Steinlen, Anja; Piske, Thorsten (Hrsg.): Bilinguale Programme in Kindertageseinrichtungen. Tübingen: Narr; Francke; Attempto, 2016. – ISBN 978-3-8233-6902-8. 306 Seiten, € 68,00.

Der 306 Seiten umfassende Sammelband ist in fünf Themenbereiche unterteilt, die sich, ausgehend von einem Vorwort Piskes, aus insgesamt zwölf Aufsätzen zusammensetzen. Zu jeder/jedem der Autor/innen existiert ein Eintrag im Autorenregister (287–290). Daran schließen sich ein Personen- (291–301) sowie ein Sachregister (302–306) an. Auf ein Gesamtliteraturverzeichnis wird verzichtet. Stattdessen wurde für jeden Aufsatz ein spezifisches Literaturverzeichnis erstellt.

Der Sammelband verfolgt zwei Ziele: zum einen sollen abgeschlossene und teilweise auch schon an anderen Stellen veröffentlichte Untersuchungen, die die sprachliche Entwicklung von Kindergartenkindern in immersiven Einrichtungen fokussieren, vorgestellt werden. Zum anderen wird ein Überblick über bereits erfolgreich umgesetzte Programme in diesen Kitas gegeben. Darüber hinaus räumen die Autor/innen mit zahlreichen Vorurteilen bzgl. des mehrsprachigen Aufwachsens von Kleinkindern auf.

Bereits mit dem ersten Satz seines Herausgebervorwortes (7–15) übt Piske Kritik an dem Gemeinplatz Je früher, desto besser, indem er auf die Bedeutung von Quantität und Qualität des Inputs, den die Kinder durch ihre Erzieher/innen erfahren, verweist, sodass der Satz um ... und je vielfältiger, desto besser ergänzt werden müsste (7). Piske gibt, wie für ein Vorwort üblich, einen Überblick über die folgenden Aufsätze und stellt darüber hinaus bereits die Vorzüge der Immersion – beiläufiger Erwerb in authentischen Situationen etc. – dar. Dabei verzichtet er keineswegs auf einen einführenden Appel, allen Sprachen, die die Kinder in den Kita-Alltag einbringen, mit Wertschätzung zu begegnen (14).

Die sich anschließenden Aufsätze beginnen jeweils mit einem Abstract, das einen schnellen Einstieg ermöglicht. Der erste Aufsatz Wodes (19–47) bzw. zugleich das erste Kapitel des Sammelbandes („Zur Förderung von Mehrsprachigkeit durch bilinguale Angebote an Kitas und Schulen“, 17–47) kann als Ausgangspunkt gesehen werden. Wode war es, der in Altenholz bei Kiel die ersten Untersuchungen für Kindergarten und Grundschule für den deutschsprachigen Raum, die im Folgenden mit dem Fokus auf den Kindergarten auch vorgestellt werden, durchgeführt hat, woraus verschiedene Studien, die Inhalt der Folgekapitel sein werden, hervorgegangen sind. Der Autor übt darüber hinaus Kritik an der Effizienz des herkömmlichen Fremdsprachenunterrichts (20 f.) sowie den bislang verfehlten Zielen der 3+-Sprachenformel (21 f.). Er begründet hingegen die Effizienz der Immersion mit der doppelten Zeitnutzung, indem Sachfachwissen und Sprache gleichzeitig vermittelt werden können (23).

Der zweite Themenbereich („Erfahrungen aus der Praxis“, 49–94) beginnt mit einem Erfahrungsbericht über die Einführung eines zweisprachigen Konzeptes in einer Kita in Melsdorf bei Kiel aus der Sicht des Trägers, Detlef Ufert, und der Kitaleitung, Anke Schilk, ergänzt um die Perspektive der wissenschaftlichen Begleitung in Form der zweiten Herausgeberin des Sammelbandes, Anja K. Steinlen (51–68). Daran schließt sich ein Aufsatz von Häckel an, in dessen Mittelpunkt leitfadengestützte Interviews mit deutsch- und englischsprachigen Fachkräften stehen (69–94). Der Erfahrungsbericht gibt einen unverstellten Einblick in die vielfältigen Probleme, die mit der Eröffnung einer immersiv bilingualen Kita einhergehen: u. a. Anerkennung der Abschlüsse der native speaker (55), übersteigerte Erwartungshaltung der Eltern (60). Hierbei wird insbesondere die Langfristigkeit der Planung betont (55). Dieser große Aufwand hat für diese Einrichtung jedoch schlussendlich eine große Bereicherung gebracht, insbesondere da 84 % der betreuten Kinder gegenüber 57 % aus einer monolingualen Kita am Ende ein Bewusstsein für die Existenz verschiedener Sprachen zeigten (65) und 98 % der Eltern sehr zufrieden waren (67). Die leitfadengestützten Interviews bestätigen das positive Urteil der Eltern. Nach anfänglichen Ängsten der deutschsprachigen Erzieher/innen, die native speaker nicht zu verstehen oder die Kinder zu überfordern, bewerten die Fachkräfte die Immersionsmethode als Erfolg. Dabei stellen sie weder Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen noch zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund fest (84–86). Vielmehr sind die Kinder stolz, Englisch verstehen bzw. sprechen zu können (83 f.).

