Home Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641
Article Open Access

Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641

Beiträge zu einer Biographie
  • Rotraud Becker EMAIL logo
Published/Copyright: November 18, 2022

Abstract

In the first half of the 17th century, the image of the imperial embassy in Rome was dominated by the long-standing service of the brothers Paolo and Federico Savelli. In comparison, the period in between, during which Scipione Gonzaga held the office, has left hardly any traces. Yet a closer look at his years of service reveals the political problems of those years and shows the prince of Bozzolo to be a committed diplomat. Furthermore, the circumstances of his life show the envoy’s activity in an unusual context, that of a lower-ranking prince in Imperial Italy who sought to gain stature for the empire in order to maintain the limited power attained by himself and his family, and to improve their overall status by acquiring another ancestral entail that had fallen into other hands. Beyond his personal involvement in the costly office, his brothers and other relatives placed themselves at the service of the empire and also entered a network of influential noble families close to the imperial court through marriage. The Gonzaga reigns in Bozzolo and Mantua ended with the War of the Spanish Succession. However, the social and cultural influence they had accumulated lasted longer. Through their family connections, the relatives of the former imperial envoy contributed to the pervasive adoption of the Italian language and way of life, which had become established among the upper classes of Austria, Bohemia and Hungary and remained dominant throughout the reign of Emperor Leopold I.

1 Die kaiserliche Gesandtschaft in Rom in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Parallel zur Professionalisierung der Außenpolitik veränderten sich im Lauf der Frühen Neuzeit die diplomatischen Gepflogenheiten. An die Stelle nach Bedarf ad hoc gebildeter und beendeter Gesandtschaften traten, von Italien ausgehend, in den europäischen Fürstentümern und Republiken auf Dauer angelegte und behördenmäßig eingerichtete diplomatische Niederlassungen.[1] Das Papsttum mit dem Kirchenstaat stellte hier einen Sonderfall dar. Es entwickelte jedoch mit der Einführung der ständigen Nuntiaturen ein den weltlichen Gesandtschaften entsprechendes System und schuf seit dem frühen 16. Jahrhundert ein funktionales Netz ausländischer Vertretungen, das zuständig war für die Probleme der allmählich fortschreitenden Konfessionalisierung in den Gastländern, für Verhandlungen um außenpolitische Probleme des Kirchenstaats und für die Versorgung der Päpste mit aktuellen Nachrichten.[2] Weniger institutionalisiert war daneben noch im 17. Jahrhundert das Gesandtschaftswesen des Heiligen Römischen Reiches. In Rom gab es zwar residierende kaiserliche Gesandte, aber keine kontinuierlich besetzte und finanzierte Gesandtschaft, und kaiserliche Regierungen verzichteten bisweilen auch über längere Zeit auf eigene Diplomaten.[3] Man konnte sich damit behelfen, dass Einzelaufträge an Sondergesandte oder an in anderer Funktion in Rom tätige Amtsträger erteilt wurden. Erleichtert war dieses ungeregelte Verfahren durch eine Entwicklung im Kardinalskollegium. Es war üblich geworden, dass die Präsentation neugewählter oder nominierter Bischöfe und anderer Prälaten im römischen Konsistorium von einem für das Herkunftsland der Kandidaten zuständigen eigenen Kardinalprotektor vorgenommen wurde. Das Amt finanzierte sich über Gebühren und wurde vom Landesherrn der zu bestätigenden Kandidaten − nicht vom Papst – besetzt. So brachte es mit sich, dass Kardinalprotektoren vielfach überhaupt als nationale Interessenvertreter wahrgenommen wurden und in Rom auch politische Angelegenheiten ihrer Auftraggeber erledigten.[4] Die Kurie fand sich sogar, wenngleich missbilligend, damit ab, dass z. B. Kardinal Giovanni Ludovico Madruzzo, seit 1573 Protector nationis Germanicae, zugleich über viele Jahre kommissarisch das Amt des kaiserlichen Gesandten ausübte.[5] Auch um die Jahreswende 1633/1634 wurde in Wien eine vergleichbare Lösung für Kardinal Peter Pázmány erwogen, die dieser freilich nicht übernahm und die Papst Urban VIII. gewiss nicht akzeptiert hätte.[6] In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden dann aber wieder Kardinalprotektoren als kaiserliche Gesandte über längere Zeit zu einer üblichen Einrichtung.[7]

Es ist bekannt, dass zur Zeit der Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. die Beziehungen des Römisch-Deutschen Reiches zum Papsttum besonderen Belastungen ausgesetzt waren.[8] Das gespannte Verhältnis Papst Urbans VIII. zu den habsburgischen Herrschern machte damit auch die Rolle der kaiserlichen Gesandten in Rom zu einer schwierigen, vielfach von Konflikten belasteten Aufgabe. Über den größten Teil des Zeitraums lag dabei das Amt in den Händen zweier Brüder aus der römischen Adelsfamilie der Savelli.[9]

Paolo Savelli (1571–1632),[10] von 1607 an mit dem Titel Fürst von Albano, hatte zunächst eine militärische Karriere begonnen. Er nahm teil an dem „Langen Türkenkrieg“ Rudolfs II., zu dem Papst Clemens VIII. (1595–1606) in den Jahren 1595, 1597 und noch einmal 1601 Hilfskorps entsandt hatte. Bei dem letzten dieser Feldzüge befehligte er ein aus sechs Kompanien bestehendes Infanterieregiment.[11] Zu Beginn der Regierung Pauls V. (1605–1621) wurde er General von Ferrara, Bologna und der Romagna und 1611 Generalleutnant der päpstlichen Armee, d. h. der eigentliche Kommandant neben einem Nepoten. Zugleich pflegte er aber weiterhin Verbindungen zum Reich. Er unterhielt ein umfangreiches Nachrichtennetz und stand vor allem in Korrespondenz mit dem Hof und der Nuntiatur in Graz und mit Kardinal Dietrichstein in Olmütz. Zur Zeit der heftigen Konflikte um die Thronfolge nach Kaiser Matthias wurde er zum römischen Agenten für den kommenden Kaiser, Erzherzog Ferdinand in Graz, dem er damit schon vor seiner Bestimmung zum Nachfolger Dienste leistete.[12] Von 1620 an war er als kaiserlicher Beauftragter in Rom tätig, führte in diesem Jahr die glanzvolle Obödienzgesandtschaft für Ferdinand II. aus[13] und erwirkte auch, dass der Sieg der Kaiserlichen am Prager Weißen Berg in Rom mit großem Aufwand gefeiert wurde.[14] Er übte danach bis zu seinem Tod am 21. Juli 1632 das Amt des ordentlichen Gesandten in Rom aus. Dass Kardinalnepot Francesco Barberini zur Zeit seiner Todeskrankheit ungeachtet der politischen Spannungen über ihn schreiben lässt, dass er „veramente è buon signore et ha portata con prudenza la sua carica“, muss als erstaunliches Zeichen für den Respekt betrachtet werden, den er sich im Laufe dieses Dienstes erworben hatte.[15] Paolo Savelli scheint in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Gesandter eine so prägende Persönlichkeit gewesen zu sein, dass es in den Augen der Zeitgenossen nur natürlich gewesen wäre, wenn das Amt in seiner Familie erblich geworden wäre. Sein Sohn Bernardino (1604–1668), der schon als Kind Unterricht in deutscher Sprache bekam, rechnete fest damit, die Nachfolge anzutreten,[16] und auch an der Kurie erwartete man dies und hielt es für richtig, den Nuntius in Wien auf die verbreitete Erwartung hinzuweisen. Man warnte sogar vor einem Wechsel und hätte auch eine Aufteilung der Amtsgeschäfte zwischen Bernardino und seinem Onkel Federico gutgeheißen. Eine Entscheidung des Kaiserhofs ohne Rücksicht auf die Savelli sollte Nuntius Rocci dagegen nach Möglichkeit verhindern, indem er sie als Unrecht gegenüber dem Sohn und als Zeichen schnöder Undankbarkeit missbilligte.[17]

Tatsächlich scheint es Ferdinand II. schwergefallen zu sein, sich in der Frage der Wiederbesetzung der Gesandtenstelle zu entscheiden. Er erwog schon seit Jahren, das repräsentative Amt mit einem Diplomaten aus den Erblanden oder aus dem Reich zu besetzen,[18] da er überzeugt war, dass in Rom keine klaren Vorstellungen herrschten von der Kriegslage und vom Ernst der Gefahr, die den Fortbestand der Reichskirche bedrohte. Er musste sich in dieser Annahme bestärkt fühlen, seitdem sich erwies, wie wenig sich der Papst zu besonderen Hilfsleistungen verpflichtet fühlte, obwohl die Armee des schwedischen Königs nach der vernichtenden Niederlage von kaiserlichem Heer und Katholischer Liga in der Schlacht von Breitenfeld ungehindert die fränkischen Bistümer eingenommen hatte und weiter nach Süden vordrang. Während Wallenstein enorme finanzielle Mittel zum Wiederaufbau der kaiserlichen Armee verlangte, hätte vielleicht ein Abgesandter, der die katastrophale Lage aus eigener Erfahrung kannte, die oft und erfolglos vorgebrachten dringenden Bitten um päpstliche Subsidien mit noch mehr Nachdruck übermitteln können.[19] Eine geeignete Persönlichkeit, die das prestigeträchtige, aber auch mit hohen Kosten verbundene Amt des kaiserlichen Gesandten übernommen und die zudem die päpstliche Akkreditierung erhalten hätte, fand sich jedoch nicht.

Der Hof in Wien behalf sich vorerst mit einer Zwischenlösung. Man besann sich auf die Möglichkeit, den Inhaber der Auditorenstelle an der Rota Romana, die traditionell einem Reichsangehörigen zustand, mit der Führung der Geschäfte zu beauftragen. Sie war seit 1628 mit dem aus Lüttich stammenden Kanoniker Cornelius Heinrich Motmans (1589–1638) besetzt, der bereits seit 1615 als Kurialer in Rom lebte und sich als Agent mehrerer Reichsfürsten und auch des Kaisers betätigte.[20] Er sollte danach Federico Savelli unterstützen, der das Amt anschließend kommissarisch führen würde bis zur Bestimmung eines neuen ordentlichen Gesandten.[21]

Federico Savelli, Herzog von Poggio Nativo (ca. 1583–1649),[22] hatte wie sein Bruder Paolo zunächst eine militärische Laufbahn aufgenommen und war an den päpstlichen Hilfskorps, die Clemens VIII. in den „Langen Türkenkrieg“ entsandte, beteiligt. 1608 wurde er wie vor ihm sein Bruder Kommandant der Festungen in Ferrara, Bologna und Ravenna und zur Zeit Gregors XV. (1621–1623) ebenfalls in dessen Nachfolge Generalleutnant der päpstlichen Armee. Im Jahr 1620 wird er zudem, hier als Vorgänger seines Bruders, als rappresentante imperiale erwähnt.[23] Es hat jedoch den Anschein, als habe er in dieser Eigenschaft keine diplomatischen Aufgaben ausgeführt.[24] Urban VIII. (1623–1644) übernahm Federico Savelli in seiner militärischen Funktion; er stand noch in päpstlichem Dienst zur Zeit der Kämpfe um das Veltlin,[25] trat danach aber in kaiserliche Dienste über und übernahm 1628 ein in Norddeutschland eingesetztes Infanterieregiment.[26] Nach der Landung der Schweden war er Kommandant in Vorpommern und Mecklenburg.[27]

Sein militärisches Ansehen erlitt jedoch schweren Schaden, nachdem er am 25. Februar 1631 mit der Festung Demmin kapitulierte – nach Ansicht von Zeitgenossen ohne zwingende Not. Zur Untersuchung des Falls wurde eine kaiserliche Kommission eingesetzt, die aber unter dem Einfluss des Kaisers oder des Fürsten Eggenberg keine Verurteilung aussprach. Doch war offensichtlich geworden, dass Savelli wie in der Armee auch am Hof Widersacher hatte,[28] und er konnte nicht mehr mit wohlwollender Förderung seiner militärischen Laufbahn durch Tilly oder Wallenstein rechnen.[29] Es war in dieser Lage eine für ihn günstige Lösung, dass er von Ferdinand II. im November 1631 damit betraut wurde, in seinem Namen dem Medici-Hof in Florenz zum Tod der Großfürstin-Witwe Maria Magdalena zu kondolieren, und anschließend eine Mission nach Rom auszuführen.[30] Er sollte vor allem versuchen, eine Erhöhung der sehr geringen monatlichen Subventionssumme zu erwirken, die Urban VIII. seit Dezember 1631 für den Krieg im Reich gewährte.[31] Im Januar 1632 erhielt er danach noch seinem Wunsch entsprechend den Titel eines außerordentlichen Gesandten; die Aufgaben wurden insofern modifiziert, als nun der römische Auftrag an die erste Stelle rückte.[32] Statusgemäß wurde Federico Savelli bei seinem Eintreffen in Rom am 20. Februar von den kaiserfreundlichen Kardinälen einige Meilen vor der Stadt feierlich eingeholt[33] und erhielt am folgenden Tag eine erste päpstliche Audienz.[34] Insgesamt verlief der Aufenthalt in Rom jedoch nicht nur erfolglos, sondern überhaupt unglücklich. Der Sondergesandte erhielt nicht nur, wie vorhersehbar gewesen war, Absagen in der Subsidienfrage; es wurde auch das Angebot zurückgezogen, dem Kaiser 500 Rüstungen aus den päpstlichen Beständen zu überlassen.[35] Die Termine seiner Verhandlungen erwiesen sich als denkbar ungünstig für bessere Ergebnisse, denn er war in eine Zeit heftigster Empörung von Papst und Kurie gegen die habsburgischen Mächte geraten, nachdem Kardinal Borja am 8. März versucht hatte, im Konsistorium ein Protestschreiben gegen die frankreichfreundliche Politik Urbans VIII. vorzutragen.[36] Am 18. März hätte Savelli seine Mission beenden können. Er hielt es jedoch für richtig, länger zu bleiben und seine Unterstützung Kardinal Pázmány anzubieten, der am 28. März in Rom eintraf.[37] Damit wurde er auch noch zum Zeugen eines Teils der Begleitumstände, die Pázmánys Gesandtschaft an den Papsthof zu einer Folge heftiger Konflikte und polemischer Angriffe ausarten ließen,[38] und Nuntius Rocci verdächtigte Federico sogleich, in einer das päpstliche Ansehen verletzenden Weise an den Hof in Wien zu berichten, um von den eigenen Misserfolgen abzulenken.[39] Am 17. April trat er die Rückreise an und kehrte am 20. Mai nach Wien zurück.[40]

Trotz dieser ungünstigen Voraussetzungen kam es Federico Savelli gelegen, dass er im selben Jahr erneut mit einer Rommission betraut wurde, da sein Bruder Paolo am 21. Juli starb und er danach schwierige Erbschaftsangelegenheiten zu klären hatte.[41] Vorgesehen war für diese zweite außerordentliche Gesandtschaft, zu der er am 14. November 1632 seinen Einzug hielt, ein Zeitraum bis etwa zum Jahreswechsel, doch zog sich seine Interimsverpflichtung sehr viel länger hin.[42] Dass er, anders als es Paolo Savelli erlebt hatte, an der Kurie nicht mit Respekt oder gar Entgegenkommen rechnen konnte, war von vornherein anzunehmen, nachdem es ihm am päpstlichen Hof sogar schwergemacht wurde, überhaupt zugelassen zu werden.[43] Francesco Barberini zählte die Savelli nun zu den Feinden des Papstes und seines Hauses, als deren Anführer ihm Ludovico Ludovisi galt, sein Vorgänger im Amt des Kardinalnepoten, der auch den Borja-Protest unterstützt hatte.[44] In der Korrespondenz mit den Nuntien in Wien äußert er sich voll Empörung über den Sondergesandten, nachdem eine päpstliche Audienz sowie eine Diskussion mit ihm selbst, bei der es wie immer um erbetene und nicht gewährte Subsidien ging, besonders polemisch verlaufen waren. Die Kontrahenten einigten sich am Ende darauf, über den Verlauf im einzelnen Stillschweigen zu bewahren;[45] der Nepot war aber überhaupt besorgt wegen der Berichte, die Savelli an den Kaiserhof sandte, und wollte von den Nuntien über deren Inhalt informiert werden.[46] Übelgenommen hatte man dem Gesandten schon, dass er in der von Misstrauen zeugenden Frage, warum Urban VIII. im Gottesdienst nach dem Tod König Gustav Adolfs zunächst kein „Te Deum“ gesungen hatte – es wurde später nachgeholt −, nicht die harmlose Erklärung der Kurie vertreten hatte, sondern nach Wien geschrieben hatte, „né so perché“.[47]

In der leidigen Subsidienfrage kam Federico Savelli schließlich doch noch zu Erfolgen, da Urban VIII. 1633 zweimal 50 000 Scudi und 1634 noch einmal 200 000 Scudi gewährte. Er setzte sogar durch, dass die letzte dieser Summen von den Kaiserlichen nicht wie die vorhergegangenen zur Hälfte an die Katholische Liga abgegeben werden musste, sondern dass nach einem günstigeren Schlüssel geteilt wurde.[48] Noch in einer anderen die Beziehungen zwischen Wien und Rom belastenden Frage war er nicht ganz erfolglos. Es kam Bewegung in die Verhandlungen bezüglich der kirchlichen Verhältnisse in dem von Venedig beherrschten Patriarchat Aquileia. Die Regierung in Graz verlangte seit langem dringend eine Veränderung der Verwaltungsstruktur in den Gebieten des Friaul, die Innerösterreich unterstanden.[49] Eine diese Reform vorbereitende Diözesanvisitation war von Venedig bisher strikt verweigert worden; es fanden nun aber lebhafte Verhandlungen statt, in denen nach einer Lösung gesucht wurde, die beide Seiten akzeptieren konnten.[50] Kein Kompromiss zeichnete sich dagegen in dem Konflikt um die dem Haus Barberini überaus wichtige Präfektursache ab. Es ging darum, dem mit dem Titel eines Präfekten von Rom ausgezeichneten Papstnepoten einen Platz im römischen Zeremoniell zu sichern, der eine spektakuläre Standeserhöhung gegenüber den weltlichen Fürsten dargestellt hätte und von diesen, angeführt vom Kaiser, abgelehnt wurde.[51] Es sollte aber wohl einer Besserung der allgemeinen Atmosphäre dienen, dass Savelli sich erbot, in der verfahrenen Situation zwischen Ferdinand II. und den Barberini zu vermitteln.[52]

Federico Savellis diplomatische Funktion wurde vom Kaiserhof im April 1633 ohne nähere Zeitangabe verlängert.[53] Sogleich nach dem Tod Wallensteins und der Übernahme des Oberbefehls über die kaiserliche Armee durch Ferdinand III. zögerte er jedoch nicht, um seine Ablösung zu bitten.[54] Er reiste Ende Mai 1634 von Rom ab und war Anfang August wieder in Wien.[55] Als Grund dafür, dass seine Entsendung nicht in eine ordentliche Gesandtschaft umgewandelt wurde, galt weiterhin der Wunsch des Kaisers, für dieses Amt einen Nationale zu suchen. Es sollte aber sichtlich nicht der Eindruck entstehen, der Einsatz der Savelli sei nicht mehr geschätzt. Als Zeichen dafür erhielt bereits 1632 Paolos Sohn Bernardino Titel und Vorrechte eines Reichsfürsten und die Bestätigung des Dekrets, in dem seinem Vater als Entschädigung für seine Dienste das erste heimfallende Reichslehen in Italien zugesagt worden war.[56] Auch wurde Federico bald nach seiner Rückkehr wieder mit wichtigen Ämtern betraut. Er verbrachte einige Monate am Hof, wo er auch in Kontakt mit der Nuntiatur stand, und erhielt wieder seinem Stand angemessene wichtige Aufgaben im kaiserlichen Heer. Im Januar 1635 übernahm er das Amt des Generalkommissars für die Armee in Böhmen[57] und gehörte der Suite König Ferdinands an, als dieser im Mai 1635 nach Prag aufbrach, um ins Feld zu ziehen.[58]

2 Scipione Gonzaga als Nachfolger Paolo und Federico Savellis

Die Amtsgeschäfte in Rom hatte 1634 wieder Motmans übernommen. In Wien fiel nun jedoch schnell die Entscheidung für die Neubesetzung. Ferdinand II. entschied sich für den Fürsten von Bozzolo, Scipione Gonzaga, und der Geheime Rat stimmte am 12. Juni der Entscheidung zu. Unter dem Datum des 16. Juni wurden Papst und Kardinalnepot von der Ernennung informiert und zugleich Kreditivschreiben und Instruktion für den Gesandten ausgestellt.[59] Über den neuernannten kaiserlichen Gesandten wusste Nuntius Rocci, dass Bozzolo – so wird er in der Nuntiaturkorrespondenz stets genannt – sich dadurch empfohlen habe, dass er in Rom einen geeigneten Palast mit der erforderlichen Ausstattung besitze und nur die Hälfte der Dotierung verlange, die andere Bewerber bei Übernahme des Amts erwarteten.

