Zusammenfassung
Der Beitrag hinterfragt die Notwendigkeit von Informationskompetenz, da der berufliche und akademische Erfolg oft ohne effiziente Informationsnutzung erzielt wird. Dennoch wird betont, dass Informationskompetenz zu einer effektiveren Arbeit führen kann, indem das richtige Werkzeug für die jeweilige Aufgabe genutzt wird. Der Text beleuchtet den Begriff der Informationskompetenz, beschreibt ihre Bedeutung für Forschende und die Rolle wissenschaftlicher Bibliotheken bei der Vermittlung. Es wird argumentiert, dass Bibliotheken sich an neue Informationsquellen und Technologien anpassen müssen, um Forschende zu unterstützen. Praxisbeispiele, wie die Arbeit an der ETH Zürich, illustrieren erfolgreiche Ansätze zur Förderung von Informationskompetenz.[1]
Abstract
The article questions the necessity of information literacy, since professional and academic success is often achieved without efficient use of information. Nevertheless, it is emphasized that information literacy can lead to more effective work by using the right tool for the task at hand. The text sheds light on the concept of information literacy, describes its importance for researchers, and the role of academic libraries in teaching it. It is argued that libraries must adapt to new information sources and technologies to support researchers. Practical examples, i.e., the work at ETH Zurich, illustrate successful approaches to promoting information literacy.[2]
1 Informationskompetenz: Geht es auch ohne?
Informationskompetent sein ist ein hehres Ziel, denn die Praxis zeigt, dass es durchaus auch ohne geht, sowohl in der Ausbildung, an der Hochschule, im Beruf und im privaten Bereich. Erfolg im Beruf korreliert nicht notwendigerweise mit der effizienten und effektiven Nutzung von Informationsressourcen und Tools, ja man muss diese nicht einmal kennen, und kann doch Professor an einer renommierten Hochschule werden oder Forschungsleiter in einem Unternehmen. Man findet heute ohne jede Informationskompetenz genug, um eine Forschungsarbeit zu beginnen und zu einem Ergebnis zu kommen oder mitreden zu können. Für Forschende ist Information Retrieval nur ein Teilprozess der Forschungsarbeit. Und vor allem nicht der Teil, der für Forschende die Forschungsqualität ausmacht. Das ist die Kreativität der Forschung, bei manchen Disziplinen noch das handwerkliche Geschick, auf das man stolz ist. Der Weg dahin ist ohnehin lang. Ob Information Retrieval den Weg schneller oder erfolgreicher gemacht hätte, spielt keine Rolle, denn das großartige Ergebnis ist ja da. Für Forstarbeiter ist das anders, da ist die Qualität der Werkzeuge unmittelbarer erfahrbar.
Kein Waldarbeiter würde mit einer Axt einen Wald roden, wenn er sinnvoll auch einen sogenannten Vollernter benutzen und damit in einem Bruchteil der Zeit fertig werden kann. Wer aber nur Äxte kennt, wird auch nur Äxte nutzen und, je nach Aufgabe, dabei auch etwas hinbekommen. Ziel sollte es aber sein, für jede Aufgabe das richtige Werkzeug zu verwenden und nicht als Amateur oder Dilettant ineffizient und ineffektiv seine Arbeit zu verrichten. Vor der Vermittlung der Informationskompetenz steht zunächst Überzeugungsarbeit an, warum diese vom Betreffenden nicht vermisste Kompetenz benötigt wird.
2 Informationskompetenz für Studierende und Forschende. Was verstehen wir darunter?
Informationskompetenz ist ein unterschiedlich definierter Begriff, der am besten mit dem englischen Ausdruck information literacy oder digital literacy übersetzt wird. In diesem Beitrag wird die Definition des Schweizer Standards für Informationskompetenz verwendet[3] bzw. die dort zitierte Definition der UNESCO: „Recognise their information needs; locate and evaluate the quality of information; store and retrieve information; make effective and ethical use of information; and apply information to create and communicate knowledge.“[4] Ich teile die Meinung, dass „Informationskompetenz umfassend verstanden werden muss und nicht auf die Anwendung von Werkzeugen der Bibliotheken beschränkt bleiben darf“. Gleichermaßen finden die Schweizer Kompetenzraster Informationskompetenz für uns Anwendung.[5]
3 Die Rolle von wissenschaftlichen Bibliotheken bei der Vermittlung von Informationskompetenz
Wissenschaftlichen Bibliotheken war immer die Bereitstellung wissenschaftlicher Information wichtig. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal war dabei die Qualität der aufgebauten Sammlung, möglichst umfassend, alle wichtigen Werke sollten den Forschenden zur Verfügung stehen. Auch die Nutzung sollte möglichst komfortabel sein. Die Bücher wurden in den Lesesälen bereitgestellt, dort konnte man sich den Inhalt aneignen. Damit die Nutzenden die für sie richtige und wichtige Information fanden, wurde großer Wert auf die Katalogisierung gelegt, die von erfahrenen Fachpersonen im jeweiligen Gebiet durchgeführt wurde.
Nun hat sich sowohl der Zugang als auch die Auswahl der Information verändert. Es sind nicht mehr nur Bücher, Zeitschriften und Kataloge und Blättern und Exzerpieren.
Was ist die Rolle der wissenschaftlichen Bibliotheken? Immer noch die gleiche, nur eben deutlich vielfältiger. Art und Zahl der Informationsträger haben sich vervielfacht, die notwendigen Kompetenzen sind ebenfalls vielfältiger geworden. Es braucht daher unbedingt eine Funktion, die als unabhängiger Lotse, Guide oder Coach Forschenden und Studierenden hilft, die neuen Möglichkeiten zu kennen und effektiv und effizient einzusetzen, information-savvy zu sein und zu bleiben. Es gilt somit, die Informationskompetenz und deren Vermittlung auf ein zeitgemäßes Level zu heben.
4 Warum es sich lohnt, in Informationskompetenz zu investieren
Das Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie (ICBP)[6] ist eine gemeinsame Einrichtung der Departemente Chemie und Angewandte Biowissenschaft sowie Biologie und wird von diesen finanziert. Es ist unabhängig von der ETH-Bibliothek, kooperiert aber mit dieser eng und ist in das System der ETH-Bibliotheken über swisscovery eingebunden. Das ICBP beschränkt sich auf die Erwerbung von gedruckten Medien in denen von ihm betreuten Gebieten. Die ETH-Bibliothek ist verantwortlich für die Lizenzierung der E-Books, E-Journals und den Datenbanken, von spezieller Software und Datenbanklösungen für limitierte Nutzerzahlen abgesehen, die vom ICBP übernommen wird. Das ICBP profitiert davon, dass die ETH-Bibliothek zentrale Services übernimmt, und kann sich auf den Lernort, den Bestandaufbau, aber vor allem auf die Vermittlung und Lehre und die Unterstützung beim Labordatenmanagement konzentrieren. Für Letzteres stehen vier Information Consultants (3,0 FTE) bereit, derzeit noch 2,1 FTE für den Bibliotheksbereich sowie eine IT-Koordinatorin (0,8 FTE), die überwiegend als Entwicklerin arbeitet und noch für andere Funktionen an der ETH Zürich tätig ist. Zuletzt ich als Leiter des ICBP (1,0 FTE), der aber 2015 und 2019 im Zuge von Stelleneinsparungen noch weitere Aufgaben übernommen hat. Bis zum Sommer 2024 wurden bei uns noch bis zu zwei Lernende Information und Dokumentation ausgebildet, die uns ab dem 1. Ausbildungsjahr deutlich entlasteten.
