Aufmarsch positiv gewertet. Erst als sich einige Zeit später ein NSDAP-Parteigenosse, der an der Papstmesse teilgenommen hatte, einen kritischen Bericht an Parteistellen geschickt hatte und der Botschafter über das AA um eine Stellungnahme gebeten wurde, distanzierte er sich davon und suchte die Absetzung Noppels zu erreichen, nicht als Erfüllungsgehilfe der NS-Ideolgie, sondern weil er eigene Fehleinschätzungen und Fehler überdecken wollte. Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob der Rektor alleine oder zumindest mit Unterstützung der Vatikanbotschaft seinen Posten aufzugeben hatte, da er u. a. wegen seiner von ihm gewährten Freiheiten gegenüber den Alumnen im Priesterkolleg umstritten war. Die Arbeit Westdickenbergs wird durch ein Personenregister, die Wands durch ein Personen- und Ortsregister erschlossen.
Franz-Josef Kos
Giovanni Capurso, La ghianda e la spiga. Giuseppe Di Vagno e le origini del fascismo, Bari (Progedit) 2021, VII, 110 S., ISBN 978-88-6194-500-5, € 13.
Die Entführung und Ermordung des sozialistischen Parlamentsabgeordneten Giacomo Matteotti durch faschistische Schergen im Juni 1924 ist ein weit über die Grenzen Italiens hinaus bekanntes und gut erforschtes Ereignis. Dass jedoch schon knapp drei Jahre zuvor der süditalienische Sozialist und Parlamentarier Giuseppe Di Vagno einem faschistischen Anschlag zum Opfer fiel, hat nicht einmal im nationalen kollektiven Gedächtnis größere Spuren hinterlassen. Der Schriftsteller Giovanni Capurso hat nun den 100. Todestag Di Vagnos am 26. September 1921 zum Anlass genommen, diese Diskriminierung des Südens auch in der Historiographie zu beenden und das kurze Leben des Protagonisten sowie dessen Denken im Zusammenhang mit der Entstehung des Faschismus zu beleuchten. Der Titel des schmalen Buches spielt auf eine Fabel am Ende der biographischen Betrachtungen an, vermutlich die letzte schriftliche Hinterlassenschaft Di Vagnos und ein Plädoyer für soziale Gerechtigkeit im von agrarischen Großgrundbesitzern geprägten Süden Italiens. Gestützt auf eine solide Quellen- und Literaturbasis, die sich in den zahlreichen Anmerkungen widerspiegelt, präsentiert Capurso in 17 kurzen Kapiteln das 32-jährige Leben und Denken Di Vagnos. Geboren 1889 im apulischen Conversano in der Provinz Bari in eine kleinbürgerliche Winzerfamilie, genoss Giuseppe als einziger Sohn eine hervorragende Ausbildung, die er im Alter von 23 Jahren mit einem juristischen Prädikatsexamen an der römischen Sapienza abschloss. In der Hauptstadt kam er bald mit Sozialisten um Enrico Ferri in Kontakt, trat dem PSI bei und praktizierte zunächst als Strafrechtsanwalt, bevor er 1914 als Anwalt der kleinen Leute in seine Heimat zurückkehrte. Bei den Kommunalwahlen unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er zum ersten Beigeordneten seiner Heimatstadt sowie zum Provinzrat in Bari gewählt. Zeit seines Lebens vertrat er aufgrund seiner Rückkopplung an die apulische Landbevölkerung und der juristischen Ausbildung einen realistischen Sozialismus. Dieser reformsozialistische Kurs in Wort und Tat kritisierte die Regierung Giolitti und dessen süditalienischen Zögling Antonio Salandra scharf und wandelte in vielerlei Hinsicht auf den Spuren der etwas älteren sozialistischen Intellektuellen Tommaso Fiore und Gaetano Salvemini. Mit dem Militärdienst während der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ tat sich der journalistisch überaus aktive bekennende Pazifist schwer, wurde von der Polizei überwacht und mehrmals verhaftet. Bei Kriegsende setzte sich der „Anwalt der Armen“ für humanistische Ziele wie eine gerechte Lebensmittelversorgung, Volksbildung und wirtschaftliche Impulse im agrarisch geprägten Mezzogiorno ein. Vor allem ging es ihm um eine gewerkschaftliche und politische Mobilisierung der süditalienischen Landbevölkerung im Zuge immer gewaltsamerer Auseinandersetzungen zwischen einfachen Arbeitern und Großgrundbesitzern. Trotz vieler Sympathien für die russische Revolution 1917 plädierte der „cervello borghese in un’anima socialista“ für einen demokratischen Weg zum Sozialismus über Wahlen und kämpfte stets für die Einheit aller Parteiflügel. Obwohl er unter dem Vorwurf des Nationalismus kurzzeitig aus dem PSI ausgeschlossen wurde, avancierte er rasch zum Kandidaten für das nationale Parlament, auch weil er die rohe Gewalt der apulischen Squadristen ab Herbst 1920 als Herausgeber der Zeitung „Puglia Rossa“ konsequent öffentlich anprangerte. Trotz zahlloser faschistischer Provokationen, Gewaltakte und allergrößter soziopolitischer Spannungen wurde Di Vagno im darauffolgenden Frühjahr in die römische Abgeordnetenkammer gewählt. Wie vergiftet das politische Klima der Zeit war, zeigt eine öffentliche Wahlkreisveranstaltung Ende Mai 1921, zwei Wochen nach der Parlamentswahl, als Di Vagno in seiner Heimatstadt gerade seine Rede beendet hatte und unmittelbar Gewalt ausbrach, der je ein Faschist und ein Sozialist zum Opfer fielen und die zehn Verletzte nach sich zog. Obwohl er schon hier nur knapp einem Attentat entkommen konnte, verfolgte er seine parlamentarischen Tätigkeiten mit großem Elan, wurde Vorsitzender des Justizausschusses, brachte zwei Gesetzesinitiativen zur Verbesserung des täglichen Lebens der einfachen Bevölkerung ein, engagierte sich für den neuen Hafen von Bari und unterstützte den nationalen Pazifizierungspakt zwischen Sozialisten und Faschisten im August 1921. Nur einen guten Monat später, am 25. September, verübte eine Gruppe junger Squadristen aus seiner Heimatstadt bei einer öffentlichen Veranstaltung in Mola di Bari einen Anschlag auf Di Vagno und fügte ihm schwere Verletzungen zu, denen er tags darauf im Krankenhaus erlag. Die sozialistische Öffentlichkeit reagierte mit Entsetzen, Trauer und einem folgenlosen Generalstreik, während die bürgerlich-faschistische Presse relativierte und minimalisierte. Im Strafprozess wurden zunächst zehn Personen verurteilt, neun von ihnen jedoch nach der faschistischen Amnestie im Dezember 1922 schon wieder freigelassen. Dem Geist der Resistenza um den jungen Sandro Pertini war dann die Neuaufnahme des Verfahrens nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken. Immerhin wurden nun sechs der zehn Angeklagten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt – allerdings nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags; sie profitierten daher bald von der Amnestie Palmiro Togliattis. Die Hintermänner des Attentats wurden in beiden Prozessen nicht ermittelt. Capurso zufolge steht die Ermordung Giuseppe Di Vagnos nicht nur für den ersten tödlichen Anschlag auf einen Parlamentarier in der italienischen Geschichte, sondern auch für den Gnadenstoß für Mussolinis zaghaften Versuch, auf nationaler Ebene eine Befriedung mit den anderen politischen Kräften des Landes zu erreichen. Zugleich brachen damit, gerade in Apulien, alle Freiheitsideen in sich zusammen und ermöglichten den steilen Aufstieg des Faschismus im Mezzogiorno. Uns daran mit der vorliegenden gut lesbaren Studie erinnert zu haben, ist kein kleines Verdienst des Autors.
