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Circolo Medievistico Romano 2021

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Veröffentlicht/Copyright: 18. November 2022
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Wegen der Covid-19-Pandemie fanden die Sitzungen online bzw. zuletzt hybrid statt.

28. Januar: Andreas Rehberg und Giulio Vaccaro, Un trattato su famiglie e stemmi romani del Trecento – prime osservazioni, stellen einen unveröffentlichten Text aus dem 14. Jh. über – mitunter fiktive – römische Familien im Stadtteil (Rione) Arenula vor. Unter diesen befinden sich adelige wie Familien aus dem Volk, wobei ihnen der wohl anonyme Autor, der sich selbst Castallo Metallino nennt, meist „phantastische“ Ursprünge und Wappen zuweist. Der Text wurde von den Antiquaren des Cinquecento entdeckt und vielfach kopiert. Die aus dem Wortlaut eruierten (Phantasie-)Wappen finden sich in den Wappensammlungen ab dem 16. Jh. wieder, ohne dass bislang ihre wahre Herkunft bekannt war. Dabei entbehrt der Text in seiner frühesten bekannten Fassung in der British Library in London Illustrationen. Während Rehberg seine Analyse auf die historische und thematische Kontextualisierung des kurzen fragmentarischen Werkes konzentriert, arbeitet der Italianist Vaccaro die sprachlichen Besonderheiten des Werks heraus, gehört es trotz seiner Kürze doch zu den umfangreichsten bisher überlieferten Schriften des 14. Jh. im stadtrömischen Volgare (Romanesco).

24. Februar: Sonia Gutiérrez Lloret und Viva Sacco, Il processo di islamizzazione attraverso l’archeologia: al-Andalus e Sicilia a confronto, untersuchen die Auswirkungen der Ankunft der arabischen Muslime in al-Andalus und Sizilien auf die materielle Kultur. Diese beiden Regionen waren beide von einem Islamisierungsprozess betroffen, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten und Abläufen. Für die beiden (Mittelalter-)Archäologinnen weisen diese Vorgänge über das Phänomen der Konvertierung zum Islam (religiöse Islamisierung) oder die Übernahme einer neuen Sprache („sprachliche Arabisierung“) hinaus und erhalten eine soziale und ideologische Bedeutung. Die Eroberung Hispaniens begann im Jahr 711 und wurde innerhalb weniger Jahre abgeschlossen, im Gegensatz zu Sizilien, wo die Eroberung über ein Jahrhundert später (ab 827) einsetzte und 150 Jahre erforderte. In al-Andalus ging die Islamisierung mit der Etablierung einer hegemonialen sozialen Gruppe gegenüber anderen Größen, seien diese Stammes- oder Feudalgesellschaften, einher. Erst ab dem 10. Jh. wurde eine soziale Homogenität erreicht. Für Sizilien stammen die wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre vor allem aus den in Palermo durchgeführten Keramikstudien, die Auskunft über neue Techniken und dekorative Motive geben. Am Ende des 9. Jh. wurden diese Elemente gemäß den gewandelten Bedürfnissen neu interpretiert und modifiziert.

29. März: Fabrizio De Falco, Descrivere per convincere. La Topographia Hibernica di Giraldo Cambrense e la conquista dell’Irlanda (XII sec.), analysiert Schriften des Gerald von Wales, der aus dem cambro-normannischen Adel stammte. Die Topographia Hibernica ist der erste Text, der ausschließlich der Insel Irland gewidmet war. Der Nicht-Einheimische Gerald begann mit der Abfassung des Werks im Jahr 1186, als König Heinrich II. von England ihn im Gefolge von Prinz John nach Irland schickte. Die Analyse der Passagen des Werks über das irische Königtum und die Rechte des englischen Königreichs sowie der Rekonstruktion der vom Autor verwendeten historiographischen Modelle zwingen zum Überdenken der bislang dominierenden Lesart dieses Werks als Ausdruck des Wunsches der englischen Krone, ihren Einfluss auf Irland auszuweiten. Unter Hinweis auf Giraldos Zugehörigkeit zu einer der Familien, die die Eroberung förderten, und seine Zugehörigkeit zur curia regis Heinrichs II. wird festgestellt, dass die Topographia die Interessen der Familiengruppe ihres Verfassers am königlichen Hof vertreten sollte, und zwar in gleichem Maße wie die Expugnatio Hibernica und seine spätere literarische Produktion.