Noch neu als Leiter des ICBP an der ETH Zürich, führte ich Anfang 2013 eine Umfrage durch, die helfen sollte, Lösungen für den Bedeutungsverlust von Bibliotheken zu finden. Vor allem aber sollten Lösungen gefunden werden, künftig Forschende auszubilden, die die vorhandenen (und an der ETH Zürich im Übrigen hervorragenden) Angebote an Informationsressourcen umfassend nutzen würden. War es doch immer wieder frustrierend, zu erfahren, wie Studierende und Forschende die heutigen Informationsmöglichkeiten nutzen. Zwar war das überaus positive Feedback von Kunden, die erkannten, was ihnen entging, jedes Mal aufs Neue motivierend, das bittere Gefühl, dass das nicht hätte sein müssen, überwog aber.
Der Rücklauf der Umfrage war hoch und lag bei Studierenden bei 30 %, bei Doktorierenden und PostDocs bei 14 % und bei Professoren und Professorinnen bei 50 %. Es zeigte sich, dass 50 % der Studierenden die elektronischen Angebote nicht nutzen, von den Nichtnutzern 50 % nicht, weil sie diese nicht kannten und 50 % waren der Meinung, sie bräuchten diese nicht. Bei den Doktorierenden lagen die Werte bei 64 % Nichtnutzern, die zu 54 % glaubten, diese nicht zu benötigen.
Viele lizenzierte Tools waren unbekannt oder es wurde ebenfalls geglaubt, diese nicht zu benötigen, wie Scopus, wo 91 % der Studierenden keinen Bedarf sahen oder es nicht kannten, bei Google aber nur 9 % – dies gefragt im Zusammenhang mit der Suche nach Literatur in Zeitschriften. Die Zahlen bei Doktorierenden lagen bei 93 % und 5 %, bei Professoren 92 % und 7 %.
Basierend auf diesen Ergebnissen wurde das ICBP neu ausgerichtet; es wurde beispielsweise die Webseite von Grund auf neu konzipiert und mit dynamischen Modulen für Datenbanken und Tools auf der Startseite statt einer statischen A-Z-Liste versehen. Das heißt, dass die Nutzenden interaktiv aufgrund ihrer Fragestellungen, ihrer jeweiligen Fachdisziplin (die weiter unterteilt ist) möglichst intuitiv zu der passendenden Datenbank oder Software geführt werden. Eine Stichwortsuche ist ebenfalls möglich; alle Sucharten können auch kombiniert werden.
Der Katalog wurde in den Hintergrund gebracht zugunsten der vielfältigen neuen Aktivitäten, vor allem im Bereich der Informationskompetenz. Etliche Angebote wurden eingestellt, insbesondere solche, die nur noch von sehr wenigen, meist der Generation 65+, genutzt wurden oder für die es bessere Alternativen gab.
Neben der Verbesserung des Lernortes wurde sukzessive eine digitale Forschungsinfrastruktur aufgebaut. Heute stellt das ICBP eine Vielzahl von Software-Tools bereit und kümmert sich beispielsweise um die mittlerweile auch an der ETH Zürich vorhandenen elektronischen Laborjournale und verfolgt auch in diesem Bereich stetig die neuen Entwicklungen und Initiativen, um auch hier kompetitiv zu sein.
5 Praxisbeispiel: Die Vermittlung von Informationskompetenz an der ETH Zürich durch das ICBP
Das ICBP nutzt heute ein Portfolio von unterschiedlichen Formaten, um die Forschenden in Chemie, Life Sciences, Materialwissenschaften und pharmazeutischen Wissenschaften zu informationskompetenten Wissenschaftlern aus- und kontinuierlich weiterzubilden. Die Angebote sind jedoch für alle an der ETH Zürich offen, teilweise – wie die Coffee Lectures – auch für Externe. Auch wenn die Zugehörigkeit der Kundschaft in der Regel nicht bekannt ist bzw. nicht erfasst wird, wissen wir, dass insbesondere Studierende und Forschende aus den Bereichen Gesundheitswissenschaften wie auch Umweltwissenschaften die Angebote des ICBP nutzen. Unsere Kernzielgruppe sind aber Studierende und Forschende aus den oben genannten Bereichen, denn nur für diese haben wir ein Mandat und die interne Qualifikation.
Das Portfolio besteht aus den Formaten Coffee Lectures, Research Group Menu Card[7] Seminars, Vorlesungen und Beteiligung an Vorlesungen sowie Crash Courses und Workshops mit externen Partnern, die zusammen ein aufeinander abgestimmtes Curriculum ergeben mit dessen Hilfe Studierende und junge Forschende informationskompetent gemacht werden, information-savvy, wie wir es nennen. Ergänzt wird dies durch unseren Newsletter Infocus und das Magazin Infozine, die ihren Schwerpunkt im Bereich Awareness haben. Denn nur was man kennt, kann man auch nutzen.
Heute gibt es nahezu täglich neue Entwicklungen und Möglichkeiten im Bereich Information Retrieval, Information Management, Knowledge Management und Knowledge Discovery. Unser Anspruch ist es, immer up-to-date zu sein über die neuesten Entwicklungen und Tools, um unsere Forschenden so kompetitiv wie möglich zu halten. Wir nutzen deshalb ein internes Content-Management-System namens Infoflow, in dem wir Informationen über neue Datenbanken, Software, Tools, Konzepte sammeln und zur Weiterbearbeitung strukturieren. Oft wird gefragt, wie wir diese Informationen erhalten. Dies ist ein über die Jahre gewachsenes System aus Newslettern, Blogs, Subskriptionen, Magazinen und Alerts in verschiedenen Systemen, sowie persönlichen Kontakten. Diese Inhalte sind Grundlage aller unserer Aktivitäten in der Vermittlung von Informationskompetenz, die im Folgenden beschrieben werden.