Jens Späth
Luigi Monzo, Croci e Fasci. Der italienische Kirchenbau in der Zeit des Faschismus, Berlin-München (Deutscher Kunstverlag) 2021, 784 S., Abb., ISBN 978-3-422-98050-1, € 138.
Die Kirche hatte seit dem 19. Jh. durch die politischen und sozialen Umbrüche in die Moderne erheblich an „Deutungshoheit über die Wahrheit“ (S. 522) und an gesellschaftlichen Privilegien verloren. Nach der Machtergreifung des Faschismus knüpfte sie an die Aussöhnung mit dem Staat (Conciliazione), deren Höhepunkt die Lateranverträge von 1929 waren, die Hoffnung, verloren gegangenes gesellschaftliches Terrain zurückzugewinnen und eine Rekatholisierung einleiten zu können. Umgekehrt betrachtete der Faschismus die Kirche als Mittel, um die Unterstützung des Regimes in gesellschaftlichen Bereichen sicherzustellen, in denen die faschistischen Organisationen dazu nicht oder nicht ausreichend in der Lage waren. Mussolini war bestrebt, den Katholizismus in den Mythos der Romanità zu integrieren, um das italienische Volk zu einer mächtigen Einheit zu schmieden. In diesem Interessensgefüge vollzog sich der italienische Kirchenbau im Untersuchungszeitraum. Die Dialektik zwischen Tradition und Moderne forderte die Kirche nicht nur in gesellschaftlichen, sondern auch in ästhetischen Fragen heraus. Papst Pius XI. hielt sich in der Kirchenbaudebatte lange zurück, verurteilte aber dann doch „die Moderne als krampfhafte Suche nach dem Neuen um des Neuen willen …“ (S. 542). Die Kirche öffnete sich den modernen, insbesondere rationalistischen Gestaltungsprinzipien in der Architektur nur halbherzig und zögernd, der Historismus blieb als Ausdrucksform auch weiterhin präsent. Das Buch widmet sich dem Typus der Pfarrkirche, wovon in der Zwischenkriegszeit vermutlich mehr als 1500 errichtet wurden, wobei zu Beginn ein Schwerpunkt auf dem Wiederaufbau der mehr als 600 Kirchen im „Triveneto“ lag, die im Ersten Weltkrieg zerstört worden waren. Monzo unterscheidet zwischen einem faschistisch beeinflussten und einem faschistischen Kirchenbau. Jener sei das Resultat einer Anpassungsleistung der Kirche an den faschistischen Zeitgeist gewesen, von dem ein erheblicher gesellschaftlicher Druck ausgegangen sei. Ein faschistischer Kirchenbau sei jedenfalls gegeben, wenn der Staat die Initiative für den Kirchenbau übernommen, die Planung seinen Institutionen übertragen und die Finanzierung zur Verfügung gestellt hat, weil er – wie etwa in den neuen Städten – darauf Wert gelegt habe, dass sein Anspruch auf Größe und Nationalbewusstsein im gesamten urbanen Ensemble und daher auch im Kirchenbau zum Ausdruck kommt. Dort sei die Kirche erst in Erscheinung getreten, wenn das Gebäude seine liturgische Funktion übernommen hat. Die Kirchenbaudebatte wurde insbesondere durch diverse Architekturwettbewerbe beflügelt. Unter den zahlreichen Kirchenbauten, die Monzo analysiert, sei zunächst Marcello Piacentinis Kirche „Sacro Cuore di Cristo Re“ in Rom (1919–1929, 1931–1934) hervorgehoben. In diesem Fall entschloss sich der Architekt nach einem langen Reflexionsprozess, seine ursprünglichen Entwürfe radikal umzukrempeln und eine zukunftsweisende Verbindung von Tradition und Moderne einzugehen. Piacentini habe damit eine Moderne geschaffen, „die italienisch genug ist, um sich von der internationalen Moderne der Rationalisten zu unterscheiden und zugleich progressiv genug ist, um mit der Imitation des Vergangenen aufzuräumen und das Selbstverständnis des Regimes als eine dynamische und geniale Kraft zu verkörpern.“ (S. 541) Bemerkenswert ist auch der Entwurf des Architekten Angiolo Mazzoni, den Neubau des Bahnhofs Termini durch eine Bahnhofskirche in Form einer unterirdischen zweigeschossigen repräsentativen Basilika zu ergänzen. Bei Kriegsende waren die Grundmauern errichtet, das Projekt wurde in der Nachkriegszeit aufgegeben. Schließlich setzt sich Monzo eingehend mit der von Arnaldo Foschini, einem Vertrauten Piacentinis, errichteten Kirche „Santi Pietro e Paolo“ (1937–1943/1947–1959) auf dem Weltausstellungsgelände für die geplante römische Weltausstellung im Jahr 1942 auseinander. Ihre symbolische Bedeutung wird dadurch erhöht, dass das Gelände („Zona Ostiense“ bzw. „Zona Paolina“) der Ort war, an dem das Martyrium des Apostels Paulus stattgefunden hat. Diese Kirche sei gewissermaßen der Höhepunkt des faschistischen Kirchenbaus gewesen, nämlich „das bis heute überdauernde monumentale Beispielwerk einer im Sinne des faschistischen Staatsmonumentalismus interpretierten Kirchenarchitektur“ (S. 544). Beim Kirchenbau in den neuen Städten – als Glanzstück sei hier der Pfarrkomplex von Sabaudia genannt – wäre vielleicht noch die architektonisch hochinteressante Kirche von Arsia (heute Raša, Istrien) erwähnenswert gewesen. Das Buch ist aus einer Dissertation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) aus dem Jahr 2017 entstanden, die im selben Jahr digital veröffentlicht wurde und aus der KIT-Bibliothek im „open access“ heruntergeladen werden kann. Die Printpublikation ist eine gekürzte und aktualisierte Fassung. Der Bildteil ist in der digitalen Veröffentlichung umfangreicher, so dass hier ein ergänzender Fundus vorliegt, auf den Monzo ausdrücklich verweist. Er hat seine Quellen in kirchlichen, staatlichen und privaten Archiven recherchiert und auch die Bestände des Vatikanischen Apostolischen Archivs ausgewertet. Monzo hat ein monumentales Standardwerk vorgelegt, das uneingeschränkt zu empfehlen ist.
Michael Thöndl
Annalisa Cegna/Filippo Focardi (a cura di), Culture antisemite. Italia ed Europa dalle leggi antiebraiche ai razzismi di oggi, Roma (Viella) 2021 (Collana dell’Istituto Nazionale Ferruccio Parri 2), 133 S., Abb., ISBN 978-88-331-3641-7, € 18.