Der Grund für die Entscheidung, den Ferdinand II. Nuntius Rocci mitteilen ließ, lautete, dass es ihm wichtig sei, einen Repräsentanten in Rom zu wissen, „che non ha altra dependenza che dalla Maestà Sua“,[60] womit wohl angedeutet war, dass Bozzolo in dem Ruf stand, weder den Barberini noch auch den spanischen Diplomaten besonders nahezustehen. Auch der Nuntius fand es richtig, diese Kandidatur zu fördern, da Scipiones letzter Konkurrent, der Fürst von Monaco, als ausgesprochener Favorit der Spanier galt. Rocci hatte im übrigen erfahren, die Ernennung sei als Anerkennung für die militärischen Verdienste gedacht, die der Vater des Prätendenten um das Reich erworben habe, und dafür, dass gegenwärtig drei seiner Brüder als Obersten im kaiserlichen Heer dienten.[61]

Roccis Angaben gehen mit keinem Wort auf Bozzolos Vorbildung, Fähigkeiten oder bisherige Lebensumstände ein. Sie lassen damit den Eindruck entstehen, es habe sich bei ihm um einen auf dem Parkett der europäischen Diplomatie völlig unerfahrenen kleinen Reichsfürsten aus einem Randgebiet der Lombardei gehandelt, zwar verwandt mit der Kaiserin, aber ohne persönliche Verbindung zu ihr, ohne Beziehungen zum päpstlichen Hof, zum römischen Hochadel und zu den politisch und gesellschaftlich führenden Kreisen in Rom und in Wien. Verglichen mit den Savelli scheint auch später seine Persönlichkeit wie auch seine Amtstätigkeit bei den Zeitgenossen wenig Aufsehen erregt und in den historischen Quellen nur geringe Spuren hinterlassen zu haben, so dass die Beobachtung nicht fehlgeht, wonach „la sua ambascieria lascia un ricordo piuttosto sbiadito nelle fonti“.[62] Sogar hinsichtlich seines amtlichen Ranges wird er gelegentlich unterbewertet und als Resident bezeichnet.[63] Zu beachten ist aber auch, dass bisher nur wenige Quellen bekannt sind, die Material zu seiner Biographie enthalten, und dass zudem die in der älteren Literatur auffindbaren Angaben und Beurteilungen ungenau und unzuverlässig sind.

Hier ist vor allem auf das fast noch zeitgenössische Werk von Andrea Penci hinzuweisen, das sich im Wesentlichen mit der Regierung von Gianfrancesco Gonzaga (1646–1703, reg. seit 1672) und dem Ende des Fürstentums befasst.[64] Der Autor behandelt einleitend auch Eltern und Verwandte dieses letzten Fürsten von Bozzolo und damit dessen langjährig regierenden Vater Scipione, den er als alten Mann noch persönlich kannte.[65] Seine Erzählungen sind aber insofern unergiebig, als die Intention des Autors ganz dezidiert dem Ziel gilt, zu erweisen, wie aussichtslos die Bemühungen sind, ein kleines Herrschaftsgebiet gut und erfolgreich zu regieren, und wie unglücklich die Dynastie agierte, für die er und sein Vater tätig waren. Penci betont vor allem Armut und Unfähigkeit der Gonzaga von Bozzolo. Berichtenswert ist ihm einer der Versuche Scipiones, in den Besitz von Sabbioneta zu gelangen; darüber hinaus aber liefert er vor allem wenig schmeichelhafte Anekdoten aus dem Hofleben. Wir erfahren nichts über die Rolle des Fürsten in der Welt der europäischen Politik. Nur kurz wird seine Zeit als Gesandter in Rom erwähnt; seine Beziehungen zum Kaiserhof, zur Hauptlinie des Hauses und zu den benachbarten Fürstentümern werden überhaupt nicht behandelt. Das Werk vermittelt damit ein sehr einseitiges Bild des Dargestellten.

Ein freundlicheres, aber ebenfalls kaum zutreffendes Bild Scipione Gonzagas findet sich bei einem Autor des 19. Jahrhunderts: „Non fu come i suoi antecessori principe avventuriero, non cercò nome illustre nelle guerresche imprese, non cercò fortuna lustrando per le corti di imperatori; principe saggio, amante del vivere riposato e civile, fece più bene egli solo a Bozzolo, che non tutti insieme i suoi antecessori.“[66] Hier ist es die Vorstellung vom zufriedenen, weisen, die große Welt meidenden Provinzfürsten, die den historischen Tatsachen nicht standhält. Dieses Bild scheint aber die Angaben bei Litta beeinflusst zu haben, der richtig die Gesandtenzeit in Rom erwähnt und sogar noch – irrtümlich – hinzufügt, er sei, „ministro plenipotenziario della corte di Vienna alla dieta di Ratisbona“ gewesen. Ungenau ist daneben auch seine Behauptung, Scipione habe sein ganzes übriges Leben in Bozzolo zugebracht.[67]

Eine realitätsnähere Vorstellung von den Lebensumständen Scipione Gonzagas, seiner Motivation zur diplomatischen Tätigkeit und zu seiner Regierung im eigenen Fürstentum lässt sich dagegen gewinnen, wenn sich der Blick auf die weitere Familiengeschichte und auf das erstaunlich weiträumig verbreitete Netzwerk von hochgestellten und einflussreichen Verwandten und Bekannten richtet, das ihn umgibt. Die Einbeziehung dieser Lebenswelt lässt zugleich ein Bild des politischen Umfelds und der zeitbedingten Möglichkeiten und Gefährdungen sichtbar werden, in denen die Inhaber der kleinen Reichslehen in Italien sich zu behaupten suchten.

Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo (1595[68]–1670), stammte aus einer Nebenlinie der Markgrafen (von 1530 an Herzöge) von Mantua, die auf Gianfrancesco Gonzaga (1446–1496), den zweiten Sohn Ludovicos II. (1412–1478), zurückging. Unter den Angehörigen dieses Familienzweiges befand sich Vespasiano Gonzaga (1531–1591), der Sabbioneta zur idealen Renaissance-Stadt und zur Festung ausbaute, und der auch das spätere Fürstentum Bozzolo beherrschte.[69] Scipiones Mutter Isabella Gonzaga (1576–1630) gehörte dem Familienzweig der Grafen von Novellara an.[70]

Ein kaiserliches Privileg von 1433 führte in Mantua das Primogeniturrecht ein und regelte die Versorgung nachgeborener Söhne in der Weise, dass die Zuweisung kleiner Teilgebiete als Herrschaften für sie möglich sein sollte. Ihre volle Souveränität gegenüber dem Gesamthaus war dagegen nicht vorgesehen.[71] Mehrfache Teilungen unter den Nachkommen Gianfrancescos und zugleich Bestrebungen der Fürsten der Hauptlinie, Teilgebiete wieder an sich zu bringen, bewirkten in den folgenden Generationen Besitzstreitigkeiten und bestärkten die Tendenz der Teilfürsten, höhere Adelstitel zu erwerben und ihre Herrschaften zu eigenständigen Reichslehen aufwerten zu lassen.[72] Der Vater Scipiones, Ferrante Gonzaga (Ferdinando, 1550–1605), war gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Giulio Cesare Page am Hof Kaiser Maximilians II. gewesen und stand danach als Offizier in spanischen und kaiserlichen Diensten. Er erwarb sich Ansehen als Fachmann für Festungsbau.[73] 1559 war er noch gemeinsam mit fünf Brüdern mit dem Lehensanteil seines Familienzweigs investiert worden, wobei auch festgehalten wurde, dass jedem von ihnen der Titel Marchese di San Martino zustand.[74] Um 1578 aber war der Lehensbesitz aufgeteilt und an Ferrante fiel ein Anteil, der aus den Orten San Martino dall’Argine und Isola Dovarese im unteren Oglio-Tal bestand. Nach Erbfällen in den Jahren 1591 bis 1593 erweiterte sich sein Besitz noch um Rivarolo di Fuori. Auch er erwarb für seine Besitzungen das Primogeniturrecht, scheint aber im Übrigen keine großen Veränderungen beabsichtigt zu haben.[75] Er verhielt sich damit anders als Giulio Cesare (ca. 1552–1609), der nach kürzerer Militärzeit viele Jahre am Hof Kaiser Rudolfs II. verbrachte und lebenslang nicht nur die vertraute Beziehung zu diesem pflegte, sondern auch dem Vorbild seines Verwandten Vespasiano Gonzaga im nahen Sabbioneta nacheiferte. Er begann, sein Besitztum, das am Po gelegene Pomponesco, als Residenz auszubauen. Als sich sein Herrschaftsbereich bedeutend vergrößert hatte, da er der Haupterbe Vespasianos wurde und nach dessen Tod die Orte Bozzolo und Commessaggio übernehmen konnte, strebte er die Begründung eines eigenständigen Fürstentums an.[76] In der Nachfolge Vespasianos, der planvoll darauf hingewirkt hatte, dass Sabbioneta 1565 zur Markgrafschaft, 1574 zum Fürstentum und 1577 zum eigenständigen Reichslehen und Herzogtum erhoben wurde,[77] erlangte Giulio Cesare im Jahr 1594 ein kaiserliches Dekret, das ihn zum Reichsfürsten ernannte und Pomponesco zur Grafschaft machte. Zugleich wurde sein Gesamtbesitz als Fürstentum anerkannt, das Primogeniturrecht eingeführt und Bozzolo zur Stadt erklärt.[78] Er zog danach nach Bozzolo, richtete dort eine eigene Hofhaltung ein und widmete sich dem bereits von Vespasiano begonnenen Ausbau der Stadt. Die festungsmäßige Erneuerung der Burg und die Errichtung von Stadtmauern und Toren wurden weitergeführt und der Bau einer neuen Residenz begonnen, von der bei Giulio Cesares Tod aber erst die Kapelle fertiggestellt war. Im Ort wurden ein Wochenmarkt eingeführt, ein elementares Schulsystem eingerichtet und eine Manufaktur zur Herstellung von Samt begründet. Außerdem erhielten Juden die Erlaubnis zum Betreiben von Banken. 1599 wurde auch noch die in Pomponesco errichtete Münzstätte nach Bozzolo verlegt.

Nicht Teil des Erbbesitzes, der an Giulio Cesare fiel, war das Herzogtum Sabbioneta. Es sollte, obwohl als kaiserliches Lehen nicht in weiblicher Linie vererbbar, Vespasianos Tochter Isabella (1565–1637) und ihrem Gatten Luigi Carafa di Stigliano zugesprochen werden. Nach schwierigen Verhandlungen kamen die erbberechtigten Brüder der Linie di San Martino überein, Sabbioneta an Luigi Carafa zu verkaufen, der dafür 1592 auch die kaiserliche Investitur erhielt.[79] Teil der vertraglichen Vereinbarungen war, dass den Verkäufern das Rückkaufrecht zustand, falls die Carafa-Linie ohne männliche Erben verblieb.[80]

In seinen späten Jahren prozessierte Giulio Cesare um Sabbioneta vor dem Reichshofrat, erwirkte aber keine Änderung der vereinbarten Lösung.[81] Er starb kinderlos im Jahr 1609. Das Fürstentum Bozzolo fiel an seinen Neffen Scipione, der bereits die Lehen seines Vaters geerbt hatte und damit nun ein im Rahmen der Gonzaga-Teilherrschaften ansehnliches, allerdings nicht zusammenhängendes Gebiet im unteren Tal des Oglio und am Po um Pomponesco in seiner Hand vereinigte.[82] 1615 fiel ihm darüber hinaus das Markesat Ostiano zu, das ein weiterer Bruder seines Vaters hinterließ. Dazu kamen noch die Orte Incisa, Pomaro und Tricerro im Monferrat, die Giulio Cesare 1608 als Lehen des Herzogtums Mantua übernommen hatte.[83] Keinen Anteil hatte Scipione dagegen am Allodialbesitz Giulio Cesares, da dieser testamentarisch seinen Brüdern vermacht worden war.[84]

Im Fürstentum regierte zur Zeit der Minderjährigkeit Scipiones seine Mutter Isabella, eine Schwester des Grafen Camillo II. Gonzaga von Novellara (1581–1650).[85] Sie war dabei ohne Zweifel mit Schwierigkeiten konfrontiert, da – ähnlich wie es nach dem Tod Vespasianos in Sabbioneta der Fall war − Unruhe in der Bevölkerung entstanden war, für die der ungewohnte fürstliche Regierungsstil Giulio Cesares erhöhte Lasten und Steuerforderungen mit sich gebracht hatte. Von ihr sind im Jahr 1610 eingeführte, vermutlich noch von dem Verstorbenen erarbeitete Statuten überliefert, die hauptsächlich als Grundlage einer im Regierungsgebiet einheitlichen Strafjustiz dienen sollten und die Scipione 1617 erneuerte und in den folgenden Jahren um einige Abschnitte erweiterte.[86]

Über Erziehung und Schulbildung des jungen Fürsten ist nichts bekannt. Es erscheint jedoch ausgeschlossen, dass er keine Ausbildung erfahren hat, denn er wird von den Zeitgenossen seiner späteren Lebensphasen nicht als ungebildet beschrieben. Andrea Penci billigt ihm zu, ein gewandter Briefschreiber gewesen zu sein und Interesse an Literatur und Theater gepflegt zu haben.[87] Wir wissen, dass Scipiones Brüder Alfonso und Annibale von ihrer Mutter nach Ingolstadt zum Studium geschickt wurden.[88] Sein Bruder Carlo, der Kleriker wurde, promovierte an der Universität von Salamanca.[89] Ausserdem ist bekannt, dass drei seiner Brüder 1616 Schüler des Collegio dei Nobili in Bologna waren und sich auszeichneten als Mitwirkende an einer großen Feier zu Ehren des im Jahr 1605 seliggesprochenen Luigi Gonzaga di Castiglione.[90] Es ist also kaum anzunehmen, dass der älteste Sohn hinsichtlich seiner Bildung vernachlässigt worden sein könnte.

Im Jahr 1613 erhielt Scipione die Investitur mit dem Fürstentum durch Kaiser Matthias[91] und trat die eigenständige Regierung an. Das Land stand vor besonderen Problemen, da bei den verschiedenen Ansätzen, den schon langjährigen Konflikt zwischen Mantua und Savoyen um Monferrat zu lösen, auch ein Projekt aufkam, das Bozzolo als Tauschobjekt vorsah und die Selbständigkeit des Gebiets beendet hätte.[92] Da Pläne dieser Art stets auch spanische und französische Interessen betrafen, war es ganz unvermeidlich, dass der junge Fürst Erfahrungen gewann im Bereich der Diplomatie, die nicht nur die eigenen Angelegenheiten und die der kleinen Gonzaga-Herrschaften betrafen, sondern zugleich die Italienpolitik der europäischen Mächte berührten. Hinzu kam schon bald der bewaffnete Angriff Herzog Ferdinandos von Mantua auf das Gebiet von Bozzolo, dessen er sich mit Unterstützung des einem anderen Zweig der Gonzaga entstammenden, benachbarten Herzogs Ferrante von Guastalla und der Spanier in Mailand erwehrte. Der Vorgang verschärfte die innerfamiliäre Konfliktsituation zwischen den Gonzaga-Familienzweigen und führte damit bereits auf den Weg des Kriegs, der Jahre später um die Nachfolge im Herzogtum geführt werden sollte.

