Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (Hrsg.): Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken, 2024. 105 S., aktual. und erw. Fassung. Zum Download verfügbar unter https://bibliotheksportal.de/ressourcen/management/strategie-und-planung/planungsgrundlagen/

Wenn eine Bibliothek mit der Aufgabe konfrontiert wird, ihr Haus umzubauen, zu sanieren oder sogar neu bauen zu können, steht die Bibliotheksleitung vor einer potenziell schwierigen Gemengelage, bzw. einer Mammutaufgabe: Bibliothekar*innen sind keine Architekt*innen und natürlich auch keine Projektsteuer*innen oder Fachplaner*innen. Bibliothekswesen und Bau haben im Alltag nur wenige Schnittmengen.

Gleichzeitig birgt diese Aufgabe das Potenzial, Visionen zu verwirklichen oder zumindest Unzulänglichkeiten eines Bestandsgebäudes zu revidieren. Die Einmaligkeit der Aufgabe, eine Bibliothek neu konzipieren und realisieren zu dürfen, gilt dabei oftmals nicht nur für das Bibliotheksteam, sondern auch für die damit beauftragten Architekt*innen.

Mit Tag 1 eines Bau- oder Sanierungsprojekts werden Bibliotheksleitungen zu „Nutzern der Immobilie“. Die Relevanz dieser Funktion im Prozess bzw. in den Projektteams muss häufig in der Architekturplanung erst vermittelt werden. Ebenso das seitens der Bibliothek erarbeitete funktionale und gestalterische Konzept für ihre künftigen Räume. Als erster Schritt erfolgt in der Regel zunächst ein informatorischer Prozess mit Architekt*innen, denen die zeitgemäße Rolle einer Öffentlichen Bibliothek in unserer Gesellschaft zu erläutern ist.

Da uns als Bibliotheksmenschen der fachlich-architektonische Hintergrund fehlt, müssen wir uns als Gesprächspartner*innen im Planungsprozess mit externer Fachkompetenz ausstatten, um die vielen anstehenden Themen fundiert bearbeiten zu können und damit den Fachplanenden gute Grundinformationen für ihre Arbeit liefern zu können. Konkret bedeutet dies für die Bibliotheksleitung – bevor sich den Überlegungen tatsächlicher eigener Bedarfe und Bedürfnisse zugewandt werden kann – ein Basisknowhow in Bauarchitektur- und Innenarchitekturthemen zu erwerben.

An dieser Stelle setzt die Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken an: Die Publikation unterstützt nicht nur dabei, die Grundlagen für die Bauplanung auf eine solide Basis zu stellen. Sie liefert darüber hinaus konkrete Unterstützung bei der erforderlichen bibliothekarischen Vorarbeit, die die Prämisse für alle folgenden Planungen darstellt: das inhaltliche Konzept einer Bibliothek.

Die Handreichung ist dabei von der Grundvoraussetzung getragen, dass die erfolgreiche Vermittlung eines bibliothekarischen Konzepts in einem Planungs- und Bauvorhaben die Voraussetzung dafür darstellt, dass dieses Konzept auch im Architekturentwurf sichtbar wird und erfolgreich umgesetzt werden kann. Dieses bibliotheksfachliche Konzept ist nicht nur die Analyse der ergebnisorientierten Ziele eines Bauvorhabens, es ist auch das Planungsinstrument, das allen Projektbeteiligten die Bibliotheksstrategie vermittelt.

Die Handreichung bietet damit eine fundierte Basis, die nicht nur das Knowhow in der Bibliothek verstärkt, sondern im gesamten Prozess des Sanierens und Bauens die Zusammenarbeit bibliothekarischer und planerischer Projektbeteiligter erleichtert.

Umfassend eingegangen wird beispielsweise auf Fragestellungen wie: Wie berechnet man den zukünftigen Raumbedarf? Welche (Raum-)Anforderungen stellen die unterschiedlichen Funktionsbereiche einer Bibliothek an einen neuen Bau? Was ist bei den Themen Brandschutz und Barrierefreiheit zu berücksichtigen und mit welchen Konsequenzen auf unsere fachliche Planung? Oder ganz grundsätzlich: Wie versteht man Bau- und Architekten-Deutsch? All das lässt sich mit dem bewährten bibliothekarischen Werkzeugkasten nicht beantworten.