5.1 Coffee Lectures
Über Coffee Lectures muss nicht viel gesagt werden, diese wurden von mir 2007, während meiner Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie entwickelt, um das Wissen um vorhandene Datenbanken und Tools bei den Forschenden des Unternehmens zu verbessern. Wer weiß, dass es nicht nur Äxte gibt – um bei dem Eingangsbeispiel zu bleiben – kann im Unternehmen viel erfolgreicher arbeiten und so den Unternehmenserfolg sichern. Die Idee der Coffee Lectures wurde 2014, nach dem geglückten Start am ICBP publiziert,[8] seither sind viele Publikationen entstanden, die sich mit dem Einsatz des Formats Coffee Lectures in Bibliotheken beschäftigen. Diese werden auf der Webseite Coffee Lecture User Group gesammelt.[9] Auf dieser Webseite sind auch alle dem ICBP bekannten Bibliotheken und Informationseinrichtungen aufgeführt, die das Format einsetzen oder eingesetzt haben – derzeit 139.
Die Coffee Lectures des ICBP an der ETH Zürich bestehen aus einem Curriculum von 72 Themen. Wer an allen 72 Coffee Lectures teilgenommen hat, kann sicher sein, ein hohes Level an Informationskompetenz erreicht zu haben. Um die Bereitschaft zu fördern und die Themen nachhaltig zu vermitteln, gibt es nach jeder Coffee Lecture eine Coffee-Lecture-Karte im Postkartenformat, auf deren Rückseite alle notwendigen Informationen zusammengefasst sind und die Kontaktperson im ICBP genannt wird.
Unsere Coffee Lectures finden um 13:00 Uhr statt, sind auf 10 Minuten begrenzt und orientieren sich an einem Problem-und-Lösung-Ansatz. Es wird ein Problem oder Arbeitsschritt aufgezeigt, den alle kennen, und die Lösung oder Verbesserung durch das in der Coffee Lecture vorgestellte Tool aufgezeigt. In einem vierseitigen Coffee Lecture Card Album kann man notieren, an welchen Lectures man schon teilgenommen hat oder noch teilnehmen will. Die Plakate mit den Themen aller bisherigen 72 Coffee Lectures sowie das Album finden sich als PDF auf unserer Webseite.[10] Seit der Coronapandemie führen wir die Coffee Lectures live und parallel über Zoom durch. Die Teilnehmerzahlen vor Ort vor der Pandemie erreichen wir nicht mehr, auch weil wir seit einiger Zeit zusätzlich Aufzeichnungen der Coffee Lectures auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung stellen.
5.2 Menu Card Research Group Seminars
Unsere Idee und der Einsatz der Menu Card Research Group Seminars wurde bereits 2015 publiziert.[11] Das Format wurde 2015 im ICBP als Ergänzung zu den Coffee Lectures entwickelt, um Forschungsgruppen eine vertiefte und stärker auf ihre eigenen Interessen angepasste Schulung zu ermöglichen. Da eine Auswahl von Schulungsangeboten, womöglich als A-bis-Z-Liste, mit wenig sprechenden Namen von Datenbanken und Tools wenig attraktiv ist, wurde das Angebot in Form einer Speisekarte konzipiert, mit Vorspeisen, Hauptgerichten, Desserts und Specials. Denn eine gute Speisekarte in einem guten Restaurant macht auch Lust auf Essen. Zudem ist es möglich, eine Vorspeise zum Hauptgericht zu machen und umgekehrt. Bei der Gestaltung der Speisekarte wurden Erkenntnisse der Gestaltung von Speisekarten in Restaurants berücksichtigt. Die Abstimmung auf die Gruppe und die Forschungsfragen der Gruppe, der notwendige Austausch im Vorfeld der Veranstaltung zur Sammlung von Problemen bei der Informationsbeschaffung und -verwaltung sind zeitintensiv, lohnen sich aber, denn das Feedback ist immer sehr positiv. Allerdings setzen wir dieses Format derzeit nur wenig ein, da die Aufgaben des ICBP stetig wachsen, die Zahl der Mitarbeitenden aber genauso stetig sinkt und auch durch die Popularität unserer Vorlesung „Scientific Information Retrieval & Management in Life Sciences and Chemistry“ (siehe 5.3.1) die Idee der Menu Card Research Group Seminar etwas kannibalisiert wird.
5.3 Vorlesungen
Dem ICBP ist es gelungen, in vielen Vorlesungen an der ETH Zürich verankert zu sein, mit 4 Stunden Vorlesung im Frühlingssemester (Bachelorstudium) und 80 Stunden im Herbstsemester, gleichmäßig verteilt auf die ersten 5 Semester des Bachelorstudiums sowie Master und Doktorat. Dies ermöglicht es uns, mit Beginn des ersten Semesters den Studierenden in der Chemie, Biologie, Pharmazie und Materialwissenschaften parallel zur fachlichen Ausbildung, die über Vorlesungen der Professoren und Laborpraktika erfolgt, das notwendige Wissen zum Arbeiten mit wissenschaftlichen Informationen zu vermitteln. Die Einführung im ersten Semester dient insbesondere dazu, das falsche Bild einer Bibliothek zurechtzurücken, auch durch den Einsatz spielerischer Tools wie Kahoot und ein gewisses Maß an Selbstironie. In den höheren Semestern werden die Schulungen vertiefter, ab dem 5. Semester sind wir allerdings in keinen Vorlesungen und Praktika mehr vertreten, bei der Ausbildung der Biologen leider noch früher. Ferner sind wir nicht nur an Vorlesungen beteiligt, sondern führen auch zwei von uns selbst konzipierte, eigenverantwortliche Vorlesungen durch, die im Folgenden beschrieben werden.
5.3.1 Vorlesung Scientific Information Retrieval & Management in Life Sciences and Chemistry
Diese Vorlesung für Doktorierende ist eine Erfolgsgeschichte und kann als Meisterstück betrachtet werden. Die Vorlesung wurde 2013 von mir konzipiert und 2014 erstmals gehalten. Motivation für die Vorlesung war die Feststellung, dass Doktorierende sehr oft von Universitäten kommen, an denen die Angebote an Informationsressourcen sehr begrenzt sind, und daher Google oft der Leatherman für Forschende ist. Zu dieser Vorlesung gibt es noch keine Publikation, diese ist jedoch für 2025 geplant und einige Informationen sind bereits in einem Aufsatz publiziert worden.[12]
Die Vorlesung startete 2014 im Herbstsemester einstündig mit 15 Teilnehmern. Einer davon war Leo Betschart, der mittlerweile als Dozent an der Vorlesung beteiligt ist. 2021 haben wir bereits 142 Teilnehmer aus 7 Departementen, von der Uni Zürich und auch drei Masterstudierende, die sich eingeschrieben hatten. Seit 2016 ist die Vorlesung zweistündig mit 2 ECTS. Auch wenn sie sehr beliebt ist, geht es nicht ohne Werbung, insbesondere direkte Werbung. Die Studierenden müssen an 10 der 12 zweistündigen Vorlesungseinheiten teilgenommen haben, die Aufgaben erledigen und am Ende einen Essay schreiben (siehe unten), um die Kreditpunkte zu erhalten.
