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Hanns W. Maull (Hrsg.): The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order. Oxford: Oxford University Press, 2018, 346 Seiten

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Published/Copyright: June 5, 2020

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Maull Hanns W. The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order Oxford Oxford University Press 2018 1 346


Das Buch befasst sich mit der heute mehr denn je wichtigen Frage, wie es um die internationale Ordnung steht und wie sich diese angesichts der globalen Machtverschiebungen verändern wird. Laut dem Herausgeber ist die internationale Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen eine durch die USA und andere westliche Mächte gestaltete liberale Ordnung gewesen. Diese habe nach dem Kalten Krieg qualitativ eine Erweiterung erfahren (Internationale Liberale Ordnung 2.0) und stehe nunmehr vor der Herausforderung, dass als Ergebnis ihres Erfolges China zu einer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Großmacht geworden ist, die wesentliche Elemente dieser liberalen Ordnung entweder ablehnt oder revidiert haben will. Zudem seien die USA als Garantiemacht der liberalen internationalen Ordnung geschwächt und würden vor allem unter Präsident Donald Trump eher irrlichtern als dass sie führen.

Das Buch beginnt mit einer sehr klugen und analytisch präzisen Einführung des Herausgebers, die den analytischen Rahmen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit internationaler Ordnung abgibt. Es gibt laut Maull Die Internationale Ordnung und es gibt partielle Ordnungen, entweder regional oder themenspezifisch. Die Internationale Ordnung entstehe entweder durch Vereinbarungen unter Mächten, die ihre Einflusssphären abgrenzen und Spielregeln für den Umgang miteinander aushandeln, sie könne aber auch als eine Ordnung verstanden werden, die die Kooperation unter Staaten regelt (liberale Ordnung), oder sie könne das Ergebnis eines Prozesses der Transformation sein, an dessen Ende unterschiedliche Strukturen entstehen. Es könne das Nebeneinander unterschiedlicher Ordnungen geben (global, regional, themenspezifisch) und Ordnungen können zerfallen oder sich wandeln. Jede Ordnung enthalte auch Elemente von Unordnung, das sei ganz normal. Ordnungen ließen sich auch daraufhin bewerten, inwiefern sie den in sie gesetzten Ansprüchen Genüge tun.

Internationale Ordnungsbildung ist für Maull auch ein Weg zu einer Zivilisierung der internationalen Beziehungen. „We consider an effectively functioning, legitimate, and sustainable ‚international order‘ as a prerequisite for shaping worldwide individual and collective behaviour in ways that would allow mankind to cope with huge risks and uncertainties, but also exploit the opportunities of globalization” (S. 17). Die Beiträge des Buches sollen sich mit drei großen Fragen befassen: 1. Was ist mit der liberalen internationalen Ordnung 2.0 seit 1990 geschehen? 2. Was sind die größeren Trends? Beobachten wir einen Trend zu mehr oder weniger Internationaler Ordnung? 3. Welche Strategien und politischen Ziele verfolgen die USA und China mit Bezug auf die Internationale Ordnung? Die einzelnen Beiträge des Buches sollen diese Frage beantworten.

Der erste Hauptteil des Buches befasst sich mit der Frage, wie sich die funktionalen internationalen Ordnungen entwickeln. Im Prinzip geht es hier um die Entwicklungen internationaler Regime in den Bereichen Handel, Klimapolitik, Umgang mit Pandemien und länderübergreifenden Gesundheitsproblemen, nukleare Ordnung und Cyberspace. Die Beiträge werden den in sie gesetzten Ansprüchen sehr unterschiedlich gerecht. Der Artikel von Bernard Hoekman zum Thema „Internationale Handelsordnung“ ist zähflüssig geschrieben und beschränkt sich weitgehend auf aktuelle Probleme der Welthandelsorganisation (WTO). Eine Analyse der internationalen Handelsordnung, ihrer Ziele, Institutionen und vor allem der strukturellen Probleme sucht man vergebens. Besser fällt der Beitrag von Joyeeta Gupta aus, die sehr gut den Übergang des Regimes der Klimapolitik vor und nach dem Paris Gipfel beschreibt und die darin einen Fortschritt erkennt. Ob dieser Optimismus berechtigt ist, wird sich zeigen müssen. Der Verfasserin ist darin zuzustimmen, dass der Ansatz des Kyoto-Protokolls schon aufgrund machtpolitischer Verschiebungen nicht länger haltbar war. Wenig erhellend fällt der Beitrag von William Walker über die internationale Nuklearordnung aus. Sein einziges Anliegen ist die Abschaffung von Kernwaffen und er geht aus von der kontroversen Behauptung, dass Nichtverbreitung von Kernwaffen und erweiterte Abschreckung sich widersprechen würden. Eine Analyse des komplexen Geflechts internationaler Ordnungsbildung im Bereich nuklearer Waffen und der Nichtverbreitung dieser Waffen stellt dieser Beitrag nicht dar. Besser fällt der Beitrag von Myriam Dunn Cavelty über die Notwendigkeit der Schaffung von Ordnung im Bereich des Cyberspace aus.