Mit vier Aufsätzen ist der dritte Themenbereich „Forschungsergebnisse und Umsetzungsbeispiele aus bilingualen Kitas in Deutschland“ (95–193) der umfangreichste. In der ersten vorgestellten Studie untersuchte Burmeister (97–115) mithilfe einer Puppe, die die Kinder um eine Übersetzung gebeten hat, das Verständnis sowie die Produktion formelhafter Äußerungen durch die Kinder. Sie konnte nachweisen, dass sich Kinder Formeln aus der Situation erschließen, sodass die Kinder dem Kita-Alltag schnell folgen können (110), ohne dass sie jedoch stets die tatsächliche Bedeutung kennen bzw. eine wörtliche Übersetzung geben können (107 f.). Die sich anschließende Untersuchung von Weitz und Rohde (117–138) liefert zunächst den Ausgangspunkt für den im Rahmen des EU-ELIAS Projektes (s. u.) verwendeten Beobachtungsbogen Input Quality Observation Scheme (135). In ihrer Untersuchung zum Wortschatz von Kindern in deutsch-englisch bilingualen Kitas kommen Weitz/Rohde zu dem Ergebnis, dass auch hier die Qualität des Inputs in der Zweitsprache den bedeutendsten Einflussfaktor darstellt (117). Das Zusammenspiel von Input, Interaktion, Output und damit auch der Bedeutungsaushandlung ist entsprechend der interaktionistisch-soziokulturellen Spracherwerbstheorie entscheidend (121–123). Dabei prägt sich das Hörverständnis der Kinder in der Zweitsprache stärker aus als die eigene Produktion (118). Diese Studie von Weitz/Rohde zum Wortschatz ergänzend, stellt Steinlen die Ergebnisse zur Grammatik- und Vokabelentwicklung vor (139–160). Sie kommt zu dem Schluss, dass sich die Kinder in beiden Bereichen innerhalb von acht Monaten um durchschnittlich 12 % verbessern (146). Auch hier wird der Einfluss der pädagogischen Fachkräfte in den Vordergrund gestellt, denn welche Wörter die Kinder kennen, ist davon abhängig, welchen Input sie im Kita-Alltag erfahren (154). Wörter mit ähnlicher phonologischer Struktur zur Erstsprache sowie wiederkehrende Begriffe wie butterfly werden schneller erworben und erleichtern den Kindern den Einstieg in die Zweitsprache. Im letzten Aufsatz des dritten Themenbereiches stellen Häckel und Piske (161–193) erneut eine Untersuchung vor, in der sie ebenso wie Häckel zuvor im zweiten Themenbereich nachweisen konnten, dass weder geschlechtsspezifische noch migrationsbedingte Unterschiede für das Fremdsprachenlernen existieren und dass der Besuch einer bilingualen Kita auch keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Fähigkeiten in der deutschen Sprache hat (188 f.).

