Runte, Maren: Lernerlexikographie und Wortschatzerwerb. Berlin: De Gruyter, 2005 (Lexikographica, Series Maior, 150). – ISBN 3-11-043789-8. 359 Seiten, € 109,95. eBook ISBN 3-11-042854-4. € 99,95.

Fritz Neubauer

doi:10.1515/infodaf-2017-0071

Artikel Öffentlich zugänglich

Runte, Maren: Lernerlexikographie und Wortschatzerwerb. Berlin: De Gruyter, 2005 (Lexikographica, Series Maior, 150). – ISBN 3-11-043789-8. 359 Seiten, € 109,95. eBook ISBN 3-11-042854-4. € 99,95.

Fritz Neubauer

Veröffentlicht/Copyright: 27. Juni 2017

Veröffentlicht von

Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Informationen für Autor*innen Erkunden Sie dieses Fachgebiet

Aus der Zeitschrift Informationen Deutsch als Fremdsprache Band 44 Heft 2-3

Rezensierte Publikation:

Runte Maren: Lernerlexikographie und Wortschatzerwerb. Berlin: De Gruyter, 2005 (Lexikographica, Series Maior, 150). – ISBN 3-11-043789-8. 359 Seiten, € 109,95. eBook ISBN 3-11-042854-4. € 99,95.

Es wäre ein hoffnungsloses Unterfangen, dieser auf einer Dissertation hervorgegangene Arbeit von über 250 Seiten, das auf Forschungen und Sammlungen von vielen Jahren beruhen muß, auch nur annähernd gerecht zu werden, wenn der gesamte Inhalt behandelt werden sollte. Deshalb sollen einige für die Lernerlexikographie besonders relevante Themen herausgegriffen werden, mit denen sich die Verfasserin besonders beschäftigt, zumal der Wortschatzerwerb eigentlich gar keine große Rolle zu spielen scheint*.

Ein thematischer Schwerpunkt im Band ist das Definitionsvokabular, das in den englischsprachigen Lernerwörterbüchern zum Standard gehöre. Dabei gelingt es der Verfasserin zwar, die Ursprünge dieses Vocabulary Control Movement in der Literatur zu finden, greift aber nur auf Sekundärzitate zurück, um auf Michael Wests zuerst 1935 erschienes New Method English Dictionary zu verweisen, das dann später als West/Endicott (1982) erschien. Dabei gibt es bereits frühere Überlegungen über ein „carefully selected vocabulary“ z. B. in West (1926), die schließlich zum Defining Vocabulary führte, das im Anhang des Wörterbuches aufgelistet ist und alle lexikalischen Einheiten der Worterklärungen enthält, die keine anderen enthalten dürfen. Die Verfasserin zeigt richtig auf, daß es nicht gelungen sei, ein solches jemals in einem der deutschen Lernerwörterbücher einzusetzen. Runte meint: „So wird z. B. in Ermangelung eines geeigneten Korpus der deutschen Sprache der Definitionswortschatz des LGwDaF-1 nicht reduziert bzw. kontrolliert.“ (169). Dabei zeigen die Wortlisten für Wests Wörterbücher deutlich, daß bei der Zusammenstellung des „Minimum Adequate Vocabulary“ (West 1960: 95–134) gar nicht nur auf Frequenzlisten zurückgegriffen wurde. Vielleicht hat es eher was mit den „relativ ungünstigen Entstehungsbedingungen“ (Götz/Haensch 1993: 346) zu tun, die auch von Runte (167) erwähnt werden. Da wäre eben auch der Ort gewesen, sich damit zu beschäftigen, daß alle deutschsprachigen Wörterbücher des 20. Jahrhunderts nicht von Verlagen initiiert wurden, sondern ausgingen von Projektgruppen der Universitäten, sei es Mainz (für die Wahrigschen Wörterbücher) oder eben Augsburg für die Langenscheidt-Lernwörterbücher, von sich aus hatten die Verlage kaum Interesse an der Förderung, solange ein Ende nicht abzusehen war; und auch jetzt wohl nicht darüber nachdenken, wie es wohl weitergehen könnte.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Wörterbuchbenutzungsforschung, in der auf die verschiedenen Publikationen aus der „Wiegand-Ära“ (215) verwiesen wird, darunter auch die vom Rezensenten. Dabei werden die verschiedenen Methoden detailliert dargestellt und ihre Ergebnisse vorgestellt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Nicht eingehen in diese Berichte, weil nie aufgeschrieben, konnte ein Besuch des LGwDaF-Redakteurs im DaF-Seminar unseres Studiengangs, der nach deutlichem Hinweis der studierenden Seminarteilnehmerinnen und ‑teilnehmer dazu führte, daß ab der 2. Auflage die Genusmarkierungen deutlich durch die entsprechenden Artikel angegeben wurde, was in der ersten Auflage nicht der Fall war. Meiner Ansicht nach würde zur Benutzungsforschung auch die im Band ausführlich illustrierte Eye-Tracking-Forschungen gehören, die im Band mehrfarbig präsentiert werden.

