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Elisabeth Rosenberg/Jordan Tama: Strengthening the Economic Arsenal. Bolstering the Deterring and Signalling Effects of Sanctions. Washington, D.C.: Center for a new American Security (CNAS), Dezember 2019

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Veröffentlicht/Copyright: 5. Juni 2020

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Rosenberg Elisabeth Tama Jordan Strengthening the Economic Arsenal. Bolstering the Deterring and Signalling Effects of Sanctions Washington, D.C. Center for a new American Security (CNAS) Dezember 2019


Verfügen die USA über eine glaubhafte Sanktionsstrategie und besitzen sie ein glaubhaftes Sanktionsarsenal? Beide Autoren sind an dieser Stelle äußerst skeptisch. Ihre Analyse hat das Ziel aufzuzeigen, wie das ökonomische Sanktionsarsenal glaubhaft innerhalb einer Gesamtstrategie zu verorten sein muss, so dass es analog dem militärischen Usus als glaubhafte Drohung zu nutzen ist. Zentrale Festlegungen betreffen folglich: Soll ein Einstieg in das Sanktionsregime erfolgen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und wie kann ein Ausstieg aus dem Regime erfolgen?

Glaubhaftigkeit verweist für die Verfasser auf die Logik eines an klaren Kriterien orientierten Sanktionseinstiegs, eine Darlegung der Bedingungen des Ausstiegs und damit verbunden die Kommunikation einer transparenten Eskalations- und damit auch Deeskalationsspirale. Nur so könne im sanktionsauslösenden Land genauso wie im Zielland den betroffenen Unternehmen, falls diese in den Fokus geraten, die Möglichkeit einer rationalen Bewertung ihrer Handlungsspielräume gegeben werden. Eskalation bedeute weiterhin, dass ganz im Sinne der hybriden Kriegsführung eine Vielzahl von Möglichkeiten genutzt werden kann, die über das ökonomische Instrumentarium weit hinaus reichen und letztlich auch militärische Zwangsmaßnahmen einbeziehen. Wichtig seien hierbei auch kognitive, politische sowie rechtliche Mittel.

Aus der Informationsökonomik ist bekannt, dass das billigere Risiko besser signalisiert. Das bedeutet insbesondere, klare Absichten und die Bedingungen für das Lösen aus dem Sanktionsregime zu kommunizieren ebenso wie den Verweis auf die die Drohkulisse unterstützenden Fähigkeiten, also das oben erwähnte gesamte hybride Bündel. Eine wichtige Rolle spielen die Bedingungen einer Sanktionsauflösung auch deshalb, weil nur dadurch die eigentliche Sanktion glaubhaft und wirksam wird. Wenn sich das Zielland bei einer Kooperation nicht auf ein Lösen der Sanktionen verlassen kann, wird bereits das Androhen, um ungewünschte Handlungen zu unterbinden oder bereits verzogene Handlungen zu revidieren, unwirksam. Am besten existiert eine 1:1 Beziehung zwischen Sanktionseinführung und Bedingungen der Sanktionsauflösung.

In den USA ist das National Security Council (NSC) für die Sanktionssysteme institutionell verantwortlich; im Übrigen kann der Kongress als eine seiner wenigen direkten exekutiven Machtmöglichkeiten Sanktionen aussprechen, was er in der Vergangenheit vermehrt getan hat. Dabei ist es wichtig, dass das Sanktionsziel sehr klar fokussiert wird und nicht im Ungefähren bleibt. Es gilt ganz konkret Länder, Unternehmensgruppen oder Personen anzusprechen, um die erwünschte Kooperation zu erzwingen. Das Einbeziehen von Allianzpartnern ist wichtig, damit Sanktionsregimes nicht unterlaufen werden. Das eigene Unternehmen und Partnerländer müssen die Grenzen ihres Handelns im Rahmen des Sanktionsregimes erkennen können und nicht willentlich – viel öfter aber unwillentlich und aufgrund von Informationsmangel – in das Visier des eigenen Rechtssystems geraten. Zugleich verhindert eine solche Vorgehensweise Streuverluste und unbeabsichtigte Nebeneffekte.

Die Autoren bewerten vor diesen Kriterien das US-Sanktionssystem als bisher unscharf und wenig effizient, insbesondere auch deshalb, weil keine klaren Regeln für das Aufheben von Sanktionen existierten. Es wird leider nicht diskutiert, inwieweit die Fähigkeit zu Sanktionen, insbesondere deren ultimative militärische Unterfütterung, die in einer Tabelle zur Sanktionseskalation aufscheint, für Großmächte überhaupt Anwendung finden kann. Insofern wirkt das Sanktionseskalationssystem an dieser Stelle stumpf und scheint eher für Länder geeignet, die über geringere Reaktionspotenziale verfügen. Hier wäre es zweckmäßig gewesen, das Konzept der glaubhaften Drohung aus der Spieltheorie zu vertiefen: einer Drohung, bei welcher der Gegner über keine angemessene Antwort verfügt. Überhaupt nicht diskutiert wird die Frage, welche Konsequenzen Sanktionen haben können – insbesondere für die Menschenrechte (Unterbinden medizinischer Versorgung, wie beispielsweise im Iran), infolge unerwünschter Gegenmaßnahmen (z. B. internationaler Terrorismus, auch durch den Iran) oder unbeabsichtigte Dritt- und Viertrundeneffekte (beispielsweise durch Folgen für die Rohstoffversorgung und für die Preise sowie Störungen von globalen Lieferketten), die ebenfalls die Glaubhaftigkeit der Sanktionsdrohung in Zweifel ziehen. Gerade, weil tatsächlich die Verfasser argumentieren, dass eine weit stärkere wissenschaftliche Begleitung, insbesondere Effizienzkontrolle und Evaluierung, erforderlich sei, wird das Fehlen einer erforderlichen Breite des Sanktionsfelds offenbar. Denn historisch lässt sich zeigen, dass die Erfolge von Sanktionen tendenziell unbestimmt sind.

