Reviewed Publication:
Dossani Rafiq Bouey Jennifer Zhu Keren Demystifying the Belt and Road Initiative. A Clarification of its Key Features, Objectives and Impacts Santa Monica RAND Corp. Mai 2020.
Seit ihrer Verkündung 2013 ist eine kaum überschaubare Vielzahl von Studien zu Chinas Belt and Road Initiative (BRI) erschienen. Viele davon lesen sich wie ein Echo derjenigen Superlative und hochtrabenden Rhetorik, mit der Peking die BRI beschrieben hat, oder beschränken sich auf eine oberflächliche Beschreibung ökonomischer und geopolitischer Ziele sowie einiger beispielhafter Großprojekte. Der vorliegende, effektiv 25-seitige Bericht dreier Autorinnen und Autoren der RAND-Corporation deutet bereits im Titel an, nicht diesem Verlauf zu folgen, sondern nach knapp sieben Jahren BRI-Geschichte basierend auf der verfügbaren Literatur eine sachliche Einordnung vorzunehmen.
Der Bericht beginnt mit einer grundsätzlichen Charakterisierung der BRI als Projekt zur Entwicklungsfinanzierung. Die BRI treffe in Entwicklungsländern auf eine anerkannte Infrastrukturlücke und einen Mangel an Kapital zu günstigen Konditionen. Die BRI sei insofern einzigartig, als sie durch ein Land der mittleren Einkommensstufe, China, finanziert werde und auf Infrastruktur ausgerichtet sei. Sie suche globale Konnektivität zu fördern und sehe eine starke Rolle staatlich kontrollierter Institutionen vor, sowohl bei der Finanzierung wie beim Bau der BRI-Projekte. Die Entwicklungsprogramme der üblichen Geberländer zielten in der Regel nur zu einem geringen Teil auf Infrastruktur und würden selten durch staatliche Unternehmen umgesetzt.
Der Hauptteil der Studie gilt einer Auseinandersetzung mit den am häufigsten geäußerten Kritikpunkten an der BRI: Die BRI fördere wirtschaftliche Abhängigkeit von China und diene primär Chinas eigenen wirtschaftlichen Vorteilen. Sie sei nicht nachhaltig, bemühe sich nicht um die Einhaltung von Standards, beinhalte unrentable Projekte, und befeuere so die Schuldenproblematik. Letztlich diene die BRI auch nichtkommerziellen Motiven und könne zweckentfremdet werden, beispielsweise durch die militärische Nutzung neuer Infrastruktur.
Die Autorinnen und Autoren kontern einige dieser Argumente sogleich. Auch westlichen Initiativen lägen nichtkommerzielle Motive zugrunde, die dem eigenen Wirtschaftswachstum oder der Förderung politischer Werte dienten. Für diesen validen Punkt bemühen sie aber primär den Marshall-Plan und damit ein Beispiel des Kalten Krieges. Bislang sei noch keine Umnutzung von als zivil deklarierter Infrastruktur bekannt. Die Schuldenfallenproblematik betreffe auch China selbst, welches nur für einen Teil seiner Investitionen auf Rentabilität oder Rückzahlung hoffen kann. Den Vorwürfen nach mangelnder Nachhaltigkeit begegnet die Studie, indem sie aufzeigt, dass zwar anfangs Energie- und Infrastrukturprojekte im Vordergrund standen, aber in den letzten Jahren Investitionen in Fertigung, Informationsdienste oder Verkauf zugenommen hätten. Diese bauten auf anfänglichen Infrastrukturverbesserungen auf und erlaubten einen höheren Anteil an Wertschöpfung.
Der Besonderheit der starken Rolle staatlicher Akteure in der BRI gibt die Studie einigen Raum. Es bleibe eine offene Frage, ob private Akteure schlicht zu zögerlich seien, große Summen in risikobehafteten Kontexten aufzuwenden. Besonders internationale kommerzielle Banken hätten sich auf die Finanzierung risikoärmerer Projekte und die Bereitstellung komplementärer Dienstleistungen zu Evaluation oder Finanzhandel konzentriert, seien damit aber sehr wohl an der BRI beteiligt. Dass chinesische staatliche Akteure eine wichtige Rolle einnehmen und nicht nur kommerzielle Ziele hinter der BRI stehen, könne gar förderlich sein. Staatliche Akteure müssen längerfristige Externalitäten und den Ruf Chinas mit in Betracht ziehen, was einen besseren Einbezug der lokalen Bevölkerung und mehr Flexibilität bei den Finanzierungsmodellen zulassen könnte. Gleichzeitig kann dies auch Korruption oder unrentable Projekte befeuern, die nach rein kommerziellen Richtlinien nicht implementiert worden wären. China habe aber ein Interesse daran, den Ruf von Schuldenfallen zu vermeiden und die Einhaltung von Standards sicherzustellen.
Der strukturelle Aufbau der Studie ist nur begrenzt gelungen, als sie einige Male zwischen verschiedenen Kritikpunkten an der BRI und der Bewertung derselben hin- und herwechselt. Es gelingt ihr jedoch bemerkenswerterweise – auch angesichts der Tatsache, dass RAND die Studie verfasst hat – nüchtern die Kritik an der BRI zu relativieren und mit den Entwicklungsprogrammen anderer Länder Europas, der USA oder Japans in Kontext zu stellen. Diese Sachlichkeit ist ein echter Mehrwert. Der letzte Teil widmet sich Implikationen und Empfehlungen für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger und sagt nicht viel mehr, als dass westliche Länder die BRI als Realität anerkennen sollen und Empfängerländer sich bemühen müssen, die BRI gemäß ihren Bedürfnissen zu gestalten. Diese Aussagen klingen banal, sind aber wichtig und sollten als Grundlage für weiterführende und vertiefende Studien dienen.
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Lawrence Freedman: Ukraine and the Art of Strategy, Oxford: Oxford University Press, 2019, 233 Seiten
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- Bildnachweise
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