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Risikokommunikation der BZgA mit und für den ÖGD im Infektionsschutz

  • Astrid Rose EMAIL logo , Linda Seefeld , Andrea Rückle and Bernhard Bornhofen
Published/Copyright: November 28, 2023

Zusammenfassung

Dieser Beitrag führt aus, warum eine abgestimmte Kommunikation verschiedener Akteure in Krisensituationen im Gesundheitswesen wichtig ist. Anhand von drei Beispielen aus dem Jahr 2022 im Infektionsschutz wird gezeigt, wie die BZgA agil zusammen mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst agiert hat. Begünstigende Faktoren werden dargestellt.

Abstract

This article states reasons for coordination of communication between different actors in crisis situations in the healthcare system. Three examples from 2022 in the field of infection prevention show, how the BZgA acted agilely together with public health service. Favorable factors are presented.

Infektionserreger können zu Krisen im Bereich der Öffentlichen Gesundheit führen. Dies hat die COVID-19-Pandemie deutlich gezeigt. Dabei kommt dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) eine große Bedeutung zu - u.a. Meldewesen, Anordnung und Durchführung von Infektionsschutzmaßnahmen sowie wissenschaftlich fundierte und privatwirtschaftlich unabhängige Kommunikation mit der Bevölkerung [1].

Eine Steigerung des persönlichen Kenntnisstands über Infektionswege und Schutz-, Vorsichts- und Eindämmungsmaßnahmen kann eine Verhaltensänderung induzieren. Dies intendiert das bekannte Projekt „Erregersteckbriefe“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gemeinsam mit dem Fachausschuss Infektionsschutz des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD e.V.) seit 2012. Fachlich-inhaltlich sind die 2-seitigen Bürgerinformationen zu Krankheitserregern, Übertragungswegen und Schutzmöglichkeiten mit dem Robert Koch-Institut (RKI) abgestimmt. Informationen zu 32 verschiedenen Erregern in jeweils mindestens sechs Sprachen werden über Gesundheitsämter (GÄ) an Betroffene und Interessierte verteilt. Zusätzlich sind die Informationen durchgehend im Internet aufrufbar. Im Jahr 2022 zählten die Erregersteckbriefe nahezu 5,4 Millionen eindeutige Seitenaufrufe (Tabelle 1).

Tabelle 1:

Onlineaufrufe Erregersteckbriefe – Top 5.

Thema Seitenaufrufe
Hand-Fuß-Mund Krankheit 1.338.847
Grippe 542.729
Scharlach 532.653
Salmonellen 285.636
Noroviren 282.062

Quelle: Daten aus Webanalytik-Tool Matomo, Jahresauswertung 2022.

Die zeitnahe Bereitstellung verständlicher und gesicherter Informationen bei Ausbruchsgeschehen kann die Bevölkerung effektiv vor Panik und irrationalem Verhalten bewahren [2]. In Krisensituationen tendieren die (sozialen) Medien dazu nach jedem „Informationsstrohhalm“ zu greifen, der zugänglich ist, unabhängig von einer wissenschaftlichen Absicherung [3].

Im Jahr 2022 gab es national drei für GÄ herausfordernde Situationen, die eine umgehende Risikokommunikation erforderten:

  1. Seit Beginn des Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 suchen über eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz [4]. Die Lebensumstände auf der Flucht und in Gemeinschaftsunterkünften begünstigen eine Verbreitung von Erregern. In vielen Regionen werden gesetzlich vorgeschriebene Untersuchungen auf übertragbare Krankheiten durch GÄ koordiniert und durchgeführt [5]. Für die Kommunikation mit und die Information der Geflüchteten wird fremdsprachiges Informationsmaterial benötigt.

