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Vorbereitet auf die Zeitenwende?

Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr offenbart große Defizite
  • Alexandr Burilkov and Christian E. Rieck

    Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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Published/Copyright: April 4, 2023

Kurzfassung

Dieser Beitrag befasst sich mit der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, sich an Auslandseinsätzen im gesamten Konfliktspektrum beteiligen zu können. Vor dem Hintergrund der „Zeitenwende“ werden drei Konflikte unterschiedlicher Intensität in der Ukraine, Afghanistan und Mali untersucht. Er bewertet sodann das Leistungspotenzial der Bundeswehr und gibt Empfehlungen für den Fähigkeitenaufbau: Neben der Modernisierung des Panzer- und Artilleriedispositivs fehlen vor allem Drohnen zur Fernaufklärung und als verharrende Waffen sowie eine wirksame Luftunterstützung – die jedoch in zwischenstaatlichen Konflikten hoher Intensität nur eingeschränkt einsetzbar sein wird.

Abstract

This contribution looks at the readiness of the Bundeswehr to contribute to external deployments in the full spectrum of conflict. Against the backdrop of the “Zeitenwende” three conflicts of differing intensity are analyzed. It then assesses the potential performance of the Bundeswehr and gives recommendations for the improvement of capabilities: Apart from the modernization of the tank and artillery weapon, what is lacking are drones for long-range reconnaissance and as loitering munitions, as well as effective air support – that will, however, only have limited use in interstate high intensity conflicts.

1 Einleitung

Der überhastete Abzug aus Afghanistan im August 2021 und der Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 haben erkennen lassen, dass die europäischen Staaten Defizite bei ihren militärischen Fähigkeiten aufweisen, die ihre Handlungsfähigkeit massiv einschränken. Angesichts der Möglichkeit, dass die USA ihre Aufmerksamkeit stärker auf den pazifischen Raum verlagern werden, ist es dringend geboten, dass die europäischen Staaten der Verteidigung einen größeren Stellenwert einräumen. Viele hoffen, dass diese Defizite durch eine stärkere Orientierung der Europäischen Union auf verteidigungspolitische Zusammenarbeit behoben werden können. Diese Erwartung wird sich aller Voraussicht nicht erfüllen.

Die in die „strategische Autonomie“ der EU gesetzten Hoffnungen und Ambitionen sind zu hoch angesetzt. Ganz gleich, wie viele gemeinsame Verteidigungsinstitutionen Brüssel schafft (PSK, EUMS, EUMC) oder wie sehr die EU sich bemüht, die Mitgliedstaaten zu einer intensiveren Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung anzuregen (EDF, CARD, PESCO), stehen die einzigen wirksamen militärischen Kapazitäten, die in der EU gegenwärtig existieren, in der Verfügungsgewalt der nationalen Hauptstädte, werden von diesen ausgestattet, eingesetzt und unterhalten.[1] Das bedeutet, dass die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Waffensysteme in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt, insbesondere bei ihrem indispensable member Deutschland, das die größte stehende Armee und den größten Militärhaushalt in Europa aufweist,[2] der – nach der im Jahr 2022 geplanten deutlichen Aufstockung – der weltweit drittgrößte Verteidigungsetat werden könnte. Deutschlands Hauptaufgabe in Europa wird wieder verstärkt darin bestehen müssen, die Nordostflanke der NATO – und somit der EU – mit seinen eigenen konventionellen Streitkräften zu schützen und als Rahmennation (framework nation) und Verstärker für die Streitkräfte der Mitglieder beider Organisationen in Nord-, Zentral- und Osteuropa zu fungieren.[3] Die Rolle Deutschlands und der Bundeswehr ist in jedem Fall entscheidend, da Deutschland neben Frankreich, Polen und Italien eine der wichtigen verbliebenen Militärmächte der EU ist. Berlin besitzt im Prinzip auch die Legitimität, eine zunehmend aktive Rolle als great unifier in der EU zu übernehmen.[4]

Ist die Bundeswehr – trotz eines neuen Realismus in der deutschen strategischen Debatte, der während der Merkel-Jahre begann – tatsächlich für die Herausforderungen gerüstet, die die unmittelbare Zukunft für sie bereithält? Unsere Grundhypothese ist, dass die Fähigkeiten der Bundeswehr bisher und auch mittelfristig nicht gut auf die Anforderungen (wahrscheinlicher) künftiger Kampfeinsätze abgestimmt waren und sind.[5] Ausgangspunkt unserer Einsatzbereitschaftsanalyse ist die Erkenntnis, dass die Wiederentdeckung eines nüchternen Realismus seit dem „Münchner Konsens“ im Jahr 2014 bislang nicht zu einer höheren Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geführt hat. Im Gegenteil, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielte während des gesamten Bundestagswahlkampfs im letzten Herbst kaum eine Rolle. Sie stellte eher eines der Haupthindernisse in den Koalitionsgesprächen dar.[6] Die sogenannte Zeitenwende, die der russische Angriffskrieg auslöste, eröffnet nun die Möglichkeit die Defizite der deutschen Streitkräfte substanziell abzubauen.

Der vorliegende Beitrag geht in zwei Schritten vor: Zunächst wird die Entwicklung bis zur heutigen Situation der Bundeswehr anhand des „Münchner Konsens“ und verschiedener Bemühungen Berlins und Brüssels zur Verbesserung der europäischen Sicherheit dargestellt. Anschließend folgen die drei Kapitel der Einsatzbereitschaftsanalyse, die das Herzstück dieses Aufsatzes stellen: Wir beginnen anhand der Analyse des Krieges in der Ukraine mit der Frage, wie gut die Bundeswehr für einen Krieg an der Ostgrenze der NATO ausgerüstet ist. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der russischen Kampagne der Manöverkriegsführung, mit der der Feldzug gegen die Ukraine eröffnet wurde. Wir nehmen sowohl die russische Wahrnehmung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in den Blick als auch die kritischen Lehren, die die NATO aus dem Kampf der Ukraine gegen die russische Militärmacht ziehen könnte und was dies für die künftige Ausrüstung der Bundeswehr bedeuten sollte. Die Analyse widmet sich sodann Afghanistan, einem Konflikt hoher Intensität gegen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen (NSBG). Dabei sind über Afghanistan hinaus Strategien und Taktiken des internationalisierten Dschihad in Augenschein zu nehmen. Abschließend untersucht diese Analyse den Konflikt mit niedriger Intensität in der Sahelzone, der im Jahr 2018 aufgrund eines Zuflusses von Ressourcen und Fähigkeiten al-Qaidas im Maghreb (AQIM) und von Resten des Islamischen Staats (IS) aufflammte und schließlich den französischen Rückzug im Februar 2022 aus Mali zur Folge hatte. Hier konnte der IS bis Ende März in der Region Gao Fuß fassen, während die geplante russische Hilfe durch privates militärisches Sicherheitspersonal von Liga (ehemals Wagner) infolge des Krieges in der Ukraine unterbrochen wurde.

2 Ambitionierte Strategien, enttäuschende Realitäten

Der „Münchner Konsens“ von 2014 signalisierte das Bestreben der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, den Prozess der außen- und sicherheitspolitischen „Normalisierung“ konsequent anzugehen, der seit den Balkankriegen nur zögerlich begonnen worden war: Berlin schulde es Europa, mehr Verantwortung über seine Grenzen hinaus zu übernehmen, einschließlich der Notwendigkeit einer neuen diplomatischen und militärischen Haltung, die sich wieder stärker mental und materiell auf robuste Machtmittel zu stützen habe. Während der Münchner Sicherheitskonferenz in jenem Jahr argumentierten Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für ein stärkeres Engagement Deutschlands auf internationaler Ebene. Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage müsse Berlin „früher, entschiedener und nachhaltiger“ agieren. Seitdem ist die deutsche strategische Debatte weiter gereift, jedenfalls auf der Ebene der Strategiepapiere: Das Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik 2016, die Leitlinien zur Krisenprävention 2017 und die Indo-Pazifik-Leitlinien 2020 ließen alle eine größere Bereitschaft zur Bündelung der Soft Power und der Hard Power-Ressourcen in der Außen- und Sicherheitspolitik erkennen. Diese Ambitionen standen jedoch im starken Kontrast zur niedrigen operativen Einsatzbereitschaft der militärischen Machtmittel, die zum Erreichen dieser Ziele benötigt würden.[7]

 Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014

Auf internationaler Ebene hat Deutschland in den letzten Jahren tatsächlich mehr Verantwortung übernommen. So hat Deutschland die Bereitschaft erkennen lassen, seine militärischen Fähigkeiten zur Bündnisverteidigung im Ostseeraum zu verstärken (im Rahmen der Very High Readiness Joint Task Force – VJTF und der Enhanced Forward Presence).[8] Es hat sich stärker in der NATO engagiert, wo es maßgeblich am Zustandekommen des Rahmennationenkonzepts beteiligt war.[9] Berlin hat Waffen an die Peshmerga geliefert, um sie bei der Verteidigung gegen den Islamischen Staat zu unterstützen. Die Bundeswehr hat zudem in eine Reihe neuer Waffensysteme investiert, wie die Schützenpanzer Puma AIFV und GTK Boxer, die Fregatten F125 und F126 sowie die U-Boote der Klasse 212A – ebenso wichtig sind das Future Combat Air System (FCAS) und die Next Generation Frigates (F127), deren Einsatz jedoch noch in weiter Ferne liegen. Da diese Waffensysteme technologisch anspruchsvoller geworden sind, sind sie allerdings mit mehr technischen Problemen behaftet und führen zu längeren Nutzungsausfällen durch Reparaturbedürftigkeit, was sich wiederum negativ auf die Einsatzbereitschaft auswirkt.