Die Feindschaft Herzog Ferdinandos (reg. 1612–1626) hatte dabei einen besonderen Hintergrund.[93] Scipiones Mutter hatte 1616 in zweiter Ehe den sehr viel jüngeren Vincenzo von Mantua, den Bruder des Herzogs, geheiratet. Scipione und Isabellas Bruder Alfonso waren bei der Hochzeit in San Martino anwesend.[94] Da weder Ferdinando noch Vincenzo erbberechtigte Söhne hatten, war die Frage der weiteren Nachfolge im Herzogtum bereits ein Thema für Spekulationen und konnte Erwartungen unter Vertretern der Nebenlinien des Hauses nähren.[95] Ferdinando verlangte von Anfang an und mit wechselnden Begründungen von Papst Paul V. die Annullierung dieser Ehe und gewann innerhalb weniger Monate auch den jungen Ehemann für diese Forderung, während Alfonso von Novellara an der Kurie die Verteidigung Isabellas betrieb.[96] Mit einem kanonistischen Gutachten der Sorbonne versuchte sogar Königinmutter Maria de’ Medici Einfluss auf den Papst zu nehmen,[97] der jedoch auf der Gültigkeit der Ehe beharrte. Auch der Pontifikatswechsel zu Gregor XV. (1621–1623) änderte daran nichts. Nach erfolglosen Bemühungen und Intrigen entschloss man sich am Hof in Mantua daher 1621 zu einem neuen Vorstoß: Es wurden Zeugen gesucht und gefunden, die Isabella bezichtigten, den jungen Vincenzo mit Mitteln der Magie verführt zu haben.[98] Ein Inquisitionsgericht in Mantua wurde eingerichtet, um dagegen vorzugehen. Die Fürstin entzog sich der Gefahr, verurteilt zu werden, und zog mit ihrem Sohn Carlo, der Kleriker war, und einer Schutztruppe von 35 Begleitern nach Rom, unterwegs glanzvoll empfangen am Hof von Parma.[99] In Rom hatte Herzog Ferdinando persönlich seinen Obödienzbesuch im Dezember 1621 dazu genutzt, zugleich die päpstliche Zustimmung zur Ehenichtigkeitserklärung für seinen Bruder zu erwirken,[100] und erreicht, dass Gregor XV. beschloss, das Inquisitionsverfahren an sich zu ziehen. Fürstin Isabella wurde in Rom jedoch nicht daran gehindert, bei ihrer Schwester Costanza, der Gemahlin des Asdrubale Mattei, Marchese di Castel Giove (1556–1638), Wohnung zu nehmen.[101] Obwohl Mantua darauf drängte, dass die Fürstin in Haft genommen werden müsse, lebte sie dort zunächst ungestört, juristisch beraten von ihrem Bruder Alfonso und in Fühlung mit politischen Unterstützern wie dem ehemaligen spanischen Gesandten Kardinal Borja oder dem Gesandten von Savoyen, die bezüglich der Zukunft Mantuas und Monferrats ebenfalls Interessen vertraten.[102] Nach Urbans VIII. Thronantritt war die Kurie jedoch sichtlich bemüht, einen Schlussstrich zu ziehen. Die Fürstin wurde verhaftet und in die Engelsburg verbracht. Der Aufenthalt dort war dann von kurzer Dauer, da die belastenden Aussagen der Mantuaner Zeugen das Gericht nicht überzeugten, so dass sie am 5. Januar 1624 aus dem Gefängnis entlassen wurde. Mit Rücksicht auf den Herzog war kein Freispruch gefällt worden, sondern man erließ ein Dekret, das den schweren Vorwurf der Hexerei für unberechtigt erklärte. Die Frage der Eheannullierung war damit freilich nicht gelöst und Isabella lebte weiter zurückgezogen im Palazzo Mattei in Rom, da sie im Umkreis Mantuas ihres Lebens nicht sicher sein konnte. Sie prozessierte nun ihrerseits um Schadenersatz.[103] In der Kongregation der Inquisition war das Rechtsproblem der Ehenichtigkeitserklärungen noch Anlass für theoretische Erörterungen,[104] man traf aber keine Entscheidung.

Mit neuer Heftigkeit bedrängte dann nach dem Tod Herzog Ferdinandos im Jahr 1626 Vincenzo II. die Kurie, seine umstrittene Ehe für ungültig zu erklären. Unterstützt wurde er dabei auch von der Kaiserin, seiner Schwester Eleonora, und von Kaiser Ferdinand II.[105] Wie weit Vincenzos Verbot befolgt wurde, Isabella als Herzogin von Mantua anzuerkennen und anzusprechen, wissen wir nicht; Urban VIII. zeigte ihm jedoch Entgegenkommen, indem er am 3. April 1627 die Rota Romana mit einem erneuten Prozess beauftragte. Nach dem Tod des Herzogs noch im selben Jahr wurden aber keine Verfahren mehr geführt. Isabella kehrte nach Bozzolo zurück und lebte dort im Kloster der Augustinerinnen. Sie starb an der im Jahr 1630 in Oberitalien grassierenden Pest.[106]

Wie weit Scipione persönlich an den Prozessen um seine Mutter beteiligt war, ist nicht bekannt. Wir wissen nur, dass ein Verteidiger Isabellas vor Gericht vorbrachte, der Herzog habe ihn und seine Brüder mehrfach mit dem Tode bedroht und den Ort Bozzolo und seine Bewohner in vielfacher Weise geschädigt.[107] Bezeugt ist, dass Ferdinando 1618 versucht hatte, die mit den Gonzaga verwandte Kaiserin Anna und damit auch Kaiser Matthias in seinen Kampf gegen Scipione hineinzuziehen.[108] Es ist wahrscheinlich, dass dieser zeitweilig in Rom lebte, da er sich später als sehr vertraut mit dem Haus Mattei erwies.

Scipione gehörte zur Zeit der Todeskrankheit Vincenzos II. wie andere Anhänger seiner Mutter, z. B. Ferrante von Guastalla und die Grafen von Novellara, sicher zur Gruppe der Gegner des von Frankreich unterstützten Prätendenten Karl von Nevers, und es ist anzunehmen, dass auch er für Mantua eine Nachfolgelösung bevorzugt hätte, in der die Ansprüche der Gonzaga-Nebenlinien berücksichtigt worden wären.[109] Sein Hauptinteresse scheint aber bereits zu dieser Zeit darauf gerichtet gewesen zu sein, Sabbioneta zu erwerben.[110] Schon sein Onkel und Vorgänger als Fürst von Bozzolo, Giulio Cesare, hatte sich nicht wirklich damit abgefunden, dass dieser mit dem Herzogstitel verbundene, bedeutendste Teil des Erbes nach Vespasiano nicht an ihn gefallen war.[111] Wie nach der Teilung des Erbes geregelt, befand sich Sabbioneta aber seither in der Hand von Vespasianos Tochter Isabella und ihres Gemahls Luigi Carafa di Stigliano. Deren Sohn war inzwischen gestorben und einzige präsumtive Erbin war ihre Enkelin Anna Carafa.[112] Scipione konnte nun davon ausgehen, in naher Zukunft das Rückkaufsrecht seiner Familie zur Geltung bringen zu können, und es lässt auf ein darauf beruhendes Machtbewusstsein schließen, dass er gelegentlich äußerte, er könnte seine Erbanwartschaft auch an Venedig oder Frankreich verkaufen.[113] Als günstiger Weg zur Zusammenführung des ehemaligen Gesamterbes musste ihm aber die Ehe mit Anna Carafa erscheinen, um die er sich nun jahrelang bemühte.[114] Da der künftigen Erbin außer Sabbioneta auch große Besitzungen im Königreich Neapel zufallen mussten, war eine Heirat mit ihr aber un affare di stato und nur mit Zustimmung des spanischen Königs möglich.[115] Außerdem bemühten sich um sie viele Bewerber, darunter so hochstehende Persönlichkeiten wie Giovan Carlo de’ Medici, Bruder des Großherzogs von Toskana,[116] ein Sohn Karls von Nevers[117] und der Papstneffe Taddeo Barberini.[118] Sogar polnische Prinzen zeigten sich interessiert.[119] Nachrichten und Gerüchte zu den Eheprojekten verschiedener Seiten waren Gegenstand vieler diplomatischer Schreiben, entschieden wurde jedoch am spanischen Hof. Anna Carafa heiratete 1637 Ramiro de Guzmán, Herzog von Medina de las Torres, den verwitweten Schwiegersohn des führenden spanischen Politikers Olivares.[120]

Im Krieg um die Erbfolge im Herzogtum Mantua[121] war der Fürst von Bozzolo insofern kurz an Kämpfen beteiligt, als im Frühjahr 1629 Karl von Nevers beabsichtigte, das wegen seiner Festung strategisch wichtige Sabbioneta einzunehmen. Der Versuch Scipiones, es selbst zu besetzen, wurde jedoch vom Festungskommandanten vereitelt, der Militär aus Parma herbeirief, das in den kommenden Jahren als Besatzung dort verblieb.[122] Insgesamt wurde sein Land durch die Kriegshandlungen schwer geschädigt, nachdem im September 1629 spanische Soldaten nach Ostiano vordrangen und den Ort und die Umgebung befestigten, während gleichzeitig im weiteren Tal des Oglio an Verteidigungswerken Karls von Nevers gebaut wurde.[123] Schaden erlitt das Fürstentum auch, weil die Bezahlung für das Brot ausblieb, das man für die Nevers unterstützenden venezianischen Einheiten lieferte.[124] An den Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien, die weitere Kampfhandlungen verhindern sollten, war Scipione im Oktober 1629 erfolgreich beteiligt. Er handelte zusammen mit dem noch in päpstlichem Dienst stehenden Giulio Mazzarini (Mazarin) eine Abmachung aus, die der kaiserlichen Armee die Besetzung eines Vororts von Mantua ermöglichte, und betätigte sich auch weiter als Vermittler.[125] Zum Jahresende 1630 suchte er im besetzten Mantua gemeinsam mit den Landesfürsten von Mirandola, Castiglione und Novellara den kommandoführenden General Aldringen auf, um Empörung über die Belastungen durch die kaiserliche Armee zu zeigen und energisch Abhilfe zu fordern. Er konnte aber nicht verhindern, dass danach zwei Infanterie-Regimenter und 600 Mann Kavallerie in sein Fürstentum eingewiesen wurden.[126] Zuvor schon hatte er in San Martino einen großen Teil der aus Mantua ausgewiesenen Juden übernehmen müssen.[127]

Das Land litt besonders unter den wiederholt verlangten Kontributionen und den Quartierlasten, daneben unter Plünderungen und Pest, so dass Scipione im Frühjahr 1631 in einem dramatischen Brief an Ferdinand II. schrieb, er möge General Aldringen befehlen

„che per soddisfattione delle sue pretensioni, poiché altro non se gli può dare, si pigli tutto il paese a sacco, … purché ritiri poi subbito tutta la gente fuori del suo stato, senza molestare nella vita i poveri sudditi, poiché se bene perderà le sostanze, le resteranno almeno quelle poche reliquie d’anime, che Dio gli ha lasciate per suo sostento dalla peste“.[128]

Er hatte angekündigt, selbst nach Wien reisen zu wollen, um über die elenden Zustände im Kriegsgebiet zu berichten. Dies erledigte dann für ihn sein als Oberst im Reich dienender Bruder Camillo.[129]

3 Beziehungen zum römischen Adel, der Kurie, dem Kaiserhof und Böhmen

Aus den Briefen des Literaten Fulvio Testi (1593–1646), der als Resident des Herzogs von Modena aus Rom berichtete, erfahren wir, dass Scipione in den folgenden Jahren weiterhin sehr um die Heirat mit Anna Carafa di Stigliano bemüht war und darum seinen Wohnsitz nach Rom verlegte.[130] Widerstand ging vor allem von der erwünschten Braut selbst, dem Haus Carafa und den Aldobrandini aus, deren Familie die Mutter Annas angehörte,[131] und auch das Haus d’Este in Modena war auf Seiten seiner Gegner, da die Gemahlin Herzog Francescos I. eine Verwandte der Aldobrandini war.[132] Dagegen begünstigten seinen Antrag die regierende Fürstin Isabella, die wohl wünschte, dass ihr Erbe den Gonzaga verbliebe, und zeitweilig auch das Haus Barberini, das befürchtete, andere Eigentümer würden die Festung Sabbioneta den Spaniern überlassen.[133] Scipiones aussichtsreichster Mitbewerber allerdings war seit etwa 1633 Herzog Medina de las Torres, der als Nachfolger für den amtierenden Vizekönig von Neapel vorgesehen war.[134] Da Kardinal Aldobrandini verächtlich bemerkt hatte, dass der Herzog von Medina als Verwandter von größerem Nutzen sein würde als der Fürst von Bozzolo, und da Anna sich diesem auch standesmäßig überlegen fühlte,[135] musste es Scipione als günstige Gelegenheit erscheinen, dass das Amt des ordentlichen kaiserlichen Gesandten beim Papst seit dem Tod Paolo Savellis vakant war. Die Position des Stellvertreters des obersten weltlichen Herrschers der Christenheit konnte nicht leicht überboten werden. Da in den Augen der Zeit der Gesandte eines Fürsten für diesen nicht einfach Aufträge erfüllte, sondern ihn auch in seinem standesgemäßen Rang und damit in dem ihm gebührenden Zeremoniell repräsentierte, war die mit dem Amt verbundene Statuserhöhung überaus eindrucksvoll.[136] Die hohen Repräsentationskosten, die das anspruchsvolle Amt mit sich bringen würde, glaubte Scipione sich leisten zu können.[137]

Zu der Entscheidung, das Gesandtenamt anzustreben, trug zweifellos noch ein sachlicherer Aspekt bei. Es ging darum, Sabbioneta zu erwerben, auch wenn das Heiratsprojekt sich zerschlug. Nach den Bedingungen des Vertrags, mit dem die Übergabe Sabbionetas an Herzog Vespasianos Tochter Isabella geregelt war, stand Scipione als dem Ältesten der Gonzaga-Linie von San Martino das Recht des Rückkaufs zu, da es keinen männlichen Erben der bereits gebrechlichen alten Fürstin gab.[138] Um seinen Anspruch durchzusetzen, brauchte er aber die Unterstützung des für die italienischen Reichslehen zuständigen Reichshofrats. Es war abzusehen, dass die Carafa-Verwandten sich widersetzen würden und mit spanischer Unterstützung rechnen konnten. Schon in der Krisensituation von 1628 hatte Spanien Interesse daran gezeigt, die starke Festung Sabbioneta zu übernehmen, und es verfolgte dieses Ziel auch weiterhin.[139] Dass ein bestätigter Rechtsanspruch in der gegebenen politischen Lage umgesetzt werden würde, war zwar keineswegs gesichert; doch konnte es für künftige Entwicklungen wichtig sein, die Rechtslage noch einmal zu klären. Scipiones Aussichten in dieser Hinsicht erschienen nicht schlecht, da Ferdinand II. den Einsatz seiner Brüder im gegenwärtigen Krieg achtete und sich der Verbundenheit bewusst war, die viele Mitglieder der Gonzaga-Dynastie in der Vergangenheit seinem Haus bewiesen hatten.[140] Es empfahl sich aber auch, durch Bereitschaft zur Übernahme eines Amts im Dienst des Reiches persönliche Loyalität zu beweisen. Er verhielt sich hier ganz nach dem Vorbild früherer Kleinfürsten seines Hauses, die trotz ähnlich geringer Machtfülle erfolgreich darin gewesen waren, ihre Herrschaften zu stabilisieren und in bescheidenem Umfang auszubauen. Cesare Mozzarelli hat eindringlich ausgeführt, dass Ferrante von Guastalla (reg. 1539–1557) ebenso wie später Vespasiano von Sabbioneta und Francesco von Castiglione (reg. 1593–1616) zielstrebig und erfolgreich daran gearbeitet hatten, durch militärische oder administrative Dienste für das Reich oder Spanien im Kreis der Fürsten Selbständigkeit zu behaupten und im Rang aufzusteigen.[141]

Hinsichtlich der realen Möglichkeit, Sabbioneta zu übernehmen, verdüsterten sich die Erfolgsaussichten in diesen Jahren allerdings, da Parma, das 1632 zum Parteigänger Frankreichs geworden war, vom neuen Bündnispartner die Kosten für die Besetzung Sabbionetas erstattet bekommen wollte und schließlich zugesprochen erhielt. 1635 wurde die Festung überhaupt von französischem Militär übernommen. Im Rahmen der Ausgleichsverhandlungen nach dem Misserfolg des Feldzugs gegen Mailand im folgenden Jahr überließ Parma dann 1637 Sabbioneta einer spanischen Besatzung.[142]

Um das Amt des kaiserlichen Gesandten am Hof Papst Urbans VIII. bewarb sich Scipione – nach dem Kenntnisstand des in Wien amtierenden Nuntius Ciriaco Rocci – mindestens seit September 1633.[143] Er befand sich damit unter hochgestellten Mitbewerbern, da sich auch andere Angehörige fürstlicher Häuser aus Reichsitalien und aus dem Kirchenstaat um die Nachfolge Paolo Savellis bemühten.[144] Auffällig ist, dass seine Kandidatur von Kardinal Dietrichstein unterstützt wurde, der in seinem Empfehlungsschreiben erwähnt, der Fürst von Bozzolo habe sich bereits früher um den Gesandtenposten beworben.[145] Ob es am Hof ein Argument für seine Bewerbung war, dass im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts bereits einmal ein Gonzaga das Amt des kaiserlichen Gesandten in Rom ausgeübt hatte, wissen wir nicht.[146] Möglich ist auch, dass es für den Kaiserhof eine Rolle spielte, dass der Fürst von Bozzolo kein päpstlicher Vasall war. Gegen seine Person erhob die päpstliche Seite keine Einwände, während sie gegen die Zulassung Federico Savellis im Herbst 1632 große Schwierigkeiten vorgebracht hatte.[147]

In Wien hatte man keinen Anlass, sich Sorgen darüber zu machen, dass der neu bestellte Gesandte ein in der führenden Gesellschaftsschicht Roms kaum vernetzter, vom inoffiziellen Nachrichtenfluss ausgeschlossener Fremder sein könnte. Tatsächlich war er mit dem römischen Adel nicht nur über die Mattei verwandtschaftlich verbunden, sondern auch über die Witwe Giulio Cesare Gonzagas, seines Vorgängers als Fürst von Bozzolo. Flaminia Colonna Gonzaga (gest. 1633) stammte aus dem Haus der Colonna di Palestrina und gehörte unbestreitbar dem alten Hochadel an.[148] Wie wichtig die 1587 geschlossene Ehe den Gonzaga erschien, überliefert einer der Brüder Giulio Cesares, der sie als „assai valido aiuto alla difesa del decoro e della perennità della stirpe dei Gonzaga di San Martino“ beschrieb.[149] Flaminias Mutter Clarice de’ conti dell’Anguillara war eine Schwester der Mutter von Paolo und Federico Savelli gewesen. Es verband die Savelli-Brüder mit Giulio Cesare wie auch mit dessen Bruder Ferrante Gonzaga, dass sie als weithin geachtete Fachleute auf dem Gebiet des Festungsbaus galten.[150] Die Ehe blieb kinderlos und Flaminia lebte nach dem Tod ihres Mannes in Rom im alten Palazzo Sciarra am Corso.[151] In besonders engem Verhältnis stand sie zu ihrem Vetter Paolo Savelli und weilte gern in dessen Palast in Albano, wo einige Zimmer für sie eingerichtet waren. Sie förderte in Albano den Bau der Karmeliterkirche S. Maria della Stella und des Kapuzinerklosters SS. Francesco e Bonaventura, für das Paolo Savelli 1618 den Grund gestiftet hatte, und finanzierte allein die zugehörige Kirche. Dort befindet sich ein Altarbild, das sie als Betende im Portrait abbildet.[152]

Zu Flaminia hatte Scipione über die Verwandtschaft hinaus sicher auch eine die Vermögensverhältnisse betreffende Verbindung, da ihr Giulio Cesares Testament ein Nutzungsrecht an seiner Hinterlassenschaft eingeräumt hatte, auch wenn dies vermutlich nur das Erbe seiner Brüder betraf.[153] Wir können außerdem annehmen, dass er über Flaminia Paolo und Federico Savelli kennenlernte und Einblick in deren diplomatische Tätigkeit gewann. Ob sich eine stets freundschaftliche Beziehung mit ihnen ergeben hatte, muss freilich bezweifelt werden. Wir kennen eine besonders ungünstige Einschätzung der Fähigkeiten Scipiones, die als Warnung an den Kaiserhof gerichtet war und von dem ehemaligen Nuntius Paravicini kam, einem langjährigen vertrauten Korrespondenten Paolo Savellis.[154] Auffällig ist auch, dass die vermögende Flaminia 1628 in ihrem Testament die Brüder Savelli zu Erben einsetzte,[155] aber niemand aus der Gonzaga-Familie.

