Startseite Bibliotheks- & Informationswissenschaft, Buchwissenschaft Am Anfang waren die Bücher. 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover, € 28,60
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Am Anfang waren die Bücher. 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover, € 28,60

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Veröffentlicht/Copyright: 8. Januar 2025

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Am Anfang waren die Bücher 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover € 28,60


Je nachdem wie man es nimmt, reicht die Tradition der Oberösterreichischen Landesbibliothek weit zurück oder ist noch sehr jung. Ihre Anfänge liegen wie die Geschichte zahlreicher anderer Institutionen in der Aufklärung als eine Folge der Klosteraufhebungen im 18., ihren definitiven Neubeginn erfuhr sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Insofern ist sie mit den regionalen Staatlichen Bibliotheken in Bayern verwandt, etwa in Amberg, Bamberg, Neuburg an der Donau, Passau oder Regensburg. Ihr wechselvolles Schicksal dokumentiert die knappe Chronik in der vorliegenden Festschrift. Diese ist bereits die dritte Jubiläumspublikation seit der Konstituierung als Landesbibliothek 1999.[1] Anlässlich des 10-Jahre-Jubiläums und der Eröffnung des Erweiterungsbaues erschien dann die Festschrift Von der Schatzkammer des Wissens zum Lernort. 235 Jahre „bibliotheca publica“. Zehn Jahre Oö. Landesbibliothek.[2]

Aus der Historie seien die wichtigsten Stationen zitiert, wie sie in der aktuellen Publikation dokumentiert sind. 1774 verfügte ein Kaiserlicher Erlass die Gründung einer k. k. Lyzealbibliothek bzw. „bibliotheca publica“ mit den Beständen aufgelöster Niederlassungen des Jesuitenordens. 1782 folgten die Sammlungen von 11 bzw. 12 aufgehobenen Klöstern verschiedener Orden im Kronland Österreich ob der Enns (dem heutigen Oberösterreich). 1783 übernimmt das Benediktinerstift Kremsmünster die Trägerschaft der „bibliotheca publica“ vom Staat. Um 1850 findet sich zum ersten Mal die Bezeichnung Studienbibliothek.[3] 1911 übernimmt das k. k. Unterrichtsministerium in Wien die Bibliothek, die 1922 als Bundesbesitz an die Republik Österreich geht. Ab 1975 mehren sich die Versuche des Bundes, sich der Bibliothek zu entledigen. Nach schwierigen Vorabklärungen wird die Bundesstaatliche Studienbibliothek vom Land Oberösterreich am 1. Juni 1999 als Oö. Landesbibliothek übernommen.

Nicht weniger „abwechslungsreich“ waren, um es freundlich zu formulieren, die jeweiligen Standorte, 6 an der Zahl, bis 1934 ein Neubau in Betrieb genommen werden konnte, der damals das modernste Bibliotheksgebäude Österreichs war und heute noch nach Um- und Erweiterungsbau seit 1999 allen fachlichen Anforderungen entspricht.

Da eine neuere Gesamtdarstellung der Bibliothek und ihrer Geschichte noch nicht vorliegt, bietet die jüngste Festschrift in Verbindung mit den eingangs erwähnten Publikationen einen wesentlichen Baustein.[4] Die Publikation ist in drei Teile gegliedert: 1. Geschichte, 2. Bücherschätze, 3. Die Bibliothek heute. Die 7 Unterkapitel zu ihrer Geschichte sind von einzelnen Autoren verfasst. Jedes Kapitel deckt einen für die Entwicklung entscheidenden Zeitabschnitt ab. Teils fallen sie mit den wechselnden Direktoraten zusammen, teils gehen sie aber auch eingehend auf die Krisenzeiten ein: etwa der Kampf um einen Neubau, die Auswirkungen der NS-Zeit, die Auseinandersetzungen um die Erhaltung als eigenständige Institution nach 1945. Umso erfreulicher war dann die weitreichende kulturpolitische Entscheidung für eine Landesbibliothek, mit der der bis heute andauernde Aufschwung seinen Anfang nahm. Salopp könnte man zusammenfassen „Vom Büchergrab zur Dienstleistungsbibliothek“ bzw. „von der angestaubten Studienbibliothek, die im Kulturleben der Stadt eine eher marginale Rolle spielte“ zu einem weiteren Mosaikstein im neuen Kulturquartier mit dem 2007 in Betrieb genommenen „Wissensturm“ mit Stadtbibliothek und Volkshochschule und dem 2013 eröffneten großzügigen Musiktheater, dem zurzeit modernsten Opernhaus Österreichs. Verfügte das Haus 1997 über etwas mehr als 300 000 Bände, standen 2023 über 630 000 Bände, über 35 000 E-Books und weitere Medien zur Verfügung. Die Zusammenarbeit mit anderen Landesinstituten wie Landesarchiv, Adalbert Stifter-Institut und der Oö. Kultur GmbH im Zusammenhang mit der Umstellung auf das neue Bibliothekssystem ALMA im Rahmen des Österreichischen Bibliotheksverbundes ermöglicht weitere Zugriffe. Teil 1 ist mit zahlreichen Abbildungen wie Reproduktionen historischer Dokumente sowie mit historischen und aktuellen Fotografien illustriert.