19. April: Alfonso Marini und Antonio Musarra, Dalla tenda di Damietta alla Custodia di Terrasanta, diskutieren über die Hintergründe und die Bedeutung der Begegnung des hl. Franziskus mit Sultan al-Kamil im Jahr 1219, wobei der Vorsitzende Marco Bartoli die Faktizität des Ereignisses überhaupt in Frage stellt. Die beiden Diskutanten divergieren auch in der Beurteilung der Frage, wie Franziskus zum Kreuzzug an sich stand. Für Marini war der Umbrier kein Pazifist; nach Musarra habe er den Sultan zur Konversion und Buße bewegen wollen. Auch wenn es keinen Beleg von islamisch-arabischer Seite dafür gibt, hält Musarra die Begegnung an sich für möglich, da der Sultan stets von islamischen Gelehrten umgeben war und in seiner Gegenwart interreligiöse Gespräche stattfanden. Für den Kreuzzug-Spezialisten folgte Franziskus der Idee einer „crociata ideale“; Marini dagegen betont, dass Franziskus realiter das Kreuz genommen habe. Bartoli weist darauf hin, dass der Heilige zumindest in seiner Jugend ritterlichen Idealen verhaftet war.

24. Mai: Giulia Bordi, Santa Maria Antiqua e i fratelli de via lata Stefano II e Paolo I. Un progetto politico per immagini, geht von der Interpretation der Dekorationen des linken Seitenschiffs der Kirche von S. Maria Antiqua der 2. Hälfte des 8. Jh. aus. Zu sehen sind Episoden aus der Genesis und dem Leben Jesu, der inmitten von Heiligen, Päpsten und Kirchenvätern aus Ost und West thront. In der Apsis sieht man die Präsentation Pauls I. durch die Jungfrau Maria vor Christus. Diese Szene wird als Visualisierung des politischen Anspruchs der beiden Brüder Stephan II. (752–757) und Paul I. (757–767) angesehen, die sich an der Spitze des römischen Papsttums abwechselten. In S. Maria Antiqua setzen sie ihre politischen Vorstellungen – von Stephan II. erdacht und von Paul I. weitergeführt – um: Denn die Schaffung der respublica Romanorum unter dem Schutz des fränkischen Königs Pippin wurde bald zugunsten einer direkten Übertragung der Souveränität über das Patrimonium Sancti Petri an das Papsttum aufgegeben, das damit die Befugnisse und Rechte des in Byzanz residierenden Kaisers Konstantin V. übernahm. Auf religiöser Ebene sah sich der Pontifex nun als rechtmäßiges Oberhaupt der Weltkirche und dazu legitimiert, das Westreich zu übernehmen.

23. Juni: Philippe Lefeuvre, Servi, servitori e conversi: la ministerialità monastica nella Toscana dei secoli XI–XIII, geht von einem weiten Begriff der Ministerialität aus, bezeichnete man als ministeriales doch jegliche Kategorien von Abhängigen, die u. a. als Amtsträger, Wächter, Abgabeneintreiber oder Strafvollzieher fungierten. Diese Gruppe wird in den Klosterurkunden des Hochmittelalters oft erwähnt. Die Ministerialen entzögen sich im Allgemeinen theoretischen Definitionen. In den toskanischen Klostergütern in und um Siena und Florenz kann man die langsame Institutionalisierung dieser Dienerschaft beobachten. Sind die Ministerialen in den Urkunden des 11. Jh. noch unsichtbar, setzten sie sich in den 1080er Jahren als Laien im Dienst der Mönche, als ministeriales oder missi, durch. Im Laufe des 12. Jh. wurde die Rolle des Vermittlers in der Regel Laienbrüdern (Konversen) anvertraut, die gegen Ende des 12. und im 13. Jh. immer mehr herrschaftliche Funktionen übernahmen. Dieser Prozess lädt zur Reflektion über die Besonderheiten der Klosterherrschaft ein.

18. Oktober: Christian Grasso, Predicare e governare: l’exemplum di papa Innocenzo III, möchte die zentrale Bedeutung der ars predicandi während des Pontifikats von Innozenz III. (1198–1216) aufzeigen. Der Pontifex war ein erfahrener Prediger, der regelmäßig in römischen Kirchen und Basiliken sowie während des IV. Laterankonzils (1215) predigte. Dieses pastorale Engagement Innozenzʼ III. ist vor allem durch seine Sammlung von Musterpredigten belegt. Für den modus predicandi des Papstes werden deren Hauptthemen analysiert. Es zeigen sich Traditionsstränge, die sich in Rom seit dem 12. Jh. aus der Verbindung von Bibelexegese, Predigt und Liturgie entwickelt haben. Durch Seelsorge und die Förderung und Disziplinierung der Predigt versuchten der Papst und die römische Kurie, eine effektivere Leitung der Kirche und der christlichen Gesellschaft zu erreichen.