Ziel der Vorlesung war es, für die betreffenden Fachbereiche eine ganzheitliche, umfassende Fortbildung zu schaffen, die Doktorierenden das notwendige Wissen und Handwerkszeug für alle Prozesse des Forschungszyklus vermitteln sollte. Auf allen Stufen des Forschungsprozesses werden die entsprechenden Schritte des Information Retrieval, Information Management, Knowledge Management und Knowledge Discovery gemappt und die dazugehörigen Tools vorgestellt. Derzeit stellt sich der Vorlesungsinhalt wie folgt dar:
18.9.2024 (Oliver Renn, Jozica Dolenc, Leo Betschart): Introduction and Kahoot Game
25.9.2024 (Oliver Renn): The world of scientific publishing & communication (1): Basics, publishing models
2.10.2024 (Oliver Renn): The world of scientific publishing & communication (2): New and recent Developments – Outlook
9.10.2024 (Oliver Renn): Searching and retrieving scientific information using search engines and using literature databases
16.10.2024 (Oliver Renn, Leo Betschart): Searching and retrieving scientific information using subject-specific databases in life sciences
23.10.2024 (Jozica Dolenc, Leo Betschart): Searching and retrieving scientific information using subject-specific databases in chemistry (1)
30.10.2024 (Jozica Dolenc): Searching and retrieving scientific information using subject-specific databases in chemistry (2)
6.11.2024 (Oliver Renn, Jozica Dolenc, Leo Betschart): Tools for analyzing, managing, and sharing scientific information and sharing knowledge, including pipelining tools
13.11.2024 (Leo Betschart, Gina Cannarozzi): Visualizing molecules in 2D and 3D for lab reports, presentations, posters, and publications
20.11.2024 15:45–17:15 (Oliver Renn, Leo Betschart): Text(literature) and Data Mining
27.11.2024 (Oliver Renn, Jozica Dolenc): Patent information
4.12.2024 (Oliver Renn): Scientific writing & Good Scientific Practice
11.12.2024 (Oliver Renn): Communicating & analyzing the impact of (your) science
In der Einführungsveranstaltung wird spielerisch und anonym der Wissenstand und die Interessen der Teilnehmenden ermittelt. Anonym und spielerisch, weil nur dann offengelegt wird, mit welchen Tools man arbeitet und welche man bereits kennt. Es ist beispielsweise immer aufschlussreich zu sehen, dass viele angeben, mit PubMed zu arbeiten, aber kaum jemand weiß, was ein MeSH-Term ist, die Grundlage für diese biomedizinische Datenbank.
Insgesamt vier Vorlesungsstunden beschäftigen sich mit der Welt der wissenschaftlichen Kommunikation, von 1665 bis heute. Die Studierenden lernen, welche wirtschaftlichen Interessen und Implikationen hinter den verschiedenen Publikationsformen liegen und erkennen Chancen und Risiken, auch für Betrug. Sie erkennen aber auch, dass es ein System ist, das ihre Arbeit unterstützen soll und das beeinflusst werden kann.
Die nächsten zwei Stunden beschäftigen sich mit der Suche nach wissenschaftlichen Informationen mithilfe von Literaturdatenbanken und Suchmaschinen. Die Teilnehmer erkennen, dass Google-Suchen nicht an jedem Ort und mit jedem Gerät reproduzierbar sind und sehen vor allem, was sie nicht finden – aber publiziert ist. Dabei hilft, dass ich am Anfang über ein Webtool die Forschungsfragen der Teilnehmer sammle und so einen Pool von Beispielen erhalte, die ich dann live in den Vorlesungsstunden nutze. Dies sorgt oft für Überraschung, wenn beispielsweise Paper gefunden werden, die derjenigen Person noch nicht bekannt waren. Danach finden zwei Stunden zu Datenbanken in den Life Sciences statt, gefolgt von vier Stunden zu Chemiedatenbanken und Materialwissenschaften, die von Dr. Jozica Dolenc und Dr. Leo Betschart übernommen werden. Da nur 80 % der Vorlesungen besucht werden müssen, können Chemiker beispielsweise die Vorlesung zu den Biologiedatenbanken ausfallen lassen und umgekehrt. Ich sage den Studierenden aber immer, dass sie später interdisziplinär arbeiten werden und es von Vorteil ist, zu wissen, welche Möglichkeiten des Information Retrieval und der Informationsgewinnung es in der jeweiligen Disziplin gibt. Danach folgen eine Doppelstunde über Tools zur Analyse und Verwaltung von Informationen und Wissen, darunter auch Pipelining-Tools wie KNIME. Zwei weitere Stunden beschäftigen sich mit Patenten, die von vielen Forschenden als schwer zugänglich ignoriert werden, obwohl 80 % des Wissens in Patenten liegen soll.
Weitere zwei Stunden beschäftigen sich mit Text Mining, neben einer Einführung gibt es auch praktische Demos und die Möglichkeit, durch eine Kooperation mit dem führenden Anbieter von Text Mining-Software, die Software für einen begrenzten Zeitraum für eigene Forschungszwecke einzusetzen. Sicherlich kann in der kurzen Zeit kein Verständnis für Text Mining erhalten werden. Absolventen der ETH Zürich wissen jedoch bei einer Fortsetzung der Karriere in der Pharma- oder Chemieindustrie, welche Möglichkeiten es gibt und können die dort vorhandenen Angebote nutzen. Denn auch in der Industrie gilt, nur was man kennt und von dem man weiß, das wird man auch nutzen.
Zwei weitere Stunden beschäftigen sich mit der Visualisierung von Molekülen in 2D und 3D, unter Mitwirkung von Dr. Gina Cannarozzi, Information Consultant Biologie im ICBP, denn in diesen Disziplinen ist es wichtig, auch ansprechende Visualisierungen der Moleküle oder Biomoleküle und Polymere erstellen zu können – nicht nur für Publikationen.
Danach folgen zwei Stunden zu Good Scientific Practice und Scientific Writing mit vielen Bespielen, auch von Missbrauch und Betrug. Ich bin der Meinung, dass auf diese Art der Lerneffekt größer ist, als wenn nur Vorbilder betrachtet werden. Die Vorlesungsserie schließt mit zwei Stunden zum Thema Outreach ab. Warum ist Science Communication wichtig? Wie kann man die Verbreitung der eigenen Publikationen jenseits der Publikation in der Zeitschrift fördern und wie lassen sich Erfolge messen?