  2. Im Mai 2022 machte der Ausbruch des Monkeypox-Virus (Mpox), einer bis dato in Deutschland nicht aufgetretenen Erkrankung, Schlagzeilen. Anordnungen zur Absonderung, Aufklärung sowie die Kommunikation zur Impfempfehlung und die Impfung für bestimmte Bevölkerungsgruppen u. v. m. oblag in vielen Fällen den GÄ.

  3. Im Dezember 2022 kam es verstärkt zu Atemwegserkrankungen bei Kindern - insbesondere schweren Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Die Kommunikation zu dem Erreger, den Schutzmaßnahmen und die Sensibilisierung von Eltern bzw. engen Kontaktpersonen kleiner Kinder musste intensiviert werden.

Einer übergreifenden Zusammenarbeit kommt in diesen Fällen eine wichtige Bedeutung zu:

  1. Im Sinne der One Voice Policy [6] müssen die Botschaften der verschiedenen Kommunikatoren deckungsgleich sein.

  2. Krisen inhärent ist eine oft nicht ausreichende oder zeitadäquate Ausstattung der handelnden Institutionen mit den benötigten Ressourcen zur Bewältigung. Eine Bündelung, insbesondere im Kommunikationssektor, ist hilfreich. So können bspw. Formulierungen und erklärende Grafiken zentral zur Verfügung gestellt werden.

  3. Kommunikation soll dialogisch erfolgen. Durch eine übergreifende Zusammenarbeit und die Anbindung der Akteure an verschiedene Ebenen wie kommunale Ebene und Bundesebene ist dies leichter zu realisieren [6], [7], [8].

  4. Institutionen haben unterschiedliche Zugänge und Erfahrungen zu Community-spezifischen Kommunikationswegen und -arten. Die zielgruppenrelevanten Akteure und Akteurinnen müssen eingebunden werden.

  5. Die Informationen müssen aktuell gehalten werden. Dies wird zentral von der BZgA organisiert, während das durch einzelne GÄ nur schwer umsetzbar ist.

In den o.g. Situationen wurden verschiedene Wege genutzt, um die Kommunikation untereinander abzustimmen.

Im Falle des Ukrainekriegs wurden bereits Anfang März erste Informationen der BZgA auf ukrainisch zur Verfügung gestellt, u. a. Erregersteckbriefe. Um die Bedarfe der GÄ vor Ort besser einschätzen zu können, fand ergänzend ein digitaler Austausch statt.

Zu Mpox wurde bereits zu einem frühen Zeitpunkt ein sehr intensiver und regelmäßiger Austausch vom RKI initiiert unter Beteiligung u.a. des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), der Deutschen Aidshilfe (DAH) und der BZgA. Als stark betroffenes Bundesland wurde Berlin mit Vertretenden des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) beteiligt. Vorteilhaft bei der Etablierung dieser Kommunikationsrunde waren bereits bestehende Verbindungen und Kontakte untereinander aus dem BZgA-Arbeitsbereich der HIV-Prävention. Die Community-spezifischen Kommunikationswege und Multiplikatorenstrukturen erwiesen sich bei der Risikokommunikation in diesem Ausbruchsgeschehen als besonders wertvoll [9].

Einen Tag nach Veröffentlichung der Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu Mpox wurde ein entsprechender Erregersteckbrief veröffentlicht. Wie zu Beginn der Coronavirus-Pandemie stellte die BZgA umgehend allgemeinverständlich formulierte häufige Fragen und Antworten (FAQ) auf Grundlage der Informationen vom RKI zur Verfügung. Die Mpox-Seite wurde angenommen und im 2. und 3. Quartal 2022 insgesamt über 11.000 mal aufgerufen. Der Erregersteckbrief wurde in der gleichen Zeit nahezu 79.000 mal aufgerufen. Zudem wurde die Einbettung der FAQ (bspw. in Internetseiten von GÄ) über das Internettool iFrames ermöglicht.