Vorzustellen ist ein kleiner Bd., der in der Schriftenreihe des Istituto Nazionale Ferruccio Parri, dem 1949 gegründeten Verband von Instituten zur Bewahrung des Erbes des italienischen Widerstands, erschienen ist. Er trägt den großen Titel: Antisemitische Kulturen in Italien und Europa von den Rassegesetzen bis heute. Wie die Hg. Annalisa Cegna und Filippo Focardi in der Einleitung ausführen, handelt es sich um Beiträge, die auf einer Konferenz anlässlich des 80. Jahrestages der italienischen Rassegesetze im Oktober 2018 in Macerata gehalten wurden. Die Einleitung skizziert die Stufen der italienischen Erinnerungspolitik und den Umbruch in der Auseinandersetzung mit dem Faschismus und seiner Judenpolitik, der mit dem 50. Jahrestag der Rassegesetze 1988 einsetzte. Ist der Faschismus zuvor – Cegna und Focardi zitieren aus dem Interview, das Renzo De Felice noch im Jahr 1987 gegeben hatte – als ein Phänomen gedeutet worden, das jenseits des Schattens des Holocaust gestanden habe, so begann mit dem 50. Jahrestag eine intensive Forschung über die antisemitische Agitation und die Verfolgung der Juden im faschistischen Italien. Cegna und Focardi erinnern an eine Rede der Präsidentin des italienischen Abgeordnetenhauses Nilde Iotti von 1988, die betonte, dass sich an den faschistischen Antisemitismus zu erinnern auch bedeute, über aktuelle Formen des Rassismus nachzudenken. In diesem Sinne schließt die Einleitung mit dem Hinweis auf die Zunahme von rassistischen Übergriffen auf Flüchtlinge im gegenwärtigen Italien und Europa. Michele Battini eröffnet den Bd. mit einigen Überlegungen über die Parallelen zwischen der aktuellen Flüchtlingskrise in Europa und den Entwicklungen im Europa der Zwischenkriegszeit, der Krise der Demokratien, dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, der politischen Propaganda und dem sozialen und sozial-psychologischen Elend der europäischen Bevölkerung sowie der Verfolgung der Juden. Valeria Galimi fragt im folgenden Beitrag nach der Kontinuität des französischen Antisemitismus vom Ende des 19. Jh. bis zum Vichy-Regime und skizziert die geschichtswissenschaftlichen Interpretationen sowie aktuelle historisch-politische Debatten. Dabei geht sie nicht zuletzt auf die Auslassungen des rechtsextremen, aus einer jüdischen Familie stammenden, den Antisemitismus des Vichy-Regimes relativierenden Politikers Eric Zemmour ein, und schließt mit Pierre Birnbaums „Lektionen von Vichy“, der betonte, dass gegenwärtig der Schatten der Vichy-Erfahrung dichter werde. Den mittel- und südosteuropäischen Raum nimmt Antonella Salomoni in den Blick. Sie geht der Adaption der nationalsozialistischen Rassegesetze und den spezifischen Formen der Judenpolitik sowohl in den mit Deutschland verbundenen Ländern Bulgarien, Ungarn und Rumänien sowie den deutschen Sattelitenstaaten Slowakei und Kroatien nach und zeigt, in welchen Ländern und in welcher Form die nationalsozialistischen Nürnberger Gesetze von 1935 umgesetzt wurden. Die Rassegesetze der 30er Jahre, so hält Salomoni treffend fest, sind keine Fortführung der überlieferten antijüdischen Gesetze, und so betont sie abschließend die Diskontinuität der Judenverfolgung in Europa. Ausgehend von der Einsicht, dass die italienischen Rassegesetze ohne jeden Druck oder Einfluss von deutscher Seite erlassen worden sind, geht Francesca Cavarocchi der Rolle des Antisemitismus in den deutsch-italienischen Beziehungen nach. Dabei knüpft sie an die Studie von Kilian Bartikowski an und zeigt, dass zwischen beiden Ländern schon Mitte der 30er Jahre ein reger Austausch im Bereich der Rassen- und Bevölkerungspolitik einsetzte. Nach dem Erlass der Rassegesetze intensivierten sich die Kontakte zwischen deutschen und italienischen Dienststellen, doch war Italien bestrebt, so Cavarocchi, eine gewissen Autonomie in der Judenpolitik zu bewahren. Das Wort Rasse war, wie Michele Sarfatti zeigt, schon im Vereinigten Italien präsent und auch die Verbindung zwischen den Begriffen Staatsbürgerschaft und Rasse tauchte in den Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg auf. Zwischen diesen Formulierungen und der späteren Entwicklung des italienischen Regierungsrassismus besteht jedoch, so Sarfatti, kein unmittelbarer Zusammenhang. Minutiös rekonstruiert er aber, wie diese beiden Termini in die Normen und Erklärungen des faschistischen Italiens von Mitte der 1920er bis Anfang der 1940er Jahre eingingen und aufeinander bezogen wurden. Dabei wird deutlich, wie sehr die zunehmende Bedeutung rassistischer Kategorien mit der faschistischen Kolonialpolitik zusammenhing. Hinsichtlich der Juden war diese zunächst auf ausländische Juden bezogen, bis die 1938 erlassene Erklärung über die Rasse die italienischen Juden einschloss. Zwar weise nichts, wie Sarfatti abschließend festhält, auf eine vollständige Planung des rassistischen Kurses des Faschismus hin, doch nahm die Entwicklung einen prozesshaften Verlauf, und, so Sarfatti, sie erscheint logisch. Die erinnerungspolitischen Aktivitäten des Instituts, in dessen Schriftenreihe der Bd. erschienen ist, aufgreifend, präsentiert Elisabetta Ruffini die von diesem 2018 organisierten Veranstaltungen anlässlich des 80. Jahrestages des Erlasses der Rassegesetze, wobei sie vor allem auf eine diesbezügliche Ausstellung hinweist. Da, wie Cegna und Focardi in ihrer Einleitung schreiben, die Aufgabe des Istituto Nazionale Ferruccio Parri darin besteht, sich mit einer Geschichte zu befassen, die in der Gegenwart weiterwirkt, beschließt Fabio Dei den Bd. mit Reflektionen über den Begriff Rassismus und die politische Rhetorik im gegenwärtigen Italien. Mit der Identitätspolitik, so Dei, ist ein neuer Rassismus hervorgetreten, doch die Sprache des Antirassismus hat zugleich zu einem neuen, nicht weniger problematischen Anspruch politischer Korrektheit geführt, und so wendet sich Dei gegen den leichtfertigen Vorwurf kultureller Eliten gegenüber der breiten Bevölkerung rassistisch zu sein. Das große Thema, das der Titel verspricht, kann in einem kleinen Buch selbstverständlich nicht erschöpfend behandelt werden, aber doch werfen einige der Beiträge erhellende Schlaglichter auf bestimmte Aspekte, so dass das Buch durchaus wertvolle Anregungen zu geben vermag.
Ulrich Wyrwa
L’Archivio della Nunziatura Apostolica in Italia. Vol. 2 (1939–1953): Inventario, a cura di Giovanni Castaldo, Città del Vaticano (Archivio Apostolico Vaticano) 2020 (Collectanea Archivi Vaticani 112), 2 Teilbde., XVI, 1703 S., Abb., ISBN 978-88-9838-14-7, € 65.