Die Vorlesung ist nicht nur wegen des langen Namens berüchtigt, sondern auch wegen Foliensätzen mit insgesamt 2 000 PowerPoint-Slides. Dies sind fast ausschließlich Bilder und Screenshots, da Demos mit Screenshots als Daumenkino schneller und verlässlicher durchzuführen sind als Live Demos, die es auch gibt. Wie bereits erwähnt, bemühen wir uns um viele praxisbezogene Beispiele und nutzen IT-Tools, um Aufgaben zu geben, Ergebnisse einzusammeln und in einer Diskussion in der Vorlesung zu präsentieren. Zusätzlich bekommen die Teilnehmenden zu jeder Einheit zweiseitige Summary Sheets mit allen Links, To-Do’s, wichtigen Definitionen und Erklärungen. Dies soll helfen, die Absicht, eine bestimmte Datenbank und Software zu nutzen, nicht einen guten Vorsatz bleiben zu lassen, sondern das Erfahrene und Gelernte aktiv in die Tat umzusetzen.
Entscheidend für die Qualität der Vorlesung ist auch ein Sinn für Humor und eine auf eigener Erfahrung beruhende Kenntnis des Forschungsprozesses auf diesen Gebieten.
Im letzten Herbstsemester wurde der Inhalt jeder Vorlesungseinheit in Form von Bildern visualisiert, mit Bildern, die mit KI erstellt wurden. Die unterschiedlichen Prompts und die daraus erzielten Bilder wurden als unterhaltsamer Einstieg in die jeweilige Vorlesungseinheit vorgestellt und diskutiert (Abb. 1). Studierende versuchten sodann, mit anderen KI-Tools als dem in der Vorlesung verwendeten oder anderen Prompts passende Bilder zu erzeugen.

Plakat mit den Einheiten der Vorlesung Scientific Information Retrieval & Management in Life Sciences and Chemistry im Herbst 2023, © Oliver Renn
Neue KI-Anwendungen wurden schon seit einigen Jahren in die Vorlesung mit aufgenommen. Anfangs hauptsächlich für Inhaltsanalysen und im Fall der Chemie für KI-unterstütze Synthesen und Retrosyntheseplanungen, seit 2024 aufgrund der rasanten Entwicklung auch Tools zum Information Retrieval und zur Unterstützung des wissenschaftlichen Schreibens, so dass in fast jeder Vorlesungseinheit Bezug auf vorhandene KI-Tools genommen wird. Voraussetzung dafür ist das in Abschnitt 5 erwähnte Scouting mit Infoflow.
Wichtig ist uns auch, dass die Vorlesung immer besser wird, gerade in einem Bereich, der einer so rasanten Entwicklung unterworfen ist. Deshalb, und weil die letzte Stunde in der Weihnachtswoche traditionell ausfällt, müssen die Studierenden am Ende einen Essay schreiben und können dafür aus drei Themen wählen.
Option 1: Shortly describe your current information workflow.
Option 2: Describe the information needs that were fulfilled by something you learned in the course.
Option 3: Describe any of your information needs that remain unmet.
Hier beginnen die meisten Essays mit dem Satz „Before I took the course, I was just using Google.“ Es ist für uns sehr aufschlussreich und motivierend zu sehen, wie sich bei den meisten das Informationsverhalten und die Informationsnutzung geändert hat. Allerdings gibt es immer einige wenige, die sich nicht umstellen wollen. Werden beispielsweise Funktionen von Datenbanken als besonders hilfreich hervorgehoben, werden wir diese im folgenden Herbst stärker berücksichtigen. Werden Funktionen erwähnt, die wir nicht erwähnt haben, werden wir diese im folgenden Herbst erwähnen. Werden Tools erwähnt, die wir nicht kennen, beschäftigen wir uns mit diesen und ergänzen den Syllabus um diese Tools. Unter Umständen wird es auch Thema einer Coffee Lecture, im Magazin Infozine erwähnt und bei der nächsten Aktualisierung unser Module Datenbank und Tools auf unsere Webseite aufgenommen.
Selten wird die Option 2 gewählt, auch hier ist es sehr hilfreich zu sehen, was die Vorlesung bewirkt hat.
Einige wählen Option 3, was oft Ideen für Start-ups liefern könnte und Bedürfnisse beschreibt, die wir dann auch gern mit Verlagen und Informationsanbietern diskutieren.
Auch wenn es viel Arbeit ist, diese Essays zu lesen, so ist diese Lektüre sehr aufschlussreich und motivierend und trägt vor allem dazu bei, dass es für diese Vorlesung nicht nur eine Qualitätssicherung gibt, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung.
Ein empirischer Nachweis der Wirksamkeit der Vorlesung fällt schwer, es gibt aber regelmäßig anekdotische Evidenz, wie z. B. das Zitat der Preisträgerin des Schweizer Preises Prix Schläfli 2021, Dr. Claudia Alois, die sagte „It was one of the best courses I have taken, extremely useful! Do you still teach it? I hope so!“
Gefühlt sind uns Preisträger mittlerweile oft namentlich aus der Vorlesung bekannt. In den Essays finden sich oft überaus positive Bewertungen und anerkennende Worte zur Vorlesung wie auch in den E-Mails, mit denen uns die Essays geschickt werden, wie diese Auswahl aus der letztjährigen Vorlesung zeigt:
Today, I can confidently say that what I learned in this course has saved me several months of redundant and tedious research (thank you).
Everything was of the highest standards, and I believe that this should be a mandatory course for PhDs. This is because the number of available tools and databases becomes simply overwhelming without proper guidance.
I was surprised that I was directly able to incorporate some of the mentioned software and tools after the lectures improving my overall information workflow.
The course significantly impacted my information workflow by introducing new tools, databases, and methodologies, providing valuable insights into optimizing time and resources throughout the entire research process.
Overall, I am thankful I took the course, as this is precisely the type of knowledge one would never get in a concentrated form and would only bit by bit discover oneself.
This course has been transformative, imparting invaluable skills in structured and efficient scientific information management. Additionally, delving into text mining, promises heightened work efficiency.
Legt man die Bewertungen und Essays und das Schweizer Kompetenzraster Information nebeneinander, sieht man schön, dass die Lernziele für Bedarf, Beschaffung, Bewertung, Organisation, Anwendung und Verantwortung[13] überall für Fortgeschrittene, überwiegend aber auch für Experten, nachweislich erreicht wurden.
