Padrós, Alicia; Loo, Angelika: Großgruppendidaktik. Berlin: Erich Schmidt, 2017 (Fremdsprache Deutsch, 56). -- ISBN 978-3-503-17196-5. 57 Seiten, € 10,50.

Andrea Bies

doi:10.1515/infodaf-2020-0057

Article Publicly Available

Padrós, Alicia; Loo, Angelika: Großgruppendidaktik. Berlin: Erich Schmidt, 2017 (Fremdsprache Deutsch, 56). -- ISBN 978-3-503-17196-5. 57 Seiten, € 10,50.

Andrea Bies

Published/Copyright: April 17, 2020

Published by

Become an author with De Gruyter Brill

Author Information Explore this Subject

From the journal Informationen Deutsch als Fremdsprache Volume 47 Issue 2-3

Rezensierte Publikation:

Padrós, Alicia; Loo, Angelika: Großgruppendidaktik. Berlin: Erich Schmidt, 2017 (Fremdsprache Deutsch, 56). -- ISBN 978-3-503-17196-5. 57 Seiten, € 10,50.

Große Gruppen -- darunter werden hier Gruppen von 30–90 und mehr Lernern verstanden -- stellen eine Herausforderung dar, der sich Deutschlehrer in aller Welt an Schulen, aber auch an Universitäten nicht selten stellen müssen. Äußerst selten ist allerdings die didaktische Behandlung dieser Unterrichtssituation. Daher ist es sehr begrüßenswert, dass sich die Zeitschrift Fremdsprache Deutsch diesem Thema widmet.

Das Heft besteht aus einer Einführung und fünf Beiträgen aus der Praxis. Eine von Hans-Jürgen Krumm kommentierte Literaturliste sowie ein Glossar der wichtigsten verwendeten Fachbegriffe runden das Heft ab.

Angelika Loo bietet in ihrer Einführung einen Überblick über besondere Probleme des Unterrichts in großen Lerngruppen, den Stand der Forschung, methodische Prinzipien, Feedback, Leistungsmessung und Unterrichtsgestaltung. Bereits hier wird deutlich, dass eine gute Planung unabdingbar für das Gelingen des Unterrichts in großen Gruppen ist. Viele der angesprochenen Aspekte werden in den darauffolgenden Beiträgen aus Praxissicht wieder aufgenommen.

So befasst sich der erste Beitrag von Annegret Schmidjell mit interaktionsorientiertem Unterricht bzw. dem in Großgruppen generell vertretenen Problem der Lerneraktivierung. Schmidjell bietet einen fast drei Seiten umfassenden „Methodenkoffer“, der zahlreiche Anregungen zur Lerneraktivierung für alle Niveaustufen bietet. Ebenso findet sich in dem Beitrag neben Hinweisen zur Evaluation auch eine Checkliste für Unterricht in großen Gruppen, die zwar sinnvolle Anweisungen für den Unterricht enthält. Die meisten davon können bzw. sollten jedoch bei jedem Deutschlehrer als bekannt vorausgesetzt werden (bspw. „Punkt 12: Fassen Sie regelmäßig zusammen, was Sie gemacht haben, was die Lernenden schon gelernt haben“, 17).

Manveen Anand und Anita Mitra stellen in ihrem Beitrag den Einsatz des Handys in großen Schulklassen vor. Konkret handelt es sich dabei um die Arbeit mit Tools wie QR-Codes, Socrative, Tellagami, Moviemaker und Comic-Generator. Hierbei wäre kritisch anzumerken, dass bei vielen solcher Anwendungen die Lerner viel Zeit mit dem Anfertigen von Dialogskizzen oder Fotocollagen verbringen, die zudem wenige Wörter enthalten, statt sich in dieser Zeit ausschließlich mit der Sprache zu beschäftigen. Ebenfalls unerwähnt bleibt das enorme Ablenkungspotential von Handys durch Whatsapp, Internet und dergleichen, vor allem in kaum kontrollierbaren Großgruppen.