Zehn Jahre nach dem ersten Bd. des Inventars der Apostolischen Nuntiatur beim italienischen Staat unter Nuntius Francesco Borgongini Duca (vgl. QFIAB 93 [2013], S. 546 f.) und pünktlich zur Öffnung der vatikanischen Archivbestände zum Pontifikat Pius’ XII. erscheint Bd. 2 in zwei Teilbd. Abgedeckt wird darin der Zeitraum von 1939 bis zum Ende der Nuntiatur Borgongini Ducas im Januar 1953. Der hier dokumentierte Bestand umfasst damit die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Transformation des Königreichs Italien nach dem Zusammenbruch des faschistischen Mussolini-Regimes in eine Republik. Auf eine Einführung hat der Hg., anders als beim ersten Bd., verzichtet, so dass der Leser etwa zu Fragen der Struktur des Nuntiaturarchivs auf diesen ersten Bd. angewiesen ist. Die Inventarisierung selbst setzt das Prinzip möglichst hoher Erfassungsdichte beeindruckend konsequent fort: die Schriftstücke und Inhalte der einzelnen Faszikel, darunter die Anweisungen an den Nuntius aus dem Staatssekretariat und die Berichte des Nuntius an die Staats- bzw. Unterstaatssekretäre, Maglione, Tardini, Montini, sind bis ins Detail erfasst und werden in Form mehr oder weniger umfangreicher Regesten zusammengefasst, sehr oft auch ausführlich wörtlich zitiert. Leider blieb es bei der Herausgeberentscheidung des ersten Bd., das (an sich sehr detailkräftige) Register auf Personen, Orte und Institutionen beschränkt zu lassen, auf Sachstichworte aber zu verzichten. Dies erschwert die Orientierung insofern, als das Ablageprinzip in den übergeordneten buste sehr schematisch ist – z. B. buste 4–7 „Curia Romana“ oder 50–59 „Guerra“ – und auf eine Übersicht zu den diesen untergeordneten Faszikeln (wie bereits im ersten Bd.) verzichtet wurde. „Comunismo“ – ein für das Italien der unmittelbaren Nachkriegszeit doch relativ wichtiges Stichwort – erscheint im Titel einer busta nur einmal (b. 48); betreffende Akten sind nach vatikanischer Systematik dort abgelegt, wo sich auch Dokumente zum „Protestantismo“ finden. Ist hier immerhin einiges über „Propaganda delle dottrine marxiste“ in Italien zu erfahren, bleibt darüber hinaus anzunehmen, dass die Kommunismus-Problematik im Austausch zwischen Nuntiatur und italienischen Nachkriegsregierungen doch eine größere Rolle gespielt haben dürfte. Entsprechende Fundstücke können lediglich indirekt über Personennamen, Institutionen (z. B. Partito Comunista Italiano) oder durch Blättern erschlossen werden. Ähnliches gilt für Begriffe wie „Repubblica“ oder „Democrazia“. Freilich führt allein das Blättern in diesem Inventar schon zu reichen Entdeckungen, z. B. zu zwei buste (31/32) „Politica“ mit reichhaltigem Material zur situazione interna in Italien in den Jahren des Übergangs, mit Berichten Borgongini Ducas über Gespräche mit Alcide De Gasperi und dem „Maikönig“ Umberto II. über das Referendum vom 2. Juni 1946, durch das die Monarchie fiel. Auch für die Kriegsjahre hält das Inventar Überraschungen bereit: acht buste (60–67) „Internati“, annähernd 300 Seiten im Inventar mit Bittschriften-Regesten von Internierten, Inhaftierten, Kriegsgefangenen und Displaced Persons, v. a. italienischer, aber auch jugoslawischer und osteuropäischer Herkunft, eine sehr große Zahl davon jüdisch, an den Nuntius, säuberlich alphabetisch abgelegt: ein einziger großer Schrei um Hilfe an den Papst und die Institutionen der katholischen Kirche. Das unterstreicht den bereits jetzt aus den Akten zum Pontifikat Pius’ XII. für die Jahre des Weltkriegs hervorgehenden Eindruck, dass der Hl. Stuhl unter den Verfolgten jeglicher Konfession und Herkunft, besonders auch unter Juden, als Rettungsanker und vielfach wohl letzte Hoffnung auf Hilfe galt. Wie im Vatikan mit dieser Flut von verzweifelten Hilfsgesuchen umgegangen wurde, wird in großangelegten Forschungsprojekten noch im Detail zu ermitteln sein; auch das Archiv der Nuntiatur beim italienischen Staat stellt – erschlossen durch das vorliegende Inventar – umfängliches Quellenmaterial dafür bereit. Die gewählte Dichte der Inventarisierung – wiederum eine grandiose Arbeitsleitung – stellt ein Panoptikum der Politik und Diplomatie des Hl. Stuhls (nicht nur) dem Staat Italien gegenüber bereit, das die Forschung in jeder Hinsicht nicht nur unterstützt, sondern auch überhaupt erst zu Fragen anregen kann. Intensive Konsultation dieses Inventars wird künftig Voraussetzung für jeden Archivgang zu den originalen Akten der Nuntiatur sein müssen, und vieles dürfte wohl auch schon allein durch diese Konsultation geklärt werden können. Die Fortsetzung der Inventarisierung für die Nuntiatur Giuseppe Fiettas, 1953–1958, ist bereits in Arbeit.
Thomas Brechenmacher
Fabian Lemmes, Arbeiten in Hitlers Europa. Die Organisation Todt in Frankreich und Italien 1940–1945, Wien-Köln-Weimar (Böhlau Verlag) 2021 (Industrielle Welt 96), 770 S., Abb., ISBN 978-3-412-51390-0, € 90.
Die „Organisation Todt“ (OT) gehört zu jenen Organisationen des nationalsozialistischen Deutschlands, die historisch Interessierten auf eine unbestimmte Art vertraut erscheinen. Aber die militärisch anmutenden Fahnen, Uniformen und Abzeichen der OT täuschen – Fabian Lemmes zeigt in seiner facettenreichen Studie unter anderem, wie sehr ihre Bautätigkeit von Aushandlungsprozessen, der Zusammenarbeit, ja Kollaboration ziviler Bauunternehmen abhing. Die OT war 1938 unter Fritz Todt (1891–1942) eingerichtet worden, um den „Westwall“ zu bauen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges arbeiteten in ganz Europa mehr als 1,5 Millionen Menschen, vor allem Zivil- und Zwangsarbeiter bzw. -arbeiterinnen, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge sowie Hunderte von einheimischen Unternehmen, für die Organisation. Nach Todts Unfalltod 1942 wurde Albert Speer (1905–1981) auch Chef der OT, überließ die Leitung aber Todts Stellvertreter Franz Xaver Dorsch (1899–1986). Fabian Lemmes vergleicht in seiner 2009 am Europäischen Hochschulinstitut Florenz eingereichten und für die Veröffentlichung stark überarbeiteten Diss. die Arbeit der OT in Frankreich und Italien. Zu den bekanntesten Großprojekten in Frankreich zählen die U-Boot-Bunker an der französischen Atlantikküste, die Befestigungsanlagen des „Atlantikwalls“ und ab 1943 Abschussanlagen für V-Waffen. Weit unbekannter ist die Bautätigkeit in Italien: Eine Einsatzgruppe Italien der OT wurde erst nach der Landung der Alliierten auf Sizilien und dem Sturz Mussolinis im August 1943 aufgestellt. In Italien wurden vor allem Stellungen für die sich zurückziehende Wehrmacht errichtet. Die Kriegführung der Wehrmacht auf dem Appenin hing ganz wesentlich von der Verfügbarkeit dieser vorbereiteten Verteidigungsstellungen ab. Lemmes unterteilt die außerhalb des Reichsgebietes Arbeitenden in: 1. OT-eigenes Personal (v. a. Reichsdeutsche) – in Frankreich waren aber 1943/1944 auch einige tausend Niederländer und Flamen Vorarbeiter und übten „Aufsichts- und Bewachungsfunktionen“ aus; 2. „firmeneigenes Personal“ der für die OT arbeitenden Bauunternehmen; 3. die „angeworbenen, dienstverpflichteten oder verschleppten Zivilarbeitskräfte, Kriegsgefangenen und Häftlinge“ (S. 108 f.). Lemmes betont, dass sich die Trennlinie zwischen deutschen und nicht-deutschen Arbeitskräften durch alle drei Gruppen zog. So wurden sowohl in Italien als auch in Frankreich Einheimische beim OT-Schutzkorps als Bewachungskräfte eingestellt. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Angehörigen der dritten Gruppe. Gestützt auf eine breite Auswertung vor allem staatlicher Archive in Deutschland, Frankreich und Italien gelingen Lemmes tiefe Einblicke in die Tätigkeit der OT und ihren Ort im deutschen „Institutionengeflecht“ (S. 222). Der Vergleich ermöglicht das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Unterschieden z. B. bei den Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und ihrer sozialen Zusammensetzung. In Italien war der Anteil des deutschen Personals an der Gesamtstärke der OT deutlich geringer als in Frankreich. Lemmes führt dies darauf zurück, dass die Aufstellung dort zu einem Zeitpunkt stattfand, als insgesamt nur noch wenige Deutsche zur Verfügung standen. Frauen spielten in Italien eine etwas größere Rolle als in Frankreich, blieben aber auch hier „eine seltene Ausnahme“. In beiden Ländern waren Frauen v. a. als Angestellte tätig, wurden in Italien aber in geringem Umfang auch zum Stellungsbau herangezogen. Anders als in Frankreich waren in Italien unter den Beschäftigten der OT viele Freiwillige, die bei der OT „untergetaucht“ waren, um einer Einberufung zur faschistischen Armee oder dem Arbeitseinsatz im Reich zu entgehen. Neben vergleichsweise hohen Löhnen, freier Verpflegung usw. hatte in Italien die OT den Freiwilligen nicht zuletzt die Befreiung vom Wehrdienst in der faschistischen Armee zu bieten. Zwar blieb die Werbung von Freiwilligen für die OT hinter den Erwartungen zurück – ihre Zahlen lagen aber deutlich über denen der Versuche des Generalbeauftragten für den Arbeitseinsatz, Freiwillige für den Arbeitseinsatz im Reich zu gewinnen. In Italien nahmen ab 1943 die gewaltsame Rekrutierung von Arbeitskräften zu: Verschleppungen aus den besetzten Gebieten und den Kampfzonen, Zwangsverpflichtungen in der Nähe von Baustellen und Verhaftungen im Kontext der Partisanenbekämpfung. Lemmes leistet mit seiner Studie einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Bauwirtschaft wie zur Geschichte der Arbeit in beiden Ländern. Am Beispiel der OT gelingt es Lemmes aber auch, die deutsche Herrschaft nicht allein als System von Gewaltmaßnahmen und Zwang, sondern als ein fluides Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Institutionen darzustellen. Hervorzuheben sind das vorbildliche Personen-, Orts- und Sachregister – hierbei handelt es sich leider um keine Selbstverständlichkeit mehr. Ebenfalls keine Selbstverständlichkeit ist, dass Zeithistoriker Französisch und Italienisch beherrschen, Übersetzungen der Langzitate wären daher durchaus wünschenswert.