Besonders problematisch war und ist dabei die Struktur des Verteidigungsetats: Die konsumptiven Ausgaben (vor allem für Gehälter und Pensionen) sind weiterhin viel zu hoch, das Investitionsvolumen (vor allem in Ausstattung) ist hingegen viel zu niedrig. So wurden die angestrebte tiefgreifende Modernisierung und die Herstellung einer hohen Einsatzbereitschaft nicht erreicht.[10] Die angekündigte verstärkte Ausrichtung auf die Bündnisverteidigung angesichts der russischen Aggression in Osteuropa wird dieses Problem verschärfen. Sofern Bündnisverteidigung und Stabilisierungseinsätze außerhalb des Bündnisgebietes angestrebt werden, bleibt die weitere Erhöhung des Verteidigungshaushalts erforderlich. Diese Problemlage ist nicht auf Deutschland beschränkt: So herrscht in Europa nicht nur generell ein gravierender Mangel an Fähigkeiten zur Verlegung von Streitkräften (Lufttransport und Flugzeugträger), die für Out-of-Area-Einsätze von zentraler Bedeutung sind, sondern es mangelt auch an leichten und schweren Panzern, dem Rückgrat der Landes- und Bündnisverteidigung, von denen heute etwa nur noch halb so viele vorgehalten werden wie 1999.[11]

Die vorgesehene Aufstockung des Verteidigungsetats braucht Jahre, um in der Praxis zu einer tatsächlichen Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu führen. Deutlich wird dies in zwei neuen Berichten des Bundes, die ein düsteres Bild von der Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr zeichnen: Eine 2021 erschienene Analyse des Bundesverteidigungsministeriums konstatierte eine Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme von ca. 75 Prozent.[12] Ein Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags fiel noch pessimistischer aus: dort wurde von einer Einsatzbereitschaft der Waffensysteme von höchstens 50 Prozent ausgegangen, sollte es nicht zu spürbaren Verbesserungen innerhalb der Teilstreitkräfte, insbesondere bei der Luftwaffe kommen.[13] Jahre der Kürzungen und ein umstrittener Plan zur Umstellung der Instandhaltung auf ein Just-in-Time-Modell, wie es in der kommerziellen Logistikbranche üblich ist, haben die Bestände an einsatzfähigem Material überall ausgedünnt: bei Transport- und Kampfflugzeugen, bei U-Booten und vielen Heeressystemen, wie Schützenpanzer und Minen widerstehende und hinterhaltgeschützte Fahrzeuge (MRAPs) sowie bei Panzern und in der Luftabwehr. Im Sommer 2018 waren nur 4 von 128 Eurofighter einsatzbereit.[14] Das Transportflugzeug A-400M ist noch immer nicht flächendeckend im Einsatz, wodurch die Möglichkeiten für strategische Verlegungen stark eingeschränkt werden.

Trotz – oder gerade wegen – der zunehmenden Häufigkeit und Dauer von Auslandseinsätzen ist die Modernisierung der Bundeswehr seit 2014 nur schleppend und uneinheitlich vorangekommen. Das Einsatzbereitschaftsniveau bleibt weiter unbefriedigend niedrig. Damit beschädigt die Bundesregierung die deutsche Rolle als Rückgrat der NATO-Verteidigung und als „Möglichmacher-Macht“ in der Europäischen Verteidigungspolitik[15], weshalb die EU noch immer weit davon entfernt ist, ein „glaubwürdiger Krisenmanager“ zu sein.[16]

3 Die Ukraine, die NATO und die Ostflanke der EU

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine rückt die Verteidigung des Baltikums gegen eine russische Invasion in den Vordergrund.[17] Das Baltikum war in der jüngsten Vergangenheit bereits Ziel russischer Verletzungen des Luft- und Seeraums und wird in russischen nationalistischen Darstellungen regelmäßig (ähnlich den CSTO-Staaten) als Teil der russischen Einflusssphäre reklamiert, insbesondere in denen der staatlichen Medien.[18] Der russische Einmarsch in die Ukraine hat dazu beigetragen, dass Finnland und Schweden einen Antrag auf Aufnahme in die NATO gestellt haben.

Die russische Außenpolitik und Militärstrategie werden von der Wahrnehmung getrieben, dass die NATO und die EU die größten geopolitischen Rivalen Russlands seien. Moskau versucht darüber hinaus, seine Einflusssphäre in Osteuropa wieder herzustellen, die es mit dem Untergang der Sowjetunion verloren hat:[19] In Zentralasien bemüht sich Moskau, durch die Eurasische Union und die Collective Security Treaty Organization (CSTO) seinen Einfluss aufrecht zu erhalten und auszuweiten. In Osteuropa jenseits der EU-Außengrenzen setzt Russland auf verdeckte und teilweise offene militärische Aktionen, die darauf abzielen, bestehende Konflikte zu akzentuieren oder einzufrieren, um die davon betroffenen Staaten besser kontrollieren zu können, oder aber durch Einschüchterung deren dauerhafte Neutralität zu erreichen. Die drei baltischen Staaten bilden einen Sonderfall, da sie NATO-Mitglieder sind und somit unter dem atomaren Schirm Amerikas stehen. Die Entwicklung eines Konflikts im Baltikum wäre stark von der Verfügbarkeit amerikanischer Militärkräfte abhängig.[20] In dem Maße, wie die USA ihre Planungen auf asiatische Kriegsschauplätze umstellen müssen, wird die Last der konventionellen Abschreckung an der Ostflanke der NATO mehr und mehr auf Europa übergehen und somit auch Deutschland fordern.[21]

Erschwerend kommt hinzu, dass Russland die Enklave Kaliningrad stark befestigt hat.[22] Unter anderem wurden dort Mittelstreckenraketen vom Typ Iskander unter Verletzung des INF-Vertrags aufgestellt. Weitere Waffensysteme (insbesondere das erweitere Luft- und Raketenabwehrsystem S-400) sollen den NATO-Streitkräften den Zugang zum Baltikum verwehren. Eine besondere Rolle kommt auch Belarus zu, dessen vollständige Abhängigkeit von Russland durch den russischen Einmarsch in die Ukraine offenkundig geworden ist. Heute muss davon ausgegangen werden, dass belarussisches Territorium für russische Militäraktionen jederzeit zur Verfügung steht.[23]

Das bedeutet, dass ein schneller Vorstoß russischer Truppen aus Belarus hinaus die nur 90 Kilometer breite Suwalki-Lücke abriegeln könnte. Damit wären die baltischen Staaten von jeder Art bodengestützter Versorgung und Verstärkung durch NATO-Truppen abgeschnitten. Abgesehen von der Notwendigkeit einer effektiven Verteidigung der Suwalki-Lücke durch NATO-Heerestruppen, würde die maritime und die luftgestützte Dimension eine zentrale Bedeutung bekommen. Es ginge darum, der NATO im Baltikum auf dem Seeweg Nachschub zukommen zu lassen. Russland würde versuchen, die Verbindungslinien der NATO zur See und in der Luft zu unterbinden. Es muss dabei davon ausgegangen werden, dass die russische Marine- und Luftstrategie noch immer der sowjetischen Tradition der „Bastionsverteidigung“ folgt, die den Zugang zu Meeresgebieten durch den massiven Einsatz von hochentwickelten Raketen, Langstreckenflugzeugen und U-Booten zu verhindern sucht.[24] Aus russischer Perspektive ist folglich die Erlangung der See- und Luftüberlegenheit entscheidend, um den hier skizzierten Konflikt schnell zu gewinnen und die NATO und die EU in der Ostsee auflaufen zu lassen. Dabei ist die schwedische Insel Gotland von herausragendem Interesse. Sollte Russland diese erobern können, hätte es einen entscheidenden Vorteil bei der Konzentration der Luftstreitkräfte in der Region.

Der Einmarsch in die Ukraine gab Gelegenheit, die aktuellen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte in der Praxis zu beobachten, die seit dem Jahr 2015 eine tiefgreifende Reform durchlaufen haben.[25] Die erste Phase des Feldzugs, vom 24. Februar bis Ende März 2022, scheiterte beim Versuch, die ukrainische Hauptstadt Kyjiw einzunehmen. Während dieser Misserfolg durchaus auf politische Einflussnahme auf die operative Planung zurückzuführen ist, waren auch tiefergehende systemische Mängel in den Bereichen Logistik, Führung, Ausbildung, Einsatz von Luftstreitkräften und Gefecht der verbundenen Waffen sowie das begrenzte Angebot an modernen (vor allem Präzisions-) Waffensystemen zu erkennen. Auch die Offensive Russlands im Donbass offenbarte erhebliche Defizite. Die Offensive musste auf dezimierte und hastig zusammengesetzte Einheiten zurückgreifen. Diese schwerwiegenden Mängel hat auch Moskau erkannt und wird versuchen, diese Mängel in absehbarer Zeit zu beheben, damit die russischen Streitkräfte zu mehr Kohäsion und Durchschlagkraft finden.

3.1 Lektionen aus dem russischen Ukrainefeldzug

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle die Bundeswehr im Rahmen der Bündnisverteidigung übernehmen sollte, um eine russische Invasion im Baltikum abzuwehren. Die Bundeswehr wird sich was das Heer, die Luftwaffe und die Marine (und natürlich auch die Streitkräftebasis) betrifft, auf Verteidigung und Angriff in einem bewaffneten Konflikt hoher Intensität einstellen müssen. Dies konnte die Bundeswehr bis 1990, seitdem sind die entsprechenden Fähigkeiten nach und nach verloren gegangen.

Dieser Abbau ist auf russischer Seite mit Interesse verfolgt worden. In den Augen russischer Analysten sind heute die Hauptprobleme der Bundeswehr neben der unzureichenden Ausrüstung die geringe Kampfmoral und die fehlende Durchhaltefähigkeit. Insbesondere gehen sie davon aus, dass das postheroische Deutschland Todesopfer scheut, mehr noch als andere westliche Demokratien. Es wurde in Russland jedoch auch registriert, dass es vor allem bei der Luftwaffe Verbesserungen gegeben hat.[26] So trugen deutsche Tornados während der NATO-Übung Steadfast Noon im Jahr 2020 die amerikanischen taktischen Nuklearwaffen B-61B. Auch die derzeit laufende Modernisierung der Panzerkomponente der Bundeswehr zur Mobilitätssteigerung wird in Russland registriert.

Entsprechend der weitgehend als unzureichend bewerteten Fähigkeiten der Bundeswehr gingen russische Militärplaner vor dem Ukraine-Krieg davon aus, dass die Streitkräfte des Westlichen Militärbezirks allein die Ostflanke der NATO durchbrechen und die vereinten Luftkräfte der kontinentalen NATO-Streitkräfte (ohne die der Türkei) neutralisieren könnten.[27] Angesichts des schlechten Abschneidens und der hohen russischen Verluste in der Ukraine dürfte sich diese Einschätzung ändern, vor allem auch deshalb, weil die NATO sich de facto nicht mehr an die Bestimmungen der NATO-Russland-Akte von 1997 gebunden sieht. Zudem wird die russische Verteidigungsindustrie Jahre benötigen, bis sie die Streitkräfte wieder auf den Stand vom Beginn des Jahres 2022 gebracht haben wird, da die westlichen Sanktionen die Möglichkeiten der Nutzung westlicher Technologie erschweren.

Die Sicherheit der baltischen Staaten ist letztlich von einer glaubwürdigen konventionellen Abschreckung abhängig.[28] Ein schneller konventioneller Erfolg Russlands im Baltikum könnte zu großen Spannungen innerhalb der NATO und der EU führen, die sich an der Frage entzünden würden, ob und wie die NATO einen Gegenangriff zur Rückeroberung des Baltikums gegen eine dort eingegrabene russische Truppe führen solle – insbesondere, wenn der Kreml mit dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen drohen sollte.

