Startseite Stephanie Segal/Dylan Gerstel: Degrees of Separation. A Targeted Approach to U.S.-China Decoupling – Interim Report. Washington, DC: CSIS, Februar 2021.
Artikel Öffentlich zugänglich

Stephanie Segal/Dylan Gerstel: Degrees of Separation. A Targeted Approach to U.S.-China Decoupling – Interim Report. Washington, DC: CSIS, Februar 2021.

  • Gerlinde Groitl EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 26. August 2021

Reviewed Publication:

Segal Stephanie Gerstel Dylan Degrees of Separation. A Targeted Approach to U.S.-China Decoupling – Interim Report Washington, DC CSIS Februar 2021


Die chinesisch-amerikanischen Spannungen strukturieren mittlerweile nicht nur die US-Außen- und Sicherheitspolitik, sondern prägen zunehmend auch die Weltwirtschaft. Seit die Donald J. Trump-Administration in einen offenen Handelskonflikt mit der Volksrepublik eintrat und Forderungen nach einer ökonomischen „Entkopplung“ (Decoupling) laut wurden, wird über die Plausibilität eines solchen Szenarios diskutiert. Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) analysiert diese Thematik in einem mehrstufigen Forschungsprojekt. Der hier besprochene Zwischenbericht wurde im Februar 2021 vorgelegt, eine weiterführende Studie soll im Jahresverlauf folgen.

Der von zwei Autoren aus dem Wirtschaftsprogramm verfasste Report beginnt mit der Beobachtung, dass eine völlige Entflechtung der beiden Volkswirtschaften, die wiederum in eine globalisierte Weltwirtschaft eingebunden sind, weder realistisch noch vorteilhaft sei. Doch auch der Status quo sei problematisch, zumal sich die politische Kompassnadel binnen weniger Jahre von Kooperation hin zu Konflikt verschoben hätte. Degrees of Separation möchte ein klares Bild der politisch-ökonomischen Zusammenhänge bieten und Strategieoptionen ausloten, um eine nuancierte Diskussion zu ermöglichen. Der Zwischenbericht konzentriert sich dabei auf drei Themen: die Entwicklung der amerikanischen Engagement-Politik gegenüber China, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die Wirksamkeit ökonomischer Instrumente zur politischen Interessendurchsetzung.

Ein Vorzug des Berichts ist die differenzierte Betrachtung der amerikanischen Engagement-Politik gegenüber China seit den 1970er Jahren. Die Autoren „dröseln“ sie nach Politikbereichen auf, um aufzuzeigen, welche politischen Motive Washington leiteten. Dabei rücken geostrategische (z. B. Sowjetunion; Taiwan), ökonomische (z. B. Marktöffnung) und normative Interessen (z. B. politische Liberalisierung; Menschenrechte) ebenso in den Blick wie internationale Ordnungsfragen (z. B. Regelkonformität), globale Kollektivgüter (z. B. Klima; Entwicklung) oder Technologie-/Innovationsbelange (z. B. Schutz geistigen Eigentums). Ergänzend zu dieser Achse mit sechs Themenfeldern untersuchen die Autoren die Engagement-Politik im historischen Verlauf und identifizieren vier Phasen (1972–1989; 1989–2001; 2001–2017; 2017–2020). Dabei wird deutlich, dass die Liste der Anliegen in den letzten zwanzig Jahren länger wurde, während der amerikanische Handlungsspielraum durch Chinas Aufstieg schrumpfte (siehe Überblick auf S. 3). Ab 2017 schwenkte Washington auf einen Konfrontationskurs mit dem Ziel ein, die Beziehungen neu zu justieren.