5.3.2 Vorlesung Scientific Writing in Life Sciences and Chemistry
Diese Vorlesung wurde konzipiert, da in der oben genannten Vorlesung für Doktorierende immer wieder der Bedarf für eine eigene Vorlesung zum Thema Scientific Writing angemeldet wurde, und uns auch von Professorinnen und Professoren gesagt wurde, dass Defizite beim Schreiben von Publikationen und Dissertationen zu einer hohen Arbeitsbelastung bei ihnen führen würden. Die Vorlesung wird von Dr. Gina Cannarozzi gehalten, einer erfahrenen Wissenschaftlerin mit vielen eigenen Publikationen und langjähriger Forschungserfahrung, und die darüber hinaus als US-Amerikanerin auch native speaker ist. Die Vorlesung ist offiziell ins Curriculum der Biologie und Pharmazie aufgenommen, Werbung für diese Vorlesung ist nicht notwendig. Die Vorlesung ist immer schnell ausgebucht, da die Plätze auf 35 Teilnehmer begrenzt sind, so dass intensive Interaktion und Betreuung möglich sind. Die Vorlesung ist stark ausgerichtet auf das Publikations- und Schreibverhalten in der Biologie und Chemie. Eine weitergehende Spezialisierung, z. B. in der Chemie (theoretische Chemie versus präparative Chemie), wurde von uns als zu aufwändig abgelehnt.
Zusätzlich gibt es zur Vorlesung auch noch ein sogenanntes Scientific Writing Lab, ebenfalls von Dr. Gina Cannarozzi angeboten, das allen Interessierten niedrigschwellig ohne Anmeldung offensteht.[14]
5.4 Andere Formate der Vermittlung
Ursprünglich als Refresher-Kurse angeboten, wird unser Angebot seit einigen Jahren durch die sogenannten Crash-Kurse ergänzt, die am Abend stattfinden und teilweise in Zusammenarbeit mit dem CompiCampus der ETH Zürich veranstaltet werden. Idee der Refresher-Kurse war es, bereits früher vermitteltes Wissen zur Informationskompetenz, das vielleicht mangels Fragestellungen nicht angewendet werden konnte, aufzufrischen.
Die bis zu zweistündigen Crash-Kurse werden heute wie folgt beworben:
Möchten Sie bei Ihrer Forschungs- oder Masterarbeit viel Zeit sparen? Das Informationszentrum Chemie | Biologie | Pharmazie bietet eine Palette nützlicher Crashkurse zur wissenschaftlichen Informationsbeschaffung und -visualisierung an: Textbasierte Literatursuche mit Scopus, Visualisierung mit PyMOL oder ChemDraw, ChatGPT für viele Anwendungen, Netzwerken mit LinkedIn, Informationsverwaltung mit Obsidian und effektive Nutzung von PubMed. Auch für Sie ist etwas dabei!
5.5 Infozine
Infozine soll unseren Kunden die sich schnell weiter entwickelnde Welt der wissenschaftlichen Information näherbringen und zeigen, was es Neues gibt und ihnen helfen, aus der Vielzahl von Informationsressourcen und Informationslösungen die richtige auszuwählen. Da wir Informationskompetenz ganzheitlich sehen, sind auch immer Hinweise auf Tools enthalten, die eher für das private Leben von Interesse sind. Infozine ist ein Magazin für Anwender wissenschaftlicher Informationen, das in deutscher und englischer Sprache erscheint. Ursprünglich sollte Infozine 4- bis 6-mal pro Jahr erscheinen, um so die notwendige Bindung an die Zeitschrift zu erreichen. Deshalb wurden anfangs auch noch Sonderhefte zu bestimmten Themen mit eingeladenen Beiträgen und DOI für jeden Beitrag publiziert, die sehr erfolgreich waren. Leider hat die bereits erwähnte Arbeitsbelastung des ICBP dazu geführt, dass Themenhefte nicht mehr erscheinen und Infozine nur noch sporadisch erscheint, insbesondere da die redaktionelle und journalistische Kompetenz und Verfügbarkeit im ICBP limitiert ist. Alle Ausgaben finden sich auf der Webseite des ICBP.[15] Infozine kann von jedem abonniert werden, derzeit gibt es ca. 400 externe Abonnenten. Forschende der Departemente Chemie und angewandte Biowissenschaften, Biologie und Materialwissenschaft erhalten eine E-Mail mit dem Download-Link. Studierende dieser Departemente dürfen von uns nicht angeschrieben werden und müssen deshalb selbst aktiv über die Webseite des ICBP abonnieren.
5.6 Infocus
Nicht alles passt in Infozine. Themen, die zu speziell sind und nur einen kleinen Teil der Leser von Infozine interessieren, oder Ankündigungen von Testzugängen zu Datenbanken und Software werden als E-Mail-Newsletter in englischer Sprache publiziert. Dazu ist eine Registrierung für Infocus, unser Personalized Alerting System for News on Databases, Tools and Services notwendig, wie auch eine Auswahl von Interessensgebieten. Basierend auf den ausgewählten Interessensgebieten erhalten registrierte Nutzer dann bei einem „match“ einen personalisierten E-Mail-Alert, wie beispielsweise Infocus Nr. 112:
Dear Urs Schweizer,
As one of four European universities we had access to Scopus AI, a next generation tool that combines generative AI with Scopus content and data to help researchers get deeper insights faster, support collaboration and societal impact of research.
Now, the Chemistry | Biology | Pharmacy Information Center has limited trial access to a similar tool, floatz. Floatz is being developed by two former ETH Zurich PhD students, one of them from D-CHAB, and has been launched recently.
Floatz enables scientists to find precise and relevant information using a novel AI architecture. Learn more at https://floatz.ai …
5.7 Kits für Erstsemester und Onboarding für neue Professoren
Zusätzlich zu den genannten Initiativen gibt es für Erstsemester am ersten Tag, bei der Begrüßung der Studienanfänger, ein Erstsemester-Survival-Kit, welches aufgerissen werden kann und eine Checkliste für Erstsemester, unsere Infobroschüre, das Coffee Lecture-Kartensammelalbum und eine Postkarte zu Infocus enthält. Das berühmte Zitat „Ein Monat im Labor kann oft eine Stunde in der Bibliothek sparen“ von Frank Henry Westheimer (1912–2007), Morris Loeb Professor of Chemistry, Emeritus at Harvard University, wird beim Öffnen der Webseite aufgeklappt.
Für neue Professoren und Professorinnen gibt es ein ein- bis zweistündiges Onboarding, bei dem ich in einem persönlichen Gespräch einen achtseitigen Guide durchgehe, der eine Randspalte für To-Do’s und Notizen im Gespräch erhält. Auch hier ist das Feedback der künftigen Forschungsgruppenleiter sehr positiv („The meeting was a game changer, I accomplished things I never thought I could accomplish.“). Allerdings kommt es auch vor, dass keine Bereitschaft zu einem solchen Treffen vorhanden ist oder mir gesagt wird, dass diese Angebote überhaupt nicht gebraucht werden, da öffentliche Tools oder soziale Medien genutzt werden und man damit vollumfänglich zufrieden ist.
Bei den in den letzten zwei Jahren berufenen (jungen) Professoren und Professorinnen ist allerdings ein deutlich größeres Interesse zu beobachten und das Feedback durchweg positiv.