Was die Verteidigung des Baltikums betrifft, so versucht die NATO gerade durch eine intensive Auswertung des Ukraine-Kriegs Lehren für die eigene militärische Aufstellung zu ziehen. Ausgangspunkt ist die Analyse der Leistungen und Fehler der Modernisierung der russischen Streitkräfte seit 2014 sowie der Lehren, die aus den operativen Misserfolgen der ersten Phase des russischen Ukrainefeldzugs zu ziehen sind. Dabei dürften die folgenden Aspekte im Vordergrund stehen:

  • Aufschlussreich ist, dass fortschrittliche russische Systeme, wie die Flugzeuge des Typs Su-34/35 und die T-90 Panzer, nur in begrenzter Anzahl in der Ukraine gesichtet wurden. Es bleibt offen, ob dafür qualitative Mängel des Geräts, geringe Bestände oder begrenzte Produktions- und Ersatzfähigkeiten verantwortlich waren. Möglich ist auch, dass diese Systeme allein für mögliche Zusammenstöße mit NATO-Kräften zurückgehalten werden.

  • Der Einmarsch zielte darauf ab, in einem Enthauptungsschlag mehrere große ukrainische Städte zu erobern und die ukrainische Führung festzunehmen oder zu eliminieren. Zudem sollte die Südukraine eingenommen werden, um diese zu einem späteren Zeitpunkt annektieren zu können. Die Misserfolge und Schwächen der russischen Streitkräfte – ganz zu schweigen von den Kriegsverbrechen –, sind gut dokumentiert.[29] Die russischen Speerspitzen wurden nur unzureichend durch eigene Infanterie unterstützt, die die ukrainische leichte Infanterie hätte abschirmen und eliminieren sollen. Die russischen Truppen gerieten daher wiederholt in Hinterhalte oder versuchten Frontalangriffe auf gut verteidigte, mit modernen westlichen Panzerabwehrlenkwaffen bewaffnete ukrainische Infanterieeinheiten.[30]

  • Die Leistungen der russischen Luftstreitkräfte waren ebenfalls suboptimal. Sie erwiesen sich als unfähig, die Lufthoheit zu erringen und wurden schließlich von ukrainischen MANPADS (tragbaren Luftabwehrsystemen) dazu gezwungen, sich auf wenig präzise Einsätze aus großer Höhe und auf Nachtangriffe zu beschränken.[31] Die russische Feuerunterstützung war zwar zahlenmäßig überwältigend, aber sie war nicht ausreichend mit den vorrückenden Einheiten koordiniert. Außerdem waren die russischen Vorräte an Präzisionswaffen relativ schnell erschöpft und auch die Verluste an Personal und Material waren enorm.

Während der Offensive im Donbass wurde die russische Artillerie allerdings deutlich effizienter eingesetzt und ermöglichte den russischen Verbänden Durchbrüche. Das Potenzial der russischen Artillerie ist enorm und würde für die NATO im Fall eines Krieges ein erhebliches Problem darstellen. Grundsätzlich besitzt das russische Arsenal an Rohr- und Raketenartillerie eine größere Reichweite als die meisten entsprechenden NATO-Systeme. Während etwa die deutsche Panzerhaubitze 2000 ihre raketenunterstützten Projektile bis zu 56 Kilometer weit trägt, erreicht ihr russisches Gegenstück, die 2S35 Koalitsiya-SV, eine maximale Reichweite von 70 Kilometern. Das fortschrittlichste Raketenartilleriesystem der NATO ist das amerikanische HIMARS, das als Mehrfachraketenwerfer mit der modernen russischen 9A52-4 Tornado MLRS vergleichbar ist, jedoch darüber hinaus einzelne ATACMS Lenkflugkörper mit einer Reichweite bis zu 300 Kilometer (450 Kilometer nach Nachrüstung bis 2025) verschießen kann. Unmittelbar nach der Einführung von HIMARS auf dem ukrainischen Schlachtfeld im Juli 2022 vermochte das System die russischen Führungs- und Artilleriefähigkeiten deutlich zu schwächen, indem es in Echtzeit aufklären und mit großer Präzision das hochgradig zentralisierte russische Logistiknetzwerk angriff. Doch nicht nur die Reichweite erklärt die Wirksamkeit von HIMARS, mindestens ebenso wichtig sind eine präzise Real Time-Zielplanung sowie die Fähigkeit der ukrainischen Kräfte zur autonomen und dezentralisierten Entscheidungsfindung, die ihre Zielgeschwindigkeit (time-to-target) bei Abschüssen so auf bis zu 40 Sekunden reduzieren konnten, während russische Truppen dafür durchschnittlich mehr als eine Stunde oder sogar mehr als einen Tag benötigen. Diese Beispiele zeigen, welche Bedeutung die Verbindung von gelenkter Rohr- und Raketenartillerie mit ubiquitärer Drohnenaufklärung als force multiplier an der Ostflanke der NATO haben kann. Die Ukraine hat bis August 2022 lediglich 16 HIMARS erhalten, sodass die russischen Truppen auf die neue Lage durch eine Dezentralisierung ihrer Logistik werden reagieren können. Eine solche Anpassungsfähigkeit bewiesen die russischen Streitkräfte bereits, als sie auf die frühe Einführung der TB-2 Bayraktar-Drohnen mit intensiver Störsendung und Luftverteidigung reagierten, die diesen ukrainischen Vorteil zunächst neutralisierten.

Die Überlegenheit der russischen Artillerie wird in See- und Luftschlachten durch den Einsatz großer Raketensalven zur Raumverteidigung noch verstärkt. Es ist fraglich, ob Kampfflugzeuge der 4. Generation, wie zum Beispiel der von EU-Staaten eingesetzte Eurofighter, in einem von Luftabwehrraketen mit Reichweiten von bis zu 380 km (z. B. S-300/S-400/S-500) gesättigten Umfeld die Luftüberlegenheit erringen könnten. Alle NATO-Mitgliedstaaten, sogar die USA, hätten Schwierigkeiten, gegen die russische Raketenluftabwehr die Lufthoheit zu erringen. Insgesamt ergäbe sich daraus für die NATO eine hypothetische Kampfumgebung, in der überlegene Luftstreitkräfte, Aufklärung und Feuerkraft – die Konstanten der NATO-Operationen in den langfristigen Konflikten seit dem Jahr 2001 – zum ersten Mal mit einem Gegner konfrontiert würden, dessen Fähigkeiten den eigenen in etwa gleichwertig wären. Die russischen Luftabwehrsysteme – besonders die in Kaliningrad stationierten – sind jedoch durch Langstreckenartillerie verwundbar.

Der Krieg in der Ukraine lässt erneut erkennen, dass sich Luftstreitkräfte ohne Luftüberlegenheit nur schwer wirksam einsetzen lassen. Stattdessen dominieren Kampfpanzer, Langstreckenartillerie sowie kostengünstige und entbehrliche Drohnen das Schlachtfeld. Trotz ihrer eingeschränkten Wirksamkeit ist es für die Ukraine dennoch sinnvoll, eine einsatzbereite Luftwaffe zu unterhalten. Das Konzept der Präsenzflotte (fleet in being) aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, lässt sich hier auch auf die Luftwaffe übertragen (air force in being): Allein durch ihre Existenz beeinflusst sie bereits das Kriegsgeschehen, weil sie den Gegner zwingt, für den Eventualfall ausreichend Kräfte vorzuhalten.[32] Schließlich beweist der Krieg die Verwundbarkeit des Hubschraubers.[33] Kampf-, Transport- und MEDEVAC-Einsätze sind durch die allgegenwärtige russische und ukrainische Luftverteidigung extrem gefährlich geworden. Das schränkt die Einsatzfähigkeit auch moderner Kampfhubschrauber dramatisch ein, die sich in der Ukraine darauf beschränken müssen, ungelenkte Munition durch einen steilen Aufstieg aus niedriger Flughöhe ins Ziel zu schleudern (lofting), um sich vor MANPADS zu schützen. Die Streitkräfte der NATO dürften sich in einem solchen hypothetischen zwischenstaatlichen Konflikt hoher Intensität folglich nicht auf das Hubschrauberdispositiv verlassen – vor allem nicht bei MEDEVAC-Einsätzen.

 Die türkische Drohne Bayraktar TB2

Die türkische Drohne Bayraktar TB2

3.2 Notwendige Fähigkeitsprofile der Bundeswehr an der Nordostflanke der NATO

Vor dem hier skizzierten Hintergrund ist es fraglich, wie der von der Bundeswehr zu leistende Beitrag an der Nordostflanke der NATO umgesetzt werden soll. Wichtig zur Sicherung der westlichen Dominanz auf diesem Schauplatz sind die folgenden militärischen Fähigkeiten, die die Bundeswehr im engen Verbund mit den Verbündeten vorhalten müsste:

  • Der Ausbau und die entsprechende Ausstattung der Heereskräfte mit Fähigkeiten, die die Bündnisverteidigung im Baltikum oder an der Ostgrenze Polens auch für einen länger andauernden Einsatz unter Bedingungen hochintensiver Kriegführung erlauben. Dazu gehören gepanzerte Fahrzeuge, mobile Präzisionsartillerie sowie Drohnen.

  • Die Fähigkeit zur Seeverlegung von Bundeswehrtruppen unter Krisen- und Kriegsbedingungen in die betreffenden Länder, sowie, damit eng verbunden, die Fähigkeit zur Wahrung der maritimen Überlegenheit im Ostseeraum – sowohl über Wasser als auch unter Wasser.

  • Die Fähigkeit zur Luftverlegung, die mit der Fähigkeit zur Niederhaltung und Neutralisierung der russischen Luftabwehr verknüpft ist.

  • Die Fähigkeit zur Verteidigung gegen russische Angriffe auf das Hinterland mit Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und Hyperschallflugkörpern.

  • Die Fähigkeit zum Einsatz von Kernwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe.

Tab. 1:

geplante Maßnahmen zur Stärkung der Bundeswehr

Fähigkeitenprofil

Maßnahmen

Prognose

Landstreitkräfte

Instandhaltungsinitiative

Unbewaffnete Drohnen und Munitionsbevorratung

Lauernde Waffen

Eigene Drohnenaufklärung für die Artillerie

+

++

-

+

Seeüberlegenheit und Seeverlegung

Eskortierung von Konvois und Raketenabwehr

Reservepool für Feuerlöschung und Evakuierung

+

++

Luftabwehr und Luftverlegung

Luftabwehrunterdrückung

Lauernde Waffen

Kampf- und Transporthubschrauber

Resiliente bodengestützte Logistik

+

-

--

++

Verteidigung gegen strategisches Bombardement

Landgestützte Luftabwehr

Zivil-militärische Resilienzförderung

Verteidigung gegen ballistische und Überschallraketen

+++

++

--

Nukleare Teilhabe

Ablösung Tornadoflotte

+++

Quelle: eigene Darstellung

Im Folgenden werden wir für jedes dieser fünf Fähigkeitsprofile den derzeitigen Stand der Ausrüstung der Bundeswehr reflektieren, Strategien zur Erlangung dieser Fähigkeiten aufzeigen, dabei auftretende Probleme und Hindernisse identifizieren sowie vor dem Hintergrund des Wirtschaftsplans zur Nutzung des Sondervermögens Bundeswehr[34] Prognosen wagen, wie wahrscheinlich die Erlangung des jeweiligen Profils tatsächlich ist. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über die notwendigen Schwerpunkte der angestrebten Nachrüstung der Bundeswehr.