Die bislang größte Studie – das EU-ELIAS Projekt – ist Inhalt des vierten Themenbereichs („Ergebnisse des EU-ELIAS Projekts aus vier europäischen Ländern“, 195–258). Hier zeigt Steinlen in Analogie zu Häckel (69–94) und Häckel/Piske (197–218) zunächst auf, dass eine immersiv bilinguale Kita für den Erwerb des Englischen und des Deutschen sowohl für Kinder mit als auch ohne Migrationshintergrund ein ideales Lernumfeld darstellt (197). Vermutlich profitieren die Kinder insbesondere von der Sprachsensibilität ihrer in einer zweisprachigen Einrichtung tätigen Erzieher/innen. Das Vorurteil der Überforderung der Kinder mit Migrationshintergrund kann durch diese Studie demnach ausgeräumt werden (197 f.). Die Kinder kennen keine Sprachsperre und können demnach gleichzeitig verschiedene Sprachen lernen (211). Mithilfe von drei Vergleichsgruppen – deutsch-englische, englisch-deutsche und monolingual deutschsprachige Kita – konnte, wie der zweite Aufsatz dieses Themenbereichs (219–237) zeigt, erneut nachgewiesen werden, dass sich der Zweitspracherwerb keineswegs negativ auf den Erstspracherwerb Deutsch auswirkt, da die Sprachniveaus der Kinder zum einen im Normbereich lagen und zum anderen miteinander vergleichbar waren (225–230). Steinlen und Schelleter nehmen allerdings an, dass die Kinder in den bilingualen Einrichtungen durchaus vom sozioökonomischen Status ihrer Eltern und deren Bildungsbewusstsein profitieren ( 230 f.), was es in Folgeuntersuchungen zu überprüfen gilt. Der dritte Aufsatz gibt einen vertiefenden Überblick über das EU-ELIAS-Projekt und stellt u. a. die vier Teilstudien vor (239–258), bei denen insgesamt die Bedeutung der pädagogischen Strategien seitens der Erzieher/innen sowie deren grundsätzliche Einflussnahme im Vordergrund stehen (255). Hier ist ergänzend zu den Ergebnissen aus den vorhergehenden Aufsätzen insbesondere von Interesse, dass Kersten, die das EU-ELIAS Projekt federführend leitete, bei den Kindern eine ausgeprägte Fähigkeit zur interkulturellen Kommunikation nachweisen konnte, für die sie auf verschiedene Strategien zurückgreifen können (248–255). Durch die Anbindung einer Kita an den Magdeburger Zoo konnte als weitere Form die grüne Immersion untersucht werden. Bildung für nachhaltige Entwicklung erreicht Kinder in erster Linie auf der emotionalen Ebene (252–255).

Der Sammelband schließt thematisch mit einem Ausblick auf die Umsetzung der Immersionsmethode in Krippeneinrichtungen („Erste Ergebnisse aus bilingualen Krippeneinrichtungen“, 259–286), die zukünftig Gegenstand von Untersuchungen sein sollten. Eine erste Studie (261–279), die die Interaktionen zwischen native speakers und den Kindern fokussiert, kommt zu dem Schluss, dass hier zum einen der Bindungsaufbau zwischen Kind und Erzieher/in als Grundvoraussetzung gilt (276) und zum anderen eher caregiver statt teacher talk verwendet wird, sodass in diesem Altersbereich vielmehr die Inhaltsebene von Bedeutung ist (261). Der Qualität des Inputs kann in der Krippe demnach noch einmal verstärkt Einfluss zugesprochen werden (263). Die Erzieher/innen unterstützen die Kinder, indem sie Satzlänge, Tempo und Intonation an das Alter des Kindes anpassen (273 f.). Daran anschließend findet sich ein persönlicher Bericht einer native speaker, der so bereits in einer Infozeitung der Kita in Melsdorf veröffentlicht wurde (281–286). Powell schildert hier zum einen ihre Ängste bzgl. der Arbeit in einer deutschen Einrichtung und benennt die Sprachbarrieren, die es zu überwinden galt (281 f.) und die von allen Beteiligten durchaus Anstrengungen erfordern (282 f.). Zum anderen verleiht sie ihrer Begeisterung über die Immersionsmethode Ausdruck. Sie verbildlicht den Lernprozess der Kinder mit einem Schwamm, der alles aufsagt, was ihm von außen bzw. durch die Erzieher/innen an Input geboten wird (283) und plädiert dafür, Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder zu setzen (285).

Die einzelnen Aufsätze sind auch über die fünf Themenbereiche hinaus gut getrennt voneinander zu lesen. Dies wird insbesondere dadurch ermöglicht, dass u. a. die Immersionsmethode über das Einführungskapitel von Wode (19–47) hinaus an verschiedenen Stellen erneut erläutert wird. Werden die Aufsätze am Stück gelesen, treten hier durchaus Wiederholungen auf, die durch ein grundsätzliches Einleitungskapitel zur Immersionsmethode vielleicht hätten vermieden werden können. An wichtigen Stellen verweisen die Autor/innen außerdem aufeinander, sodass hier ein Nachlesen möglich ist.

Generell ist der Sammelband aufwendig redigiert und mit zahlreichen Tabellen und Abbildungen versehen, die die Übersichtlichkeit erhöhen und insbesondere durch die jeweiligen Erläuterungen in Textform auch zur Verständlichkeit sowie Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse der einzelnen Studien beitragen.

Der vorliegende Sammelband ist sehr gut geeignet, um sich rasch einen Überblick über verschiedene zentrale Studien, die bislang zum Fremdsprachenfrühbeginn in bilingualen Kitas durchgeführt wurden, zu verschaffen. Die Leser/innen erhalten so Anregungen und können sich im Anschluss entsprechend ihrer Interessen gesondert vertiefend in die jeweilige Studie einlesen.