https://www.cnas.org/publications/reports/strengthening-the-economic-arsenal

Published Online: 2020-06-05
Published in Print: 2020-09-25

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Ein schwieriger Partner: Deutschlands eigennützige Außenpolitik
  6. Multilateralismus in der deutschen Außenpolitik – eine Bilanz
  7. Bilanz der deutschen Russlandpolitik seit 1990
  8. Die friedenspolitische Ambivalenz deutscher Pipelinedeals mit Moskau – eine interdependenztheoretische Erklärung des russisch-ukrainischen Konfliktes
  9. Deutsche Sicherheitspolitik seit 1990: Auf der Suche nach einer Strategie
  10. Deutsche Verteidigungspolitik – Versäumnisse und nicht eingehaltene Versprechen
  11. Abrüstung und Nichtverbreitung atomarer, biologischer und chemischer Waffen. Beiträge des vereinten Deutschland
  12. Deutschlands neuer außenpolitischer Pragmatismus
  13. Kurzanalysen und Berichte
  14. Steht ein revolutionärer Wandel des Wahlmodus bei der US-Präsidentenwahl an?
  15. Ergebnisse internationaler strategischer Studie
  16. Russland
  17. Ergebnisse internationaler strategischer Studienn
  18. Duncan Allan: The Minsk Conundrum. Western Policy and Russia’s War in Eastern Ukraine. London: Chatham House, Mai 2020
  19. Pavel Baev: Transformation of Russian Strategic Culture. Impacts From Local Wars and Global Confrontation. Paris: Institut français des relations internationales (Ifri), Juni 2020
  20. Wirtschaftliche Dimensionen internationaler Sicherheit
  21. Elizabeth Rosenberg/Peter E. Harrell/Ashley Feng: A New Arsenal for Competition. Coercive Economic Measures in the U.S.-China Relationship. Washington, D.C.: Center for a New American Security (CNAS), May 2020
  22. Elisabeth Rosenberg/Jordan Tama: Strengthening the Economic Arsenal. Bolstering the Deterring and Signalling Effects of Sanctions. Washington, D.C.: Center for a new American Security (CNAS), Dezember 2019
  23. Darina Blagoeva/Claudiu Pavel/Dominic Wittmer/Jacob Huisman/Francesco Pasimeni: Materials Dependencies for Dual-Use Technologies relevant to Europe’s Defence Sector. Luxemburg: Joint Research Centre of the European Commission, 2019
  24. Rafiq Dossani/Jennifer Bouey/Keren Zhu: Demystifying the Belt and Road Initiative. A Clarification of its Key Features, Objectives and Impacts. Santa Monica: RAND Corp., Mai 2020.
  25. Naher Osten
  26. Anthony Cordesman: Iran and the Changing Military Balance in the Gulf. Net Assessment Indicators. Washington D.C.: Center for Strategic and International Studies, April 2020
  27. Muriel Asseburg: Wiederaufbau in Syrien. Herausforderungen und Handlungsoptionen für die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2020
  28. Cornelius Adebahr: Europe Needs a Regional Strategy on Iran. Brüssel: Carnegie Europe, Mai 2020
  29. Europa
  30. Andrea Boitani/Roberto Tamborini: Crisis and Reform of the Euro-Zone. Why do we disagree? Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, März 2020
  31. John Springford/Christian Odendahl: Conference Report. Five challenges for Europe. London: Centre for European Reform, December 2019.
  32. Buchbesprechungen
  33. Buchbesprechungen
  34. Thomas G. Mahnken (Hrsg.): Net Assessment and Military Strategy. Retrospective and Prospective Essay. With an Introduction by Andrew W. Marshall. Armherst, New York: Cambria Press, 2020, 272 Seiten
  35. Lawrence Freedman: Ukraine and the Art of Strategy, Oxford: Oxford University Press, 2019, 233 Seiten
  36. Keith B. Payne: Shadows on the Wall: Deterrence and Disarmament. Fairfax, VA: National Institute Press, 2020, 187 Seiten
  37. Hanns W. Maull (Hrsg.): The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order. Oxford: Oxford University Press, 2018, 346 Seiten
  38. Daniele Ganser: Imperium USA. Die skrupellose Weltmacht. Zürich: Orell Füssli Verlag 2020, 400 Seiten
  39. Bildnachweise
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