Im Bereich der Landstreitkräfte sind die Defizite der Bundeswehr momentan am größten. Zugleich sind Investitionen hier am dringlichsten, denn jeder hypothetische Konflikt an der Nordostflanke der NATO wird vor allem ein Landkrieg sein. Um im Ostseeraum wirksam zu sein, braucht die Bundeswehr gut ausgestattete Panzergrenadiere, genügend Kampfpanzer als Offensivwaffe, ubiquitäre Drohnenunterstützung für Aufklärung und Angriff sowie insbesondere ein substanzielles Artilleriedispositiv. Im Wirtschaftsplan sind in diesem Zusammenhang von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Dimension Land 16,6 Milliarden Euro reserviert, insbesondere für die Nachfolge für den Schützenpanzer Marder (Puma) und den Truppentransporter Fuchs (GTK Boxer). Hinzu kommen bis 2024 Mittel für die deutsch-französische Entwicklung des Main Ground Combat Systems als Nachfolge für den Leopard 2. Das sind alles sinnvolle und für hochintensive Konflikte wichtige Projekte, die nun über mehr Planungssicherheit verfügen.[35]

Auf dem Papier ist das deutsche Heer eine fähige Streitkraft, mit leistungsstarken Kampfpanzern, Schützenpanzern und Artillerie, die vor allem im NATO-Verbund für den Ostseeraum gut gewappnet erscheint. Doch Defizite bei der Einsatzbereitschaft des Materials führen zwangsläufig zu Defiziten bei der Ausbildung des Personals, da die Fahrzeuge weniger für hochintensive Übungen zur Verfügung standen. Auch deshalb muss beim Heer nun eine massive Instandsetzungsinitiative oberste Priorität haben, die nicht nur die Einsatzbereitschaft erhöht, sondern neben den Munitionsdepots auch die Ersatzteillager so auffüllt, dass hochintensive Konflikte durchgehalten werden können. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie stark militärisches Gerät im Einsatz beansprucht wird: Die deutschen Panzerhaubitzen haben kaum vier Wochen Dauereinsatz durchgehalten.[36] Da die Produktionskapazitäten nicht nur in Deutschland beschränkt sind, wird dieses restocking keine einfache Aufgabe. Politisch ist dieses Desiderat immerhin nicht kontrovers – es findet im Wirtschaftsplan zwar keinen Niederschlag, aber seit 2020 ist in der Bundeswehr mit Macht zumindest die „Initiative Einsatzbereitschaft“ angelaufen.[37] Instandhaltung muss wieder als Daueraufgabe verstanden werden, sie ist die Grundlage der Einsatzbereitschaft. Prognose: tendenziell positiv.

Wir leiten unsere Empfehlungen für das Heer von einer wichtigen Schwäche der russischen Kriegsführung ab – dem Einsatz von zu viel schwerem Gerät und nicht genügend Infanterie. Der Angriff auf Kyiw scheiterte an einem Mangel an abgesessener Infanterie in motorisierten und mechanisierten Einheiten Russlands.[38] Da die ukrainische Luftabwehr den Geleitschutz durch Kampfhubschrauber unmöglich machte, verhinderte dies beim Vorrücken die Aufklärung der Flanken der Panzerkolonnen, die so für die ukrainische Infanterie zum leichten Ziel wurden. Seit der Schaffung von Bataillonstaktischen Kampfgruppen im Jahre 2017 bemannen Berufssoldaten die Kampf- und Transportpanzer, während Wehrpflichtige die abgesessene Infanterie zu deren Schutz stellen. Dieses System ist zwar in der Theorie schnell aufwuchsfähig, versagt jedoch bei dem Versuch, genügend Personal zu mobilisieren, um alle Kampfgruppen auch tatsächlich in Sollstärke zu versetzen.[39] Irreguläre Verbände im Donbass und die Gruppe Wagner haben diese Personalengpässe nicht beheben können. Diese Verbände waren bei der Eroberung von Gebieten zwar sehr viel erfolgreicher. Gab es jedoch nicht genügend Artillerieunterstützung, konnten auch sie nicht vorrücken und erlitten hohe Verluste. Die russische Artillerie ist wiederum durch Gegenfeuer und Schläge gegen ihre Logistik verwundbar. Unsere Handlungsempfehlungen für das deutsche Heer betreffen folglich sowohl Infanterie als auch Artillerie:

  • Drohnen verstärken die Kampfkraft der Infanterie entscheidend. Jede Infanteristengruppe sollte einfache, kostengünstige Drohnen von der Stange erhalten. Die Vorräte an tragbaren Luft- und Panzerabwehrlenkwaffen müssten aufgefüllt und erweitert werden, denn die Ausgaben für Munition waren im Ukrainekrieg bisher deutlich höher als von der NATO-Planung erwartet. Auch sollte eine parlamentarische Debatte in Deutschland über die Akquisition von lange im Zielgebiet verharrenden Waffen initiiert werden (loitering munitions wie die IAI Harop), die im ukrainischen Fall erfolgreich als Kraftmultiplikator wirken.[40] Um deren Kauf zu ermöglichen, könnten Bundestag und Bundeswehr vereinbaren, solche Kampfdrohnen vorwiegend gegen gegnerische Artilleriebatterien, also defensiv, einzusetzen. Prognose: positiv bei unbewaffneten Drohnen und Munitionsbevorratung, wegen der bisherigen starken Abneigung im Parlament bei lauernden Waffen leicht negativ.

  • Ähnliches gilt für die Artillerie: Die Munitionsbestände sind wiederaufzufüllen, vor allem für Lenkwaffen, die zielgenaues Gegenfeuer und Schläge gegen die Logistik gegnerischer Artilleriebatterien erlauben. In der Ukraine werden täglich von den ukrainischen Streitkräften durchschnittlich zwischen 2.000 und 6.000 Artilleriegeschosse abgefeuert, von Russland etwa zwischen 8.000 und 12.000 (mit Spitzen im Mai und Juni in Höhe von 20.000).[41]Artillerieeinheiten der Bundeswehr sollten weiterhin über ihre eigene Drohnenaufklärung verfügen, mit kurzen Entscheidungswegen zwischen Aufklärern und Artilleristen, um sich besser vor Gegenfeuer zu schützen. Wie auch bei der Infanterie wäre die kosteneffizienteste Lösung, große Mengen an kommerziellen Quadkopter-Drohnen von der Stange anzuschaffen. Prognose: tendenziell positiv.

Was Deutschland auszeichnet ist seine hochwertige heimische Artillerieproduktion, der in jedem hochintensiven Konflikt mit Russland eine zentrale Rolle zukommen würde. Um auch weiterhin technologisch hochwertige Rüstungsgüter entwickeln zu können, ist der heimische Absatzmarkt bisher jedoch zu klein gewesen, was zu einer strukturellen Abhängigkeit vom (politisch heikel und also wenig berechenbaren) Export geführt hat.[42] Das Sondervermögen fokussiert demgegenüber auf schnell beschaffbare Lösungen von der Stange und hat bisher der deutschen Industrie kaum langfristige Planungssicherheit gegeben, in der Zukunft dauerhaft mehr Rüstungsgüter zu erwerben.[43] Das wäre aber notwendig, damit die Unternehmen in die dringend benötigten Produktionskapazitäten als Rückversicherung gegen hochintensive Konflikte an der europäischen Ostflanke investieren (war economy in being). Konkret sollte die Bundeswehr 48–64 zusätzliche PzH 2000 beschaffen und prüfen, ob auch 12–24 HIMARS akquiriert werden können. Das käme bei einer Einsatzbereitschaft von 80 Prozent (Rest für Ersatzteile) einer Verdoppelung der Langstrecken-Artilleriekapazität gleich. Bei Dislozierung eines Großteils der Haubitzen in den Ostseeraum könnte die deutsche Artillerie im Dauereinsatz so das russische Langstreckenfeuer niederhalten. HIMARS mit ballistischen Kurzstreckenraketen (ATACMS) würde der Bundeswehr eine mit dem Rest der NATO hochgradig interoperable Fähigkeit für gezielte Langstreckenschläge mit Reichweiten zwischen 300 und 450 Kilometer geben.

Die Landstreitkräfte der Bundeswehr müssten sich in dieser Konflikthypothese also hauptsächlich auf Transportpanzer und Artillerie konzentrieren sowie die Drohnenlücke schließen. Obwohl die mechanisierten Gefechtsverbände in den letzten Jahren vernachlässigt wurden, wäre es relativ einfach und kostengünstig möglich, diese mit hohem Bereitschaftsgrad wiederherzustellen und zu erhalten – gerade, weil die hardware bereits serienreif vorliegt. Die hohen Kosten für Munitionsbevorratung werden sich dagegen immer wieder als kontrovers herausstellen. Das Verteidigungsministerium müsste gegenüber der Politik und den Wählern den Wert dieser operativen Kosten zur Erhaltung eines hohen Bereitschaftsgrades unterstreichen. Diese Kosten dürfen nicht als außergewöhnliche Belastung für das Heer auszuweisen sein, sondern als Daueraufgabe. Waffensysteme ohne Munition wirken eben nicht.

Bei der Seeüberlegenheit und Seeverlegefähigkeit sieht die Lage weit besser aus. Deutsche und russische maritime Fähigkeiten in der Ostsee erscheinen nur auf den ersten Blick vergleichbar: Während die russische Ostseeflotte eine stärkere Seezielflugkörperfähigkeit besitzt als die Deutsche Marine (176 zu 104 Abschussrohre, aber nur 43 zu 65 Schiffe), sind die Unterwasserkampf- und Luftabwehrfähigkeiten der Bundeswehr deutlich stärker ausgeprägt. Die Ostseeflotte ist darüber hinaus vor allem in der Exklave Kaliningrad konzentriert und besitzt lediglich ein älteres U-Boot der Kilo-Klasse (für Ausbildungszwecke), während die Deutsche Marine schnell sechs moderne U-Boote der Klasse 212 heranführen kann. Zählt man die Fähigkeiten weiterer NATO-Partner in der Region (Dänemark, Polen, bald auch Schweden und Finnland) hinzu, verschiebt sich das Gleichgewicht der Kräfte noch deutlicher in Richtung NATO.

