Altmayer, Claus (Hrsg.): Mitreden. Diskursive Landeskunde für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: Klett, 2016. – ISBN 978-3-12-675267-1. 136 Seiten, € 19,99.

Stephan Schütz

doi:10.1515/infodaf-2017-0011

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Altmayer, Claus (Hrsg.): Mitreden. Diskursive Landeskunde für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: Klett, 2016. – ISBN 978-3-12-675267-1. 136 Seiten, € 19,99.

Stephan Schütz

Veröffentlicht/Copyright: 27. Juni 2017

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Aus der Zeitschrift Informationen Deutsch als Fremdsprache Band 44 Heft 2-3

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Altmayer Claus (Hrsg.): Mitreden. Diskursive Landeskunde für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: Klett, 2016. – ISBN 978-3-12-675267-1. 136 Seiten, € 19,99.

Endlich liegt mit dieser Materialsammlung eine konkrete Ausgestaltung des diskursiven Landeskundeansatzes vor, zu dessen führenden Vertretern der Herausgeber der Sammlung Claus Altmayer mit seinen grundlegenden Arbeiten gehört, die hier nicht alle aufgezählt werden können.

In einer Einführung zur Sammlung werden nochmals die entscheidenden Prämissen dieses Ansatzes rekapituliert, mit dem sich die Sammlung von der herkömmlichen faktenorientierten Landeskunde, aber auch von der interkulturellen Landeskunde abgrenzt.

Inhalte und Ziele der Landeskunde lassen sich demnach nicht normativ darstellen, sondern werden im Diskurs der Beteiligten ausgehandelt und unterliegen daher einem ständigen Wandel. Kultur lässt sich daher nicht objektiv definieren, sondern besteht aus Bedeutungszuschreibungen, die wir im Alltag ständig tätigen (8), damit wir unsere eigene Lebenswirklichkeit als sinnvoll wahrnehmen und unsere eigenen Lebenswelten mit unseren Deutungsmustern konstruieren.

Übergeordnetes Lernziel des Landeskundeunterrichts nach diesem Ansatz ist daher die Lernenden zu befähigen an den Diskursen in der Fremdsprache aktiv teilnehmen zu können (10).

Die Sammlung ist in die drei Module „Menschen“, „Essen“ und „Mobilität“ nach ansteigendem Schwierigkeitsgrad von A2 bis B2 aufgeteilt. Zu jeder Aufgabe erhält die Lehrkraft umfangreiche Hilfen, von den angestrebten Lernzielen über didaktische Kommentare bis hin zu einem Anhang mit Lösungen. Die Texte sind authentisch und problemorientiert und behandeln ein breites Spektrum von Alltagsthemen sowie politische und geschichtliche Themen.

Die Arbeitsformen sind vielfältig, auch Projekte wie Talkshows und motivierende Übungen wie Standbilder sind vorgesehen. Ein vielfältiger Medieneinsatz aus Videos, Bildern, Grafiken, Hörmaterialien, unterschiedlichen Textsorten und der häufige Bezug zum Internet animieren die Lernprozesse.

Der Aufbau der Module ist recht ähnlich: Nachdem das eigene Verständnis zum Thema angesprochen worden ist, werden Deutungsmuster aktiviert, Bedeutungszuschreibungen (re-)konstruiert und anschließend in der Gruppe ausgehandelt. Die Aufgabe „Wir bauen einen Menschen“ (50 f.), in der eine fiktive Figur geschaffen werden soll, macht den konstruktivistischen Ansatz der diskursiven Landeskunde offenkundig.

In der Einheit 3 „Typisch Mann – typisch Frau“ im Modul „Menschen“ (21 ff.) geht es beispielsweise um das Zuordnen von typischen Kategorien, wodurch deutlich wird, „dass es sich hierbei um Zuschreibungen handelt, an denen man selbst mitwirkt und typische Kategorien damit auch selbst rekonstruiert“ (21), sodass sich idealiter durch den Vergleich der Ergebnisse eine Diskussion über die unterschiedlichen Standpunkte entwickelt.