Florian Altenhöner
Anna Foa/Lucetta Scaraffia, Anime nere. Due donne e due destini nella Roma nazista, Venezia (Marsilio) 2021 (Gli specchi), 198 pp., ISBN 978-88-297-0988-5, € 17.
Le „Anime nere“ sono quelle di Celeste Di Porto ed Elena Hoehn. Entrambe le donne sono al centro di vicende estremamente complesse avvenute nel periodo 1943–1944 a Roma, cioè durante il periodo dell’occupazione nazista. Si tratta di due personaggi completamente diversi, le cui storie si intrecciano nell’immediato dopoguerra. Celeste Di Porto è passata alla storia come la „Pantera Nera“. I suoi genitori erano ebrei che vivevano in via della Reginella, nel cuore dell’antico Ghetto. Nel 1944, dopo essere sfuggita alla razzia del 16 ottobre dell’anno precedente, venne reclutata da una banda di fascisti, al soldo delle SS di via Tasso, specializzata nella denuncia e arresto degli ebrei. Celeste, invaghitasi di uno dei componenti della banda fascista, indicava gli ebrei che venivano poi arrestati e consegnati ai nazisti. Arrestata al momento della liberazione di Roma, era stata rilasciata ed era riuscita a riparare a Napoli. Arrestata nuovamente, venne processata nel 1947 e condannata per collaborazionismo. Elena Hoehn era nata in Germania e si era trasferita in Italia negli anni Venti. Aveva avuto una vita piuttosto anomala per l’epoca. Si era convertita al cattolicesimo e aveva sposato un commerciante, Luigi Alvino, e poi aveva convissuto per alcuni anni con Giuseppe Frignani, un fascista piuttosto importante. Nel 1943 era a Roma, dove era tornata a vivere con il marito. Nel settembre del 1943 Elena nasconde in casa sua il fratello del marito, Giovanni Frignani, un carabiniere attivo nella Resistenza e ricercato dai fascisti anche perché ritenuto responsabile della morte di Ettore Muti. Nel gennaio del 1944 Giovanni Frignani e altri esponenti della Resistenza furono arrestati in casa di Elena, torturati e infine uccisi nell’eccidio delle Fosse Ardeatine. Arrestata nel dopoguerra per sospetto collaborazionismo, Elena fu poi prosciolta. Nel breve periodo passato in carcere, Elena conobbe Celeste Di Porto, e la accompagnò nel processo di conversione al cattolicesimo. Negli anni successivi Elena entrò in contatto con Chiara Lubich e il suo movimento religioso, e si presentò come una eroina della Resistenza, accusata ingiustamente dalla giustizia italiana. Entrambe queste figure di donne, tanto complesse quanto interessanti, sono state al centro di ricostruzioni romanzate e piuttosto improbabili. Le autrici del libro hanno invece analizzato in maniera rigorosamente scientifica gli atti del tribunale relativi alle due donne, ricostruendo i complicati percorsi biografici e le intricate vicende processuali, verificandole passo passo con le carte provenienti da altri archivi. Il risultato è un libro straordinario, che descrive in maniera estremamente vivace quel coacervo di spie, traditori e doppiogiochisti che pullulavano a Roma nel 1943–1944 (e anche dopo). Il volume è un contributo importante per capire la „Roma nazista“ e le strategie di sopravvivenza di donne implicate nella peggiore strage avvenuta a Roma durante l’occupazione.
Amedeo Osti Guerrazzi
Jacopo Calussi, Fascismo repubblicano e violenza. Repressione e governo locale delle federazioni del PFR (1943–1945), Milano (Biblion) 2021 (Studi di storia contemporanea 2), 297 pp., ISBN 978-88-338-3209-8, € 25.
La storiografia sulla violenza fascista ha ormai una lunga e consolidata tradizione. Dagli studi di Lyttelton e Aquarone, della fine degli anni Settanta del secolo scorso, si è arrivati alle pubblicazioni di Toni Rovatti e Roberta Mira, in Italia, e a quelli di Ebner e Reichardt, all’estero. Tra i libri fondamentali bisogna poi ricordare quelli di Dianella Gagliani, Luigi Ganapini e Claudio Pavone, che hanno fornito interpretazioni estremamente importanti della violenza del fascismo repubblicano. Negli ultimi venti anni, inoltre, una ricca produzione di studi locali ha approfondito le dinamiche di molte „bande“, federazioni del Partito e gruppi armati. Il libro di Jacopo Colussi ha il grandissimo pregio di portare a sintesi i lavori precedenti inserendoli in una ricerca su casi locali, per capire le dinamiche della violenza del fascismo repubblicano. Il testo infatti è da una parte una ricostruzione puntuale ed estremamente utile della storia del Partito fascista repubblicano, su cui poco è stato pubblicato, e dall’altra un approfondimento delle vicende di alcune federazioni, che secondo Calussi sono il fulcro dell’attività del PFR, come si legge proprio nelle prime righe: „Il tema fondamentale di questa ricerca è il rapporto esistente tra le federazioni provinciali del Partito fascista repubblicano (Pfr) e le strategie repressive opposto all’antifascismo e all’insieme, invero assolutamente vario, di nemici della Repubblica sociale italiana.“ (p. 9) La Repubblica di Mussolini, infatti, così come il Partito, non riesce mai ad avere un „centro“ stabile e influente. Nonostante l’attivismo del dittatore, infatti, la ricostruzione del fascismo avviene secondo dinamiche locali che spesso non sono controllate dal governo di Salò. Le federazioni hanno quindi una funzione fondamentale, così come i vari „ras“ locali, nella riapertura delle sedi e nella fondazione dei primi fasci. L’autonomia delle federazioni porta a dei percorsi diversi, che sfociano in un flusso costante di violenza fino alla creazione delle Brigate nere e alla nascita del „partito armato“, protagonista indiscusso della guerra civile. Colussi, per approfondire questa tesi, analizza alcune federazioni. Alcune ben conosciute, come quella di Torino, altre meno, come quella di Milano, ed alcune assolutamente ignorate dalla storiografia, come quella di Padova. Ne esce un quadro dove, giustamente, la vecchia distinzione tra „moderati“ e „radicali“, perde completamente di senso. „Come già riportato in numerosi studi sull’argomento, come quello di Legnani, è da criticare il modello interpretativo fatto proprio da molti apologeti della repubblica, relativo a una divisione dei protagonisti della RSI in ‚intransigenti e moderati‘.“ (p. 66) Proprio a questo proposito, il libro di Colussi ha un enorme pregio: non utilizza, se non in casi necessari, la memorialistica dei fascisti repubblicani, superando quindi la tentazione di ricostruire la storia della RSI attraverso le voci dei protagonisti, che hanno se non mentito, almeno univocamente abbellito la loro esperienza. Altro grande pregio è la sapiente utilizzazione della storiografia e l’onestà intellettuale (non scontata) di riconoscere le acquisizioni e le impostazioni di altri studiosi. Infine l’enorme numero di fonti archivistiche, alcune estremamente interessanti e del tutto inedite (come quelle provenienti dagli archivi americani), fanno di questo libro un testo di notevolissima importanza e una base sicura per approfondire ulteriormente l’argomento.