Der Wirtschaftsplan erkennt die Bedeutung des maritimen Elements und veranschlagt für die Dimension See 19,3 Milliarden Euro: Es werden vor allem weitere Korvetten vom Typ 130, Fregatten F126 sowie das Jagd-U-Boot 212 CD angeschafft. Zudem werden Entwicklung und Beschaffung der Future Naval Strike Missile, U-Boot-Flugabwehrflugkörper (IDAS) und Gerät zur Unterwasserortung (SONIX) finanziert. Neue Seefernaufklärer und das Frühwarnsystem Twister aus der Dimension Luft leisten ebenfalls einen Beitrag, auch über den Ostseeraum hinaus. Diese Investitionen werden die Seehoheit auf Seiten der NATO festigen.

Russland wird im Angesicht dieses Kräfteverhältnisses im Ostseeraum eine fleet in being-Strategie wählen, um gegnerische Flottenverbände abzuschrecken – so wie bereits im Schwarzen Meer nach der Versenkung der Moskva und des Verlusts der Schlangeninsel nach ukrainischer Bedrängung von See. Solche kleineren Raketenboote können auch zur Seeverlegung wichtige Konvois erfolgreich bedrängen – besonders bedeutsam, weil (wie der nächste Punkt zeigen wird) sich die Luftverlegung wohl als wenig verlässlich erweisen wird. Das Eskortieren von Konvois in der Ostsee wird daher eine wichtige Aufgabe für die deutsche Marine sein; die Seehoheit ist wahrscheinlich.

Die größte Gefahr für die Seehoheit geht indes von luft- und landgestützten Marschflugkörpern aus. Luftgestützte Raketen würden wohl im Luftraum über dem russischen Hinterland starten (siehe auch den übernächsten Punkt), während landgestützte Raketen von den Bastion-/Bal-Einheiten zur Küstenverteidigung in Kaliningrad und Sankt Petersburg abgefeuert würden. In beiden Fällen ist die Raketenabwehr also von zentraler Bedeutung. Die Batterien in Kaliningrad können durch die landgestützte Langstreckenartillerie der NATO-Partner niedergehalten werden, sei es durch die deutschen PzH 2000 oder die polnischen HIMARS. Die deutsche Marine ist für diese Mission gut ausgerüstet, auch, weil fünf neue Korvetten der Braunschweig-Klasse bereits in Bau sind und in den kommenden Jahren zulaufen.

Die Prognose ist insgesamt vorsichtig optimistisch: Theoretisch sind die Fähigkeiten der Bundeswehr in diesem Bereich mehr als ausreichend, um sich dieser Aufgabe erfolgreich zu stellen. Allerdings gab es in den letzten Jahren Probleme bei der Instandhaltung und folglich bei der Einsatzbereitschaft.[44] Diese Schwierigkeiten können im Rahmen eines intensivierten Instandhaltungs- und Modernisierungsprogramms behoben werden und sollten prioritär behandelt werden. Anders als beim Heer sind weitere Ankäufe jedoch nicht notwendig.

Ein letzter Punkt betrifft die unvermeidbaren Verluste bei der Seeverlegung. Hier könnte es sinnvoll sein, einen Personalpool speziell ausgebildeter und aus der Handelsmarine rekrutierter Reservisten zu schaffen, die in grundlegenden Marineaufgaben wie insbesondere Feuerlöschung und Evakuierung auf See unter Kriegsbedingungen geschult würden. Ein Vorbild könnte hier Chinas dual use Reservepool an Seeleuten und Containerfrachtschiffen (auf denen Hubschrauber landen können) sein, die im Verteidigungsfall als militärische Unterstützungseinheiten umgenutzt werden können. Diese Empfehlung würde kaum Ressourcen binden. Prognose: gut.

Der Bereich Luftabwehr und Luftverlegefähigkeit wird auf dem modernen Schlachtfeld weiter an Bedeutung gewinnen. Der Wirtschaftsplan sieht folglich für die Dimension Luft 40,9 Milliarden Euro vor, der mit Abstand größte Anteil des Sondervermögens: Neben der Anschaffung der F-35, soll auch die Entwicklung des FCAS aus dem Sondervermögen finanziert werden, vorerst bis 2027. Ein neues Eurofighter-Modell für elektronische Kriegsführung (ECR Eurofighter) soll entwickelt und in Dienst gestellt werden. Die Heron-Drohne soll bewaffnet, schwere Transporthubschrauber (CH-47 Chinook) und leichte Unterstützungshubschrauber, Seefernaufklärer sowie das weltraumgestützte Frühwarnsystem Twister angeschafft werden.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass ein integriertes Luftverteidigungsnetzwerk eine ernsthafte Gefahr für jede Luftkampagne ist. Niedrig fliegende Flugzeuge sind Angriffen der allgegenwärtigen tragbaren Raketenwerfer ausgesetzt, während die S-300 ein Risiko auch für höher fliegende Einsätze darstellen – was sowohl für Russland wie für die Ukraine gilt. Der deutsche Tornado ist für riskante Einsätze zur Unterdrückung der gegnerischen Luftabwehr (SEAD) in solch einem Umfeld nicht geeignet. Die im März 2022 angekündigte Anschaffung von 35 amerikanischen F-35 Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeugen wird die Fähigkeit der deutschen Luftwaffe für SEAD signifikant erhöhen, vor allem, da dies die Interoperabilität der Luftwaffe mit den NATO-Partnern verbessern würde. Der Tornado sollte daher so schnell wie möglich ausgemustert werden, der Eurofighter ECR ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Die Prognose wäre hier in der Tendenz positiv: Zwar wurde die F-35 für die nukleare Teilhabe bereits bestellt, doch eine substanzielle Fähigkeit zur Luftabwehrunterdrückung müsste sich idealerweise auf einen größeren Pool an F-35 stützen und benötigte darüber hinaus auch den Kauf spezifischer Lenkflugkörper sowie eine spezielle Ausbildung der Flugzeugbesatzungen. Schließlich sollte die weit überwiegende Mehrheit der Eurofighter auf die höchste Einsatzbereitschaftsstufe gebracht werden, damit sie tatsächlich als air force in being dienen können.

Die Bundeswehr benötigt jedoch sehr viel mehr Drohnen. Zwar sind bewaffnete Drohnen in Deutschland umstritten, doch es sind loitering munitions, die bei der Bekämpfung von mobiler Luftabwehr und Infanterie mit tragbaren Raketenwerfern (die heute das Schlachtfeld bestimmen) am wirksamsten sind. Die Erfahrungen in der Ukraine sowie der Schlagabtausch um Bergkarabach 2020 zeigen, dass der massive Einsatz von Drohnen ein entscheidender Kraftmultiplikator sein kann – auch für den Einsatz verbundener Waffen. Solche Drohnen sind schnell und in großer Zahl beschaffbar, diese Fähigkeitslücke mithin relativ schnell zu schließen. Drohnen sind schwer zu orten und abzuwehren, zugleich sind sie so günstig, dass sie in großen Stückzahlen beschafft werden können und Verluste keine politischen Kosten verursachen. Nach einer jahrelangen Debatte hat der Bundestag schon im April 2022 durch den Kauf von 140 Lenkflugkörper für die bereits im Dienst stehende IAI Heron die Bewaffnung ihrer ersten Drohnen beschlossen.[45] Das Momentum dieses politischen Gezeitenwechsels könnte die Beschaffung von lauernden Waffen denkbar machen, zum Beispiel der IAI Harop. Anders wird die NATO in einem hochintensiven Konflikt wie in der Ukraine die Lufthoheit auch in einem langen Feldzug kaum erringen können. Dennoch ist die Prognose, was die stark umstrittenen lauernden Waffen angeht, leicht negativ.

Die Allgegenwart der russischen Luftabwehr, die lange intakt bliebe und nur schwer abzunutzen wäre, hätte dramatische Auswirkungen auf die Luftverlegefähigkeiten der Bundeswehr und ihrer Verbündeten. Die deutschen Kampf- und strategischen Lufttransportfähigkeiten sind beschränkt. Diese wären bei einem massiven Einsatz der russischen Luftabwehr kaum einsetzbar, selbst wenn deren Einsatzbereitschaft drastisch erhöht würde. Luftverlegung könnte strategisch sogar gänzlich irrelevant werden, wenn die Lufthoheit in einem hochintensiven Konflikt wie dem hier geschilderten nur nach einem langen und kostspieligen Feldzug errungen werden könnte. Schon während der Operation Allied Force gegen Serbien im Jahre 1999 war es der NATO selbst im Verbund nie gelungen, die serbische Luftabwehr vollständig zu neutralisieren oder die Lufthoheit zu erringen.

Der Krieg in der Ukraine zeigt auch, dass Helikopter in einem Umfeld ubiquitärer mobiler Luftabwehr besonders verwundbar sind. Vor diesem Hintergrund wird die Anschaffung neuer Transport- und Unterstützungshubschrauber in hochintensiven Konflikten nicht die erhofften Vorteile bringen – auch und vor allem nicht bei der hochriskanten Luftevakuierung Verwundeter. Hier bieten resiliente bodengestützte Logistik und MEDEVAC in Kooperation mit verbündeten Streitkräften und lokalen zivilen Akteuren eine sinnvolle Alternative. Im Fall der Ukraine haben sich diese relativ kostengünstigen dezentralen Logistik- und Versorgungssysteme als sehr wirksam erwiesen. Prognose: Luftverlegung negativ, resilientere bodengestützte Logistik positiv.

Eine hochwirksame Verteidigung gegen strategisches Bombardement existiert bisher nicht. Die Bundeswehr steht hier zwei unterschiedlichen Bedrohungen gegenüber: Marschflugkörpern sowie ballistischen und Überschallraketen. Beide Bedrohungen ergeben sich aus der russischen Luftdoktrin, die in der Praxis die Luftstreitkräfte als Verlängerung des Heeres nutzt, also vor allem als fliegende Artillerie und zur Verbreitung von Furcht und Schrecken durch Bombardierungen. Für Letzteres eignen sich Raketen mit großer Reichweite und/oder hoher Geschwindigkeit.

Marschflugkörper können mit den heute existierenden Systemen der landgestützten Luftabwehr mit Überhorizontradar adäquat abgefangen werden, selbst wenn die Abfangquote niemals 100 Prozent erreichen kann.[46] Kampfflugzeuge sind für diesen Einsatz zu teuer und zu komplex – und darüber hinaus von AWACS-Fähigkeiten abhängig. Das beweisen die schwache Leistung der russischen Luftwaffe bei der Unterdrückung der ukrainischen Luftabwehr sowie die Zuverlässigkeit der (noch aus sowjetischen Beständen stammenden) ukrainischen Luftabwehr selbst bei der Reduzierung von Raketenangriffen.[47] Für die Bundeswehr bedeutet dies, dass neben Patriot kein neues System angeschafft werden muss, wenngleich die Anschaffung der norwegischen NASAMS für die Verteidigung gegen Marschflugkörper erwogen werden könnte. Prognose: sehr positiv.