Sehr eng war Scipiones Beziehung zu den Mattei, einer stadtrömischen Adelsfamilie, die im vergangenen Jahrhundert in ihrem sozialen Rang weiter aufgestiegen war.[156] Marchese Asdrubale war nicht nur mit einer Gonzaga verheiratet;[157] sein Bruder Girolamo Mattei (1546–1603) war Kardinal gewesen.[158] Seit 1598 wurde an einem repräsentativen Palazzo im Rione S. Angelo gebaut, in dessen künstlerischer Gestaltung die Gesandtentätigkeit Scipione Gonzagas sogar eine dauerhafte Spur hinterlassen hat.[159] Es ist leicht erkennbar, dass man im Hause Mattei die verwandtschaftliche Nähe zur kaiserlichen Familie sehr ernst nahm und – ganz gegen den Zeitgeist des Barberini-Pontifikats – sichtbar zeigen wollte. Sie hatte sich dadurch ergeben, dass Eleonora Gonzaga, eine Schwester des 1627 verstorbenen Herzogs Vincenzo II., 1622 Kaiserin geworden war. Da die Ehe des Herzogs mit der Mutter Scipiones offiziell nicht annulliert worden war, konnte sich Costanza Mattei nicht nur als Schwester der verwitweten Herzogin von Mantua, sondern zugleich auch der Schwägerin der Gemahlin Ferdinands II. fühlen,[160] und die Übernahme der kaiserlichen Gesandtschaft durch ihren Neffen betonte die Nähe zum Kaiserhaus noch erheblich. Man zeigte stolz die vor kurzem erlangte Standeserhöhung bei der Ausschmückung des neu erbauten Palazzo Mattei, für dessen Galerie Asdrubale nach der Ernennung Scipiones im Jahr 1634 eine Reihe von Portraitbüsten in Auftrag gab, die über antike Herrscher hinaus mittelalterliche und neuere Kaiser bis hin zu Ferdinand II. darstellen. Er änderte nachträglich seine Auswahl noch, um aus den letzten Generationen Maximilian II. und Rudolf II. aufzunehmen.

Ein Zeichen der Parteinahme des Hauses Mattei für die habsburgische Seite konnte man darüber hinaus darin sehen, dass Asdrubales Sohn Luigi seit Jahren in der kaiserlichen Armee kämpfte.[161] Es lässt sich jedoch beobachten, dass es der Familie gelang, ein regelrecht oppositionelles Verhältnis zu den Barberini zu vermeiden. Fulvio Testi bemerkt im Zusammenhang mit der Heiratsangelegenheit Scipiones, Girolamo Mattei, ein Bruder Luigis, diene seinem Vetter Scipione erfolgreich als Mittelsmann – torcimano – zu Francesco Barberini.[162] Als Luigi Mattei nach der Schlacht von Breitenfeld verletzt in Kriegsgefangenschaft ist und ausgelöst werden muss, nimmt sich der Kardinalnepot sogar dieser Notlage an und lässt mehrmals den Nuntius in Wien beauftragen, sich darum zu kümmern.[163]

Wichtig für Scipiones diplomatische Tätigkeit war zweifellos, dass er auch mit Mitgliedern der päpstlichen Kurie verwandt war. Eine gewisse Nähe war schon dadurch gegeben, dass nicht nur dem Haus Mattei ein Kardinal angehört hatte, sondern dass er selbst Neffe eines Kardinals war.[164] Unter seinen Zeitgenossen war Scipione zweifellos mit Alfonso Gonzaga von Novellara besonders vertraut, dem Bruder seiner Mutter, der ihre Verteidigung übernommen hatte und nun in Rom lebte.[165] Nur weitläufig verwandt war er zwar mit Gasparo Mattei, dem Nuntius in Wien in den Jahren 1639–1644, da dieser aus der Linie der Mattei di Paganica stammte.[166] Doch standen ihm ein anderer Kurienprälat und sogar mehrere weitere Kardinäle über die Familie Mattei nahe: Paolo Mattei (gest. 1638), Sohn aus erster Ehe des Marchese Asdrubale, war Governatore in mehreren Städten des Kirchenstaats gewesen und war seit 1630 Kammerkleriker.[167] Eine Tochter von Asdrubale und Costanza Mattei, Eleonora, war zunächst mit einem Neffen Kardinal Guido Bentivoglios, dann mit einem Bruder Kardinal Carlo Pios di Savoia verheiratet, der seinerseits gute Beziehungen hatte zu einem der spanischen Kardinäle, Alonso de la Cueva, Marqués de Bedmar.[168] Die Kardinäle mit ihren Familiaren zählten damit zum engen Bekanntenkreis des kaiserlichen Gesandten und wurden in Rom als seine Unterstützer betrachtet.[169] Verschwägert war Scipione daneben auch noch mit einem der einflussreichsten Berater Francesco Barberinis, Kardinal Francesco Guidi di Bagno, dessen Bruder Niccolò mit einer Gonzaga verheiratet war und der Scipione sogar als seinen Freund bezeichnete.[170]

An dem hier erkennbaren Verwandten- und Freundesnetzwerk ist auffällig, dass die Mitglieder durchaus nicht eine gemeinsame Richtung verfolgten, soweit es ihre Haltung in dem aktuellen europäischen Machtkampf betraf. Die Kardinäle Bentivoglio und Guidi di Bagno, beide ehemalige Nuntien in Frankreich, waren seit vielen Jahren überzeugte und zuverlässige Vertreter französischer Interessen am Hof des Papstes. Allerdings ist zu beobachten, dass beide aus unterschiedlichen Gründen in der Mitte der 30er Jahre nicht mehr ganz vorbehaltlos die Politik Richelieus unterstützten: Guidi di Bagno suchte Anhänger auch auf spanisch-kaiserlicher Seite, um als Papstkandidat in einem zu erwartenden Konklave nicht sofort mit der Exclusive rechnen zu müssen,[171] und Bentivoglio hatte Anlass, enttäuscht zu sein, da ihm zugemutet wurde, das finanziell ergiebige Amt des Kardinal-Komprotektors für Frankreich, das er seit 1621 innehatte, an den jüngeren und als mächtiger eingeschätzten Kardinal Antonio Barberini abzugeben.[172]

Zum Kaiserhof hatte der Fürst von Bozzolo eine besondere Beziehung durch seine Verwandtschaft zur Kaiserin, die nicht nur wie er aus dem Hause Gonzaga stammte, sondern durch die zweite Heirat seiner Mutter deren Schwägerin geworden war. Ein verbindendes Element war hier zudem gegeben durch den von allen Zweigen der Dynastie getragenen starken Wunsch nach Heiligsprechung des 1591 an der Pest gestorbenen Jesuiten Luigi Gonzaga.[173] Dass Kaiserin Eleonora (1598–1655) Scipione persönlich kannte, ist jedoch nicht als sicher anzunehmen. Sie verbrachte ihre Jugend nicht am Hof in Mantua, sondern wie andere Prinzessinnen ihres Hauses im Kloster S. Orsola.[174] Nach 1616, zur Zeit der Konflikte um die von den Herzögen vehement verlangte Auflösung der genannten Ehe, ist zudem kaum damit zu rechnen, dass Scipione am dortigen Hof verkehrte. Besonders herzliche Beziehungen können auch in dem folgenden Jahrzehnt kaum entstanden sein, da Eleonora in der Ehesache für ihre Brüder Partei ergriff und sogar den Kaiser in dieser Weise beeinflusste. Auf ein schließlich doch entspanntes Verhältnis weist erst eine Nachricht aus dem Jahr 1649 hin, die vermerkt, dass Scipione der Kaiserinwitwe über Kardinal Harrach einen französischen Jagdhund überbringen ließ.[175]

Zur Zeit des Kriegs um Mantua hatte Scipione zweifellos mit dem kaiserlichen Kommissar Johann Graf von Nassau-Siegen und mit Offizieren der kaiserlichen Armee persönlich zu tun gehabt. Es wird auch berichtet, die Generäle Gallas (Galasso) und Aldringen, die im Februar 1630 in Gazzuolo zwei Schwestern aus dem Haus d’Arco heirateten, haben ihr Hochzeitsfest in Bozzolo gefeiert;[176] doch ist kaum anzunehmen, dass die Gelegenheiten dazu angetan waren, freundschaftliche Beziehungen entstehen zu lassen.

Er hatte jedoch enge Verbindungen ins Reich durch seine Brüder, die im kaiserlichen Heer wichtige Stellungen einnahmen. Jeder von ihnen hatte 1633 nicht nur ein eigenes Regiment.[177] Luigi gehörte dem Kreis der führenden Offiziere an, die Wallenstein im Januar 1634 nach Pilsen befohlen hatte, um sie besonders auf sich zu verpflichten.[178] Von Annibale wissen wir, dass er der Bote war, den Ferdinand III. am 6. September 1634 direkt vom Schlachtfeld bei Nördlingen aus absandte, um dem Kaiser die Nachricht von dem Sieg über die Schweden zu überbringen:[179] Er gehörte also wohl dem Stab des Königs von Ungarn an.

Eine nahe verwandtschaftliche Beziehung bestand daneben zu einer Nichte von Scipiones Mutter, Tecla Lavinia Gonzaga di Novellara (1607–1639), einer Tochter des regierenden Grafen Camillo II. Vermutlich war sie im Gefolge der Kaiserin 1622 an den Wiener Hof gekommen. Herzog Vincenzo II. in Mantua verdächtigte sie, in seiner Eheangelegenheit einen seine Interessen sabotierenden Einfluss auszuüben.[180] 1628 heiratete sie Wratislaw von Fürstenberg (1584–1631), der nach militärischer und diplomatischer Karriere seit 1623 Präsident des Reichshofrats war.[181] Nach dem Tod Fürstenbergs lebte sie in Prag und vermählte sich in zweiter Ehe 1635 mit Otto Friedrich Graf von Harrach (1610–1639), einem Bruder Kardinal-Erzbischof Ernst Adalbert von Harrachs (1598–1667), der ihr nahestand und dann auch Vormund ihrer Kinder wurde.[182] Scipione und der Kardinal kamen häufig zusammen während Harrachs langem Rom-Aufenthalt im Jahr 1637. Nach dem frühen Tod der Cousine bzw. Schwägerin ließen sie die Verbindung nicht abreißen. Der Kardinal bekam von Scipione Medizin zugesandt,[183] versorgte diesen durch seine Tagzettel mit Nachrichten[184] und notierte in seinen Diarien die Familienereignisse aus Bozzolo.

Verwandte im böhmischen Adel, aber auch unter deutschen Reichsfürsten gewann Scipione weiterhin durch seinen Bruder Annibale. Dieser heiratete 1634 Hedwig Marie von Sachsen-Lauenburg (1597–1644), eine Hofdame der Kaiserin.[185] Ihr bei der Hochzeit in Wien anwesender Bruder, Herzog Julius Heinrich (1586–1665, reg. 1656), war ebenfalls kaiserlicher Oberst gewesen, hatte aber auch großen Gutsbesitz in Böhmen erworben und war durch die Ehe mit einer Fürstin aus dem Haus Lobkowitz mit vielen großen Familien verwandt.[186] Seine Brüder waren in militärischen und diplomatischen Funktionen nicht nur auf kaiserlicher, sondern auch auf schwedischer, sächsischer und französischer Seite tätig.[187] Für die Gonzaga ergab sich so eine sehr weitgestreute, teils auch protestantische Verwandtschaft.

Ob Kardinal Dietrichstein (1570–1636) besondere Gründe dafür hatte, den Fürsten von Bozzolo als Gesandten in Rom zu empfehlen, wissen wir nicht.[188] Er war 1623 nach der Papstwahl Urbans VIII. einige Monate in Rom gewesen[189] und kann ihn – seit Jahrzehnten gut bekannt mit Paolo Savelli[190] – über diesen kennengelernt haben. Denkbar ist zudem, dass Savelli Bozzolo in seiner Korrespondenz mit dem Kardinal empfahl.[191] Zugleich ist aber auch auffällig, dass im Umkreis von Olmütz zu Dietrichsteins Zeit überhaupt mit besonders lebhaftem Nachrichtenaustausch zu rechnen ist, da hier eine ganze Reihe von Personen tätig waren, die als politische Agenten oder Informanten von Diplomaten bekannt sind.

Es sind vor allem Domherrn, die, sichtlich selten residierend, weiträumig Nachrichten verbreiteten und selbst diplomatische Missionen ausführten. Unter ihnen kennen wir Ludovico Ridolfi (1587–1649), der für Kaiser Matthias als Agent in Rom tätig war und später im Dienst Ludovico Ludovisis stand. Er hätte 1634 gern seine frühere Tätigkeit wieder aufgenommen. Sein Name war kurz vor der Entscheidung für Scipione Gonzaga im Gespräch, als in Wien erwogen wurde, Kardinal Pázmány zum Gesandten zu ernennen und diesem Ridolfi als Residenten zur Seite zu stellen.[192] Noch vielfältigere diplomatische Erfahrung hatte Sebastian Lustrier von Liebenstein († 1659) erworben, der von 1623 bis 1629 als Resident und Sekretär kaiserlicher Gesandten in Konstantinopel tätig war.[193] Er war dort auch an den Verhandlungen mit dem amtierenden Patriarchen Lukaris beteiligt, die klären sollten, ob dieser ernsthaft dem Kalvinismus zuneigte. Bevor er zurückkehrte, reiste er sogar noch nach Jerusalem. 1634/1635 war er als Sondergesandter Ferdinands II. in Paris, um in der dem offenen Kriegsausbruch nahen Krise Möglichkeiten für Friedensgespräche mit König Ludwig XIII. zu eruieren.[194] Im Jahr 1636 machte er die Ad-limina-Reise für Kardinal Dietrichstein und hätte danach gern die Vertretung des kaiserlichen Gesandten übernommen, falls Scipione, wie er es wünschte, die Erlaubnis erhalten hätte, nach Wien zu kommen, um sich persönlich um die Sabbioneta-Sache zu kümmern.[195] Politische Aufgaben in kleinerem Rahmen erfüllte neben ihm ferner Claudio Sorina (1580–1657), der bereits 1613 im Dienst der Herzöge von Mantua stand, 1614 als Resident an den Kaiserhof kam und um 1628 auch für die Nuntiatur tätig war.[196] Als ständiger Berichterstatter diente er nicht nur dem Hof in Mantua, sondern belieferte auch Paolo Savelli. In der Zeit vor dem Ausbruch des Kriegs um Mantua war er – in offenem Gegensatz zur päpstlichen Politik – sehr engagiert darum bemüht, Unterstützung für die Erbfolge der Herzöge von Guastalla gegen Karl von Nevers aufzubieten.[197] Um 1631[198] und wiederum 1652–1655 war er Generalvikar des Bistums Olmütz.

Im Zusammenhang mit der kaiserlichen Gesandtschaft in Rom ist schließlich von besonderem Interesse, dass auch Giovanni Pietro Petrucci (Pierucci, † 1678),[199] der dem Fürsten von Bozzolo als Agent in Wien diente, Domkanoniker in Olmütz war. Er stand um 1627 in lebhafter Korrespondenz mit den Herzögen von Guastalla und profilierte sich ähnlich wie Sorina als Gegner Karls von Nevers.[200] Es ist denkbar, dass er dadurch in Kontakt mit Scipione Gonzaga kam.[201] Dessen Ernennung zum Gesandten war nach Ansicht des Nuntius sogar zum guten Teil Verdienst Petruccis.[202] Er lebte in Wien im Haus des österreichischen Hofkanzlers Graf Verda von Werdenberg und beantragte für den neuen Gesandten sogleich auch die Ernennung zum Consiliarius intimus et Camerarius.[203] Er war noch 1638 in Bozzolos Angelegenheiten tätig,[204] arbeitete daneben aber auch mit der Nuntiatur zusammen und belieferte sie mit Nachrichten, so dass Nuntius Baglioni (1634–1639) ihn ebenfalls für seinen Freund hält. Zugleich korrespondierte Petrucci auch unabhängig vom Nuntius mit dem Kardinalnepoten und hielt dies geheim.[205] Er wurde 1635 zum apostolischen Pronotar ernannt[206] und scheint in späteren Jahren überhaupt in den Dienst der Nuntiatur getreten zu sein. Unter den Nuntien Melzi (1644–1652) und Pannochieschi (1652–1658) amtiert er zunächst als Cancellarius (Nuntiatursekretär) und schließlich als Auditor.[207] 1664 wurde er Generalvikar in Olmütz.

4 Verlauf der Gesandtschaft

Nachdem Bozzolo durch Petrucci seine Ernennung erfahren hatte und die entsprechenden Papiere − Amtsübertragung, Kreditivschreiben und Instruktion − am 29. Juli 1634 eingetroffen waren,[208] blieb ihm nur wenig Zeit, sich in die laufenden Probleme der kaiserlichen Gesandtschaft einzuarbeiten. Unangenehm war seine Situation in Rom zudem wegen eines Zwischenfalls, der sich in der Woche vor dem 14. Juni ereignet hatte, als ihn auf einer engen Gasse Fulvio Testi in provozierender Weise zum Anhalten der Kutsche gezwungen hatte. Es war ein Vorfall, wie er im römischen Straßenverkehr häufig vorkam, da auch in dieser Form − vor Publikum – umstrittene Präzedenzrechte erkämpft oder verweigert werden konnten.[209] In der Tat ging es auch Testi nicht nur darum, Bozzolo persönlich zu desavouieren; er versuchte, die Sache zu einem Skandal aufzubauschen, in dem auch der Kardinalnepot Partei ergreifen musste. Er versuchte, den Herzog von Modena zu veranlassen, zu verlangen, dass ein Vortrittsrecht seines Residenten vor mindermächtigen Fürsten festgeschrieben würde.[210] Nach Scipiones Amtsantritt als Gesandter verschwindet das Thema aus Testis Korrespondenz, doch äußert Testi sich so, als sei dem Kaiserhof bei dieser Personalentscheidung ein Irrtum unterlaufen: Die Ernennung sei nur zustande gekommen, weil der die Ablehnung überbringende Kurier aus Spanien nicht rechtzeitig eingetroffen war.[211] Zur Haltung der spanischen Diplomaten in Rom schreibt er am 5. Juli nach Modena: „Il disgusto che hanno ricevuti gli Spagnoli per la carica conferita a questo signore da Sua Maestà Cesarea comincia a farsi publico, et essi apertamente si dichiarano non solo d’avere in lui poca confidenza, ma di stimarlo inabile e d’averlo in concetto di superbo e di vano et insieme di poco petto.“[212]

Die entschiedene Ablehnung, die die spanischen Diplomaten und ihre Parteigänger – mit Ausnahme des Außenseiters Kardinal de la Cueva – dem neuen Gesandten entgegenbrachten, war nicht nur Ergebnis der Konfliktsituation um Sabbioneta, sondern beruhte vor allem darauf, dass ihnen als Vertreter des Kaisers in Rom in der spannungsbelasteten Beziehung zu Urban VIII. ein aggressiv auftretender Mitstreiter wie Kardinal Pázmány geeigneter erschienen wäre.[213] Ob für Bozzolo damit die Aufnahme der Amtstätigkeit erschwert war, ist nicht einfach zu beurteilen. Es ist denkbar, dass ihm die Abneigung der Spanier in den Augen der Kurienmitarbeiter sogar zum Vorteil gereichte. Wenig Schaden brachte ihm vermutlich auch das schlechte Verhältnis zu Kardinal Aldobrandini ein, der nicht nur sein Gegner im Rechtsstreit um Sabbioneta war, sondern zu weiterer Abneigung Anlass hatte, weil zwei seiner Brüder sich erfolglos um das Gesandtenamt beworben hatten.[214] Aldobrandini war ein zuverlässiger Anhänger der kaiserlichen Seite und erreichte im Jahr 1635 seine Bestellung zum Kardinal-Protektor für die Österreichischen Erblande;[215] er hatte aber die Gunst des Barberini-Hofes verloren, weil er als Gesinnungsgenosse Borjas bei dem Eklat im Konsistorium vom 8. März 1632 galt.[216]

Die feierliche Antrittsaudienz war erst für den 26. November anberaumt,[217] doch war Bozzolo gezwungen, sogleich nach Erhalt der Ernennung seine Tätigkeit aufzunehmen. Er berichtet schon am 4. August von einer Audienz beim Papst, einer Verhandlung mit dem Kardinal-Nepoten und von Visiten bei anderen Kardinälen.[218] Er fand sich sofort mit einer unerwarteten Situation konfrontiert, da in den ersten Augusttagen in Rom ein Abgesandter Philipp von Söterns, des Kurfürst-Erzbischofs von Trier, eingetroffen war, der, unterstützt von den frankreichfreundlichen Kreisen der Kurie, brisante Aufträge ausführen sollte. Er hatte das Bündnis Söterns mit Frankreich zu rechtfertigen und aus der Sicht seines Herrn die schweren Konflikte in den Stiftskapiteln in Trier und Speyer zu schildern, wo eine Reihe einflussreicher Domherren dagegen appellierten, dass Sötern sie abgesetzt und enteignet hatte. Zudem sollte er die päpstliche Billigung dafür erwirken, dass Sötern Kardinal Richelieu zu seinem Koadjutor in Speyer postulieren ließ, so dass dieser demnächst als Fürstbischof im Reich hätte auftreten können.[219] Missgünstige Zeitgenossen wie Fulvio Testi sahen bereits voll Schadenfreude voraus, wie der unerfahrene kaiserliche Gesandte sich als unfähig erweisen würde, dem etwas entgegenzusetzen.[220] Die Lage entspannte sich jedoch in den folgenden Monaten, da der Papst nicht bereit war, in der Sache schnelle Entscheidungen zu treffen.