Amedeo Osti Guerrazzi
Giulio Prunai, La sboba. Diario dell’internato militare n. 30067 dall’8 settembre 1943 al 5 settembre 1945, edizione a cura di Maria Prunai Falciani, commento di Nicola Labanca, Firenze (Edizioni Polistampa) 2020, 3 voll., LXXVII, 999 pp., ill., ISBN 978-88-596-2145-4, € 60.
Il ponderoso diario di Giulio Prunai, che consta di ben tre volumi, testimonia l’importanza della diaristica nello studio della storia degli Internati Militari Italiani (IMI). A partire dagli anni Ottanta del secolo scorso, la sezione fiorentina dell’Associazione nazionale ex internati (ANEI) ha spesso contribuito alla pubblicazione di simili opere, ed anche nel caso della testimonianza di Giulio Prunai, l’ANEI si è spesa in tal senso. L’edizione del diario è rispettosa delle indicazioni dell’autore, dettaglio non secondario per un documento di circa 1000 pagine dattiloscritte, che nell’edizione della Polistampa è corredato dal commento di Nicola Labanca (pp. XXXVII–LXXVIII). Nei tre tomi, l’autore, archivista senese, appunta le tappe del suo lungo peregrinare: Tolone (settembre 1943), Trier, Limburg e Deblin (novembre 1943), Wesuwe (marzo 1944), Oberlangen (settembre 1944), Sandbostel e Wietzendorf (novembre 1944), Bergen (aprile 1945) ed ancora Wietzendorf prima del ritorno a Siena (settembre 1945). L’affresco storico disegnato dall’ufficiale di complemento della Marina, catturato l’8 settembre a Tolone, ha un’importanza non irrilevante per molteplici ragioni. La prima risiede nell’aver ristabilito il giusto peso della singola esperienza d’internamento in un discorso sovente condizionato da una retorica che ha privilegiato la dimensione dell’istituzione militare. Il percorso intimo della testimonianza di Giulio Prunai riafferma invece la grande dignità della singola scelta, che negli ufficiali fu certamente testimonianza dei valori antitedeschi più che antifascisti. È lo stesso Giulio Prunai a guidarci nell’analisi delle motivazioni del „no“, non dettate da eventi casuali, e spesso affiancate dal pensiero rivolto ai familiari: „non ho nessuna voglia di soffrire e far soffrire la fame e la miseria a voi per un colpo di testa“ (p. 421). Si tenga presente che Prunai è un conservatore che, conoscendo perfettamente il significato politico della non adesione alla Repubblica sociale italiana, non omette, ed anzi registra, la mutevolezza del comportamento degli IMI difronte alla scelta. Il lettore può facilmente scrutare le oscillazioni attorno alle prospettive dell’adesione, anche in rapporto alla pratica del lavoro obbligatorio durante la „civilizzazione“ che assorbe gli internati nell’economia di guerra del Reich: „Visita ai volontari tessili da parte del padrone di una fabbrica, nel teatro, è una visita vera del negriero, palpa le braccia, tasta, guarda le condizioni e la prestanza fisica.“ (p. 714) Inoltre, il testo aiuta a chiarire molte delle questioni ancor oggi oggetto di discussioni storiografiche. Anche grazie alla natura di un’opera diaristica, cronaca quotidiana dei fatti, troviamo cristallizzati i momenti chiave della transizione giuridica dei militari italiani: „All’adunata della mattina si ha la notizia ufficiale che il Regno d’Italia è in guerra con la Germania da ieri; dovremmo allora essere considerati prigionieri di guerra (Kriegsgefangenen) e non Internierten.“ (p. 45) Immergendoci nella lettura del diario possiamo quindi scansare con maggior sicurezza alcune letture banalizzanti, che hanno teso a ridurre la drammaticità dell’internamento. Sotto questo punto di vista, alcuni corsivi molto significativi sono riservati alla fase dell’estate 1944, quando la prigionia divenne durissima: „Anche stanotte sono stato male; ho sognato un monte di gente morta: mio padre, il mio nonno, la mia nonna, mia suocera, poi che ero nell’orto che è sotto casa mia dove era la mamma di Guzman, egualmente morta.“ (p. 476) Un ulteriore aspetto riguarda le importanti note dedicate al funzionamento delle istituzioni del concentramento. Qui le annotazioni hanno il pregio di restituire l’immagine degradante dei campi, evidente nella sottoalimentazione e nel disprezzo razziale. Giulio Prunai tiene sempre in considerazione il travaglio dei compagni di prigionia, ricercando una sintesi proprio nella sostanziale unitarietà del fenomeno storico dell’internamento, che uccide a livello spirituale prima che nel fisico: „Il pericolo non sono i pidocchi a cui ci possiamo abituare come ci siamo abituati alle pulci ed alle cimici (facilis descensus Averni), a cui del resto gli ufficiali dei reparti di linea sono avvezzi, ma per il tifo petecchiale che possono portare essendo infestatori di topo.“ (p. 620). Come altri ufficiali, l’autore aveva infine compreso gli enormi limiti politici della RSI, definita „sedicente governo repubblicano“. Nell’estate 1944, non a caso, annota l’avvenuta „lettura di un memoriale presentato al comando tedesco; si tratta di una protesta contro il lavoro obbligatorio, molto abile e ben fatta; dice che la qualifica internati non si addice ad ufficiali dell’esercito regio“ (p. 525). Una fotografia nitida che conferma le grandi capacità di lettura di una parte della galassia IMI.
Federico Goddi
Gabriele Nissim, Auschwitz non finisce mai. La memoria della Shoah e i nuovi genocidi, Milano (Rizzoli) 2022 (Saggi), 272 pp., ISBN 978-88-17-16307-1, € 19.