Derzeit besitzt Deutschland keine verlässliche Abwehr gegen ballistische und Überschallraketen. Was ballistische Raketen betrifft, so müssten je nach Reichweite bestehende oder noch zu beschaffende Abwehrsysteme (Patriot, Arrow 3) ausgebaut werden. Langfristig würde sich eine Investition in die Lösung des Raketenproblems auszahlen. Das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 wurde vom Bundestag mittlerweile als Lösung identifiziert und die Anschaffung beschlossen.[48] Der Verteidigungsausschuss soll die Fähigkeiten und laufenden Kosten dieses Systems sowie dessen Anwendbarkeit im Ostseeraum untersuchen. So sehr Raketenabwehr zum Schutz der Zivilbevölkerung als Ziel sinnvoll erscheint, so umstritten wären jedoch die sehr hohen Kosten eines jeden Abwehrsystems, das weder zur gleichen Zeit das gesamte Territorium schützen noch eine hundertprozentige Abfangquote wird garantieren können. Dieses Projekt würde mittelfristig finanziell mit den dringenden Nachrüstungserfordernissen bei Heer und Marine konkurrieren, ohne die der Ostseeraum nicht erfolgreich kontrolliert werden kann. Prognose: negativ bei ballistischen und Überschallraketen.

Hyperschallraketen werden üblicherweise von russischen strategischen Bombern aus der Luft abgefeuert, die von Basen tief im russischen Hinterland aufsteigen und deshalb für die Luftstreitkräfte der NATO unerreichbar sind. Kurzfristig muss hier in die Fähigkeiten der Bundeswehr (und anderer spezialisierter Behörden wie des THW) für den Bevölkerungsschutz und die Katastrophennachsorge investiert werden. Dabei gilt es, zuvörderst die baltischen Staaten dabei zu unterstützen, ihre Resilienz im Falle eines Raketenangriffs zu stärken. Dieser zivil-militärische Auftrag erfordert keine großen neuen Investitionen in die Bundeswehr. Prognose: positiv, was die kurzfristige Resilienzförderung betrifft.

Die Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe schließlich ist mit dem Kauf der F-35 zur Ablösung der alternden Tornadoflotte langfristig gesichert. Die Prognose ist hier eindeutig positiv.

4 Konflikte hoher Intensität gegen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen

In diesem Abschnitt werden Konflikte hoher Intensität mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen (NSBG) behandelt. Dabei werden die russischen und amerikanischen Kampagnen gegen den Islamischen Staat (IS) in der Levante mit der Endphase des Konflikts in Afghanistan bis hin zum Sieg der Taliban verglichen. Beim IS handelte es sich um eine NSBG, die von einem Aufstand zu einer offenen konventionellen Kriegsführung überging.

Viel lässt sich aus den Erfahrungen mit den Einsätzen in Afghanistan lernen. Operation Enduring Freedom vertrieb die Taliban im Jahr 2001 von der Macht. Gleichzeitig wurde die International Security Assistance Force (ISAF) durch die Vereinten Nationen damit beauftragt, den zivilen Wiederaufbauprozess in Afghanistan militärisch abzusichern. Beide wurden im Jahr 2014 durch die multinationale NATO-geführte Mission Resolute Support abgelöst. Dieser Einsatz sollte die afghanische Zentralregierung durch Ausbildungshilfe, fachliche Beratung und finanzielle Unterstützung in den Stand versetzen, die Sicherheit im ganzen Land zu gewährleisten und so die Qualität der Regierungsleistung verbessern. Auffällig war die Erfolglosigkeit dieser teuren Einsätze bis zum endgültigen Fall Kabuls im August 2021. Die Taliban nutzten die von ihnen eroberten ländlichen Gebiete, um von dort aus am Ende einen Manöverkrieg zu starten, der es ihnen ermöglichte, nach dem Abzug der Amerikaner 2021 alle größeren Städte in wenigen Wochen einzunehmen. In der südlichen Provinz Nangarhar gründete sich als Alternative zu den und Gegenspieler der Taliban der Islamische Staat Khorasan (ISK), der auch mit der Zivilbevölkerung wenig zimperlich umgeht. Außer diesen Akteuren blieben lokal verwurzelte bewaffnete Gruppen mit Verbindungen zu den Warlords in den afghanischen Provinzen, zur transnationalen organisierten Kriminalität und zu den komplexen Patronagenetzwerken, die die afghanische Politik weiterhin prägen, ein bedeutender destabilisierender Faktor.[49]

4.1 Drei Phasen des Guerillakriegs

Eine der Ursachen für das Scheitern in Afghanistan war, dass sowohl bei ISAF und noch viel weniger bei Resolute Support die für eine erfolgreiche Anti-Guerilla-Kriegführung notwendigen militärischen wie zivilen Kräfte aufgewandt wurden. Dabei waren und sind die Strategien des Guerillakrieges (nach Mao und Giap) seit langem bekannt.[50] Der Übergang von Aufständen in eine höherintensive Phase – von der „Behauptung“ über das „Gleichgewicht“ in die „Gegenoffensive“ – ist weder einfach noch ungefährlich für die Aufständischen. Viele langanhaltende Konflikte, insbesondere so genannte Bush Wars (Guerillakriege), kamen nie über die erste Phase hinaus. Zudem erfordert der Übergang in eine höhere Phase die anhaltende Unterstützung der Bevölkerung, finanzielle Mittel, Kämpfer und militärische Ausrüstung sowie strategisches und taktisches Geschick. Wenn es einem Aufstand gelänge, diese letzte Phase zu erreichen, wäre sein endgültiger Sieg in der Praxis sehr wahrscheinlich – wie in Vietnam im Jahr 1975 oder in Afghanistan in den Jahren 1992 und 2021. Doch nicht jede Gruppe von Aufständischen ist in der Lage, diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Der Aufstieg und Fall des IS ist ein Beispiel für diesen Prozess, wenngleich innerhalb eines stark verdichteten Zeitraums (2014–2019): Die dschihadistische Interpretation eines protracted war wurde am besten vom al-Qaida-Kommandeur Abu Bakr Naji formuliert, der diesen wie in den frühen Tagen des Islams als einen „Krieg der Geduld“ bezeichnete und drei Phasen im Stile Maos und Giaps definierte, die jedoch an einen islamistischen Zusammenhang angepasst waren. In der ersten Phase zermürbten die Dschihadisten den Staat in einem Abnutzungskrieg durch unablässige gewalttätige Erhebungen und Terrorakte. In der zweiten Phase besetzten sie Gebiete, verwalteten sie, erhoben Steuern und führten die strenge Scharia-Gesetzgebung ein. In der dritten und letzten Phase beginne der Prozess der formellen Staatsbildung, einschließlich des Einsatzes klassischer Streitkräfte zur konventionellen Kriegsführung, die in offenen Feldschlachten gegen den stark geschwächten Zentralstaat und dessen ausländische Unterstützer zum endgültigen Sieg führen solle.

Der IS konnte sich im Irak im Chaos nach dem Arabischen Frühling und dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte erfolgreich von einer obskuren dschihadistischen Gruppe zu einem Proto-Staat entwickeln, der 2014 weite Teile des Iraks und Syriens kontrollierte und der das irakische Militär, die syrischen Streitkräfte SAA sowie andere syrische Gruppierungen durch konventionelle Kriegsführung erfolgreich bekämpfen konnte. Der IS gab die Terroranschläge dennoch niemals vollständig auf, da dieses Instrument in einer Region weiter äußerst wirksam bleibt, in der staatliche Streitkräfte noch immer mit veralteten Taktiken und Material auf die Verteidigung statischer Positionen (z. B. Checkpoints oder Stützpunkte) setzen. Die Erfolge des IS im Irak, wie die Eroberung von Mossul, führten dazu, dass ihm ein großes Arsenal moderner amerikanischer Waffen in die Hände fiel, das eigentlich für die irakischen Streitkräfte vorgesehen war.

Der IS trieb die Staatsbildung in seinem „Kalifat“ energisch voran, stellte öffentliche Güter bereit, baute eine Verwaltung auf und schuf Recht und Ordnung, wenngleich auch in besonders brutaler und puritanischer Weise. All das sorgte für ein gewisses Maß an Legitimität und öffentliche Unterstützung, vor allem verbesserte es aber die Finanzausstattung der Gruppe.[51] Der Erfolg des IS basierte darüber hinaus auf seiner Fähigkeit, lokale ethnische und religiöse Missstände sowie traditionelle Hierarchien und Spaltungen vor Ort für seine eigenen Zwecke auszunutzen. Der IS war in der Lage, seinen Kreuzzug rasch auszuweiten und zu legitimieren, indem er lokale NSBG davon überzeugte, ihren Kampf ideologisch an den des übergeordneten Dschihad anzugliedern und sich als ein Emirat des größeren IS-Kalifats zu konstituieren. Durch diese Verflechtung wurde der zeitraubende Weg der ideologischen Indoktrination, wie er von kommunistischen Revolutionären wie Mao und Giap vorgesehen worden war, größtenteils übersprungen. Das kann dazu führen, dass – wie das Kapitel über die Sahelzone weiter unten zeigen wird – dschihadistische Gruppen das von ihnen kontrollierte Territorium extrem schnell erweitern und dann langfristig halten können.

Einige wichtige Lehren lassen sich daraus ziehen: (1) Die Taktiken des IS, um die Kontrolle über ein eigenes Territorium zu erlangen, werden zukünftig sicherlich an anderen Schauplätzen kopiert werden, denn sie haben sich gegenüber schwachen Staaten mit schlecht organisierten Streitkräften bewährt – ganz gleich wie stark diese in der Theorie scheinen. (2) Obwohl die lokalen Akteure den Großteil der Bodentruppen bereitstellten, war die Bezwingung des IS ein zermürbender Prozess, der von Washington und Moskau den Einsatz ihres gesamten Spektrums an hochmodernen militärischen Fähigkeiten bei Panzern, Artillerie, Luftstreitkräften und Spezialeinheiten erforderte. Gerade die letzten Gefechte in urbanen Umfeldern führten zu kostspieligen und langwierigen Belagerungen. Letztendlich (3) wurde der IS durch seine konventionelle Niederlage nicht ausgelöscht. Die Gruppe besteht als Aufstand in der Levante weiter und seine Niederlage im Jahr 2017 hat ihn lediglich wieder in das erste Stadium des Guerillakriegs zurückgeworfen.