6 Hat es sich gelohnt?
Ob sich der Aufwand gelohnt hat, ist empirisch schwierig zu beantworten, anekdotische Evidenz ist vielfach vorhanden – wenn Praktikumsleiter beispielsweise sagen, dass die Teilnehmer deutlich besser geworden sind. Um doch ein wenig handfeste Fakten zu haben, wurde die eingangs erwähnte Umfrage aus dem Jahr 2013 zur Neuausrichtung des ICBP Anfang 2024 wiederholt, mit soweit möglich den gleichen Fragen wie 2013, um im Rahmen einer Längsschnittstudie zeigen zu können, was sich bei unseren Nutzern verändert hat und welche aus der Umfrage 2013 abgeleiteten Initiativen erfolgreich waren und welche nicht. Vieles gibt es allerdings nicht mehr oder wird nicht mehr genutzt, so dass nur ein Teil der Fragen gleichbleiben konnte.
Bei der Umfrage im März 2024 erhielten wir nur noch 602 Antworten, und nur ein geringer Teil beantwortete die gesamte Umfrage. Eine statistische Signifikanz kann daraus deshalb nicht abgeleitet werden. Bei den Studierenden lag der Rücklauf bei etwa 20 %, bei den Doktorierenden bei ca.15 % und bei den Professoren bei etwa 30 %. Wir gehen davon aus, dass viele, die unsere Angebote nutzen, zufrieden sind und deshalb keine Veranlassung sehen, Umfragen zu Themen zu beantworten, die ihnen nicht auf den Nägeln brennen. Vermutlich haben eher solche geantwortet, die uns nicht kennen. Eine statistisch solide Umfrage, bei der eine repräsentative Auswahl zum Antworten gezwungen wird, ist bei uns nicht möglich.
Unser Portfolio an Informationsressourcen scheint umfassend zu sein, 95 % vermissen nichts, die Hinweise der 5 % nehmen wir auf. Darunter sind recht häufig Informationsressourcen, zu denen es bereits Zugang gibt – offenbar ist vieles leider unbekannt. Dass sehr viele immer noch nicht wissen, was das ICBP ist und welche Angebote es bietet, hat sich nämlich leider auch in dieser Umfrage bestätigt. Das liegt sicher auch daran, dass das ICBP nur eingeschränkt mit den Nutzern kommunizieren kann.
Die Mehrheit gibt an, dass sie unsere Angebote nicht kennen und nutzen, wie Coffee Lectures (75 % kennen diese nicht), Workshops (68 %), Research Group Menu Card Seminars (81 %), Vorlesung „Scientific Information Retrieval and Management in Life Sciences and Chemistry“ (82 %), Vorlesung „Scientific Writing in Life Sciences and Chemistry“ (82 %), Writing Lab (88 %), Crash Courses (72 %), Infozine (56 %), Infocus (59 %). Die, die ein Produkt oder einen Service kennen, beurteilen diese aber überaus positiv. 53 % geben an: „Looks like I frequently miss news.“
Begreiflicherweise wollten wir auch wissen, wie Informationen gesucht werden, denn schließlich steht unseren Nutzern eines der weltweit besten Portfolios zur Informationsgewinnung zur Verfügung. 54 % nutzen immer noch Google, 52 % Google Scholar und nur 9 % Scopus, 1 % Dimensions. Bis zu 75 % antworteten, dass sie von den jeweiligen Informationsressourcen noch nie gehört haben. Auf die Frage, wie sie auf relevante Publikationen stoßen, geben 66 % „random browsing“ an. 16 % nutzen Alerts bei Google Scholar, aber nur 4 % Reaxys oder SciFinder (5 %). 20 % stoßen über X oder andere soziale Medien auf Publikationen. Professionelle Tools werden leider immer noch nicht von allen genutzt. Die Zufriedenheit mit dem Informationsportfolio kommt oft nicht aus der Anwendung, sondern aus dem Unwissen über vorhandene Werkzeuge.
Aus dieser Umfrage abzuleiten, das es eine Veränderung im Umgang mit Informationskompetenz gegeben hat, ist kaum möglich. Klar geworden ist allerdings, dass diese Umfrage in der konzipierten Form nicht geeignet ist, solche Schlüsse zu ziehen. Da bieten die Essays der Studierenden der in Abschnitt 5.3.1 erwähnten Vorlesung mehr Hinweise darauf, dass zumindest bei Doktorierenden Informationskompetenz deutlich wichtiger wird.
Abschließend hatten wir gefragt, was das Wichtigste wäre, das das ICBP weiterhin oder künftig anbieten sollte? Hier schwanken die Antworten stark zwischen Studierenden und Forschenden. Erstere beziehen sich auf den Lernort Infozentrum, letztere meist auf unsere Services, und darunter sind viele, die uns bestärken, das Portfolio an Angeboten aufrechtzuerhalten. Die letzte Frage war nach dem, was am ICBP am wenigsten gemocht wird. Dort haben wir 127 Antworten bekommen, oft ein „nichts“ bis hin zu „Hm. It’s almost heaven“. Arbeiten wir weiter am Himmel für Forschende und Studierende und hoffen, dass sich dieses Paradies weiter herumspricht.
Über den Autor / die Autorin

Dr. Oliver Renn
Literaturverzeichnis
Catts, Ralph; Lau, Jesus (2008): Towards Information Literacy Indicators. Paris: UNESCO.Suche in Google Scholar
Dolenc, Jozica; Renn, Oliver (2015): Vermittlung von Informationskompetenz á la carte im Infozentrum Chemie | Biologie | Pharmazie der ETH Zürich. In: BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis, 40 (1), 78–82. DOI:10.1515/bfp-2016-0004.10.1515/bfp-2016-0004Suche in Google Scholar
Projekt „Informationskompetenz an Schweizer Hochschulen“ (2011): Schweizer Standards der Informationskompetenz. Verfügbar unter https://www.informationskompetenz.ch/doc/e-lib/1_d_schweizer%20standards.pdf.Suche in Google Scholar
Renn, Oliver (2014): „Anwenderschulung zur computergestützten Informationsbeschaffung für Fortgeschrittene“ oder doch lieber in die Coffee Lectures? In: Information – Wissenschaft & Praxis, 65, 190–94. DOI:10.1515/iwp-2014-0038.10.1515/iwp-2014-0038Suche in Google Scholar
Renn, Oliver (2021): Die ideale wissenschaftliche Bibliothek. In: Bibliotheken: Wegweiser in die Zukunft – Projekte und Beispiele, hg. von Erda Lapp, Silke Sewing, Renate Zimmermann und Willi Bredemeier. Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen. Verfügbar unter https://www.simon-bw.de/assets/doc/Bredemeier_Wegweiser_Open_Access.pdf.Suche in Google Scholar
© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Teaching Library und die Vermittlung von Informationskompetenz
- Theoretische Konzepte der Teaching Library
- 30 Jahre Teaching Library (D-A-CH): Von der Katalogschulung zum Lernort Bibliothek?