La politica memoriale d’Europa, Israele e Stati Uniti per le vittime delle persecuzioni razziali, la genesi delle parole che la caratterizzano e la relativa interpretazione pubblica sono indagate nella prima parte del saggio quale premessa a una densa riflessione sull’opera del giurista polacco Raphael Lempkin cui l’autore tributa ampio riconoscimento per le straordinarie e precoci intuizioni nel diritto internazionale. Un capitolo dedicato a Spinoza funziona da simbolica cerniera con la seconda parte del saggio in cui è protagonista Lempkin con la sua battaglia per la definizione e la prevenzione dei genocidi. Di particolare rilevanza nel volume è l’indagine sul concetto di unicità della Shoah, concetto che, come l’autore racconta, si genera da due avvenimenti del 1967. Si tratta della Guerra dei sei giorni in Medio Oriente e di un convegno di intellettuali a New York, dove si cercava di definire la missione degli ebrei dopo la catastrofe. Dopo questi due eventi si afferma un procedimento completamente diverso da quello di Primo Levi sulla Shoah che era rivolto a una riflessione sulla condizione umana in generale. Invece di diventare un monito sui meccanismi che possono portare a un genocidio, al destino degli ebrei durante la Seconda guerra mondiale si attribuisce un fine escatologico fino ad arrivare ad una interpretazione religiosa, nelle sue forme più estreme, della Shoah. La missione di Israele, quale luce nel mondo, si sarebbe realizzata, secondo questa visione, in tre catastrofi: con la distruzione dei due templi di Gerusalemme e poi con la Shoah. Per lo storico israeliano Yehuda Bauer però, sottolinea l’autore, tali posizioni impediscono di analizzare la Shoah come fatto storico e aprono la strada a interpretazioni messianiche del sionismo e del futuro dello Stato di Israele. Bauer mette in discussione quell’idea di unicità della Shoah che proietta lo sterminio in una dimensione extrastorica, mentre riporta la riflessione all’interno della categoria dei genocidi. L’unicità implica che sia intervenuto qualche fattore extrastorico, qualche Dio o qualche Satana. Il genocidio degli ebrei fu il prodotto dell’azione umana e quelle azioni furono prodotte da motivazioni umane; propone Bauer pertanto la definizione di evento senza precedenti, non unico. Ulteriori scenari si aprono in questo straordinario saggio lungo i sentieri percorsi da Vasilij Grossman. Consapevole dell’indifferenza nella popolazione russa al genocidio degli ebrei e della censura che dopo la guerra aveva impedito di denunciare ogni forma di collaborazionismo con i nazisti durante i pogrom, Grossman aveva cercato di mostrare il comune valore etico degli uomini, che avevano resistito ai due totalitarismi, e li accomunava nella categoria di „bontà insensata“. Tuttavia, osserva l’autore, analizzare la singolarità della Shoah nella storia è un passaggio fondamentale perché ogni volta, di fronte a nuove atrocità di massa, la comparazione permette di cogliere le differenze e le somiglianze. La riflessione va pertanto indirizzata verso le forme possibili di prevenzione dei genocidi seguendo le premonitrici intuizioni di Lempkin. Egli per primo nel dopoguerra aveva compreso, in nome del ricordo della Shoah, la necessità di un’alleanza internazionale, che ponesse all’umanità intera il tema della repressione e prevenzione di ogni sterminio. Con la forza della sua ostinazione fece approvare dalle Nazioni Unite, nel 1948, la prima legge internazionale contro i genocidi. Come direbbe Spinoza, aveva compreso che una memoria particolare e singolare diventa conatus e potenza se si collega con le altre memorie per la preservazione di tutte le minoranze quando vengono minacciate da nuovi genocidi nel mondo. L’idea fondamentale di tutta l’opera di Lemkin non è stata tanto quella della repressione dei carnefici, ma della prevenzione dei genocidi per il futuro dell’umanità. Nel caso di un potenziale genocidio non è in pericolo una parte sola, ma si tratta di evitare di prosciugare le risorse spirituali dell’intera umanità. Recentemente l’idea di Lempkin di monitorare i discorsi di odio che preparano i genocidi è stata accolta dalle Nazioni Unite, che hanno proposto un sistema di allerta precoce (Early Warning System) per informare il mondo quando ci sono i presupposti di un genocidio. Con tale spirito, l’autore ha fondato, con lo scrittore armeno Pietro Kuciukian, nel 2000 la fondazione Gariwo, acronimo di Gardens of the Righteous Worldwide, per creare un ponte tra la memoria della Shoah e quella del genocidio armeno, per ricordare assieme i giusti per gli ebrei, per gli armeni e per tutti i genocidi. Il concetto di uomo giusto appartiene infatti alla cultura ebraica, alla filosofia greca e occidentale, al patrimonio di altre culture e religioni.
Giovanna Grenga
Olga Sparschuh, Fremde Heimat, fremde Ferne. Italienische Arbeitsemigration in Turin und München 1950–1975, Göttingen (Wallstein) 2021, 718 pp., Ill., ISBN 978-3-8353-5012-0, € 74.
Il volume „Fremde Heimat, fremde Ferne“ di Olga Sparschuh, docente presso la Technische Universität di Monaco, è frutto di un lungo e ampio lavoro di ricerca. La questione teorica da cui prende le mosse è la possibilità di comparare le migrazioni dei lavoratori italiani meridionali nel nord Italia, a Torino, e nella Repubblica Federale, a Monaco, in un quadro sovranazionale europeo. Pur trattandosi nel primo caso di una migrazione interna e nel secondo di una transnazionale, le due esperienze risultano comparabili secondo alcuni punti di vista specifici: il raggio d’azione e le forme dei movimenti migratori – guardando alle interazioni fra città, Stato e Comunità europea; la questione dell’appartenenza ‒ declinata fra identità locali e nazionali; le misure prese dagli attori cittadini (amministrazioni, industrie, organizzazioni ecclesiastiche) ‒ dall’assimilazione all’integrazione, fino all’esclusione e alla segregazione; le possibilità di partecipazione politica e sociale dei lavoratori migranti nel contesto cittadino. Partendo dal rinnovato interesse per la storia delle migrazioni, la monografia cerca di colmare un vuoto, avvicinando la storia dell’integrazione europea, spesso studiata solo „dall’alto“ al piano della storia sociale, guardando agli effetti concreti sul piano economico, sociale e culturale dei regolamenti europei sulla mobilità, calati nella quotidianità dei lavoratori migranti. Muovendosi in un’ottica comparativa e transnazionale, guardando agli scambi, ai transfer e ai parallelismi fra le due esperienze, il volume copre un arco cronologico che va dal 1950 al 1975. Al centro della narrazione sono dunque gli anni del boom economico, suddivisi e articolati in tre fasi: dal 1950 al 1961, con la regolamentazione delle migrazioni; dal 1961 al 1968, con l’introduzione della libertà di circolazione; dal 1968 al 1975, con il nuovo scenario della crisi economica del ’73 e del calo dei flussi migratori. Se a sostenere lo studio dal punto di vista degli attori istituzionali c’è un diversificato apparato di fonti (consultate presso gli archivi di Stato e cittadini di Torino e Monaco, gli archivi di FIAT e BMW, dei sindacati e delle organizzazioni ecclesiastiche), più difficile è avvicinarsi alla prospettiva dei migranti, cosa che l’autrice fa ricorrendo a forme narrative prodotte da essi stessi (lettere inviate ai giornali, libri, interviste dell’epoca), a cui unisce l’analisi delle fonti a stampa. Felice appare la scelta di strutturare il libro seguendo il percorso dei migranti, in tappe (arrivo, lavoro, tempo libero, sistemazione e infine la decisione se restare o spostarsi), che permette all’autrice di presentare i due casi di studio di Torino e Monaco sempre strettamente intrecciati. Il primo capitolo ricostruisce il quadro politico e normativo di controllo e organizzazione dei flussi migratori, intrecciando le disposizioni prese dalle amministrazioni cittadine, l’impatto della regolamentazione europea sulla libera circolazione e gli interessi nazionali di Italia e Germania. Il secondo capitolo, invece, analizza la dialettica fra la realtà migratoria e le sue rappresentazioni, interrogandosi sia sulle percezioni dei lavoratori arrivati nelle città del Nord, sia su quelle delle istituzioni e degli abitanti nei loro confronti. Nella seconda parte del volume, dedicata alla „sfera di vita“, troviamo i capitoli più densi, quelli dedicati al lavoro, al tempo libero, alla questione abitativa, che ci restituiscono un quadro dei principali problemi dei migranti e della loro quotidianità. Nel terzo capitolo si analizzano le politiche e l’atteggiamento di FIAT e BMW verso i lavoratori, e poi le possibilità che loro si aprivano sul piano dei diritti e della partecipazione sindacale, in anni di forte mobilitazione. Nel quarto capitolo, invece, l’attenzione si sposta sull’organizzazione del tempo libero (una novità per i lavoratori che provenivano dal mondo rurale), sulle loro pratiche di consumo e il coinvolgimento politico e associativo, con un bilancio finale che segnala il permanere della distanza fra i lavoratori migranti e i locali. Nell’ultimo capitolo, infine, si ricostruisce la dimensione abitativa dei lavoratori, a cui si lega la loro stabilizzazione nelle città e anche la scelta di restare o trasferirsi, spesso tornando indietro verso i luoghi di origine. Se dalla trattazione sulla „sfera di vita“ si avverte l’assenza della dimensione relazionale e familiare, il volume di Olga Sparschuh si segnala comunque per la sua sistematicità ed esaustività e per la solida costruzione su un ricco apparato di fonti e bibliografico. La scelta di una scala d’osservazione cittadina permette all’autrice di consegnarci veramente un lavoro di storia sociale europea, senza annacquare per questo le differenze fra le due esperienze migratorie, ma trovando una nuova prospettiva di lettura.