Als Mitarbeiter in der Gesandtschaft scheint Scipione seinen als sehr kompetent beschriebenen Sekretär Domenico Penci (1595–1670) aus dem heimischen Fürstentum mitgebracht zu haben, einen gebildeten Juristen aus Rivarolo Mantovano (damals: Rivarolo Fuori), der seit 1625 für ihn tätig war. Er wirkte auch an den Sabbioneta betreffenden Verhandlungen mit und führte die Akten. Nach Bozzolos Rücktritt von der Gesandtschaft soll er noch zwei Jahre in Wien tätig gewesen sein, um sich weiterhin darum zu bemühen, dass der Kaiserhof in der Zuweisung von Sabbioneta an Bozzolo tätig würde.[221]

Als ungünstig für das Arbeitsklima erwies sich dagegen bald, dass man in Wien davon ausgegangen war, der neue Gesandte und der amtserfahrene Motmans könnten die Geschäfte gemeinsam führen.[222] Noch vor dem Dienstantritt Bozzolos hatte der Papst Nuntius Rocci wissen lassen, er wolle, da nun bald ein Gesandter im Amt sei, nicht auch noch einen kaiserlichen Agenten zu regelmäßigen Audienzen empfangen. Der Nuntius scheint dies dem am Hof vielbeschäftigten Bischof von Wien auch mitgeteilt zu haben; die Nachricht wurde jedoch nicht beachtet; die Aufträge wurden gewohnheitsmäßig an beide Diplomaten gerichtet.[223] Motmans fand sich nicht einfach mit dieser Änderung ab, sondern wies an der Kurie − zunächst vergeblich − darauf hin, dass er auch für andere Fürsten tätig sei, z. B. für den König von Ungarn und den Erzbischof von Mainz, und dass er davon finanziell abhängig sei.[224] Für eine Übergangszeit wurde danach gewährt, dass er Bozzolo bei seinen Audienzen begleitete. Bald jedoch nahm Urban VIII. diese Erlaubnis zurück und ließ Motmans doch wieder als selbständigen Agenten zu Audienzen zu.[225] Damit aber konnte sich Bozzolo im Lauf der Zeit nur schwer abfinden, da er sich so in seiner Autorität beeinträchtigt und regelrecht sabotiert fühlte: Er beklagte, dass Motmans immer unmittelbar nach ihm zum Papst gehe, so als müsse er Bozzolos Verhandlungen ergänzen, und dass er Sachen der kaiserlichen Gesandtschaft vortrage, die außerhalb seines Aufgabengebiets lägen. Er teile Urban VIII. Briefe und Avvisi mit, bevor Bozzolo sie gesehen habe, und habe auch schon Verhandlungsgegenstände, die Bozzolo vorbringen musste, dem Papst im voraus mitgeteilt, so dass dieser nicht unvorbereitet war und nicht, wie er es sonst tat, spontan antwortete. Außerdem spreche Motmans schlecht über Bozzolos Amtsführung und Lebensweise und verweigere ihm Einblick in die Akten von Streitigkeiten, in denen der Kaiser eine gerichtliche Klärung anstrebe, Motmans aber als Agent einer Konfliktpartei agiere. – Tatsächlich äußerte Motmans sich auch in seinen Berichten an den Kaiserhof abträglich über Bozzolo. Im Zusammenhang mit den schwierigen Verhandlungen, in denen Kardinal Harrach römischen Rückhalt für seine Auseinandersetzungen mit den Prager Jesuiten suchte, kritisiert er Bozzolos Berichterstattung und säht Zweifel an dessen Kompetenz.[226] Das Verhältnis war schließlich so gestört, dass der Gesandte an Resignation dachte und der Kaiser Motmans abberief.[227]

Von Anfang an wurde es Bozzolo an der Kurie schwer gemacht, Gehör zu finden – seine Anträge auf Gewährung außerordentlicher Audienzen anlässlich der Aktivitäten, die der Abgesandte Söterns in Rom betrieb, wurden mehrfach abgelehnt.[228] Kardinalnepot Barberini gab sich zwar zugänglicher und ließ sich auf Verhandlungen ein, bemerkt aber unzufrieden: „Sua Eccellenza non mostra di dover caminare con le maniere del principe Savelli.“ Den Nuntius in Wien lässt er verbreiten, Bozzolo verstehe die behördenmäßigen Abläufe im Amtsbetrieb der Kurie nicht. Er habe Wissenslücken erkennen lassen und zeige in der Trierer Sache unangebrachten Übereifer.[229]

Geringe Achtung für seine Person und zugleich für die kaiserliche Würde, die er repräsentierte, musste Bozzolo auch insofern hinnehmen, als ihm der Connestabile Colonna[230] und seine Söhne auf den Straßen Roms nicht, wie es die üblichen Präzedenzregeln erforderten, die Vorfahrt gewährten. Da sie Verwandte des Hauses Barberini waren − der Connestabile war der Schwiegervater Taddeo Barberinis −, war ihr Verhalten besonders provozierend, und Bozzolo berichtet darüber an den Kaiserhof um zu fragen, wie er sich dazu verhalten solle.[231] Dort wurde die Sache sichtlich ernst genommen: Ferdinand II. richtete ein eigenes Schreiben an Urban VIII. und ließ Bischof Wolfradt von Wien mit dem Nuntius sprechen.[232] Ein größerer Skandal wurde aber vermieden. Man konnte sich darauf einigen, dass der streitbare Connestabile schwer zu beeinflussen sei, oder, wie es in Bozzolos Brief fast entschuldigend über die Barberini heißt, „non hanno ardire di frenare i capricci di esso contestabile“.

Ob eine gewisse Missachtung für den kaiserlichen Gesandten der Tatsache zugrunde lag, dass der Governatore di Roma wegen verbotenen Glücksspiels zwei Männer verhaften ließ, als sie dessen Palast an der Piazza Navona verließen, wissen wir nicht. Es ist aber offensichtlich, dass dieser rufschädigende Vorfall so verstanden werden konnte. An der Kurie war man sichtlich besorgt, Bozzolo würde in diesem Sinn an den Kaiserhof berichten und möglicherweise einen Streitfall um die sogenannte Quartierfreiheit im Umfeld der auswärtigen Botschaften auslösen.[233] Der Nuntius wurde also aufgefordert zu erkunden, was in Wien über den Vorfall gesprochen werde, und notfalls darauf zu verweisen, dass es sich bei den Verhafteten um „gente dell’infima plebe“ handle und dass auch bei der französischen Botschaft jemand verhaftet worden sei. Nuntius Baglioni antwortete darauf beruhigend, er habe in Wien nichts über den Fall gehört.[234]

Es scheint, dass der Kaiserhof, aber auch Bozzolo selbst klug genug waren, nicht so viel Aufheben um Vorfälle dieser Art zu machen, dass sie die Beziehungen zur Kurie weiter belasteten. Bei dem Gesandten ist sogar ein gewisses Bemühen zu erkennen, die insgesamt nicht freundlichen, nach dem Papstbesuch Kardinal Pázmánys im Jahr 1632 sogar schlechten Beziehungen zu verbessern, indem er wiederholt nach Wien berichtet, Urban VIII. habe mit anerkennenden Worten über Ferdinand II. gesprochen.[235] Auch bei anderen Gelegenheiten ist zu beobachten, dass er Konfrontationen entschärfte. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn der sonst so missgünstige Testi mitteilt, vermittelt durch Kardinal Pio habe Bozzolo sich mit ihm versöhnt und behandle ihn nun mit betonter Höflichkeit.[236] Mit Kardinal Aldobrandini, der im juristischen Streit um Sabbioneta sein Gegner war, musste er dienstlich zusammenarbeiten, seitdem dieser Kardinal-Protektor für die Österreichischen Erblande geworden war.[237] Er pflegte mit ihm, so wie Kardinal Harrach es darstellt, aber auch im Privatleben normalen Umgang,[238] und er kümmerte sich auch um Angelegenheiten seines Konkurrenten Bernardino Savelli.[239] Auch im Zusammenhang mit dem die allgemeinen diplomatischen Beziehungen belastenden Problem, dass für den zum Präfekten von Rom beförderten Taddeo Barberini nicht nur im päpstlichen Zeremoniell, sondern auch im Straßenverkehr Präzedenz vor den Gesandten gefordert wurde, verursachte Bozzolo keine Zwischenfälle. Die Frage war in den vergangenen Jahren erörtert worden,[240] blieb aber wie die der Präzedenz unter den Gesandten ungelöst. Harrach beobachtet 1637, wie die Kutschen des Papstnepoten und Bozzolos einander begegnen: Beide Kontrahenten lassen nicht anhalten und grüßen nicht. Sie haben aber vor dem Vorbeifahren die Hüte abgenommen. Ähnlich verlief ein Treffen zwischen Bozzolo und dem französischen Gesandten. Beide ließen nicht anhalten, grüßten einander aber mit einem kurzen Nicken.[241]

Die Instruktion, die Bozzolo zum Dienstantritt zugesandt worden war, sprach in allgemeiner Form über die Pflichten des Gesandten und enthielt keine Aufträge bezüglich aktueller Problemfälle.[242] Sie folgte darin einem Vorbild, das schon vor Jahrzehnten ausgearbeitet worden war und die Aufgaben des kaiserlichen Repräsentanten in Rom beschrieb.[243] Ausdrücklich und wiederholt wird darüber hinaus auf die Sachkenntnis des Auditors Motmans verwiesen, der aufgrund seiner langjährigen Amtserfahrung im Stande sei, in Einzelfragen Auskunft zu geben.[244] Dem Papst und anschließend den Kardinälen waren in der ihrem Rang entsprechenden Reihenfolge in angemessener Form die kaiserlichen Kreditivschreiben zu überreichen. Zu den Kardinälen des Hauses Barberini und zu den Vertretern der weltlichen Mächte war Kontakt aufzunehmen und insbesondere mit den spanischen Diplomaten und weiteren habsburgfreundlichen Kreisen gutes Einvernehmen zu erhalten oder herzustellen. Der Gesandte sollte sich bemühen, Frieden und Ausgleich unter den christlichen Fürsten zu fördern, und sich für das Wohl des Heiligen Römischen Reiches, seiner Stände und der Österreichischen Erblande einsetzen. Wenn sich nachteilige Entwicklungen abzeichneten, sollte er diesen nach Möglichkeit entgegentreten und den Kaiser schnell informieren, um seine Entscheidung einzuholen. Im Notfall musste er aber auch ohne besondere Anweisung dagegen vorzugehen versuchen. Wichtig war die regelmäßige, umfassende Berichterstattung an den Kaiserhof, wenn nötig in chiffrierter Form.[245]

Nach der offiziellen Amtsübernahme verlief die Absolvierung der Antrittsvisiten bei den anderen Diplomaten nicht ohne Schwierigkeiten, da auch hier ein Präzedenzproblem zu lösen war: Der französische Gesandte bestand darauf, dass die erste Visite ihm – und keinesfalls dem spanischen Gesandten – gebühre, und zwang Bozzolo damit zur Rückfrage in Wien.[246] Im Übrigen bestand kein Mangel an konfliktträchtigen Themen, derentwegen er als Botschafter in Rom tätig werden musste. Auch Bozzolo sollte den Papst um Subsidien bitten und machte frühzeitig die Erfahrung, dass er dabei nicht mit Erfolg rechnen konnte.[247] Über die Trierer Angelegenheiten hinaus, die sich in den folgenden Jahren dramatisch entwickelten mit der Einnahme der Stadt durch spanische Truppen, der Verhaftung des Erzbischofs und seiner Überstellung in kaiserlichen und schließlich – nominell – in kirchlichen Gewahrsam,[248] gab es noch andere ungelöste Probleme aus der Zeit der Vorgänger, in denen Urban VIII. sich bisher den Wünschen des Kaisers verweigert hatte. Darunter waren die Umstrukturierung der kirchlichen Verwaltung im Patriarchat Aquileia[249] und die schon seit 1629 angestrebte Erhebung Bischof Wolfradts von Wien zum Kardinal.[250] Seit langem politisch belastet waren auch die Verhältnisse in Trient, wo das Domkapitel dem Bischof nicht nur Misswirtschaft, sondern auch Parteinahme gegen die Regierenden in Innsbruck und Wien vorwarf und vor der Rota Romana gegen ihn prozessierte.[251] Im Dezember 1634 wurde erneut auch die Besetzung Lothringens durch französische Truppen zum Verhandlungsgegenstand: Ferdinand II. versuchte, den Papst dazu zu bewegen, sich stärker für die Restituierung des geflohenen lothringischen Herzogspaars einzusetzen, das zu dieser Zeit einen Rombesuch machte.[252] Als unlösbares Problem hatte der Gesandte schließlich auch noch den Streit um das Präzedenzrecht des Prefetto di Roma übernehmen müssen.[253]

Dass die Gesandtschaft in Rom sich um die umstrittenen Abtwahlen für Fulda kümmern musste, die den in Köln im Exil weilenden Konvent entzweiten, hing vermutlich damit zusammen, dass die Äbte Erzkanzler der Kaiserin waren und dass diese sich in der Sache engagierte.[254] Aber auch bei anderen Fällen, die Bozzolo an der Kurie vertreten musste, handelte es sich um im engeren Sinn kirchliche Angelegenheiten. Es ging z. B. um die Bestellung eines commissario generale für die Franziskaner-Observanten in Oberdeutschland und in den Erblanden,[255] um einen Wiener Minoriten, der einen Rombesuch vorbereitete,[256] um eine Kongregation der schwäbischen Benediktinerklöster[257] oder um Dominikaner, die die Erlaubnis zur Einführung eines eigenen Meßofficiums zu Ehren von Albertus Magnus erbeten hatten.[258] Auch in der Kompetenz der Inquisition liegende Anliegen wie Anträge auf Entlassung aus einem Orden oder Gewährung ungewöhnlicher Ehedispensen beschäftigten die Gesandtschaft.[259]

Auf politischer Ebene war das die Amtshandlungen beherrschende Projekt ohne Zweifel die Vorbereitung des vom Papst schon seit 1632 angestrebten Friedenskongresses.[260] Es waren in erster Linie die Nuntien, die an ihren Amtssitzen in Paris, Madrid und Wien in sehr mühsam verlaufenden Verhandlungen die Monarchen dafür gewinnen mussten, über allgemeine Versicherungen der Friedensbereitschaft hinaus Friedenswillen zu zeigen, indem sie sich auf einen Kongressort einigten und bevollmächtigte Deputierte ernannten. Aus Bozzolos Berichten wissen wir, dass auch die Gesandten in Rom in diese Bemühungen einbezogen waren. Er hatte nicht nur den Auftrag, den Papst von den sich häufenden militärischen Übergriffen der Franzosen im Reich zu unterrichten, sondern ihn stets von neuem der aufrichtigen Kompromissbereitschaft Ferdinands II. zu versichern.[261] Am 5. Juli 1636 konnte er dem Papst die Zustimmung Ferdinands II. zur Bestimmung von Köln zum Kongressort mitteilen.[262]

Die Aufgabe, möglichst ungetrübte Beziehungen zwischen Kaiser und Papst zu erhalten, war dadurch erschwert, dass Ferdinand II. am 30. Mai 1635 in Prag nach langen Verhandlungen mit Sachsen einen Frieden abschloss, in dem er, zahlreiche päpstliche Ermahnungen missachtend, früher verteidigte Positionen des Restitutionsedikts preisgab.[263] Es scheint, dass Bozzolo beim Überbringen der Nachricht geschickt agierte,[264] denn er konnte Urban VIII. davon überzeugen, dass der Vertrag, der den Kriegszustand mit allen Reichsständen beenden sollte, auch für die katholische Seite vorteilhafte Punkte enthielt und überhaupt günstiger war, als man in Rom erwartet hatte. Ihn nicht abzuschließen hätte dagegen nicht nur das Elend des schon 17 Jahre währenden Kriegs verlängert, sondern auch die Gefahr für die Kirche vergrößert. − Es wurde dem Gesandten zwar nicht erlaubt, den Frieden durch festliche Beleuchtung auf der Piazza Navona zu feiern, doch wurde an der Kurie das Breve, das die Nachricht vom Friedensschluss beantwortete, in einer Form abgefasst, die trotz grundsätzlicher Missbilligung keine Verurteilung des Kaisers enthielt und damit keine größeren Spannungen zur Folge hatte.[265]

Die diplomatischen Bemühungen um die Realisierung des vom Papst angestrebten Friedenskongresses blieben gleichzeitig das wichigste Aufgabenfeld. Dem Wiener Hof teilte Bozzolo sehr offen mit, wie verfehlt ihm die Entscheidung Urbans VIII. schien, Kardinal Marzio Ginetti zum Friedenslegaten zu bestimmen.[266] Er zeigte aber Engagement für das Projekt, indem er nach einer Diskussion mit dem Ernannten ein Memorandum verfasste und dem Kardinalnepoten überreichte, in dem er ausführte, dass in dem zu verhandelnden Vertrag Sanktionen vorgesehen werden sollten für den Fall, dass die Parteien die vereinbarten Bedingungen verletzten, und dass es sinnvoll wäre, den Vermittler überhaupt mit größerer Autorität auszustatten.[267] Im Staatssekretariat wurde die Schrift, die sachlich aufzeigt, wie schwach die Position des Legaten in den zu erwartenden Konflikten sein würde, den Materialien zugesellt, die für die Ausarbeitung seiner Instruktion zusammengestellt wurden. Eine Änderung der päpstlichen Vorgaben bewirkte sie freilich nicht.