Der historischen Tradition der Bibliothek ist Teil 2 „Bücherschätze“ gewidmet. Die Bibliothek besitzt 530 Handschriftenbände, wobei die ältesten Schriftzeugnisse bis in das 10. Jahrhundert zurückreichen. Mit 650 Inkunabeln verfügt sie über den sechsgrößten Bestand in Österreich. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die manuelle Anreicherung mit Meta- und Strukturdaten. Ein erheblicher Teil dieses Bestandes ist bereits als Digitalisat recherchierbar. In der vorliegenden Publikation werden über 30 Objekte in Bild und Text vorgestellt, darunter ein Handschriftenfragment aus dem 10. Jahrhundert sowie ausgewählte Einbände. Ein weiterer Schwerpunkt der Digitalisierung sind die Obderennsia, d. h. auf das Land Oberösterreich bezogene historische Bestände und Dokumente sowie die bedeutende Sammlung von Materialien zum 1. Weltkrieg. Als Prunkstück des Hauses wird der sogenannte „Lesesaal Altes Buch“ präsentiert, der mit den prachtvollen barocken Bücherschränken aus dem 1773 aufgehobenen Jesuitenkolleg in Linz ausgestattet ist, dessen Bibliothek die Keimzelle der Landesbibliothek war. Hinzu kamen Bestände aus den Niederlassungen des Ordens in Steyr und Traunkirchen.

Teil 3 „Die Bibliothek heute“ umfasst überwiegend Abbildungen des Erweiterungsbaues, die in knappen Texten erläutert werden. Neben den üblichen Funktionsräumen wie dem erstmals eingerichteten Freihandbereich und den drei neuen Magazingeschossen findet sich eine „Schatzkammer“ für die historischen Buchbestände. In einem nicht mehr benötigten Innenhof wurde ein Lesegarten gestaltet.

Auf ein für eine Landesbibliothek besonderes Angebot sei hingewiesen. Zusätzlich wurde eine „Mediathek und Kinder- und Jugendbibliothek“ eingerichtet. Es war der Bibliothek „ein Anliegen für Kinder und junge Menschen eine kleine aber feine Auswahl an Literatur bereitzustellen“ (S. 172). Vermutlich dient sie vornehmlich für Kinder der Benutzerinnen und Benutzer, denn es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich nur wenige Gehminuten entfernt im bereits erwähnten „Wissensturm“ die Stadtbibliothek befindet, wo laut Statistik 2023 an die 40 000 Medien für Kinder und Jugendliche bereitstehen. In diesem Zusammenhang war zu erfahren, dass zwischen Landes- und Stadtbibliothek kollegiales Einvernehmen herrscht, aber eine Kooperation nicht vorgesehen sei. Wenn sich im Zusammenhang mit der Diskussion über das Schicksal der ehemaligen Studienbibliothek der Plan einer Fusion beider Bibliotheken hätte realisieren lassen, wäre die weitere Entwicklung völlig anders verlaufen, „ein zunächst vielversprechender Plan zur Übernahme der Bibliothek durch Land oder Stadt scheiterte zuletzt an der Kostenforderung des Bundes“ für die Ablöse (S. 71).

Erfreulicherweise geht der Band auch auf die Kunstwerke am und im Gebäude ein. An der Fassade des Neubaus von 1932 finden sich die allegorischen Bronzereliefs „Vier Fakultäten“ von Karl Hauk. Besondere Erwähnung verdient im Treppenaufgang ein künstlerisch gestaltetes Fenster von Josef Raukamp mit dem Wessobrunner Gebet aus dem 8./9. Jahrhundert in Althochdeutsch und mit Übersetzung. 2009 wurde es durch ein Palindrom aus den Wörtern „Lager“ und Regal“ ergänzt, die vorwärts und rückwärts zu lesen sind (S. 56).[5] Vor der Fassade stand ursprünglich eine 1922 von Anton Hanak 1922 geschaffene Statue „Der brennende Mensch“ („Du brennst und verbrennst)“. Die expressionistische Großplastik, wurde 1951 vor der Bibliothek aufgestellt, 1960 aber in das LENTOS Kunstmuseum Linz verbracht (S. 54 ff.).[6] Ihr mehrfacher Standortwechsel wird an mehreren Stellen des Buches dokumentiert.