Der nächste Beitrag von Marion M. Hetzel beschäftigt sich mit projektorientiertem Lernen, das auch im Rest des Heftes immer wieder als Königsweg dargestellt wird. Die Arbeit an Projekten ist sicherlich sinnvoll, aber sie sorgt nicht automatisch für „authentische Kommunikationssituationen“ (27). Laut Autorin ist in den Projektgruppen „die Zielsprache also nicht nur Gegenstand, sondern auch Medium“ (ebd.). Doch leider wird gerade in großen Lerngruppen meist in der Muttersprache gesprochen, um Projekte zu bearbeiten. Denn es ist geradezu absurd, mit dem gleichsprachlichen Lernpartner in einer Fremdsprache zu arbeiten, jedenfalls ist es keine authentische, sondern bestenfalls eine simulierte Kommunikationssituation. Die Projektarbeit sollte daher im Unterricht vorbereitet, die eigentliche Bearbeitung jedoch ausgelagert werden. Die Vorstellung der Ergebnisse im Unterricht sorgt dann dennoch für positive Effekte: durch eine gute Vorbereitung und das Auftreten in einer kleinen Gruppe wird den Lernern Angst und Nervosität genommen, die beim öffentlichen Sprechen vor einem großen Publikum, noch dazu in einer Fremdsprache, sonst sehr hinderlich wirken.

Mit dem Rückgrat des Unterrichts, der Unterrichtsplanung, befasst sich Renate Goh anhand einer Unterrichtseinheit mit dem Lernziel, auf dem Markt einkaufen zu können. Inwieweit Schüler oder Studenten finanziell dazu in der Lage sind, auf dem Markt einzukaufen oder doch zu diesem Zweck eher den Supermarkt aufsuchen, ist eine andere Frage. Sie thematisiert jedenfalls Übungen, Aufgaben, Arbeits- und Sozialformen sowie deren Planung. Besonderes Augenmerk legt Goh auf die Förderung der Lernerautonomie in Großgruppen, welche durch die Transparenz von Lernzielen, Arbeitsabläufen, Arbeitsaufträgen und Lösungen erreicht werden kann.

Die Autoren Maire-Noelle Che Neba, Christian Hoffmann und Nadège Tchuinang berichten von Großgruppendidaktik in Zentralafrika, wo bei bis zu mehr als hundert Teilnehmern pro Kurs und veralteter bzw. ungenügender Klassenraumausstattung eine ganz besonders schwierige Unterrichtssituation herrscht. Neba stellt ihren Unterrichtsansatz mit rhythmischen Elementen wie Singen, Klatschen, Stampfen und Tanzen vor, mit welchen Lexik geübt oder auch einfache sprachliche Handlungen automatisiert werden. Tchuinang widmet sich dem handlungs- und produktorientierten Unterricht, bei dem zu einem Thema Werbeplakate, Comics und Zeitungsartikel von den Schülern angefertigt werden. Beide zeichnen sich durch die Vermeidung von Frontalunterricht aus. Tchuninang geht auch dezidiert auf Probleme in großen Gruppen ein und gibt gute Tipps zu deren Lösung, wie bspw. sehr passive Lerner als Unterrichtsassistenten einzusetzen.

Der letzte Praxisbeitrag behandelt Erfahrungen mit Lerneraktivierung in chinesischen Schulen. In ihm werden u. A. Möglichkeiten der Gruppenbildung in Klassenräumen mit festen Stuhlreihen dargestellt. Hier sind die Vorgehensweisen „Reißverschlussverfahren“ oder „Kugellager“ im Pausenhof äußerst wertvoll für die Praxis.

Das graphisch sehr übersichtlich und anschaulich gestaltete Heft ist ein notwendiger Beitrag zu einem noch immer viel zu wenig beachteten Thema. Die meisten Unterrichtsaktivitäten sind für Kinder und Jugendliche konzipiert, aber auch Universitätsdozenten können einige Ideen aus dem Heft umsetzen. Es ist unbedingt denjenigen zu empfehlen, die noch nie eine große Gruppe unterrichtet haben, bspw. DAAD-Lektoren vor ihrem Auslandseinsatz. Erfahrene Dozenten von Großgruppen hingegen werden sich die meisten Inhalte bereits durch learning by doing selbst angeeignet haben.

Online erschienen: 2020-04-17

Erschienen im Druck: 2020-04-08

Articles in the same Issue

https://doi.org/10.1515/infodaf-2020-0057