Das zweite Hauptkapitel befasst sich mit regionalen Ordnungen. Der Beitrag von Wolfgang Richter beschreibt in kurzen Zügen die europäische Sicherheitsordnung, die sich nach 1990 herausgebildet hat. Er benennt die unterschiedlichen Verträge und Institutionen und beschreibt dann den Zerfall dieser Ordnung. Der Verfasser kritisiert vor allem die USA, die angeblich nicht genug auf die Interessen Russlands eingegangen sei und die Vorzüge der Rüstungskontrolle nicht erkannt habe. Das Grundproblem der 1990 in Paris gemeinsam mit Russland beschlossenen Sicherheitsordnung – wie kann man eine Ordnung, die auf Gewaltverzicht und der Unverletzlichkeit der Souveränität aller Länder unabhängig von ihrer Größe basiert, mit dem Anspruch eines Landes wie Russland auf gesicherte Einflusssphären vereinbaren – wird leider nicht angesprochen. Auch nicht besonders überzeugend fällt der Beitrag von Volker Perthes und Hanns W. Maull zur regionalen Ordnung im Mittleren Osten aus. Wo keine Ordnung ist, kann man auch keine hineininterpretieren. Charles E. Morrisons Beitrag zur sich entwickelnden regionalen Ordnung in Asien zeichnet ein merkwürdiges Bild, indem China als Gestaltungsmacht bzw. als Störfaktor kaum vorkommt. Dieser Mangel wird in dem nachfolgenden Beitrag von Chaesung Chun dann wieder wettgemacht, der die Probleme aufzeigt, die sich mit dem Aufstieg Chinas für eine an liberalen Prinzipien und Staatensouveränität orientierten internationalen Ordnung verbinden.

Das dritte Hauptkapitel besteht aus Analysen zur Politik der zur Ordnungsbildung fähigen Staaten. Der Beitrag von Daniel Deudney befasst sich mit den USA. Der Verfasser kommt zu einem Ergebnis, welches nicht niederschmetternder sein kann: Die USA hätten als Ordnungsmacht der Vergangenheit auf alle Herausforderungen nur mit militärischen Mitteln reagiert und seien heute ein Sicherheitsstaat, der alles falsch gemacht hat, was man hätte machen können. Anstatt Ansätze zur Modernisierung arabischer Staaten (wo?) zu unterstützen, hätte man konservative Regierungen gestützt, die den Terrorismus förderten und anstelle der Unterstützung von globalen Regimen hätten sich die USA aus internationalen Organisationen zurückgezogen. Hauptproblem sei ohnehin der Kapitalismus, der sich selbst zerstöre. Das ist alles eine sehr einseitige und im feurigen Überschwang geschriebene Interpretation, die durch die abwägende Analyse von Marco Overhaus über die Bedeutung der Aufrechterhaltung regionaler Ordnungen in Europa, Ostasien und dem Mittleren Osten angenehm kontrastiert wird. Der Beitrag von Zhougying Pang zur Rolle Chinas in der künftigen internationalen Ordnung ist interessant, weil er weitgehend die offizielle chinesische Position wiedergibt, analytisch aber ohne Wert bleibt. Besser ist der Beitrag von Daniel Krahl, der ausgehend vom Pariser Klimaabkommen die Positionen Chinas zum Wandel der internationalen Ordnung aufzeigt. Dies ist eine sehr differenzierte Analyse, die sorgsam zu lesen sich empfiehlt. China will eine internationale Ordnung, die seinem Gewicht entspricht und in der es seine Interessen durchsetzen kann. Diese sind was sein regionales Umfeld betrifft sehr stark auf Dominanz ausgerichtet. Global gesehen wisse allerdings auch Chinas Führung, dass es Probleme wie den Klimawandel nicht allein wird lösen können. Das Verständnis Chinas vom Multilateralismus unterscheide sich aber grundlegend von dem der Europäer.