Über die gesamte weitere Amtszeit Bozzolos zogen sich danach die schwierigen und schließlich vergeblichen Verhandlungen um die Kongresszulassung der deutschen Reichsfürsten und um die Erteilung und Formulierung der Pässe an die nichtkatholischen Bundesgenossen Frankreichs hin.[268] Es ergaben sich aber auch neue Konfliktstoffe wie die erbitterten Streitigkeiten zwischen Kardinal Harrach in Prag und dem Wiener Nuntius Baglioni, die sich daran entzündet hatten, dass Baglioni eine von Harrach verhängte Exkommunikation aufgehoben hatte.[269] Im Hintergrund stand der langjährige, auch nach Rom getragene Kampf zwischen dem Prager Erzbischof als Kanzler der Universität und den dort tätigen Jesuiten[270] und die entschiedene Weigerung Harrachs, zuzulassen, dass gegen juristische Akte seiner Gerichte an die Nuntiatur appelliert wurde.[271]

Mit Schwierigkeiten verbunden war daneben die Neubesetzung des Bistums Olmütz nach dem Tod Kardinal Dietrichsteins im Jahr 1636. Das Kapitel wählte als Nachfolger den langjährigen Generalvikar Ernst Plateis (1586–1637), Kaiser Ferdinand III. aber wollte es seinem Bruder Leopold Wilhelm (1614–1662) übertragen, der bereits die Bistümer Passau und Straßburg innehatte, in seinen geistlichen Funktionen jedoch wenig präsent sein konnte, da er als Befehlshaber der kaiserlichen Armee eingesetzt wurde.[272] Heftige Auseinandersetzungen um diese Nominierung, deren Entscheidung der Kaiser dem Nuntius überlassen wollte,[273] in die aber auch Rom einbezogen worden war, kündigten sich an. Sie brachen schließlich nicht aus, weil Plateis vor einer Entscheidung starb.

Auch der ausgedehnte Rombesuch Kardinal Harrachs im Jahr 1637, der – so wie dieser es in seinem Diarium beschreibt – Anlass zu häufigem Zusammensein und zu geselligen Unterhaltungen mit den Damen der Familie Mattei bot, war für Bozzolo mit einem unangenehmen Auftrag verbunden: Der Kardinal war mit der Absicht gekommen, Mitglied des Heiligen Offiziums, der angesehensten der päpstlichen Kongregationen, zu werden. Trotz mehrerer Versuche des Gesandten, dafür die Zustimmung Urbans VIII. zu gewinnen, hatte er damit aber keinen Erfolg.[274]

Einen Überblick über die wichtigsten seiner aktuellen Verhandlungsthemen gibt Bozzolo selbst anlässlich der bevorstehenden Rückkehr des Kardinals.[275] Er erwartet, dass Harrach dem erst seit kurzem regierenden Kaiser Ferdinand III. ein Bild seiner Tätigkeiten vermittelt und zählt als seine Aufgaben auf:[276] „Promotione di mons. vescovo di Vienna, e generale pace universale; sospensione d’armi; passaporti; prefettura; conclave; congregatione del Santo Offitio per il cardinale d’Harrach; academia di Praga; Bisanzone; Spira;[277] hortatoria di Tull;[278] unione del monasterio di Loorch a S. Biagio;[279] principe di Cardenas,[280] marchese S. Martin;[281] aggregatione delle provincie di Bohemia et Austria augustiniani;[282] venuta del principe d’Eggenberg; convento di S. Maria d’Emaus in Praga;[283] canonizationi;[284] raccomandationi; applicatione alle cose di Roma; intercessione di Sabioneta e licenza d’andare in Corte;[285] agiuto di costa e provisione ordinaria;[286] item una scrittura da persuadere a Sua Maestà di fare un suo agente apposta che attenda alle speditioni delle chiese, mentre i speditionieri ordinarii spesso le lasciano passare con qualche clausula pregiuditiale al jus patronatus di Sua Maestà Cesarea.“[287]

Dieser letzte Punkt wurde Gegenstand eines ausführlichen Schreibens an Ferdinand III., in dem Bozzolo über Sitzungen mit den für das Reich zuständigen Kardinal-Protektoren,[288] dem Rota-Auditor Motmans und weiteren für Reichsstände tätigen Agenten berichtet und Vorschläge macht, wie die Aktivitäten besser zu organisieren und insgesamt so zu koordinieren wären, damit die Interessen von Kaiser, Reich und Reichskirche besser gewahrt werden könnten, als dies unter den herrschenden Verhältnissen geschehe.[289] Er hatte zu den Beratungen auch Kardinal Harrach eingeladen, der darüber notiert: „Fu similmente l’ambasciator cesareo per disponermi a venire ad una congregatione da farsi de’ protettori e viceprotettori di Germania … sopra il tenere qui un agente proprio che spedisse tutte le chiese d’Allemagna e d’Ungheria, poiché si vede che commettendole i vescovi a diversi, si spediscono alle volte senza esprimere nominatione o presentatione dell’Imperatore, con pericolo di molto pregiudicio a Sua Maestà ne’ tempi avvenire, sottacendosi pian piano tutto il suo jus.[290]

Über einen weiteren Aufgabenbereich des kaiserlichen Gesandten, der zu den Amtszeiten der Savelli so bedeutend war, dass er die Erledigung der diplomatischen Aufträge beinahe zur Nebentätigkeit degradierte, erfahren wir sehr wenig. Wir wissen, dass Paolo und Federico Savelli für den Kaiserhof eine Art Kulturgütertransfer über die Alpen betrieben durch die Vermittlung antiker und moderner Kunstwerke, durch die Anwerbung von Architekten, Malern und Kunsthandwerkern aller Art aufgrund von Aufträgen des Kaisers und seiner Familie und für Kirchen und Adelsschlösser im Lande.[291] Sie verfügten über den hier nötigen Überblick über den Kunstmarkt und hatten umfassende Erfahrungen auf den Gebieten von Kunst und Kunstgewerbe. Sie kannten auch das römische Musikleben und waren informiert über musikalische Neuheiten, talentierte Sänger und Instrumentalisten. Dieser letzte Aktionsbereich könnte zur Zeit Bozzolos an Bedeutung verloren haben, da Kaiserin Eleonora hier selbst kompetent war und sich persönlich um die Belange des sehr anspruchsvollen Musik- und Theaterlebens am Hof kümmerte.[292] Auch die Nuntiatur konnte notfalls bei der Suche nach Musikern und nach deren weiterer Versorgung in Anspruch genommen werden,[293] und insgesamt dürfte aufgrund der krisenhaften Kriegsentwicklung und des gravierenden Geldmangels das Bedürfnis nach Erwerbung und Schaffung von Kunstwerken geringer geworden sein. Wir kennen jedoch ein Zeugnis dafür, dass auch Bozzolo beauftragt worden ist, zwei römische Sänger für den Kaiserhof zu engagieren,[294] − und es war eine heikle Aufgabe, da einer von ihnen bei Taddeo Barberini angestellt war, der natürlich nicht brüskiert werden durfte. Es ist also anzunehmen, dass Aufträge dieser Art auch für ihn zum Gesandtenalltag gehörten.

Große Ereignisse in der Amtszeit Bozzolos waren die aufwendigen öffentlichen Feiern, die im November 1636 zur Geburt des bayerischen Kurprinzen Ferdinand Maria und besonders prunkvoll im Februar 1637 anläßlich der Königswahl Ferdinands III. in Rom veranstaltet wurden. Dabei überboten sich gegenseitig die spanischen Gesandten, der kaiserliche Gesandte und Kardinalprotektor Maurizio di Savoia, was die Pracht der Festinszenierungen zum Ruhm des Hauses Österreich und die Kunst der Feuerwerke betraf, die auf der Piazza di Spagna und vor dem Palast auf dem Monte Giordano stattfanden.[295] Eine Beschreibung der von Bozzolo veranstalteten Festlichkeiten auf der Piazza Navona wurde in einer im Druck verbreiteten Broschüre vertrieben.[296] Mit Beleuchtung der Paläste und Abschießen von Böllern feierten im selben Jahr Bozzolo und die dem Haus Habsburg nahestehenden Kardinäle auch noch drei Tage lang die Geburt eines kaiserlichen Prinzen.[297] Allen bekannten Aufwand aber übertraf der Rombesuch des Fürsten Johann Anton von Eggenberg (1610–1649), der als kaiserlicher Sondergesandter im Jahr 1638 die Obödienzleistung für Ferdinand III. ausführte.[298] Dabei war es für den ordentlichen Gesandten kränkend, dass ihm die umfangreichen Vorbereitungen des großen Ereignisses aus den Händen genommen wurden;[299] er war jedoch belastet mit einer Vielzahl protokollarischer Schwierigkeiten, da auf kaiserlicher Seite voll Misstrauen darauf geachtet wurde, dass kein Teil des Zeremoniells weniger ehrenvoll inszeniert würde als dies anlässlich des Regierungsantritts Ferdinands II. im Jahr 1620 der Fall gewesen war. Die Streitigkeiten zogen sich hin, so dass der im Mai in Rom eingetroffene Eggenberg seine prachtvolle große entrata a cavallo erst am 7. November und die Obödienzleistung in der sala regia des Vatikans am 16. November ausführen konnte. Auch Bozzolos prächtiger Auftritt bei den Feierlichkeiten wurde von Zeitgenossen bewundert.[300] Ob er, wie Eggenberg später behauptete, den im ganzen misslichen Verlauf der Sondergesandtschaft verschuldet hatte, wissen wir nicht.

5 Entwicklung der Streitigkeiten um Sabbioneta und Rücktritt. Amtsübernahme Federico Savellis und letzte diplomatische Aufgaben

Es liegt auf der Hand, dass Bozzolo seine Gesandtentätigkeit zunehmend als teure Belastung empfinden musste, die ihm nicht die erhoffte Gelegenheit zu diplomatischen Erfolgen und darauf beruhendem bedeutenden Ansehen am Kaiserhof verschaffte. Er konnte sich nicht rühmen, in den alten Konflikten – Bitte um Subsidien, Kardinalat für Bischof Wolfradt, kirchliche Neuordnung im Patriarchat Aquileia, Präzedenzforderung des Präfekten von Rom – Fortschritte erzielt zu haben. In der militärischen Krise nach dem Verlust von Breisach im Dezember 1638 konnte er von Urban VIII. weder die Bereitstellung eines päpstlichen Hilfskorps für den Kaiser erwirken, noch wurde die Erlaubnis zur Werbung von Söldnern aus dem Kirchenstaat erteilt.[301] Auch in Einzelfragen wie der Aufnahme von Harrach in das Heilige Offiz[302] oder der auch von Kaiserinwitwe Eleonora gewünschten Erhebung des Erzbischofs von Rhodos, seines Onkels Alfonso Gonzaga, zum Kardinal verweigerte der Papst seine Zustimmung.[303] − Irene Fosi macht auf ein anonym und undatiert überliefertes Memorandum an den Kaiser aufmerksam, das gut den Erfahrungen Bozzolos entsprechen könnte.[304] Es verweist auf die strukturellen Mängel, die einer erfolgreicheren Amtsführung entgegenstehen: Zur Wahrung des kaiserlichen Ansehens wäre es nötig, die Gesandtschaft mit Kompetenzen bezüglich der italienischen Reichslehen zu versehen und sie personell besser auszustatten durch die Einrichtung von Amtsstellen für einen Auditor und einen Kanzler oder Sekretär.

Verletzend für Bozzolo war ohne Zweifel, dass der junge Kaiser ihm den Titel eines Geheimen Rats und Kämmerers, den ihm Ferdinand II. 1635 schon zugesprochen hatte, wieder aberkannte mit der Begründung, dass man ihn anderenfalls auch dem Gesandten in Spanien verleihen müsste.[305] Schwerer wog aber sicher, dass ihn die Ereignisse der letzten Jahre seinem Hauptanliegen, der Erwerbung von Sabbioneta für seinen Zweig des Hauses Gonzaga, nicht näher brachten. Er hatte zwar erreicht, dass der Reichshofrat sich Anfang 1636 mit seinem Erbanspruch befasste und ihn bestätigte, so dass er sich mit dem Lehnsbesitz investieren lassen konnte.[306] Er führte von nun an den Titel eines Herzogs von Sabbioneta, kam aber weder durch die Investitur noch durch den Tod der Herzogin Isabella im Jahr 1637 in den Besitz der Herrschaft.[307] Inzwischen hatten sich die Machtverhältnisse in der Lombardei geändert. Nach dem erfolglosen Feldzug der Liga von Rivoli gegen Mailand wurde im Jahr 1637 die französische Garnison aus Sabbioneta entlassen. Das kleine Herzogtum mit seiner starken Festung wurde, wie schon 1628 geplant war, von Spanien besetzt,[308] so dass die Nachkommen Isabellas sich als neue Besitzer sicher fühlen konnten. Sie ließen allerdings nicht davon ab, die Gonzaga weiterhin zu bekämpfen. Kardinal Aldobrandini in Rom wusste, dass der Gemahl der Anna di Stigliano, Herzog Medina de las Torres, behauptete, Unterlagen in der Hand zu haben, die geeignet seien, Bozzolo nicht nur das Erbrecht auf Sabbioneta, sondern auch auf Teile seines übrigen Besitzes streitig zu machen.[309] Medina unterhielt in Wien einen eigenen Agenten, der diese Behauptung vertrat und eine Druckschrift verbreitete, nach der Sabbioneta weibliches Lehen geworden sei und Bozzolo keinen Anspruch auf Rückkauf habe.

Dass der vorbereitete Friedenskongress in Köln sich ernsthaft mit dem Problem beschäftigen würde, war kaum zu erwarten. Wohl hatte Bozzolo erreicht, dass in die Instruktion für den päpstlichen Legaten Ginetti auch dieser Punkt aufgenommen wurde. Der Auftrag lautete jedoch recht ungenau: „Quanto a Sabioneta, ella mostri di desiderar che in questo particolare si camini con la giustitia, non premendo più in una parte che nell’altra, con avvertimento che, se è possibile, si stabiliscano le cose in maniera che non diano materia a nove rotture.“[310] Ähnlich unbestimmt war auch das, was sich 1637 im Entwurf einer Instruktion für den französischen Unterhändler findet: Es soll über Sabbioneta nicht eigens verhandelt werden; es ist nur darauf hinzuweisen, dass Spanien kein Recht darauf habe, es zu besetzen.[311]

Im Gespräch mit Kardinal Harrach erwähnte Bozzolo, dass er sich um die Erlaubnis bemühe, persönlich ins Reich zu kommen, um seine Sache am Kaiserhof zu vertreten und sich notfalls sogar an die Kurfürsten zu wenden „per ricuperare questo ducato che gli viene di ragione“.[312] Der diplomatisch erfahrene Olmützer Domherr Lustrier hätte ihn, wie es scheint, nicht ungern im Amt vertreten.[313] Bozzolo erhielt dafür vom Hof jedoch keine Erlaubnis, und am 25. April 1638 erging ein Dekret des Reichshofrats, das den Besitz der Anna Carafa zusprach.[314] – Dass nicht die Rechtslage eindeutig war, sondern dass hier vor spanischen Ansprüchen zurückgewichen wurde, wusste man am Kaiserhof wohl. Dies kam recht offen zum Ausdruck, als es 1640 hieß, die Zuweisung des Kommandos über sechs Regimenter zur Rückeroberung von Breisach an Camillo Gonzaga sei als Entschädigung für das seinem Haus verweigerte Sabbioneta zu verstehen.[315]

Der Einsatz Camillos in der geplanten Form kam danach nicht zustande und dieser trat bald in venezianische Dienste über.[316] Für Scipione aber hatten die verlustreichen Kämpfe am Oberrhein ebenfalls Folgen: Im Reich wurde in aggressiver Weise Stimmung gegen die „welschen“ Offiziere und insbesondere gegen Federico Savelli gemacht, dem man den Verlust Breisachs anlastete, so dass er die kaiserliche Armee verließ.[317] In sehr eindringlicher Weise erinnerte er danach den Kaiser daran, dass er und sein Neffe Bernardino nach wie vor bereit waren, als kaiserliche Gesandte tätig zu werden.[318] Es liegt nahe, anzunehmen, dass ihm Bozzolos Misshelligkeiten nicht unbekannt waren und dass er dem amtierenden Gesandten Amtsmüdigkeit unterstellte. Im folgenden Jahr gelang es Federico dann, tatsächlich wieder als Sondergesandter eingesetzt zu werden.[319] Die Ernennung wurde von den Savelli wohl von Anfang an als Vorgriff auf einen zu erwartenden Amtsverzicht des gegenwärtigen Gesandten verstanden.[320] Sie war jedoch weder mit diesem noch mit dem Nuntius in Wien abgesprochen. Auch Urban VIII. fand sich ungern damit ab. Er missbilligte grundsätzlich, dass Untertanen des Kirchenstaats im Dienst anderer Herrscher Ämter übernahmen.[321] Im Fall Savellis war zudem wieder mit unangenehmen Auftritten bei Subsidienforderungen für den Kaiser zu rechnen, die dem Papst eine Belästigung waren.

