Hochstadt, Christiane; Olsen, Ralph (Hrsg.): Handbuch Deutschunterricht und Inklusion. Weinheim: Beltz, 2019. -- ISBN 978-3-407-83192-7. 459 Seiten, € 49,95.

Matthias Hölzner

doi:10.1515/infodaf-2020-0045

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Hochstadt, Christiane; Olsen, Ralph (Hrsg.): Handbuch Deutschunterricht und Inklusion. Weinheim: Beltz, 2019. -- ISBN 978-3-407-83192-7. 459 Seiten, € 49,95.

Matthias Hölzner

Published/Copyright: April 17, 2020

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From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 47 Issue 2-3

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Hochstadt, Christiane; Olsen, Ralph (Hrsg.): Handbuch Deutschunterricht und Inklusion. Weinheim: Beltz, 2019. -- ISBN 978-3-407-83192-7. 459 Seiten, € 49,95.

Der von Christiane Hochstadt und Ralph Olsen herausgegebene Sammelband mit dem Titel Handbuch Deutschunterricht und Inklusion möchte für einen weiten Inklusionsbegriff sensibilisieren, der im Gegensatz zu einem eng gefassten Inklusionsbegriff nicht nur die gemeinsame Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf meint, sondern auch weitere Heterogenitätsdimensionen mit einbezieht, bspw. soziokulturelle Aspekte oder Aspekte, die die Begabung, die sexuelle Orientierung oder die sexuelle Identität umfassen (vgl. 8 f., 191 f.). Hierzu ist das Handbuch in drei große Abschnitte eingeteilt: Ein erster Teil befasst sich mit den pädagogischen Perspektiven einer inklusiven Deutschdidaktik, während in einem zweiten Teil die zahlreichen „Spannungsfelder“ (8), in denen sich eine inklusive Deutschdidaktik bewegt, beleuchtet werden. Schließlich befasst sich der dritte Teil des Handbuchs mit fachdidaktischen konzeptionellen Überlegungen, bei denen alle Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts Berücksichtigung finden.

Die von den Herausgebern intendierte Sensibilisierung für einen weiten Inklusionsbegriff umfasst auch den Bereich der sprachlichen Heterogenität, auf den an verschiedenen Stellen explizit Bezug genommen wird. Dabei führt das Handbuch die Fachdiskussionen im Kontext von Deutsch als Zweitsprache und von inklusivem Deutschunterricht zusammen, die bisher eher als „Parallelbewegungen“ wahrgenommen wurden, die „meist keinen expliziten Bezug“ (Riemer 2017: 174) zueinander hatten. Entsprechend hält Magdalena Michalak in ihrem Beitrag fest, dass „Grundsätze inklusiver Praktiken mit den didaktischen Prinzipien des Deutschen als Zweitsprache vergleichbar [sind]“ (201), wobei insbesondere auf eine individuelle und prozessorientierte Sprachstandsdiagnose, die Nutzung der bereits vorhandenen (erst-)sprachlichen Erfahrungen und der Sprachlernerfahrungen sowie den sprachbewussten Fachunterricht (vgl. ebd.) Bezug genommen wird. Auch andere Aspekte auf anderen Betrachtungsebenen sind vergleichbar, etwa die professionelle heterogenitätssensible Gestaltung von Lehr-Lern-Settings für Schülerinnen und Schüler mit teilweise sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, das Arbeiten in multiprofessionellen Teams, die Vermeidung von Diskriminierungen und das Erreichen von Chancengleichheit als Ziel des Unterrichts (vgl. 192, vgl. Riemer 2017: 176). Auch Überschneidungen bei konkreten Lehr-Lern-Verfahren, etwa beim sog. Scaffolding (202, vgl. auch Gebele/Zepter 2016), dokumentieren die durchaus vergleichbaren Ansätze in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache und inklusive Deutschdidaktik.