Das Online-Handbuch Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken der FAG Bau der Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland ist ein extrem wichtiges und praxistaugliches Hilfsmittel. Es ist nicht nur im gesamten Prozess nützlich, sondern hilft auch, möglichst viele Detailplanungen professionell zu konzipieren. Die Handreichung erscheint bereits seit 2012 (wurde 2018 überarbeitet) und ist 2024 in einer aktualisierten und erweiterten Fassung aufgelegt und online gestellt worden. Sie wurde dem geänderten Anforderungsprofil von Bibliotheken angepasst: Normen und Vorschriften haben sich ebenso verändert wie das Angebots- und Dienstleistungsprofil von Bibliotheken. Technologien beim Bau und der Ausstattung haben sich weiterentwickelt. Die unterschiedlichsten Aspekte finden sich in der umfassenden Publikation wieder – von architektonischen betriebsfunktionalen und technologischen Aspekten über angebotsspezifische Themen und Nachhaltigkeitsaspekte bis hin zum Thema der innenarchitektonischen Ausgestaltungen. Bei der Aktualisierung wurde dies weitestmöglich in die bewährte, übersichtliche Kapitelstruktur eingearbeitet. Aber vor allem bei den Themen Bibliothekseinrichtung und -technik kamen neue Aspekte hinzu. Zum Beispiel wurde ein ganzes Kapitel für „Open-Library-Technik“ hinzugefügt.

Im Vorwort stufen die Herausgeber*innen ihre Publikation als „Handreichung“ ein. Dieses Understatement begründen sie damit, dass nicht jedes Thema mit der gleichen Tiefe und Ausführlichkeit behandelt wird. Tatsächlich orientieren sie sich in jedem Kapitel an dem jeweiligen bibliothekarischen Informationsbedarf. Das macht die Publikation so schlank wie möglich und damit maximal praxistauglich: „Wo Antworten auf baufachliche Fragen einen hohen Rechercheaufwand erfordern und wo der Einfluss von Entscheidungen auf die Funktionalität des Gebäudes besonders hoch erscheint, dort wurde tiefer ins Detail gegangen.“

Grundsätzlich versteht sich die Publikation als Ergänzung zur DIN 67700. „Beide Publikationen zusammen sollen den minimalen Handapparat für einen schnellen Überblick über bauliche Anforderungen an Bibliotheksräume bilden.“ Die Handreichung geht aber tatsächlich weiter: Sie hat Checklistenfunktion, vermittelt Grundwissen (Was hat der Planer gemeint?), vergleicht technische Lösungen und Produktarten (Welche Alternativen gibt es?); sie ist ein funktionstüchtiges Nachschlagemittel für Bauvorschriften und bietet Empfehlungen von Fachkollegen sowie ein Literaturverzeichnis für weitergehende Fragen und Themen an.

Beim Blick ins Inhaltsverzeichnis erstaunt den (Bau-)Laien die Breite des Themenspektrums. Zum Beispiel: Welche Raumbedarfe sind für die unterschiedlichen Funktionsbereiche einer Bibliothek zu veranschlagen? Welche Wege- und Raummaße sind dabei zu berücksichtigen? Welche Lasten müssen für die statischen Berechnungen zugrunde gelegt werden? Ein besonders wichtiges Thema ist die vorausschauende „Elektro- und Datenleitungsplanung“. Anforderungen an die Elektrofachplanung oder an eine integrierte Software gehören zur technischen Gebäudeausstattung (TGA), die bei Bibliotheken anders ausgelegt ist als bei anderen öffentlichen Dienstleistungsgebäuden.

All diese Themen werden vertieft. Allein das Kapitel „Bibliothekseinrichtung“ umfasst acht ausführliche Unterkapitel – von der Einrichtungsplanung, die auch auf aktuelle Trends eingeht, über die Auswahl der Möbel bis hin zu Design- und Gestaltungsfragen.

In der Summe eine Publikation, die Bibliothekar*innen – aber auch den involvierten Bauexpert*innen – als wichtige Grundlage dienen kann, Planungssicherheit zu gewinnen. Bereits im frühen Planungsprozess wird die bedarfs- und anforderungsgerechte Entwurfsplanung ermöglicht. Eventuell bislang Unberücksichtigtes kann im Vorfeld identifiziert werden. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, eine Entwurfsplanung zu erstellen, die in einer umsetzbaren Ausführungsplanung mündet – und so die bibliothekarischen Visionen gebaute Wirklichkeit werden lässt.

Der einzig denkbare Wermutstropfen der Publikation ist nicht den Autoren*innen und Herausgeber*innen anzulasten: Angesichts der oftmals überlangen Prozesse im Baubereich, die zu sehr langen Planungs- und Bauzeiten führen können, ist nicht völlig auszuschließen, dass bei Eröffnung des neuen oder sanierten Gebäudes die Weiterentwicklung von Technik und Trends das Geplante bereits überholt haben könnten.