Scipione Gonzaga heiratete am 1. Januar 1640 in Rom seine Cousine Maria Mattei († 1658).[322] Im folgenden April überließ er die Amtsgeschäfte dem Nachfolger Motmans an der Rota Romana, dem Augsburger Christoph Peutinger, zunächst um sich um Angelegenheiten seines Fürstentums zu kümmern und anschließend nach Regensburg zu reisen.[323] Er nahm dort an dem am 13. September eröffneten Reichstag teil, begleitet von seinem Vetter Giulio Cesare Gonzaga di Novellara (1618–1676), einem Bruder der inzwischen verstorbenen Tecla Lavinia von Harrach.[324] Der Anlass für die Unternehmung bestand sichtlich darin, dass ihm ein Urteil des Reichshofrats vom 2. Mai zugegangen war, in dem Anna Carafa erneut im Besitz von Sabbioneta bestätigt und ihm das Rückkaufsrecht verweigert wurde.[325] Um dagegen Einspruch zu erheben, wandte er sich nun an den Reichstag – ein Vorgehen, zu dem er als Fürst aus der italienischen Reichshälfte nicht berechtigt war.[326] Aus einem Bericht des toskanischen Residenten Ridolfi erfahren wir von seinen Bemühungen, die Delegierten davon zu überzeugen, dass die Vernachlässigung der italienischen Reichslehen, wie sie üblich geworden war, nicht nur der Autorität des Kaisers abträglich sei, sondern Unrecht und Unfrieden zuließ, zu Verlusten führte und die Kriegsgefahr nicht minderte.[327] Er musste aber erkennen, dass man sich in Regensburg nur mit den aktuellsten Problemen, d. h. mit dem Krieg auf deutschem Boden und den Vorbereitungen für Friedensgespräche befassen wollte. Fragen bezüglich Reichsitaliens stießen nicht nur auf wenig Verständnis, sondern sogar auf eine entschiedene Verweigerungshaltung. Interesse an einer Erweiterung der Verhandlungsthemen erkannte er am ehesten bei Bayern.[328] Wie gering allgemein die Kenntnisse der Lage bei den Teilnehmern waren, zeigte sich z. B. darin, dass man ihm nicht erklären konnte, warum die italienischen Reichsfürsten nicht zu den Reichstagen geladen wurden. Sein gewagter Vorstoß blieb erfolglos und führte im Gegenteil dazu, dass der Fürst von Bozzolo vom Reichshofrat in einem harschen Dekret darauf hingewiesen wurde, dass der Reichstag für italienische Angelegenheiten nicht zuständig sei.[329]

Der Aufenthalt in Regensburg ermöglichte im Sommer 1641 ein Verwandtentreffen, da auch der kaiserliche Kammerherr Franz Albrecht von Harrach (1614–1666) anwesend war, einer der Brüder des Kardinals und gemeinsam mit diesem Vormund der Kinder der Tecla Lavinia Harrach, und auch Luigi Mattei war in Regensburg.[330] Im übrigen verhandelte Bozzolo über seinen Rücktritt vom Gesandtenamt. Er äußerte dabei offen, dass er enttäuscht war über die Art, wie er in der Sabbioneta-Sache behandelt wurde, und dass er sich finanziell überfordert fühlte, zumal ihm die monatliche Zuwendung von 1000 Gulden gestrichen wurde, als er Rom verließ, und er nicht wisse, wann er mit der Begleichung seiner Vorleistungen rechnen könne.[331]

Die Entlasssung aus dem Amt erhielt Scipione Gonzaga in den Tagen vor dem 16. April 1641.[332] Bezüglich seiner Nachfolge gab es am Kaiserhof Überlegungen, Kardinal Harrach zu veranlassen, als Kurienkardinal nach Rom zu gehen und dort zugleich die Gesandtengeschäfte wahrzunehmen – eine Lösung, wie sie in der zweiten Jahrhunderthälfte gern angewandt wurde. Die Pläne, die Urban VIII. sicher nicht gebilligt hätte, scheiterten aber so wie die Weiterbeschäftigung Scipione Gonzagas bereits an der Finanzierungsfrage.[333] Ridolfi berichtet, dass Graf Trauttmansdorff, der einflussreichste Berater des Kaisers, sich durchaus zufrieden mit der Amtsführung Bozzolos geäußert habe und dass auch der Kaiser diesen gern im Amt gehalten hätte. Man versuchte nun auch, auf die Anregungen einzugehen, die er im Hinblick auf eine effizientere Wahrung der kaiserlichen Rechte zur Nominierung von Prälaten und auf eine Verbesserung der Personalausstattung der Gesandtschaft gemacht hatte,[334] kam aber sichtlich zu keinem Beschluss.[335] Es zeigte sich, dass das Problem der Beziehungen zu Papst und Kurie so wenig wie das der Verhältnisse in Reichsitalien im Zentrum großer Aufmerksamkeit stand. Der florentinische Agent notiert als Äußerung eines der Sekretäre Trauttmansdorffs zur Haltung des Kaisers in der Frage der Nachfolge in der römischen Gesandtschaft: „… essendo Sua Santità poco inchinata alla Casa d’Austria, né potendosi ricever mai un servizio, poco importava tenervi o non tenervi ambasciatore; ma che la Maestà Sua come inclinata alla pietà et per continuar una certa osservanza verso la Sede Apostolica haveva bene di tener occupata quella carica almeno per apparenza“.[336]

Es wiederholte sich nun in auffallender Weise die Situation wie nach dem Tode Paolo Savellis im Jahr 1632: Man hätte gern einen Nationale als Gesandten in Rom gesehen, es fand sich jedoch kein Interessent aus dem deutschen Teil des Reichs. Nach Ridolfis Kenntnis war an den vermögenden Reichshofrat von Schwarzenberg gedacht, der aber wegen der hohen Kosten ablehnte. Nach ihm war der Malteserritter Graf Tattenbach im Gespräch, der sich ebenfalls nicht gewinnen ließ.[337] Es meldeten sich wieder Anwärter aus dem italienischen Hochadel wie der Herzog von Bracciano und Marcantonio Borghese, denen aber die kaiserliche Seite unterstellte, überwiegend eigene Interessen zu verfolgen;[338] eher in Frage zu kommen schien Niccolò Ludovisi.[339] Die Savelli standen nicht an vorderster Stelle, da mit dem Widerstand des Papstes gerechnet werden musste. Schließlich war es aber doch Federico Savelli, dem Trauttmansdorff das Amt des ordentlichen Gesandten in Rom anbot.[340] Er übte es aus bis zu seinem Tod im Jahr 1649.

Bozzolo reiste nicht sogleich nach seiner Verabschiedung aus Regensburg ab. Es scheint, dass er über einen Kompromiss in der Streitfrage um Sabbioneta verhandelte oder einen solchen bereits ausgehandelt hatte. Da eine Einigung in jedem Fall eine Schmälerung der von ihm beanspruchten Rechte mit sich gebracht hätte, erhob sich dagegen nun aber entschiedener Widerstand von Seiten der regierenden Herzogin Maria von Mantua, die, da Scipione Gonzaga noch kinderlos war, nach den Vertragsbedingungen von 1592 seine präsumtive Erbin war,[341] und Kaiserin-Witwe Eleonora unterstützte sie energisch.[342] Eine gütliche Einigung konnte also nicht zustandekommen, als am 7. Juni ein mit viel Geld für den Reichshofrat ausgestatteter Theatiner aus Neapel als Abgesandter des Herzogs von Medina eintraf, über dessen Aufträge bezüglich des Streits um Sabbioneta sogar der Kaiser spottete.[343] Einziges Ergebnis der Bemühungen Bozzolos scheint danach das Dekret des Reichshofrats vom Juli 1642 zu sein, in dem noch einmal das Besitzrecht der Anna Carafa bekräftigt wird.[344] Es ist auffällig, dass Ferdinand III. sich von der Haltung des Reichshofrats distanzierte und dass sogar die Kurfürsten die Ansicht vertraten,[345] dass dem ehemaligen kaiserlichen Gesandten eine Wohltat erwiesen werden sollte. Ein Zeugnis unverändert geltenden Vertrauens war es wohl, dass man ihn beauftragte, im weiterhin von Franzosen und Venezianern besetzten Mantua kaiserliche Interessen zu vertreten und dafür Sorge zu tragen, dass am Hof für die etwa 13jährige Prinzessin Eleonora nicht Heiratsprojekte betrieben wurden, die sich aus der Sicht des Reichs als nachteilig erweisen könnten.[346]

Von der zweiten Hälfte des Jahres 1641 an lebte Scipione Gonzaga in seinem Fürstentum. Er war jedoch nicht völlig aus dem Kreis möglicher Diplomaten des Kaiserhofs ausgeschieden, denn im September 1643 wurde ihm noch einmal eine Mission übertragen. Er wurde dazu bestellt, als Plenipotenziario imperiale an dem Kongress teilzunehmen, der den Krieg beendigen sollte, den der Kirchenstaat seit 1641 gegen eine von Parma angeführte Liga italienischer Fürsten führte.[347] In Wien mochte Bozzolo besonders geeignet erscheinen als Vermittler in einem Konflikt, in dem sein Bruder Camillo auf venezianischer Seite, sein Vetter Luigi Mattei und der vom Gesandtenamt vorübergehend freigestellte Federico Savelli auf Seiten der Barberini militärische Führungsrollen innehatten.[348] Er nahm die Aufgabe aber eher zögernd an und machte zur Bedingung, dass der Kongressort in seiner näheren Umgebung liegen müsse.[349] Schließlich wurde sein Einsatz unnötig, da aus französischer wie auch päpstlicher Sicht eine Mitwirkung des Kaisers, die ihn in seiner Eigenschaft als Lehensherr großer Teile Italiens gezeigt hätte, unerwünscht war.[350] Wie von Seiten Mazarins angestrebt, verzichtete man auf den allgemeinen Kongress und Kardinal Bichi handelte mit den einzelnen kriegführenden Fürsten die Bedingungen aus, die den am 31. März 1644 in Ferrara und Venedig abgeschlossenen Frieden ermöglichten.[351]

Dass der Kontakt Scipiones mit dem Kaiserhof auch danach nicht einfach abriss, erfahren wir aus einer Klage des Herzogs Francesco von Modena, der gegen Ende des Jahres 1644 mutmaßte, der Fürst von Bozzolo verfüge über bessere amtliche Informationen als er.[352] Auch noch aus seinen späten Jahren wissen wir, dass Scipione in das weitgespannte Nachrichtennetz einbezogen war, das Kardinal Harrach unterhielt.[353]

6 Regierung in Bozzolo und weitere Beziehungen zum Reich

Im Jahr 1644 starb Anna Carafa. Für Scipione Gonzaga trat damit nicht der Erbfall bezüglich Sabbionetas ein, da das Erbrecht ihres Sohnes Nicola de Guzman von Ferdinand III. noch einmal bestätigt wurde.[354] Wirklich bessere Aussichten waren auch nicht dadurch gegeben, dass die Instruktion, die den französischen Delegierten 1643 zum Westfälischen Friedenskongress mitgegeben wurde, einen Passus enthielt, dass Sabbioneta den Gonzaga restituiert werden müsse.[355] Die Forderung, bei der ausdrücklich auf die Verdienste von Scipiones Bruder Alfonso Bezug genommen wird, war mit der Bemerkung versehen, dass man die Restitution nicht ernstlich anstrebe, dass aber der Streitfall ein Argument darstelle, das man gebrauchen könne, falls die Gegenseite in den Verhandlungen die Annexion von Pinerolo und Lothringen durch Frankreich ins Feld führe. Auch die Besetzung Sabbionetas im Jahr 1648 durch französische Truppen änderte die Lage nur kurzfristig.[356] Die Lehensurkunden für Scipione (1660 Juni 4) und seine Söhne (1671 Apr. 27 und 1673 Juli 14) wurden unter Kaiser Leopold I. mit ausdrücklicher Erwähnung der Verdienste der Brüder aus dem Hause Gonzaga-Bozzolo, aber zunächst ohne Folgen erneuert.[357] Es änderte sich danach aber die Haltung des Reichshofrats insofern, als man sich bemühte, einen Ausgleich unter den Kontrahenten herbeizuführen.[358] Als nach dem Tode Nicola de Guzmans die spanische Regierung in Mailand das kleine Herzogtum übernahm und 1693 an Herzog Francesco Maria Spinola di San Pietro verkaufte,[359] versuchte der Kaiserhof sogar energisch, unter Hinweis auf das Reichslehensrecht dagegen einzuschreiten und den endgültigen Verlust Sabbionetas abzuwehren.[360] Veränderungen und wechselnde Zuweisungen der Länder an benachbarte Fürstenhäuser brachten jedoch erst die Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs mit sich.

Erfolglos im Bemühen um die Erwerbung Sabbionetas, widmete Scipione sich nun dauernd der Regierung in Bozzolo, wo seine Söhne Ferdinando (1643–1672), Carlo (1645–1665) und Gianfrancesco (1646–1703) geboren wurden. Er betrieb Projekte weiter, die seine Vorgänger Vespasiano und Giulio Cesare bereits auf den Weg gebracht hatten und die geeignet waren, das Ansehen seiner Residenzstadt zu heben. Festung und Stadtmauer wurden fertiggestellt, an der Stadtresidenz wurde weitergebaut, und es entstand eine neue Kirche und ein Kollegiatstift. Daneben führte er die bereits 1624 eingeführte Reform der Justiz weiter, indem eine Appellationsinstanz geschaffen und ein Juristenkollegium eingerichtet wurden.[361]

Als Ursache dafür, dass das Fürstentum nach seiner Überzeugung von Anfang an keine günstige Entwicklung nehmen konnte, nennt der Chronist Penci verächtlich das Fehlen eigenen Adels und eines Bistums, und er bemängelt den ländlichen Charakter der Hauptstadt und die geringen Einnahmequellen, die dazu gezwungen hätten, hohe Steuern zu erpressen.[362] Ohne Zweifel aber wurden zumindest Ansätze gemacht, Fortschritte zu erzielen, und eine Zählung der Haushalte um 1703 lässt erkennen, dass die – nun bereits ehemalige − Residenzstadt sich gut entwickelt hatte.[363] Dem Ziel, dass sein Herrschaftsgebiet zu einem Bistum aufgewertet würde, kam Scipione sogar recht nahe, als er einen ihm nahestehenden Franziskaner 1645 zum Erzbischof von Aleppo, d. h. in partibus, befördern ließ und an seinem Hof behielt − eine Personalentscheidung, die sich dann als Missgriff erwies. Dass er noch 1664 ein Kollegiatkapitel errichtete, lässt zudem darauf schließen, dass er die Bistumsgründung nicht aufgegeben hatte.[364] Als Beitrag zur Hebung des Stadtbilds kann man es sehen, dass Scipiones Bruder Camillo sich einen eigenen Palazzo errichtete,[365] und es zeugt von weitblickenden Bemühungen um Besserung der wirtschaftlichen Lage im Land, dass − einer Meldung an Kardinal Harrach zufolge – im Gebiet von Ostiano Bonifizierungsmaßnahmen stattfanden.[366]

Um den Wohlstand allgemein und dauerhaft zu heben, waren die Zeitumstände aber zu ungünstig. Nicht nur Einquartierungen, Kontributionsforderungen und Pest im Mantuanischen Erbfolgekrieg hatten das Land verarmen lassen. In den Jahren 1648/1649 litt es wiederum unter den Verheerungen, die die gegen Mailand gerichteten französischen Kriegszüge mit sich brachten, und dies wiederholte sich 1658, als Herzog Francesco von Modena, von Mazarin unterstützt, mit dem mantuanischen Gebiet auch das Fürstentum Bozzolo verwüstete.[367] Besonders schwere Schäden erlitt Rivarolo di Fuori, für das neue Befestigungen errichtet werden mussten, die erst 1667 vollendet waren.[368]

Über die Beziehungen des Fürstentums zu den Nachbarländern, und hier auch zu den übrigen Herrschaftssitzen des Hauses Gonzaga, ist wenig bekannt. Deutlich ist nur, dass Scipione die Grafen von Novellara, der Seitenlinie, aus der seine Mutter stammte, am nächsten standen. Dass man in Regensburg davon ausgegangen war, er könne in einer so wichtigen Frage wie der um die Heiratsprojekte für Prinzessin Eleonora auf die herzogliche Familie in Mantua Einfluss nehmen, lässt jedoch annehmen, dass sich – zumal seit dem Tod Karls von Nevers im Jahr 1637 – auch die Verhältnisse zu dieser normalisiert hatten. Wir wissen, dass Scipione sich nicht grundsätzlich vom Hof der Herzogin-Witwe Maria und später ihres Sohnes Carlo II. (1629–1665, reg. seit 1647) fernhielt.[369] Er war beteiligt an den aufwendigen Veranstaltungen, die im Februar 1652 inszeniert wurden anlässlich des Besuchs der Erzherzöge Ferdinand Karl (1628–1662) und Sigismund Franz (1630–1665) von Tirol, der Brüder der jungen Herzogin.[370] Bei der offiziellen Begrüßung der Gäste durch Carlo II. war er wie auch der Herzog von Mirandola anwesend und er fungierte − wieder begleitet von seinem Vetter Giulio Cesare di Novellara – als Mitveranstalter bei einer der Festinszenierungen im großen Theater der Residenz.[371] Im Februar 1655 war er zusammen mit Giulio Cesare am Hof in Mantua, als Kardinal Harrach auf der Reise zum Konklave dort eine Nacht verbrachte.[372] Er selbst unterhielt einen Hof von ungefähr 60 Personen,[373] und es fällt auf, dass ihm ein Bedürfnis nach fürstlicher Repräsentation nicht fremd war, denn er bewarb sich darum, die Mantua besuchende Königin Christine von Schweden auch bei sich als Gast zu empfangen.[374] Dafür, dass ihm der allzu bäuerliche Lebensstil in seiner heimischen Umgebung missfiel, gibt uns Penci ein Beispiel. Er erzählt, Scipione habe vom ansässigen arciprete verlangt, in würdiger Form aufzutreten, d. h. eine Kutsche zu halten und zu benutzen.[375] Er begab sich auch noch im Jahr 1666 nach Rovereto, als dort die aus Spanien anreisende junge Kaiserin Margarita Teresa bei ihrer Ankunft im Reich feierlich empfangen wurde.[376] Zu besonders aufwendigem Hofleben in Bozzolo aber fehlte es zumal in den späten Jahren sicher an finanziellen Ressourcen.