Im Kontext des massiven Aufkommens an RSV-Fällen signalisierte der BVÖGD der BZgA Ende 2022, dass die Gesundheitsämter dringend Unterstützung, mindestens in Form eines Erregersteckbriefs, benötigen. Dieser wurde innerhalb kürzester Zeit gemeinsam erstellt und mit dem RKI abgestimmt. BZgA-intern erfolgte eine abteilungsübergreifende Abstimmung mit den Bereichen Kindergesundheit und Bildungseinrichtungen zu Kommunikationsinhalten und -wegen. So konnte im Dezember ein Mailing mit Informationen zu grundlegenden Übertragungswegen und Hygienemaßnahmen zu RSV an KiTa-Spitzenverbände, GÄ und die Kultusministerkonferenz (KMK) für die Schulen geschickt werden. Dadurch konnte der Abfluss von Materialien bspw. zum Händewaschen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt werden. Zeitweise kam es zu fast 12.000 Seitenaufrufen täglich. Hinzu kamen viele positive Rückmeldungen von GÄ, KiTas und anderen Institutionen.

Die enge und in Krisensituationen zeitnahe Kommunikation und Abstimmung zwischen verschiedenen Ebenen, sowohl horizontal als auch vertikal, wurde von allen Beteiligten als positiv bewertet. Hierbei sind vor allem bekannte Ansprechpersonen und eine bereits bestehende vertrauensvolle Zusammenarbeit von Vorteil nach dem Motto: „In der Krise Köpfe kennen“ [10].

Die Kommunikation der BZgA mit dem ÖGD im Bereich Infektionsschutz wird abseits von Krisen weiter intensiviert und ausgebaut. Derzeit werden mittels Online-Umfrage unter GÄ weitere Bedarfe ermittelt.

Weitere erforderliche Maßnahmen sind ausführlich in den „Empfehlungen für abgestimmte Kommunikationswege und -maßnahmen über Verwaltungsebenen hinweg in gesundheitlichen Krisen“ des Beirats Pakt ÖGD dargestellt [8].

  1. Autorenerklärung

  2. Autorenbeteiligung: Alle Autoren tragen Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Förderung erhalten haben. Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt. Ethisches Statement: Für die Forschungsarbeit wurden weder von Menschen noch von Tieren Primärdaten erhoben.

  3. Author Declaration

  4. Author contributions: All authors have accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: Authors state no funding involved. Conflict of interest: Authors state no conflict of interest. Ethical statement: Primary data for human nor for animals were not collected for this research work.

Literatur

1. Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen. Lehrbuch Öffentlicher Gesundheitsdienst. 2023. https://akademie-oeffentliches-gesundheitswesen.github.io/Beta-Buch/docs/readydocument-4.html.html. Zitierdatum: 1 Aug 2023.Search in Google Scholar

2. The Lancet. COVID-19: fighting panic with information. Lancet 2020;395:537.10.1016/S0140-6736(20)30379-2Search in Google Scholar PubMed PubMed Central

3. Ruhrmann G, Daube D. Die Rolle der Medien in der COVID-19-Pandemie. In: Lohse AW, editor. Infektionen und Gesellschaft. Berlin, Heidelberg: Springer, 2021:119–34.10.1007/978-3-662-63509-4_15Search in Google Scholar

4. Statistisches Bundesamt. Ukraine: Gesellschaft. 2023. https://www.destatis.de/DE/Im-Fokus/Ukraine/Gesellschaft/_inhalt.html. Zitierdatum: 7 Jul 2023.Search in Google Scholar

5. Stich A. Infektionskrankheiten bei Migranten. Innere Medizin 2023;64:415–25.10.1007/s00108-023-01520-2Search in Google Scholar PubMed PubMed Central

6. Bundesministerium des Innern. Leitfaden Krisenkommunikation. 2014. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/bevoelkerungsschutz/leitfaden-krisenkommunikation.html. Zitierdatum: 7 Jul 2023.Search in Google Scholar