4.2 Übergang zwischen den Phasen in Afghanistan

Was kann der Aufstieg und Fall des IS über den Sieg der Taliban in Afghanistan aussagen? Welche Defizite bestanden während der Missionen ISAF und Resolute Support und welche militärischen Fähigkeiten müsste die Bundeswehr im Rahmen einer zukünftigen NATO- und/oder EU-Mission mit einem ähnlichen Einsatzprofil wie dem von ISAF oder Mission Resolute Support einbringen? Seit ihrer Niederlage im Jahr 2001 haben die Taliban erfolgreich sowohl Giaps Theorie des langwierigen Krieges als auch eine islamistische Interpretation seines „Krieges der Geduld“ angewandt. Die Gruppe hat geschickt ihren Zugang zu heiligen Stätten in den Stammesgebieten Pakistans genutzt, um im Nachbarland eine permanente Kampagne gegen die International Security Assistance Force (ISAF) und die Afghanische Nationale Armee (ANA) zu führen.[52]

Verschiedene Faktoren erschwerten den ISAF-Einsatz, der die Staatlichkeit in Afghanistan verbessern sollte, um so die „Herzen und Köpfe“ der Afghanen zu gewinnen: In erster Linie sorgten die für die afghanische Politik charakteristischen traditionellen Patronage-Netzwerke für ein Fortbestehen der Korruption, innerhalb der Zentralregierung ebenso wie in den Provinzen. Diese Netzwerke machten es auch unmöglich, die ethnische und religiöse Fragmentierung des Landes zu überwinden, um eine afghanische nationale Identität zu schaffen. Aus einer militärischen Perspektive verfolgten die USA eine Strategie der Gebietssicherung durch den Bau von befestigten Außenposten in abgelegenen ländlichen Regionen.[53] Diese wurden dann zur Ausübung der Territorialkontrolle an ANA-Einheiten übergeben,[54] die für diese Aufgabe allerdings nicht ausreichend vorbereitet waren und die Kontrolle über viele Gebiete immer wieder verloren. Die Unstetigkeit dieser Strategie hat die Dörfer vor Ort gegen die USA und seine afghanischen Verbündeten aufgebracht, wobei die Taliban noch Öl ins Feuer gossen, indem sie den paschtunischen Stammeskodex, den paschtunwali, erfolgreich dazu benutzten, die lokale Bevölkerung in den Kampf hineinzuziehen.[55] So waren weder die Herzen noch die Köpfe der afghanischen Landbevölkerung zu gewinnen. Das ist ein wichtiger Grund, weshalb die Aufstockung von Material und Personal (surge), mit dem die USA die Gewalt im Irak erfolgreich eindämmen konnte, in Afghanistan scheiterte, ja scheitern musste.[56]

Das Ende der ISAF-Mission und deren Ablösung durch Resolute Support offenbarte zudem die Schwäche der ANA. Korruption, Absentismus und Desertion grassierten bereits lange, bevor der Krieg zugunsten der Taliban kippte. Die Afghanische Nationale Armee und die Polizei waren zudem von den Taliban infiltriert worden, die Ressourcen und Rekruten abschöpften und sich gleichzeitig gegen die ISAF an sogenannten green on blue-Attacken durch unterwandertes Personal innerhalb dieser Organisationen beteiligten. Die ANA war nicht mit moderner Infanterieausrüstung (vor allem Nachtsichtgeräten),[57] Kampfpanzern oder Luftstreitkräften ausgestattet worden, da die Wahrscheinlichkeit als zu hoch eingeschätzt wurde, dass diese in die Hände der Taliban fallen und gegen ISAF-Truppen verwendet werden könnten. Das beeinträchtigte wiederum die Fähigkeit der ANA, unabhängig von NATO-Luftstreitkräften zu agieren und demoralisierte die afghanischen Truppen. In den letzten Kriegsjahren waren die regulären Einheiten der ANA nie in der Lage gewesen, mehr zu erreichen, als städtische Gebiete durch ein System statischer Positionen zu verteidigen und Konvois auf den wichtigsten Fernstraßen zu schützen.[58]

 Ein ISAF-Soldat an der afghanischen Grenze 2012

Ein ISAF-Soldat an der afghanischen Grenze 2012

Der Fall von Ghazni im Jahr 2018 war dann der Vorbote einer neuen Kriegsphase: Obwohl die Stadt selbst am Ende von den Verbündeten zurückerobert werden konnte, fielen zehn ländliche Bezirke dauerhaft unter die Herrschaft der Taliban, während ganze ANA-Stützpunkte überrannt wurden – und die Rückeroberung von Ghazni einen erheblichen Einsatz amerikanischer Luftstreitkräfte erforderte. Die Jahre 2018 bis 2021 lieferten (nach Giaps Kriegstheorie) ein Lehrbuchbeispiel für den Übergang eines Aufstands vom Gleichgewicht zur Gegenoffensive. Die Taliban waren nun in der Lage, strategisch und operativ in die Offensive zu gehen und Guerillakriegsführung und Terroranschläge gegen die NATO-Streitkräfte mit konventioneller Kriegsführung gegen die ANA zur Eroberung von Territorium zu verbinden.[59] Da ihre Ziele ebenso nationalistisch wie religiös und auf Afghanistan selbst begrenzt waren, war der Erfolg der Taliban auch wesentlich dauerhafter als der des IS, der eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Region darstellte und so eine Intervention von außen erst möglich machte.

In Afghanistan lag das deutsche Einsatzgebiet in der Provinz Kundus im Nordosten Afghanistans. Der Einsatz kostete zwischen 2001 und 2014 mehr als 9 Milliarden Euro.[60] Eingesetzt wurden die Mittel für die mechanisierte Infanterie, für Artillerie und für Stützpunktverteidigung. Dadurch wurde sichergestellt, dass das Bundeswehr-Kontingent die Kontrolle über Fernstraßen und Städte behielt. Durch diese defensive Haltung wäre das deutsche Kontingent im Falle eines Überraschungsangriffs – bei dem (wie im September 2015 in Kundus) eine größere Stadt von den Taliban erobert worden wäre – nicht allein in der Lage gewesen, diese unter akzeptablen eigenen Verlusten und ohne wesentliche Unterstützung der NATO-Partner zu vertreiben. Die Erfahrung des IS in der Levante zeigt, dass eine hybride konventionelle-nichtkonventionelle dschihadistische Streitkraft in der Lage ist, selbst größere Städte schnell zu überrennen, wenn die Kampfmoral der Verteidiger schwindet – und dass sie sehr schwer wieder zu vertreiben ist, sobald sie sich verschanzt hat und bereit ist, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Dort, wo Städte durch lokale Truppen vom IS zurückerobert werden konnten, wie zum Beispiel durch die Libysch-Nationale Armee von General Haftar in Sirte und Derna, geschah dies im Häuserkampf mit einem hohen Blutzoll. Westliche Kampfverbände würden diesen Preis nicht zahlen wollen und können.

Solche Szenarien illustrieren die Lücke in den Bundeswehr-Fähigkeiten in Bezug auf Konflikte mit hoher Intensität gegen eine NSBG: Die Bundeswehr war zwar einerseits sehr gut in der Lage, ihre eigenen Stützpunkte zu verteidigen, konnte aber nicht entschieden auf einen plötzlichen Angriff in den Städten reagieren. Ohne Luftunterstützung durch die Verbündeten war sie auch nicht in der Lage, gegen gut verteidigte Taliban-Stellungen in die Offensive zu gehen oder ANA-Stützpunkte in ländlichen Gebieten zu entsetzen, wenn diese wie nach der Eroberung von Ghazni von den Taliban belagert wurden. Ohne den politischen Willen zum Einsatz eigener Luftstreitkräfte, sowie ohne das Budget zur Vorhaltung einsatzfähiger Kampfflugzeuge der Luftwaffe im Einsatzgebiet, bleibt jeder Auslandseinsatz in einer Konfliktzone mit einer Intensität wie in Afghanistan 2018 vollständig von den Fähigkeiten der Verbündeten abhängig. Für die Bündnissolidarität kann dies eine Belastung darstellen. Folglich war der deutsche Beitrag zu ISAF und Resolute Support stark in seiner Wirkung beeinträchtigt. Die mangelnde Fähigkeit der Bundeswehr, aus eigener Initiative Kampfeinsätze zu auszuführen, führe dazu, dass die Zivilbevölkerung nicht zuverlässig geschützt und die afghanischen Streitkräfte im Kampf nicht substanziell unterstützt werden konnten. Dieses Problem wurde noch dadurch verstärkt, dass die lokalen militärischen Partner, wie oben beschrieben, von systemischen Fähigkeitsdefiziten betroffen waren, wie es bei der ANA der Fall war.

5 Konflikte niedriger Intensität gegen bewaffnete Nichtstaatliche Gegner

In diesem Abschnitt werden Konflikte geringer Intensität gegen NSBG anhand der Entwicklung des Sicherheitsumfelds in der Sahelzone untersucht und danach gefragt, ob die Bundeswehr ausreichend ausgerüstet ist, um dabei aktiv mitzuwirken. Wir beziehen die Sahelzone konkret auf die G5-Gruppe der Länder – Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger –, die eine Geschichte französischen Kolonialismus und französischen postkolonialen Einflusses teilen. Außerdem bilden alle fünf Staaten einen Raum begrenzter Staatlichkeit, in dem insbesondere in den ländlichen Regionen die Regierungsgewalt nur schwach ausgeprägt ist. Ihre Grenzen können sie kaum schützen. Weiterhin verbindet diese Staaten die (legalen und illegalen) Bewegungen von Gütern und Menschen. Es existieren tiefsitzende Konflikte, die sowohl ethnischer Art sind als auch durch den Zugang zu kritischen Ressourcen ausgelöst werden. Zudem sind Hirtennomadismus (Pastoralismus) und die (sesshafte) Subsistenzlandwirtschaft von entscheidender Bedeutung zum Verständnis der Region. Aber auch die Geografie ist wichtig: Die riesigen Trockensavannen der Sahelzone prägen das wirtschaftliche und politische Leben in diesen Staaten. Obwohl kein Mitglied der G5, teilt der äußerste Norden Nigerias ebenfalls einige dieser Merkmale.

Die Sahelzone wird seit März 2012 verstärkt von Krisen heimgesucht. Damals gelang es der islamistischen Miliz Ansar Dine im Nordosten Malis, in den Wirren eines Staatsstreichs die Kontrolle über die wichtigen Städte Gao und Timbuktu zu erlangen. Andere Rebellen und bewaffnete Gruppen wurden dabei vertrieben. In einer Region, die bereits unter schlechter Regierungsführung und der langanhaltenden Tuareg-Rebellion der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) und ihrer Abspaltungen litt, dominierte nunmehr eine streng islamistische Bewegung.