22. November: Jesús Lorenzo, L’arabizzazione degli elementi autoctoni in al-Andalus. Resistenza e assimilazione, stellt fest, dass nach der Eroberung von al-Andalus im Jahr 711 die einheimische Bevölkerung von den Eroberern widerstandslos assimiliert wurde, was man Arabisierung nennen könne. Dieser Prozess erfolgte ethnisch durch die Übernahme der einheimischen Abstammungslinien, religiös durch die Bekehrung und Arabisierung des andalusischen Christentums und schließlich kulturell durch die Übernahme der kulturellen Errungenschaften der Eroberer durch die Eroberten. Deshalb könne man sagen, dass die andalusische Gesellschaft im 10. Jh. bereits vollständig arabisch geworden war.

14. Dezember: Andrea Casalboni, L’Abruzzo di frontiera in epoca primo-angioina, greift ein seit Längerem international untersuchtes Thema auf, und zwar das der Border-Studies. Zwischen der Eroberung des Königreichs Sizilien durch die Anjou (1266) und dem Tod König Roberts von Anjou (1343) erlebte die Montanea Aprutii (Abruzzen) eine Zeit bedeutender politischer Veränderungen. In dieser Region, die die Grenzgebiete in Richtung Rieti, Spoleto, Cascia und Norcia umfasste, trugen die Verfügungen der Herrscher und die Interessen der lokalen Bevölkerung und Eliten dazu bei, das politische und wirtschaftliche Gleichgewicht zu verändern, was zu einer stabilen und gewinnbringenden Integration in das Königreich Neapel und dessen Gesellschaft und Wirtschaft führte.

Andreas Rehberg

Published Online: 2022-11-18
Published in Print: 2022-11-15

© 2022 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Jahresbericht des DHI Rom 2021
  3. Themenschwerpunkt Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture. Interdisciplinary Perspectives / Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana. Prospettive interdisciplinari herausgegeben von Riccarda Suitner
  4. Antitrinitarismo della prima età moderna e cultura italiana
  5. Italian Nicodemites amidst Radicals and Antitrinitarians
  6. Melanchthon and Servet
  7. Camillo Renato tra stati italiani e Grigioni
  8. Heterogeneous religion: imperfect or braided?
  9. La religione sociniana
  10. Arminiani e sociniani nel Seicento: rifiuto o reinterpretazione del cristianesimo sacrificale?
  11. Artikel
  12. Das italienische Notariat und das „Hlotharii capitulare Papiense“ von 832
  13. I giudici al servizio della corte imperiale nell’Italia delle città (secolo XII)
  14. Nascita dei Comuni e memoria di Roma: un legame da riscoprire
  15. Verfehlungen und Strafen
  16. La nobiltà di Terraferma tra Venezia e le corti europee
  17. Scipione Gonzaga, Fürst von Bozzolo, kaiserlicher Gesandter in Rom 1634–1641
  18. Il caso delle prelature personali dei Genovesi nella Roma tardo-barocca
  19. In the Wings
  20. Strategie di divulgazione scientifica e nation building nel primo Ottocento
  21. Una „razza mediterranea“?
  22. Zur Geschichte der italienisch-faschistischen Division Monterosa im deutsch besetzten Italien 1944–1945
  23. Forum
  24. La ricerca sulle fonti e le sue sfide
  25. Die toskanische Weimar-Fraktion
  26. Globale Musikgeschichte – der lange Weg
  27. Tagungen des Instituts
  28. Il medioevo e l’Italia fascista: al di là della „romanità“/The Middle Ages and Fascist Italy: Beyond „Romanità“
  29. Making Saints in a Glocal Religion. Practices of Holiness in Early Modern Catholicism
  30. War and Genocide, Reconstruction and Change. The Global Pontificate of Pius XII, 1939–1958
  31. The Return of Looted Artefacts since 1945. Post-fascist and post-colonial restitution in comparative perspective
  32. Circolo Medievistico Romano
  33. Circolo Medievistico Romano 2021
  34. Nachruf
  35. Klaus Voigt (1938–2021)
  36. Rezensionen
  37. Leitrezension
  38. Die Geburt der Politik aus dem Geist des Humanismus
  39. Sammelrezensionen
  40. Es geht auch ohne Karl den Großen!
  41. „Roma capitale“
  42. Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–20. Jahrhundert
  43. Verzeichnis der Rezensentinnen und Rezensenten
  44. Register der in den Rezensionen genannten Autorinnen und Autoren
Heruntergeladen am 15.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/qufiab-2022-0027/html
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