- Das Framework for Information Literacy for Higher Education der ACRL: Sein Potenzial für die Vermittlung von Informationskompetenz und seine Auswirkungen auf die Vermittlungspraxis der Teaching Librarians im deutschen Sprachraum
- Und ja, IK soll auch Spaß machen: Meine Kurse sind keine Vorlesungen, sondern Infotainment
- Von Forschenden oft unterschätzt: Erfolgreicher forschen mit Informationskompetenz
- Good Practices
- Medienbildung in Öffentlichen Bibliotheken
- Desinformation auf der Spur: Konzept einer Bibliotheksschulung
- Praxisbericht: Das Konzept des neuen Centers für Informations- und Medienkompetenz der Österreichischen Nationalbibliothek
- Demokratiepädagogisch Agieren in (Öffentlichen) Bibliotheken
- PISA, IGLU, IQB & Co – Einsatz von aktuellen Studien und Untersuchungen in der bildungspolitischen Arbeit von Bibliotheken
- Gestaltung von E-Learning-Angeboten in Bibliotheken zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz
- Vision und Realität: Liaison Librarians und Informationskompetenz an der Universitäts- und Zentralbibliothek Zürich
- KI in der Informationskompetenz
- Künstliche Intelligenz in der Literaturrecherche
- Forschungsperspektiven zu KI, Informationsverhalten und Informationskompetenz
- Professionalisierung durch Kollaboration: OER im Verbund
- Didaktische Ansätze und Ausbildung
- Erstellung eines Moodle-Selbstlernkurses zur Recherche- und Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek Wien: ein Werkstattbericht
- Das Bibliothekspraktikum „Studierende beraten Studierende“
- Der neue Zertifikatskurs „Teaching Librarian“ am Postgraduate Center der Universität Wien
- Zukunftsgestalter
- Multimediale Lernangebote und physischer Lernraum zur Förderung von Informations- und Medienkompetenz in den Geowissenschaften – hybrid, kreativ, nachhaltig
- Weitere Beiträge
- Weiterbildung in wissenschaftlichen Bibliotheken: Status quo und Perspektiven
- Stand und Perspektive von ORCID in Deutschland
- Agiles Service Engineering für digitale forschungsunterstützende Dienste in Hochschulbibliotheken
- Rezensionen
- Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (Hrsg.): Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken, 2024. 105 S., aktual. und erw. Fassung. Zum Download verfügbar unter https://bibliotheksportal.de/ressourcen/management/strategie-und-planung/planungsgrundlagen/
- Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin. Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2024. 511 S., ISBN 978-3-10-397583-3. Hardcover € 36,-
- Die Bibliothek für alle. Der Büchereientwicklungsplan des Bundes. Wien: Büchereiverband Österreichs, 2024 (= Büchereiperspektiven Sonderausgabe 2024). 56 S., ISSN 1607-7172
- Am Anfang waren die Bücher. 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover, € 28,60
- Call for Papers
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- Titelseiten
- Editorial
- Teaching Library und die Vermittlung von Informationskompetenz
- Theoretische Konzepte der Teaching Library
- 30 Jahre Teaching Library (D-A-CH): Von der Katalogschulung zum Lernort Bibliothek?
- Das Framework for Information Literacy for Higher Education der ACRL: Sein Potenzial für die Vermittlung von Informationskompetenz und seine Auswirkungen auf die Vermittlungspraxis der Teaching Librarians im deutschen Sprachraum
- Und ja, IK soll auch Spaß machen: Meine Kurse sind keine Vorlesungen, sondern Infotainment
- Von Forschenden oft unterschätzt: Erfolgreicher forschen mit Informationskompetenz
- Good Practices
- Medienbildung in Öffentlichen Bibliotheken
- Desinformation auf der Spur: Konzept einer Bibliotheksschulung
- Praxisbericht: Das Konzept des neuen Centers für Informations- und Medienkompetenz der Österreichischen Nationalbibliothek
- Demokratiepädagogisch Agieren in (Öffentlichen) Bibliotheken
- PISA, IGLU, IQB & Co – Einsatz von aktuellen Studien und Untersuchungen in der bildungspolitischen Arbeit von Bibliotheken
- Gestaltung von E-Learning-Angeboten in Bibliotheken zur Förderung der Medien- und Informationskompetenz
- Vision und Realität: Liaison Librarians und Informationskompetenz an der Universitäts- und Zentralbibliothek Zürich
- KI in der Informationskompetenz
- Künstliche Intelligenz in der Literaturrecherche
- Forschungsperspektiven zu KI, Informationsverhalten und Informationskompetenz
- Professionalisierung durch Kollaboration: OER im Verbund
- Didaktische Ansätze und Ausbildung
- Erstellung eines Moodle-Selbstlernkurses zur Recherche- und Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek Wien: ein Werkstattbericht
- Das Bibliothekspraktikum „Studierende beraten Studierende“
- Der neue Zertifikatskurs „Teaching Librarian“ am Postgraduate Center der Universität Wien
- Zukunftsgestalter
- Multimediale Lernangebote und physischer Lernraum zur Förderung von Informations- und Medienkompetenz in den Geowissenschaften – hybrid, kreativ, nachhaltig
- Weitere Beiträge
- Weiterbildung in wissenschaftlichen Bibliotheken: Status quo und Perspektiven
- Stand und Perspektive von ORCID in Deutschland
- Agiles Service Engineering für digitale forschungsunterstützende Dienste in Hochschulbibliotheken
- Rezensionen
- Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (Hrsg.): Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken, 2024. 105 S., aktual. und erw. Fassung. Zum Download verfügbar unter https://bibliotheksportal.de/ressourcen/management/strategie-und-planung/planungsgrundlagen/
- Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der „Gleichschaltung“ bis zum Ruin. Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2024. 511 S., ISBN 978-3-10-397583-3. Hardcover € 36,-
- Die Bibliothek für alle. Der Büchereientwicklungsplan des Bundes. Wien: Büchereiverband Österreichs, 2024 (= Büchereiperspektiven Sonderausgabe 2024). 56 S., ISSN 1607-7172
- Am Anfang waren die Bücher. 250 Jahre bibliotheca publica. 25 Jahre Oö. Landesbibliothek. Hrsg. von der Oberösterreichischen Landesbibliothek und dem Oberösterreichischen Landesarchiv. Redaktion: Renate Plöchl, Julian Sagmeister, Martin Vejvar. Linz: Oö.Landesarchiv, 2024. 192 S., 223 Abb. ISBN 978-3-902801-51-7. Hardcover, € 28,60
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