Die 1966 gegründete Johannes-Kepler-Universität Linz verfügt über die größte wissenschaftliche Bibliothek Oberösterreichs.[7] Sie wird in der Festschrift nur kurz angesprochen, da die Universitätsbibliothek in den Überlegungen zur Umwandlung der Studienbibliothek eine Rolle spielte. Dass eine Zusammenlegung nicht weiter verfolgt wurde, hing auch mit den weit auseinander liegenden Standorten (Innenstadt bzw. Campus nördlich der Donau) zusammen. Wohl spielte auch eine Rolle, dass der Schwerpunkt der Universität anfänglich auf den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie auf Naturwissenschaften und Technik lag. Es wäre wünschenswert gewesen, darüber etwas mehr zu erfahren.

Nichtsdestoweniger verdient die Publikation volle Anerkennung. Sie verbindet exakte Information in gut lesbaren Texten in einer Aufmachung, die dem Charakter einer Festschrift angemessen ist. Wie man liest, haben entsprechende Untersuchungen eine hohe Zufriedenheit der Benutzerinnen und Benutzer nachgewiesen, sowohl was die Entwicklung zu einer modernen Universalbibliothek als auch das ästhetisch gelungene Ambiente betrifft. So gesehen rechtfertigt auch dieser Erfolg, ihn mit einer Festschrift zu feiern.

Online erschienen: 2025-01-08
Erschienen im Druck: 2025-04-03

© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Teaching Library und die Vermittlung von Informationskompetenz
  4. Theoretische Konzepte der Teaching Library
  5. 30 Jahre Teaching Library (D-A-CH): Von der Katalogschulung zum Lernort Bibliothek?
  6. Das Framework for Information Literacy for Higher Education der ACRL: Sein Potenzial für die Vermittlung von Informationskompetenz und seine Auswirkungen auf die Vermittlungspraxis der Teaching Librarians im deutschen Sprachraum
  7. Und ja, IK soll auch Spaß machen: Meine Kurse sind keine Vorlesungen, sondern Infotainment
  8. Von Forschenden oft unterschätzt: Erfolgreicher forschen mit Informationskompetenz
  9. Good Practices
  10. Medienbildung in Öffentlichen Bibliotheken
  11. Desinformation auf der Spur: Konzept einer Bibliotheksschulung
  12. Praxisbericht: Das Konzept des neuen Centers für Informations- und Medienkompetenz der Österreichischen Nationalbibliothek
  13. Demokratiepädagogisch Agieren in (Öffentlichen) Bibliotheken
  14. PISA, IGLU, IQB & Co – Einsatz von aktuellen Studien und Untersuchungen in der bildungspolitischen Arbeit von Bibliotheken
  15. Gestaltung von E-Learning-Angeboten in Bibliotheken zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz
  16. Vision und Realität: Liaison Librarians und Informationskompetenz an der Universitäts- und Zentralbibliothek Zürich
  17. KI in der Informationskompetenz
  18. Künstliche Intelligenz in der Literaturrecherche
  19. Forschungsperspektiven zu KI, Informationsverhalten und Informationskompetenz
  20. Professionalisierung durch Kollaboration: OER im Verbund
  21. Didaktische Ansätze und Ausbildung
  22. Erstellung eines Moodle-Selbstlernkurses zur Recherche- und Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek Wien: ein Werkstattbericht
  23. Das Bibliothekspraktikum „Studierende beraten Studierende“
  24. Der neue Zertifikatskurs „Teaching Librarian“ am Postgraduate Center der Universität Wien
  25. Zukunftsgestalter
  26. Multimediale Lernangebote und physischer Lernraum zur Förderung von Informations- und Medienkompetenz in den Geowissenschaften – hybrid, kreativ, nachhaltig
  27. Weitere Beiträge
  28. Weiterbildung in wissenschaftlichen Bibliotheken: Status quo und Perspektiven
  29. Stand und Perspektive von ORCID in Deutschland
  30. Agiles Service Engineering für digitale forschungsunterstützende Dienste in Hochschulbibliotheken
  31. Rezensionen
  32. Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (Hrsg.): Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken, 2024. 105 S., aktual. und erw. Fassung. Zum Download verfügbar unter https://bibliotheksportal.de/ressourcen/management/strategie-und-planung/planungsgrundlagen/
  33. Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin. Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2024. 511 S., ISBN 978-3-10-397583-3. Hardcover € 36,-
  34. Die Bibliothek für alle. Der Büchereientwicklungsplan des Bundes. Wien: Büchereiverband Österreichs, 2024 (= Büchereiperspektiven Sonderausgabe 2024). 56 S., ISSN 1607-7172
  35. Am Anfang waren die Bücher. 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover, € 28,60
  36. Call for Papers
  37. Call for Papers
Heruntergeladen am 20.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2024-0100/html
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