Costanza Calabretta
Francescopaolo Palaia, Una democrazia in pericolo. Il lavoro contro il terrorismo (1969–1980), presentazione di Ivano Bosco e Walter Fabiocchi, prefazione di Susanna Camusso, introduzione di Adolfo Pepe, Genova (Il canneto editore) 2019 (Documenta 21), 457 pp., ISBN 978-88-99567-57-6, € 25.
Il libro di Francescopaolo Palaia è frutto della rielaborazione della tesi di dottorato, discussa nel febbraio 2017 all’Università La Sapienza di Roma. L’autore s’inoltra in un campo ormai piuttosto dissodato dalla storiografia: il nesso tra la sinistra „istituzionale“, PCI e Cgil, e la violenza politica nostrana, di destra e di sinistra. Lo fa sulla base di un vasto scavo d’archivio in cui spiccano il fondo della Cgil nazionale e alcuni fondi locali, soprattutto a Milano e Torino, oltre a tanta stampa. Ne esce una ricostruzione ordinata, che conferma nella sostanza lo stato dell’arte non senza mostrare una certa sensibilità embedded suggerita, tra l’altro, dalla prefazione di Susanna Camusso e dall’intervista finale a Carlo Ghezzi, già segretario nazionale della Cgil. Il „Lavoro contro il terrorismo“ emerge dalla ricerca come un palinsesto variegato di punti di vista su come valutare e affrontare la sfida lanciata in particolare dalla violenza „rossa“. Nella cultura comunista ortodossa con l’accusa d’„estremismo“ si era tradizionalmente bollata la risposta di sinistra, ma sbagliata, ai grandi mali della nazione. La „strategia della tensione“ ridiede lustro per qualche tempo alla comune matrice antifascista. Sodalizi occasionali o circoscritti costellarono fino alla metà degli anni Settanta i rapporti con movimenti e gruppi della „nuova sinistra“. Ma il compromesso storico decretò un’irreversibile scelta di campo. Il PCI passava dalla parte delle istituzioni repubblicane sotto minaccia. Riedizione del tripartito DC-PCI-PSI che aveva traghettato l’Italia dalla guerra civile alla Repubblica, questo disegno si riallacciava a un passato vissuto con nostalgia e riproponeva l’immagine del partito come caposaldo dell’ordine repubblicano. Più chiara si faceva la fedeltà istituzionale del partito, maggiore era la divaricazione con quel che si agitava alla propria sinistra. L’autonomia, soprattutto, fu antagonista insidiosissimo. Attingeva alla tradizione operaia ma rifiutava il sacrificio, la fatica, il lavoro. Proprio quando il partito, di fronte alla crisi energetica, lanciava la parola d’ordine dell’austerità. Scongiurare il declino attraverso l’abnegazione. Fino agli anni 1973–1974, la violenza eversiva in Italia fu, per il PCI, un fenomeno da ascrivere alla destra sotto l’etichetta infamante della „provocazione“. Provocare equivaleva a innescare una spirale di conflittualità al ribasso, fuori dalle norme democratiche verso la giungla del ribellismo o del golpismo. Una volta intuita l’esistenza di una violenza di sinistra, il PCI negò filiazioni tra il partito e quel fenomeno proteiforme. Il deflagrare del 1977 portò allo scontro aperto. Di „partito armato“ s’iniziò a leggere su „l’Unità“. Il PCI era descritto come vittima di un complotto in cui lo Stato deviato era ora rimpiazzato dai „rossi“. Quando il 1977 volgeva al termine, la lotta armata appariva finalmente per quel che era: una realtà indipendente che si alimentava di una propria intima linfa distruttrice. Le accuse di squadrismo si mescolarono a inchieste interne nel solco della vocazione pedagogica del partito. Il comunismo filo-repubblicano finì sotto attacco. La morte di Guido Rossa fu punto di svolta della lotta antiterrorista nei ranghi legalitari ma anche prova dell’isolamento cui poteva andare incontro chi ne assumeva fino in fondo i rischi. Se l’intelligence di PCI e Cgil prese a funzionare presto, il meccanismo entrò a pieno regime sul finire dei Settanta quando l’attività di monitoraggio mirò anche ai „compagni“ devianti. Raccolta d’informazioni, addestramento dei quadri per il contrattacco in caso di aggressioni, tentativi d’infiltrare i ranghi nemici. Tutto ciò significò superare prevenzioni antiche contro magistratura e forze dell’ordine, che diventavano ora interlocutori cruciali in nome della vigilanza diffusa. „Gestire in prima persona l’ordine pubblico“ (p. 97) tornava a essere un sogno avverabile.
Roberto Colozza
© 2022 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.
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Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Jahresbericht des DHI Rom 2021
- Themenschwerpunkt Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture. Interdisciplinary Perspectives / Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana. Prospettive interdisciplinari herausgegeben von Riccarda Suitner
- Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana
- Italian Nicodemites amidst Radicals and Antitrinitarians
- Melanchthon and Servet
- Camillo Renato tra stati italiani e Grigioni
- Heterogeneous religion: imperfect or braided?
- La religione sociniana
- Arminiani e sociniani nel Seicento: rifiuto o reinterpretazione del cristianesimo sacrificale?
- Artikel
- Das italienische Notariat und das „Hlotharii capitulare Papiense“ von 832
- I giudici al servizio della corte imperiale nell’Italia delle città (secolo XII)
- Nascita dei Comuni e memoria di Roma: un legame da riscoprire
- Verfehlungen und Strafen
- La nobiltà di Terraferma tra Venezia e le corti europee
- Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641
- Il caso delle prelature personali dei Genovesi nella Roma tardo-barocca
- In the Wings
- Strategie di divulgazione scientifica e nation building nel primo Ottocento
- Una „razza mediterranea“?
- Zur Geschichte der italienisch-faschistischen Division Monterosa im deutsch besetzten Italien 1944–1945
- Forum
- La ricerca sulle fonti e le sue sfide
- Die toskanische Weimar-Fraktion
- Globale Musikgeschichte – der lange Weg
- Tagungen des Instituts
- Il medioevo e l’Italia fascista: al di là della „romanità“/The Middle Ages and Fascist Italy: Beyond „Romanità“
- Making Saints in a Glocal Religion. Practices of Holiness in Early Modern Catholicism
- War and Genocide, Reconstruction and Change. The Global Pontificate of Pius XII, 1939–1958
- The Return of Looted Artefacts since 1945. Post-fascist and post-colonial restitution in comparative perspective
- Circolo Medievistico Romano
- Circolo Medievistico Romano 2021
- Nachruf
- Klaus Voigt (1938–2021)
- Rezensionen
- Leitrezension
- Die Geburt der Politik aus dem Geist des Humanismus
- Sammelrezensionen
- Es geht auch ohne Karl den Großen!
- „Roma capitale“
- Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–20. Jahrhundert
- Verzeichnis der Rezensentinnen und Rezensenten
- Register der in den Rezensionen genannten Autorinnen und Autoren
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- La religione sociniana
- Arminiani e sociniani nel Seicento: rifiuto o reinterpretazione del cristianesimo sacrificale?
- Artikel
- Das italienische Notariat und das „Hlotharii capitulare Papiense“ von 832
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- Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641
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- The Return of Looted Artefacts since 1945. Post-fascist and post-colonial restitution in comparative perspective
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