Nichtsdestotrotz führt das Handbuch aber ebenso ausführlich vor, dass die beiden Bereiche zwar punktuell voneinander profitieren können, aber dennoch im Kern verschiedene Bereiche bleiben -- und dies nicht nur aufgrund der Tatsache, dass eine zu parallele Sicht suggerieren würde, Mehrsprachigkeit sei ein Defizit oder eine Beeinträchtigung, was einer „Sonderpädagogisierung“ (Riemer 2017: 177) von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache Vorschub leisten kann (vgl. 191). Die Gefahren sind, wie das Handbuch aufzeigt, deutlich vielfältiger; Stefan Jeuk erläutert beispielsweise in seinem Artikel, inwiefern das System der Sprachstandsdiagnostik zur „Manifestierung von Differenz“ beitragen und somit als „Bestandteil eines exkludierenden Systems“ (187) selektierend wirken könnte, was im Rahmen einer inklusiven Deutschdidaktik eher als widersprüchlich anzusehen ist. Andreas Krafft macht in seinem Beitrag deutlich, dass zudem auch nicht alle im inklusiven Kontext vorgeschlagenen didaktischen Konzeptionen für das Lernen in Deutsch als Zweitsprache sinnvoll adaptierbar sind, insbesondere wenn sie den zieldifferenten Unterricht betreffen: „Ein förderpädagogisch erweiterter Lese- und Schreibbegriff [...] ist beispielsweise als Zugang zur Schriftkultur für Schüler mit geistigen Behinderungen wertvoll, stellt aber für Lerner mit DaZ keine dauerhafte Alternative dar“ (316).

Positiv hervorzuheben ist der fast durchgängige Versuch des Handbuchs, inklusiven Deutschunterricht an einem „gemeinsamen Gegenstand“ (Feuser, 374) auszurichten, denn -- unabhängig von der betrachteten Heterogenitätsdimension -- ein gemeinsames Lernen (im Sinne der Inklusion) ist wohl nur dann zu erreichen, wenn die Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe in den meisten Fällen an gleichen Gegenständen arbeiten können und nicht getrennt voneinander unterrichtet werden. Das Handbuch reflektiert in den Beiträgen des ersten Teils auch in Ansätzen die gesellschaftliche Einbettung von inklusivem Deutschunterricht, dennoch liegt der Fokus klar auf der Ebene der Lehrenden und Lernenden (vgl. Bock 2019: 34 f.). Hier fehlen allerdings -- wie in der inklusiven Deutschdidaktik insgesamt, so auch in diesem Handbuch -- an vielen Stellen empirische Studien, die zu gesicherten Erkenntnissen über die Wirksamkeit inklusiver Unterrichtskonzeptionen führen könnten.

Insgesamt löst der Sammelband den eigenen Anspruch, „den aktuellen Stand des deutschdidaktischen Inklusionsdiskurses abzubilden, Einblicke in Spannungsfelder und Ausblicke auf erforderliche Aufgabenfelder zu geben und gleichfalls Desiderata zu thematisieren“ (8), ein und kann so zum Ausgangspunkt für weitergehende (und noch in vielfältiger Hinsicht notwendige) Forschung dienen.

Literatur

Bock, Bettina (2019): „Inklusion -- sprachdidaktisch. Überlegungen zu Begriff und Diskurs, Engführungen und Erweiterungen“. In: Didaktik Deutsch 47, 28–43.Search in Google Scholar

Gebele, Diana; Zepter, Alexandra L. (2016): „Sprachsensibler Fachunterricht im inklusiven Kontext“. In: dies. (Hrsg.): Inklusion: Sprachdidaktische Perspektiven. Theorie, Empirie, Praxis. Duisburg: Gilles & Francke, 108–136.Search in Google Scholar

Riemer, Claudia (2017): „Deutsch als Zweitsprache und Inklusion -- Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Ein fachpolitischer Positionierungsversuch aus der Perspektive des Fachs DaF/DaZ“. In: Becker-Mrotzek, Michael u. a. (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerbildung. Münster: Waxmann, 171–186.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2020-04-17

Erschienen im Druck: 2020-04-08

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2020-0045