7. Reisig V, Kuhn J. Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) und Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Hrsg. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. 2020. https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/oeffentlicher-gesundheitsdienst-oegd-und-gesundheitsfoerderung/. Zitierdatum: 7 Jul 2023.Search in Google Scholar

8. Geschäftsstelle Pakt für den (ÖGD). Empfehlungen für abgestimmte Kommunikationswege und -maßnahmen über Verwaltungsebenen hinweg in gesundheitlichen Krisen. 2022. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/O/OEGD/221124_Beirat_PO__GD_2_Bericht_Risiko_Krisenkommunikation_bf.pdf. Zitierdatum: 7 Jul 2023.Search in Google Scholar

9. Robert Koch-Institut. Handlungsfelder zur mittel- und langfristigen Prävention und Kontrolle von Mpox in Deutschland. 2023. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Handlungsfelder.pdf?__blob=publicationFile. Zitierdatum: 1 Aug 2023.Search in Google Scholar

10. Bundesamt für Katastrophenschutz und Bevölkerungshilfe. Krisenstäbe verpflichtend fit machen und halten. 2022. https://www.bbk.bund.de/DE/Infothek/Fokusthemen/Jahrestag-Flutkatastrophe/_documents/06-krise-koepfe-kennen.html. Zitierdatum: 1 Aug 2023.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2023-11-28
Erschienen im Druck: 2023-11-27

©2023 Astrid Rose et al., published by De Gruyter, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License.

Articles in the same Issue

  1. Frontmatter
  2. Editorial
  3. Halbzeit im Pakt für den ÖGD: Den Aufschwung nutzen
  4. New Public Health und ÖGD-Reformen: eine kritische Bestandsanalyse
  5. Das Leitbild für einen modernen ÖGD
  6. Wissenschaft und Forschung im und für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Deutschland
  7. Öffentliche Gesundheit: von der Medizinischen Polizey bis New Public Health
  8. Ethik im ÖGD: (Schutz-)Interessen auf Bevölkerungsebene vs. Einzelinteressen
  9. Zur Rolle von Multiprofessionalität in einem ÖGD der Zukunft: Perspektiven aus dem Nachwuchsnetzwerk Öffentliche Gesundheit
  10. Gesundheitsberichterstattung im ÖGD – Datenlage und Verbesserungsbedarf
  11. Soziale Arbeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland
  12. Gesundheitsplanung als Kernaufgabe für den ÖGD
  13. Die Rolle des ÖGD in der Prävention
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  17. Schuleingangsuntersuchungen des ÖGD: Datenquelle für ein Adipositasmonitoring bei Kindern
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  22. Der ÖGD als Kompetenzträger zur Bewältigung des Klimawandels
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  24. Public Health-Herausforderung Hautkrebs und Sonnenschutzstrategien
  25. Pandemic Preparedness im Rahmen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV): Die Rolle des ÖGD
  26. Die Rolle des Hafens als Gefährdungsort für Infektionen
  27. Risikokommunikation der BZgA mit und für den ÖGD im Infektionsschutz
  28. Die Nationale Lenkungsgruppe Impfen – Zusammenarbeit im Impfwesen in föderalen Strukturen
  29. Aufbau eines Impf-Informations-System (IISAAR)
  30. Gesundheitskonferenzen als Instrument des ÖGD für Vernetzung, Kooperation, Koordination und Steuerung im Gesundheitswesen
  31. Die Digitalisierung im Rahmen des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst – Ein Puzzle mit fünf Teilen?
  32. Psychosoziale Tumorberatung – eine Aufgabe der Prävention im ÖGD
  33. Trainingsprogramme in angewandter Epidemiologie für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Deutschland – Bestandsaufnahme und Ausblick
  34. Famulatur und Praktisches Jahr am Gesundheitsamt Frankfurt am Main
  35. Wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft für die Gesundheit der Bevölkerung – ein Plädoyer
  36. Public Health Infos
Downloaded on 14.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/pubhef-2023-0113/html
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