Die zwei weiteren Kapitel beschäftigen sich mit den Kenndaten der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den beiden größten Volkswirtschaften und der Effektivität von ökonomischen Instrumenten zur politischen Interessendurchsetzung. Beim letzten Punkt beschränkt sich der Zwischenbericht auf einen allgemeinen Überblick, welche wirtschaftlichen Anreize oder Zwänge der Politik zur Verfügung stehen (z. B. Sanktionen, Zölle, Exportkontrollen) und welche (Neben)Wirkungen denkbar sind. Die Folgestudie soll darauf aufbauend ausloten, wie ökonomische Instrumente in den oben genannten sechs Sachbereichen der amerikanischen Chinapolitik zielgerichtet zur Interessensicherung genutzt werden können und ob, wo und inwiefern Decoupling-Maßnahmen greifen würden.

Degrees of Separation bietet einen wertvollen ersten Einblick in die Vielschichtigkeit der US-Chinapolitik und setzt die Rolle der Wirtschaft als Strategiewerkzeug auf die Agenda. Strategisches Handeln braucht klare und realistische Ziele, die nötigen Mittel sowie einen Plan, auf welchem Weg die eigenen Interessen umgesetzt werden können. Das CSIS-Projekt hilft erstens dabei, die amerikanischen Zielmarken zu überprüfen. Zweitens kann es dazu beitragen, die künstliche Trennung zwischen Sicherheits- und Wirtschaftsforschung zu überwinden. Drittens ist es höchste Zeit, das „Schreckgespenst“ des Decoupling, das oft unreflektiert gefordert oder ebenso unbedacht verworfen wird, einer fundierten Analyse zu unterziehen und in einen politisch praktikablen Leitfaden einzubetten. Es bleibt zu hoffen, dass die finale Studie eben diese wichtigen Antworten liefern kann.

https://www.csis.org/analysis/degrees-separation-targeted-approach-us-china-decoupling-%E2%80%93-interim-report