An der Darstellung Pencis, der davon ausgeht, dass dem kleinen Fürstentum von vornherein die Existenzgrundlage gefehlt habe, sind jedoch Zweifel angebracht. Die Vermögenslage von Scipiones Vater und seiner großen Familie kann ursprünglich nicht ganz schlecht gewesen sein. Es fällt auf, mit welch zahlreichem Gefolge die Fürstin 1623 nach Rom zog, und dass Scipione bei seinen Bemühungen um Sabbioneta davon ausgeht, die Kosten für den Rückkauf aufbringen zu können.[377] 1633 bei der Bewerbung um das Gesandtenamt gibt er an, einen den Erfordernissen entsprechenden Palast mit angemessener Ausstattung zu besitzen,[378] und er wird während seiner Amtszeit als großzügiger Gastgeber gelobt. Einige seiner Brüder studierten an fernen Universitäten oder konnten es sich leisten, in der kaiserlichen Armee sehr jung schon Regimenter zu erwerben.[379] Auf eine standesgemäße Verheiratung ihrer einzigen Schwester wurde allerdings verzichtet.[380] Günstig wirkte sich sicher Scipiones Heirat mit der vermögenden Maria Mattei aus, auch wenn die Nachlässe, die ihr aus zwei vorangegangenen Ehen mit Bologneser Adeligen aus den Häusern Pepoli und Ruini zugefallen waren, nicht ihm, sondern den Töchtern aus diesen Ehen zugute kamen.[381] Hohe Ausgaben waren dagegen außer durch die Gesandtschaft in Rom und den Aufenthalt am Reichstag durch die Prozesse vor dem Reichshofrat entstanden, und die wiederholten Kriegsverheerungen ließen das Land verarmen.[382] Wir erfahren nichts über Universitätsaufenthalte oder Kavaliersreisen der Söhne Scipiones. Dagegen könnte es mit den Schwierigkeiten und Kosten standesgemäßer Erziehung zusammengehangen haben, dass der jüngste unter ihnen, Gianfrancesco, häufig bei seinem Onkel Alfonso lebte, und dass ihn schließlich Annibale, dessen eigene Söhne gestorben waren, zu sich nehmen wollte.[383] 1667 musste Scipione das Lehen Incisa im Monferrat verkaufen, um seinem Sohn Ferdinando ein Regiment zu kaufen,[384] und Annibale erwähnt in seinem Testament Schulden, die Scipione bei ihm habe und die erlassen werden sollten.[385] – Sicher war die bedrängte Finanzsituation auch eines der Motive dafür gewesen, so hartnäckig die Erwerbung Sabbionetas anzustreben. Es hätte ohne Zweifel den Status des Fürsten von Bozzolo unter den italienischen Reichsfürsten gehoben, wenn es gelungen wäre, das im 16. Jahrhundert mit seinem Familienerbe verbundene, zum Herzogtum aufgewertete Sabbioneta wieder mit Bozzolo zu vereinen, und für das nur noch von Verwaltern regierte kleine Nachbarland wäre es ein Gewinn gewesen, einen landsässigen Fürsten zu haben. Ob der Erwerb großen wirtschaftlichen Gewinn gebracht hätte, muss jedoch bezweifelt werden. Nach Äußerungen von Herzog Vespasianos Tochter Isabella hatte ihre Familie durch dieses Erbe vor allem Ärger und hohe Kosten.[386]

Über weitere diplomatische Betätigung Scipiones ist nichts bekannt.[387] Zu beobachten ist aber, dass die familiären Verbindungen zu den an verschiedenen Kriegsschauplätzen aktiven oder in Hofdiensten stehenden Brüdern und Verwandten weiterbestanden und damit auch die Beziehungen zum Reich wie auch zu manchen seiner Gegner, zu führenden Adelskreisen und zur kaiserlichen Familie. Gemeinsam vertraten die Brüder sichtlich den Erbanspruch auf Sabbioneta. Dies ist besonders auffällig, da hier auch der in der französischen Armee kämpfende Alfonso miteinbezogen war.[388] Es erscheint nicht abwegig, anzunehmen, dass es einem wohl überlegten Bedürfnis der Familie entsprach, einen der ihren auch auf der Seite Frankreichs zu wissen, das so offenkundig darum kämpfte, seine Macht in Italien dauerhaft auszuweiten, während es im Reich zeitweilig Tendenzen gab, die an Mailand grenzenden Reichslehen überhaupt ganz aufzugeben.[389]

Weniger geradlinig als die Karriere Alfonsos verlief die von Camillo Gonzaga, der wie vor ihm sein Vater als Festungsarchitekt Ansehen genoss. Kardinal Harrach berichtet, dass er 1638 erfolglos bemüht war, in die dem Kaiserhof eng verbundene Familie Waldstein einzuheiraten.[390] Einige Jahre später, im Castro-Krieg, kämpfte er dann aber für Venedig gegen die Truppen des Kirchenstaats und von 1645 an in Kreta (Candia) und in Dalmatien gegen die Türken.[391] Schließlich hatte er im Jahr 1652, nun auf spanischer Seite und beauftragt von Herzog Carlo II. von Mantua, Anteil an der Rückeroberung der für das Haus Gonzaga prestigeträchtigen Festung Casale im Monferrat, die nach dem Erbfolgekrieg in französischer Hand verblieben war. Er kommandierte dabei das mantuanische Kontingent und wurde zum Gouverneur eingesetzt.[392] Dass er in Bozzolo ein Haus baute und einen Sohn seines Bruders Annibale zu sich nehmen wollte,[393] lässt ihn besonders familienverhaftet erscheinen.

Eine dauerhafte Nachrichtenverbindung zum Reich bestand durch die Verwandtschaft der Bozzolo-Brüder zu Kardinal Harrach. Die persönliche Beziehung Scipiones zum Kardinal und seiner Familie überstand nicht nur den frühen Tod der Tecla Lavinia Gonzaga-Harrach. Wir wissen, dass deren Sohn Ferdinand Bonaventura die Verwandten in Novellara und den Fürsten in Bozzolo kennenlernen wollte und sie auf dem Rückweg von seiner Romreise im Jahr 1659 besuchte.[394]

Beständig in kaiserlichen Diensten stand Scipiones Bruder Luigi, der 1636 die Überführung des in den Niederlanden in Haft gehaltenen Kurfürst-Erzbischofs von Sötern nach Linz zu leiten hatte.[395] Er gelangte 1639 als General unter Piccolomini in der Schlacht von Diedenhofen (Thionville, spanische Niederlande) zu besonderem Ruhm.[396] Danach gehörte er dem Stab Erzherzog Leopold Wilhelms an und erhielt 1644 für kurze Zeit ein eigenes Kommando. 1645 war er mit der Organisation der Verteidigung Niederösterreichs gegen die nach ihrem Sieg bei Jankau vordringenden Schweden betraut.[397] Er wurde 1647 Feldmarschalleutnant und gehörte nach dem Westfälischen Frieden zu den Offizieren, deren Regimenter nicht abgedankt wurden. Im Jahr 1658 wurde er Festungskommandant in Raab (Győr).[398] Penci beschreibt ihn als Verschwender und Spieler, der arm gestorben sei.[399]

Am eindrucksvollsten war schließlich die langjährige Karriere Annibale Gonzagas, des jüngsten der Brüder.[400] Er war im Dienst des Kaiserhofs nicht nur in vielen militärischen Funktionen tätig, sondern auch als Mitglied von Ratsgremien, als Diplomat und als Inhaber hoher Hofämter. Nach dem Fall von Breisach war er 1639 als Sondergesandter nach Madrid entsandt worden, um weitere Subsidien für den Krieg im Reich zu erwirken.[401] Noch im selben Jahr wurde er General der Artillerie und Mitglied des Hofkriegsrats.[402] Er gehörte zum engsten Stab des Generalissimus Erzherzog Leopold Wilhelm, dem er auch als Verbindungsmann zum Hof in Wien diente, und wurde 1642 zum Kommandanten der Feldartillerie ernannt.[403] Nach der Niederlage, die die kaiserliche Armee 1642 in der zweiten Schlacht von Breitenfeld erlitt, traf ihn wie schon früher seine Brüder und andere Italiener die in besonders gehässiger Form betriebene Kampagne gegen die „welschen“ Offiziere.[404] Er schied danach aus dem Felddienst aus, übernahm aber 1643 das Amt des Kommandanten der Wiener Stadtguardia, das dramatische Bedeutung gewann, als im Jahr 1645 die Schweden und 1663 die Türken bis in die Umgebung Wiens vordrangen. Er machte sich hier auf Dauer verdient durch den konsequenten Ausbau der Stadtbefestigung.[405] Seit 1655 Mitglied des Geheimen Rats, wurde er 1658 – zu einer Zeit erhöhter Türkengefahr – Vizepräsident des Hofkriegsrats und 1665 dessen Präsident. Im Jahr 1657 wurde ihm als besondere Ehrung das Goldene Vlies verliehen.[406] Er selbst führte 1658/1659 noch einen Feldzug nach Ungarn[407] und erhielt zusammen mit seinem Bruder Luigi das ungarische Indigenat. 1660 war er in diplomatischer Mission bei den Kurfürsten in Berlin und Dresden, um im Rahmen der Vorbereitungen für den Frieden von Oliva Verhandlungen zu führen.[408] Eine im selben Jahr vorgesehene Gesandtschaft zu den italienischen Fürsten und zum Papst, die Unterstützung im Kampf gegen die Türken erwirken sollte, übernahm er nicht mehr. Sie wurde danach seinem Vetter Luigi Mattei anvertraut.[409]

Am Hof Ferdinands III. hatte Annibale seit 1653 das Amt des Oberststallmeisters und seit 1655 das des Oberstkämmerers inne, während seine Tochter einige Jahre Hofdame bei Kaiserin Eleonora II. war.[410] Nach dem Tod des Kaisers wurde er 1662 Obersthofmeister der Kaiserin-Witwe.[411] Es liegt auf der Hand, dass er – trotz der eher weitläufigen Verwandtschaft − zu dieser in einem engen Vertrauensverhältnis stand und über sie auch zum jungen Kaiser Leopold, der gelegentlich Anlass hatte, sich deshalb zu rechtfertigen: er schätze Annibale, nicht weil er die Protektion Eleonoras genieße, sondern „weilen Gonzaga ein ehrlicher Mann und treuer Diener unseres Hauses ist“.[412] Auch die beginnende Karriere Ferdinand Bonaventura von Harrachs mag das gute Verhältnis zum Kaiser gefestigt haben.[413]

Über die Hofgesellschaft hinaus war Annibale durch seine erste Ehe in weite Kreise des erbländischen Adels integriert.[414] Seine zweite Ehe mit Gräfin Barbara Csáky vergrößerte dieses Netzwerk noch um Verwandte unter den ungarischen Magnaten.[415] Hinzu kamen familiäre Beziehungen zu den Collalto und den steirischen Dietrichstein durch die Ehen seiner Tochter Maria Isabella.[416] Dass er aber auch den Kontakt zur heimischen Familie pflegte, kann man aus seinem Testament schließen, in dem er seine im Gebiet Sabbionetas liegenden Güter den Söhnen Scipiones hinterlässt und diese zu seinen Nacherben einsetzt für den Fall, dass seine Tochter keine eigenen Kinder hinterließe. Scipione selbst erlässt er seine Schulden und vermacht ihm einiges Silbergerät.[417] Er hatte im Übrigen 1652 geplant, seinen 16jährigen Sohn zu seinem Bruder Camillo zu senden, der diesen zum Erben einsetzen und studieren lassen wollte, und machte nach dem plötzlichen Tod des Sohnes selbst einen Besuch in Bozzolo.[418] Schließlich hätte er, nachdem auch seine Kinder aus zweiter Ehe gestorben waren,[419] Scipiones jüngeren Sohn Gianfrancesco gern nach Wien geholt und zu seinem Erben gemacht. Dem kam aber sein Tod zuvor.[420]

Ob Scipione in vertrauter Beziehung zur jüngeren Kaiserin Eleonora stand, die er in ihrer Jugend persönlich gekannt haben wird, wissen wir nicht. Sie war vor allem zur Zeit ihrer Witwenschaft entschieden bemüht, Einfluss zu nehmen auf die fortschreitend unsteter werdende Politik der Herzöge von Mantua, und war anerkannt als eine Art Familienoberhaupt des Gesamthauses Gonzaga.[421] Auch das Fürstentum Bozzolo war ihr nicht unbekannt, denn sie ließ sich von dort einen Arzt besorgen,[422] und griff hilfreich ein, als Gianfrancesco, der zur Regelung der Erbschaftsangelegenheiten nach dem Tod seines Onkels Annibale längere Zeit in Wien war, sein Geld aufgebraucht hatte. Sie versorgte ihn nicht nur mit dem Nötigen, sondern stellte ihm sogar eine Kutsche zur Verfügung.[423] Später kümmerte sie sich auch um die Gerichtsverfahren, in denen ein Ausgleich zwischen Gianfrancesco und dem Grafen Sigismund Helfried von Dietrichstein, dem Ehemann der Tochter Annibales, gefunden werden musste.[424]

Die Streitigkeiten scheinen gütlich beigelegt worden zu sein, denn schließlich setzte der unverheiratete Gianfrancesco einen Dietrichstein zu seinem Nachfolger ein.[425] Zu günstigeren Zeiten hätte das Fürstentum Bozzolo also zu einer Herrschaft dieses Hauses werden können. Tatsächlich hatte es jedoch keine Zukunft mehr. Im Spanischen Erbfolgekrieg wurde das Land französisch besetzt und zusammen mit Sabbioneta mit dem Herzogtum Mantua vereinigt. Gianfrancesco musste es 1702 verlassen und starb 1703 im venezianischen Exil. Wiederhergestellt nach der Verhängung der Reichsacht über Herzog Ferdinando Carlo im Jahr 1708, fiel das Gebiet an das Reich zurück und Bozzolo mit Sabbioneta wurden dem Herzogtum Guastalla zugeschlagen. 1748 wurde es mit Parma-Piacenza vereinigt und blieb dort als Verwaltungseinheit bis 1771 erhalten.[426]

Die vielfältigen Leistungen, die die Familie der Gonzaga di Bozzolo im Dienst des Reichs und der kaiserlichen Familie erbracht hatten, gereichten dem kleinen Fürstentum also nicht mehr zu bleibendem Gewinn. Die Lebenswelt des Fürsten Scipione ist aber insofern von Interesse, als sie zugleich deutlichen Einblick in das zeitgenössische Gesandtschaftswesen in Rom vermittelt. Wir erfahren, dass eine enge familiäre Verbindung zwischen Bozzolo und den jahrzehntelang als kaiserliche Gesandte wirkenden Brüdern Paolo und Federico Savelli bestand. Die Amtstätigkeit betraf die vom Krieg bestimmten laufenden Probleme der europäischen Politik, daneben aber auch wie bei gewöhnlichen Agenten Anliegen verschiedenster kirchlicher Einrichtungen und einzelner Personen, und sie erstreckte sich auf die Vermittlung von Künstlern. Wir sehen, dass Scipione in seinem repräsentativen Amt nicht nur den erwarteten Aufwand leistete, sondern auch seine – im Ganzen wenig Befriedigung findenden – Pflichten zuverlässig erfüllte und gern für einen professionelleren Ausbau der Institution gesorgt hätte. Der Hof in Wien war mit seiner Amtsführung nicht unzufrieden, war aber auch nicht bereit, seinen Anregungen viel Aufmerksamkeit zu widmen.

Auffällig ist daneben der unerwartet enge Zusammenhang, in dem hier das diplomatische Amt mit den Problemen eines Kleinfürsten in Reichsitalien erscheint. Familientradition und Lehensverhältnis verwiesen die Herren von Bozzolo darauf, Sicherung ihrer Herrschaft und weitere Vorteile in Anlehnung an die habsburgischen Mächte zu suchen. Wegen des Konflikts um das Erbrecht auf Sabbioneta war jedoch der naheliegende Weg, sich dem spanischen Lager anzuschließen, das im benachbarten Herzogtum Mailand militärisch präsent war, nicht gangbar. Die Umstände verlangten also Parteinahme für das Reich, obwohl die Aussichten auf Durchsetzung der eigenen Interessen hier nicht günstig waren. Für die italienischen Reichsfürsten war keine Vertretung unter den Reichsständen vorgesehen und mit zuverlässigem Rückhalt bei Kaiser und Reichshofrat war zur Zeit Scipione Gonzagas ebenfalls nicht zu rechnen. Als erfolgversprechendes Vorgehen bot sich also nur an, wo möglich die verwandtschaftliche Nähe zum Kaiserhaus zu nutzen und zu versuchen, in familiäre Netzwerke zu einflussreichen, dem Hof nahestehende Adelsgeschlechter einzudringen. Hier konnte die freundschaftliche Nähe zu Kardinal Harrach und seinen weit gestreuten Verbindungen von großem Nutzen sein. Wichtig war darüber hinaus die Übernahme und zuverlässige Ausübung militärischer oder in anderer Weise regierungsnaher Ämter − wobei nicht ganz verborgen wurde, dass ein Wechsel ins reichsfeindliche Lager nicht undenkbar war. Was die Nutzung der so gegebenen Möglichkeiten betrifft, kann die Familie der Gonzaga di Bozzolo als konsequent realisiertes Fallbeispiel gelten.

Die Zeitumstände verhinderten, dass in dieser Weise noch politische Erfolge errungen wurden, doch verlief der vielfache Einsatz der Gonzaga von Bozzolo nicht ganz ohne Spuren zu hinterlassen. Es ist beobachtet worden, dass zu dieser Zeit in vielen Fürstenhäusern Reichsitaliens Ehen geschlossen wurden, durch die Verwandtschaften zu regierenden Dynastien des Reichs entstanden. Hinzu kamen auch Verbindungen mit erbländischen Adelshäusern, und die dauerhaft werdenden familiären Bindungen trugen dazu bei, den Zusammenhalt des Reichs mit seinen italienischen Lehen im Lauf des 17. Jahrhunderts insgesamt enger zu gestalten.[427] Die Nachkommen Annibale Gonzagas und seiner Cousine Tecla Lavinia hatten durch ihre familiären Verbindungen Anteil daran, dass – über den Bereich der die Hofkultur bestimmenden Gonzaga-Kaiserinnen hinaus – in Mitteleuropa Baukunst, bildende Kunst und Musik aus Italien stilbeherrschend wurden und die italienische Sprache und Lebensart bis über die kommende Jahrhundertwende hinweg in der führenden Gesellschaft tonangebend blieben.[428]


Archivsiglen

HHStA: Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien – AAV: Archivio Apostolico Vaticano, Città del Vaticano – BAV: Biblioteca Apostolica Vaticana, Città del Vaticano.


Published Online: 2022-11-18
Published in Print: 2022-11-15

© 2022 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

Articles in the same Issue

  1. Titelseiten
  2. Jahresbericht des DHI Rom 2021
  3. Themenschwerpunkt Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture. Interdisciplinary Perspectives / Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana. Prospettive interdisciplinari herausgegeben von Riccarda Suitner
  4. Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana
  5. Italian Nicodemites amidst Radicals and Antitrinitarians
  6. Melanchthon and Servet
  7. Camillo Renato tra stati italiani e Grigioni
  8. Heterogeneous religion: imperfect or braided?
  9. La religione sociniana
  10. Arminiani e sociniani nel Seicento: rifiuto o reinterpretazione del cristianesimo sacrificale?
  11. Artikel
  12. Das italienische Notariat und das „Hlotharii capitulare Papiense“ von 832
  13. I giudici al servizio della corte imperiale nell’Italia delle città (secolo XII)
  14. Nascita dei Comuni e memoria di Roma: un legame da riscoprire
  15. Verfehlungen und Strafen
  16. La nobiltà di Terraferma tra Venezia e le corti europee
  17. Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641
  18. Il caso delle prelature personali dei Genovesi nella Roma tardo-barocca
  19. In the Wings
  20. Strategie di divulgazione scientifica e nation building nel primo Ottocento
  21. Una „razza mediterranea“?
  22. Zur Geschichte der italienisch-faschistischen Division Monterosa im deutsch besetzten Italien 1944–1945
  23. Forum
  24. La ricerca sulle fonti e le sue sfide
  25. Die toskanische Weimar-Fraktion
  26. Globale Musikgeschichte – der lange Weg
  27. Tagungen des Instituts
  28. Il medioevo e l’Italia fascista: al di là della „romanità“/The Middle Ages and Fascist Italy: Beyond „Romanità“
  29. Making Saints in a Glocal Religion. Practices of Holiness in Early Modern Catholicism
  30. War and Genocide, Reconstruction and Change. The Global Pontificate of Pius XII, 1939–1958
  31. The Return of Looted Artefacts since 1945. Post-fascist and post-colonial restitution in comparative perspective
  32. Circolo Medievistico Romano
  33. Circolo Medievistico Romano 2021
  34. Nachruf
  35. Klaus Voigt (1938–2021)
  36. Rezensionen
  37. Leitrezension
  38. Die Geburt der Politik aus dem Geist des Humanismus
  39. Sammelrezensionen
  40. Es geht auch ohne Karl den Großen!
  41. „Roma capitale“
  42. Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–20. Jahrhundert
  43. Verzeichnis der Rezensentinnen und Rezensenten
  44. Register der in den Rezensionen genannten Autorinnen und Autoren
Downloaded on 11.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/qufiab-2022-0014/html
Scroll to top button