Der letzte hier behandelte Schwerpunkt betrifft die vollständige Auflistung der erschienen DaF-Lernerwörterbücher. Runte sagt dazu, „mit der Publikation von Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache steht Deutschlernenden ab 1993 ein deutschsprachiges Lernerwörterbuch zur Verfügung“ (166). Es werden zwar alle zwölf Titel kompetent aufgelistet zusammen mit ausführlichen Beschreibungen, Mustereinträgen sowie den Reaktionen darauf. Schon beim LGwDaF ist interessant, daß es der Verfasserin gelungen ist, auch die jeweilige Entstehensgeschichte der Wörterbücher und die Rolle der Verlage dabei zu beleuchten. Dazu kommt auch, daß die unter neuen Buchtiteln erscheinenden tradierten Inhalte in „neu“ erschienenen, leicht abgewandelten „DaF-Wörterbüchern“ aufgenommen werden, was in einem Fall sogar dazu führte, daß inhaltlich nahezu identische Bände mit zwei verschiedenen Titeln in zwei Verlagen herausgegeben wurden (Duden und Hueber), die allerdings nur kurze Zeit im Handel waren. Bei Berücksichtigung dieser Inhalte reduziert sich dann die Zahl der Titel schnell auf vier bis fünf, die jeweils sehr ausführlich auch durch Originalausschnitte und Kritiken eingeführt werden.

Interessant wäre eigentlich der Abschnitt „Konsequenzen für die Lernerlexikographie“ (259–276) mit sechs Empfehlungen, in denen u. a. auch der immer wieder diskutierte Verweis auf die Wünschbarkeit einer onomasiologischen Zugriffsstruktur aufgeführt wird. Als Alternative für einen expliziten Definitionswortschatz plädiert Runte für die typographische Hervorhebung z. B. des Zertifikatswortschatzes, wie das bereits in einigen Lernwörterbüchern praktiziert wird. Eine höhere Frequenz von Beispielangaben wird ebenso angemahnt, die doch bei elektronischen Wörterbüchern, bei „denen keine Vorgaben zu Platz- und Druckkosten eingehalten werden müssen“ (270), kein Problem sein dürfte.

Damit wird aber gerade am Rande das Thema angesprochen, worüber ich mir in Sachen Lernerlexikographie deutlichere Worte erwartet hätte, enthält der Band doch viel Lernerlexikographiegeschichte, aber wenig Ausblick darauf, ob die Printausgaben von Lernerwörterbüchern überhaupt noch eine Zukunft haben. Welche Deutschlernenden investieren denn noch in ein gedrucktes Wörterbuch von 1173 Seiten, wenn ein Klick viel einfacher ist und möglicherweise schneller zum Ziel führt, bisher aber zu zweisprachigen Einträgen. Genau das bringt uns aber zurück auf die oben erwähnten ungünstigen Entstehungsbedingungen und finanziellen Zwänge, bis so ein Wörterbuch gedruckt war und erscheinen konnte. Die Frage stellt sich in dieser Zeit um so mehr, ob ein Verlag (oder eine Internetadresse?) gewillt ist, nicht nur in ein elektronisches deutschsprachiges Lernerwörterbuch zu investieren, ohne Vorgaben zu Platz- und Druckkosten, aber mit anfallenden dauernden Kosten für kontinuierliche Wartung, Betreuung und Service?

Literatur

Götz, Dieter; Haensch, Günther; Wellmann, Hans (1993): Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (LGwDaF). Berlin: Langenscheidt (mit vielen weiteren Auflagen).Suche in Google Scholar

Götz, Dieter; Haensch, Günther (1998): „Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache: Ein-, Aus-, Rückblick“. In: Wiegand, Herbert E. (Hrsg.) Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen: Untersuchungen anhand von „Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache“. Tübingen: Niemeyer.10.1515/9783110916713.345Suche in Google Scholar

West, Michael (1926): Learning to Read a Foreign Language: An Experimental Study. London: Longman, Green and Co.Suche in Google Scholar

West, Michael; Endicott, James Gareth (1982): The New Method English Dictionary. New Edition. 6. Ed. Harlow: Longman.Suche in Google Scholar

Hinweis

Auf Wunsch des Rezensenten erscheint dieser Text in „klassischer“ (F.N.) Rechtschreibung.

Online erschienen: 2017-6-27

Erschienen im Druck: 2017-6-8

Artikel in diesem Heft

https://doi.org/10.1515/infodaf-2017-0071