In der darauffolgenden Einheit 4 „Unternehmen: Frauen zu Hause“ sollen die Lernende Formen und Praktiken der Bedeutungsproduktion in der deutschen Sprache anhand von Werbespots erkennen, den eigenen Standpunkt vertreten und an der Bedeutungsproduktion in der Fremdsprache mitwirken können. Die Lernenden sollen ihr eigenes Erleben äußern, ihren eigenen Standpunkt vertreten und die anderen Lebenswelten anerkennen. Anhand eines Vergleichs der Kategorien zur Rolle der Frau in zwei Werbespots aus dem Westdeutschland der 50er Jahre und der heutigen Zeit sollen typische Kategorien zur Rolle der Frau als Hausfrau rekonstruiert werden, wobei Kontinuitäten im Rollenverhalten und in Rollenzuschreibungen deutlich werden sollen, die heute „nur sprachlich geschickter verpackt sind“ (25).

Es stellt sich allerdings die Frage, ob Lernende mit Sprachniveau A2, für die das Modul gedacht ist, mit den hier kurz skizzierten Aufgaben und Übungen nicht heillos überfordert sind. Auch vermitteln die älteren Werbespots eher ein Rollenbild aus Westdeutschland, während die Realität in der früheren DDR mit einem großen Anteil berufstätiger Frauen unerwähnt bleibt. Die dazugehörige Grammatikübung 2 e ist fehlerhaft, da das Verb brauchen in verneinender oder einschränkender Bedeutung ohne den Infinitiv mit zu eingeführt wird (KV, 5).

Das Modul 3 „Mobilität“ ist angesichts der Flüchtlingskrise in Europa aktuell, wovon die bedrückenden biographischen Erzählungen unter „Migrationsgeschichten“ (101 ff.) Auskunft geben, die allerdings nur im Internet auf der Seite des Verlages mit Zugangsschlüssel zugänglich sind. Im Gegensatz dazu ist der dargestellte Diskussionsstand aus dem Jahre 2013 zu „Grenzen und Freiheiten“ veraltet, da weit vor der Krise und den damit verbundenen Änderungen im bundesdeutschen Asylrecht im Asylpaket I und II und im Integrationsgesetz 2016. Ähnlich antiquiert mutet die Textsammlung 2 zum Thema Grenzen und Freiheiten an, in der die „Schwabenschelte“ des damaligen Bundestagvizepräsidenten Wolfgang Thierse aus dem Jahr 2011 thematisiert wird (KV, 57 ff.), d. h. die Gentrifizierung im ehemaligen Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg, die mit Stand 2016 längst die gesamte Stadt mit Wucht erfasst hat.

Im Modul 2 „Essen“ ist der Standpunkt der Autoren und Autorinnen unübersehbar, wenn mit moralischem Zeigefinger der Verzehr von Fleisch in Frage gestellt wird, was schon die Zwischenüberschriften „Die Kuh als Klimakiller?“ (62 ff.), „Tiere essen?“ (85 ff.), „Wurst und Wahn“ (79 ff.) deutlich machen. Wozu müssen Lernende auf B1-Niveau wissen, was ein „Ovo-Lakto-Vegetarier“ (KV, 26) ist, während beim Thema Essen neue Trends zur regionalen Küche und unterschiedliche Essgewohnheiten der Generationen unerwähnt bleiben?

Die Materialsammlung ist ohne farbige Reproduktionen beispielsweise der Karten (KV, 49 f.) recht schlicht aufgemacht. Sie ist für die Lehrkraft als Fundgrube geeignet, sollte aber durch aktuelle Texte und weitere multiperspektivische Bezüge ergänzt werden. Die Themenauswahl, die Vorgehensweise und die Fragestellungen richten sich an eine erwachsene Zielgruppe mit akademischem Hintergrund. Das Buch ist also als Ergänzung für universitäre Sprachkurse gedacht.

Online erschienen: 2017-6-27

Erschienen im Druck: 2017-6-8

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https://doi.org/10.1515/infodaf-2017-0011