Am Schluss des Buches legt der Herausgeber noch eine Zusammenfassung der Ergebnisse der einzelnen Analysen vor, die angesichts der unterschiedlichen Qualität der Beiträge teilweise nur sehr allgemein ausfallen kann. Das Buch endet mit dem Hinweis, dass der Niedergang der liberalen internationalen Ordnung wohl schon stattfinde, aber dieser Niedergang habe Kräfte und Impulse geweckt, die den Aufbau einer neuen internationalen Ordnung erahnen ließen. Andere sind da sehr viel skeptischer und man kann nur hoffen, dass die positive Erwartung von Hanns W. Maull auch eintritt.

Published Online: 2020-06-05
Published in Print: 2020-09-25

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  1. Titelseiten
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  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Ein schwieriger Partner: Deutschlands eigennützige Außenpolitik
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  12. Deutschlands neuer außenpolitischer Pragmatismus
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  17. Ergebnisse internationaler strategischer Studienn
  18. Duncan Allan: The Minsk Conundrum. Western Policy and Russia’s War in Eastern Ukraine. London: Chatham House, Mai 2020
  19. Pavel Baev: Transformation of Russian Strategic Culture. Impacts From Local Wars and Global Confrontation. Paris: Institut français des relations internationales (Ifri), Juni 2020
  20. Wirtschaftliche Dimensionen internationaler Sicherheit
  21. Elizabeth Rosenberg/Peter E. Harrell/Ashley Feng: A New Arsenal for Competition. Coercive Economic Measures in the U.S.-China Relationship. Washington, D.C.: Center for a New American Security (CNAS), May 2020
  22. Elisabeth Rosenberg/Jordan Tama: Strengthening the Economic Arsenal. Bolstering the Deterring and Signalling Effects of Sanctions. Washington, D.C.: Center for a new American Security (CNAS), Dezember 2019
  23. Darina Blagoeva/Claudiu Pavel/Dominic Wittmer/Jacob Huisman/Francesco Pasimeni: Materials Dependencies for Dual-Use Technologies relevant to Europe’s Defence Sector. Luxemburg: Joint Research Centre of the European Commission, 2019
  24. Rafiq Dossani/Jennifer Bouey/Keren Zhu: Demystifying the Belt and Road Initiative. A Clarification of its Key Features, Objectives and Impacts. Santa Monica: RAND Corp., Mai 2020.
  25. Naher Osten
  26. Anthony Cordesman: Iran and the Changing Military Balance in the Gulf. Net Assessment Indicators. Washington D.C.: Center for Strategic and International Studies, April 2020
  27. Muriel Asseburg: Wiederaufbau in Syrien. Herausforderungen und Handlungsoptionen für die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2020
  28. Cornelius Adebahr: Europe Needs a Regional Strategy on Iran. Brüssel: Carnegie Europe, Mai 2020
  29. Europa
  30. Andrea Boitani/Roberto Tamborini: Crisis and Reform of the Euro-Zone. Why do we disagree? Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, März 2020
  31. John Springford/Christian Odendahl: Conference Report. Five challenges for Europe. London: Centre for European Reform, December 2019.
  32. Buchbesprechungen
  33. Buchbesprechungen
  34. Thomas G. Mahnken (Hrsg.): Net Assessment and Military Strategy. Retrospective and Prospective Essay. With an Introduction by Andrew W. Marshall. Armherst, New York: Cambria Press, 2020, 272 Seiten
  35. Lawrence Freedman: Ukraine and the Art of Strategy, Oxford: Oxford University Press, 2019, 233 Seiten
  36. Keith B. Payne: Shadows on the Wall: Deterrence and Disarmament. Fairfax, VA: National Institute Press, 2020, 187 Seiten
  37. Hanns W. Maull (Hrsg.): The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order. Oxford: Oxford University Press, 2018, 346 Seiten
  38. Daniele Ganser: Imperium USA. Die skrupellose Weltmacht. Zürich: Orell Füssli Verlag 2020, 400 Seiten
  39. Bildnachweise
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