Published Online: 2021-08-26
Published in Print: 2021-08-24

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Verteidigung ist Pflicht – Deutschlands außenpolitische Kultur muss strategisch werden – Teil 1
  6. Deutschland am Scheidepunkt – eine aktive Verteidigungs- und Bündnispolitik ist überfällig
  7. Governance vulnerabler strategischer Wertschöpfungsketten im Zeichen der Deglobalisierung
  8. Kurzanalysen und Berichte
  9. Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik zwischen Anspruch und Realität
  10. Der Krieg um Bergkarabach – Folgen für die deutsche und europäische Sicherheitspolitik
  11. Kommentar
  12. Betrachtungen einer Millennial über das „Neue Deutsche Problem“ nach 30 Jahren Frieden
  13. Literaturbericht
  14. Westliche Russlandpolitik: Mythen, Fehlbeurteilungen und Strategien
  15. Ergebnisse strategischer Studien
  16. Großmächtekonkurrenz
  17. Andrea Kendall-Taylor/David Shullman: Navigating the Deepening Russia-China Partnership. Washington, DC: Center for a New American Security, Januar 2021.
  18. Miranda Priebe/Bryan Rooney/Nathan Beauchamp-Mustafaga/Jeffrey Martini/Stephanie Pezard: Implementing Restraint. Changes in U.S. Regional Security Policies to Operationalize a Realist Grand Strategy of Restraint. Santa Monica, CA: RAND Corporation, 2021.
  19. Stephanie Segal/Dylan Gerstel: Degrees of Separation. A Targeted Approach to U.S.-China Decoupling – Interim Report. Washington, DC: CSIS, Februar 2021.
  20. Paul Scharre/Ainikki Riikonen: Defense Technology Strategy. Washingon, D.C.: Center for a New American Security (CNAS), November 2020
  21. Konflikt und Kooperation in der Arktis
  22. Paul Stronksi/Grace Kier: A Fresh Start on U.S. Arctic Policy Under Biden. Moskau: Carnegie Moscow Center, 17. Mai 2021
  23. Jim Townsend/Andrea Kendall-Taylor: Partners, Competitors, or a Little of Both? Russia and China in the Arctic. Washington, D.C.: Center for a New American Security, März 2021
  24. Eugene Rumer/Richard Sokolsky/Paul Stronski: Russia in the Arctic – A critical examination. Washington, DC: Carnegie Endowment for International Peace, März 2021
  25. Russische Streitkräfte
  26. Estonian Foreign Intelligence Service: International Security and Estonia − Report on Russia. Tallinn: Estonian Foreign Intelligence Service, März 2021
  27. Dmitry (Dima) Adamsky: Moscow’s Aerospace Theory of Victory: Western Assumptions and Russian Reality. Washington, D.C.: Center for Naval Analyses, February 2021
  28. Europa
  29. Alice Billon-Galland/Richard G. Whitman: Towards a strategic agenda for the E3. Opportunities and risks for France, Germany and the UK. London: Chatham House, April 2021
  30. Wolfram Lacher: Unser schwieriger Partner: Deutschlands und Frankreichs erfolgloses Engagement in Libyen und Mali. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), SWP-Studie 3, Februar 2021
  31. Stephen Tankel/Lisa Curtis/Joshua Fitt/Coby Goldberg: Positive Visions, Powerful Partnerships. The Keys to Competing with China in a Post-Pandemic Indo-Pacific. Washington, D.C.: Center for a New American Security, März 2021
  32. Cleo Paskal: Indo-Pacific strategies, perceptions and partnerships. The view from seven countries. London: Chatham House, März 2021
  33. Hiroyuki Suzuki: Building Resilient Global Supply Chains. The Geopolitics of the Indo-Pacific Region. Washington, DC: Center for Strategic & International Studies (CSIS), Februar 2021
  34. Indo-Pazifik
  35. Stephen Tankel/Lisa Curtis/Joshua Fitt/Coby Goldberg: Positive Visions, Powerful Partnerships. The Keys to Competing with China in a Post-Pandemic Indo-Pacific. Washington, D.C.: Center for a New American Security, März 2021
  36. Cleo Paskal: Indo-Pacific strategies, perceptions and partnerships. The view from seven countries. London: Chatham House, März 2021
  37. Hiroyuki Suzuki: Building Resilient Global Supply Chains. The Geopolitics of the Indo-Pacific Region. Washington, DC: Center for Strategic & International Studies (CSIS), Februar 2021
  38. Jason Bartlett: Exposing the Financial Footprints of North Korea’s Hackers. Washingon, D.C.: Center for a New American Security (CNAS), November 2020
  39. Globale Klimapolitik
  40. Christian Schaller: Der Meeresspiegelanstieg als Herausforderung für die maritime Ordnung. Kann das Seevölkerrecht Stabilität gewährleisten? Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie 1, Januar 2021
  41. Buchbesprechungen
  42. Wilfried von Bredow: Armee ohne Auftrag. Die Bundeswehr und die deutsche Sicherheitspolitik. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2020, 200 Seiten
  43. Andreas Lutsch: Westbindung oder Gleichgewicht? Die nukleare Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland zwischen Atomwaffensperrvertrag und NATO-Doppelbeschluss. Berlin: DeGruyter Oldenbourg 2020, 878 Seiten
  44. Jochen Maurer/Martin Rink (Hrsg.): Einsatz ohne Krieg? Die Bundeswehr nach 1990 zwischen politischem Auftrag und militärischer Wirklichkeit. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2021, 432 Seiten
  45. Gregor Schöllgen/Gerhard Schröder: Letzte Chance. Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2021, 256 Seiten
  46. Klaus Schwab/Thierry Malleret: COVID-19: The Great Reset. Genf: World Economic Forum 2020, Edition 1.0, 280 Seiten
  47. Alex S. Wilner/Andreas Wenger (Hg.): Deterrence by Denial. Theory and Practice. Amherst, NY: Cambria Press, 2021, 294 Seiten
  48. Bildnachweise
  49. Bildnachweise
Heruntergeladen am 11.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2021-3011/html
Button zum nach oben scrollen