Die Herrschaft der Ansar Dine endete Anfang 2013, als Frankreich im Rahmen der Operation Serval die dschihadistischen Kräfte in Kooperation mit malischen und tschadischen Truppen vertreiben konnte. Die Speerspitze der Operation bestand dabei aus französischen Truppen. Ohne das französische Eingreifen wäre der malische Staat wahrscheinlich in Gänze an die Islamisten gefallen. Die Operation erfüllte ihre Ziele bis Anfang 2014. Sie wurde von der Operation Barkhane abgelöst, die von der multinationalen G5 Sahelzonen-Gruppe für Terrorismusbekämpfung koordiniert und geleitet wird. Ihre militärische Wirksamkeit beruht auf der Nutzung französischer Stützpunkte und Truppen in den am stärksten vom Terrorismus betroffenen Ländern im Sahel, d. h. vor allem in Mali und im Tschad.[61] Die Situation in Mali ist allerdings seit dem Staatsstreich von Offizieren im Jahr 2021, der Einmischung der russischen privaten Sicherheitsfirma Wagner und dem Abzug der französischen Streitkräfte aus Mali im Februar 2022 deutlich unübersichtlicher geworden.

5.1 Das Problem transnationaler Räume begrenzter Staatlichkeit

Die Sicherheitslage in der Sahelzone hat sich seit dem Jahr 2014 nur zeitweise verbessert, die Ergebnisse sind durchwachsen:[62] Obwohl Mali zu einem gewissen Grad stabilisiert wurde, hat sich die dschihadistische Gewalt nach einem Zeitraum relativer Ruhe rapide intensiviert. Al-Qaida im Maghreb (AQIM) hat seinen Einfluss in der Region ausgeweitet, indem es zunächst Ansar Dine und kleinere Gruppen absorbierte, die Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM) als dschihadistische Gruppe für die gesamte Sahelzone und den Maghreb aufstellte und sich dann mit Resten von Boko Haram verbündete. Der Islamische Staat hat sich nach seiner Vertreibung aus der Levante andernorts neu gruppiert, unter anderem auch in der Sahelzone.[63] Die Lage ist derzeit zwar nicht in gleichem Maße kritisch wie in Afghanistan in den Monaten vor dem endgültigen Sieg der Taliban, doch die Notwendigkeit einer wirksamen grenzüberschreitenden Ausbildungs- und Unterstützungsmission bleibt bestehen. Diese wird zum Großteil auf EU-Fähigkeiten angewiesen sein, denn die USA haben sich entschieden, als Teil einer Umorganisation ihrer Streitkräfte nur eine minimale Präsenz im Rahmen von AFRICOM aufrecht zu erhalten. Somit fällt die Rolle des Sicherheitsproduzenten notgedrungen an Frankreich, der traditionellen externen Macht in der Region, sowie an den Rest der EU.

Der Hauptgrund für das Fortbestehen der Sicherheitsprobleme in der Sahelzone ist die Existenz großer, transnationaler Räume begrenzter Staatlichkeit in der Region.[64] Staatsfreie Räume sind nicht nur durch die Abwesenheit von Regierungshandeln geprägt, sondern auch durch die Präsenz von ad-hoc-Formen begrenzter Staatlichkeit, die eine alternative Form der Autorität zu der des Zentralstaates darstellen.[65] Zu diesen Alternativen zählen traditionelle Stammeshierarchien in ländlichen Regionen, wie im Fall der Sahelzone, Somalia, des Jemen und Afghanistans, wie auch in den Stammesgebieten Pakistans. Dazu gehören aber auch die transnationalen Netzwerke des organisierten Verbrechens in städtischen Gebieten, die sich der Kontrolle des Zentralstaats entziehen.

Ein Terrornetz wie AQIM kann sich folglich in einem Raum begrenzter Staatlichkeit nicht in einem Vakuum etablieren, nur, weil der Raum anarchisch ist. Damit solch eine Gruppe erfolgreich sein kann, muss sie alternative Autoritätsformen ausbilden, die in diesem Raum in Interaktion mit bestehenden Strukturen existieren und deren Mitstreiter, Ziele und Ideologien aktiv in den jeweiligen lokalen Kontext eingliedern. In Stammesgebieten, in denen der Zentralstaat und seine Autorität weit weg sind und traditionelle Hierarchien z. T. bereits viel länger existieren, basieren Allianzen zwischen lokalen Stammesführern und einer größeren externen terroristischen Gruppe in der Regel auf ethnischen, sprachlichen, religiösen und sogar familiären Verbindungen. Nicht ohne Grund heiraten AQ-Anführer in die lokalen Eliten ein, bei denen sie Zuflucht finden. Wie bereits im Abschnitt über den IS erwähnt, können sich dschihadistische Gruppen dann schnell ausbreiten, wenn sie permanente und gut etablierte politisch-religiöse Stammeshierarchien unterwandern und als Ableger eines (ihres) größeren Kampfes neu zu definieren vermögen.

Um die Sahelzone aktiv zu kontrollieren, muss jede Mission eine Vielzahl von lokalen Akteuren ertüchtigen, die die für den Erfolg notwendigen mobilen Operationen mit großer Reichweite durchführen können – denn mit eigenen Kräften allein ist dies nicht zu schaffen.

5.2 MINUSMA, EUTM und der weitere Rahmen von G5 und Barkhane

Zahlreiche Akteure und Missionen widmen sich der Verbesserung des Sicherheitsumfelds in der Sahelzone. In Mali ist dies zunächst einmal die UN-Mission MINUSMA mit einer Personalstärke von 13.000 Soldaten, die zum Großteil aus afrikanischen Ländern stammen. Auch die Bundeswehr nimmt an MINUSMA teil, mit einer vom Bundestag auf maximal 1.400 Soldaten begrenzten Personalstärke. Das Bundeswehr-Kontingent in Mali ist für Operationen niedriger Intensität in der Aufstandsbekämpfung konfiguriert, d. h. aufgesessene Infanterie wird in leicht gepanzerten Fahrzeugen oder Transporthubschraubern disloziert. Anders als das französische Kontingent, das Kampfhubschrauber und Radpanzer im Sahel vorhält, verfügt die Bundeswehr in diesem Einsatz über keine eigenen schweren Waffen. Daneben agiert AFISMA, der von der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten ECOWAS geführte Einsatz von ca. 1.500 Truppen aus westafrikanischen Ländern.[66] Die EU ist mit zwei Missionen präsent: Die EU Capacity Building Mission in Mali (EUCAP Mali) soll lokale Sicherheitskräfte, d. h. die Polizei und Gendarmerie in Mali auszubilden. Die European Union Training Mission Mali (EUTM) hingegen soll das malische Militär in der Terrorismusbekämpfung unterweisen.[67]

Obwohl sich die Fähigkeit der malischen Regierung, staatliche Dienstleistungen bereitzustellen und ihr Territorium zu sichern, verbessert hat, bleibt die Lage fragil. Die Stabilität und Legitimität der Regierung haben aufgrund des jüngsten Staatsstreichs weiter gelitten. Lokale und externe afrikanische Akteure leiden unter ähnlichen Defiziten wie die ANA in Afghanistan: Es mangelt ihnen an den militärischen Fähigkeiten und der Kampfmoral, um sich proaktiv an Offensiven zur Terrorismusbekämpfung zu beteiligen. Sie bleiben von der aktiven Unterstützung durch westliche Truppen und Luftstreitkräfte abhängig und ziehen es gewöhnlich vor, eine defensive Haltung einzunehmen und lediglich Stützpunkte, Städte und größere Fernstraßen zu halten. Da die lokalen Dschihadisten nicht annähernd dieselbe militärische Stärke besitzen, wie der IS auf seinem Höhepunkt oder die Taliban heute, besteht in Mali (wie auch im Sahel insgesamt) eine angespannte Pattsituation, in der die Aufständischen einmal eroberte urbane Positionen nicht lange halten können, aber Regierung und externe Kräfte sie ebenfalls nicht nachhaltig aus den von ihnen besetzten Räumen begrenzter Staatlichkeit vertreiben können.

Über Mali hinaus leistet Frankreich (mit der Unterstützung Großbritanniens) im Rahmen der Operation Barkhane Schützenhilfe bei der Terrorismusbekämpfung. In der Sahelzone zeichnen sich Unterstützungsmissionen zur Terrorismusbekämpfung mit geringer Intensität durch eine Reihe von für westliche Staaten problematische Merkmale aus: Zunächst einmal sind diese Missionen für westliche Truppen gefährlich. Todesopfer in solchen Einsätzen sind für westliche Interventionsmächte immer schwer zu rechtfertigen, weshalb die Präsenz und die Mortalität auf ein Minimum beschränkt werden müssen. Dies gilt selbst für Frankreich, das mit der Fremdenlegion über ein wirksames militärisches Instrument verfügt, das mit deutlich weniger politischen Kosten eingesetzt werden kann als jede europäische Berufsarmee. Einsätze werden daher oft auf eine Kombination aus Luftstreitkräften zu geringen Kosten (d. h. Drohnen) und lokalen Truppen reduziert, was regelmäßig zulasten ihrer Wirksamkeit geht.

Des Weiteren läuft der Fähigkeitenaufbau in der Region keinesfalls so, wie beabsichtigt. Dem grenzüberschreitenden Charakter der Aktivitäten der islamistischen Gruppen kann die Ausbildung nationaler Einheiten oft nichts entgegensetzen.[68] Zudem steht der Erfolg mancher Ausbildungsleistungen in Frage, wenn sich einzelne ausgebildete Einheiten an illegalen grenzüberschreitenden Aktivitäten (etwa Menschenhandel) beteiligen.[69] Eine dauerhafte Ertüchtigung lokaler Akteure kann durchaus erfolgreich sein, wie sich bei der amerikanischen Terrorismusbekämpfungsausbildung auf den Philippinen gezeigt hat.

Da Frankreich mit Bodentruppen den größten Sicherheitsbeitrag in der Region leistet und die USA dort nur noch eine minimale Präsenz aufrechterhalten, wächst der Druck auf Deutschland, im Sahel mehr zu leisten.[70] Berlin hat sein Engagement für die Sicherheit im Sahel mittlerweile verstärkt: Die Bundeswehr engagiert sich bei Ausbildung und Ertüchtigung, setzt eine geringe Anzahl unbewaffneter Aufklärungsdrohnen ein und hat im Budget 900 Millionen Euro für die Anmietung von fünf unbewaffneten IAI Heron TP-Drohnen für die Terrorismusbekämpfung in Mali eingestellt. Deutschland muss im Sahel keine eigenen Bodentruppen stationieren. Vielmehr wird von Deutschland erwartet, dass es über Ausbildung und Ertüchtigung hinaus für den Einsatz auch logistische und Luftunterstützung sowie Echtzeitaufklärung für die Terrorismusbekämpfung bereitstellt – vor allem durch den Einsatz kostengünstiger Drohnen. Der erfolgreiche Abschluss des französisch-italienisch-deutschen Projekts MALE Eurodrone ist somit für Deutschland von grundlegender Bedeutung, um eine signifikante Anzahl bewaffneter Kampf- sowie Aufklärungsdrohnen zu erhalten, die für das gesamte Spektrum der modernen Kriegsführung essenziell sind. Trotz negativer Erfahrungen in der Vergangenheit wäre es unverantwortlich, dieses Joint Ventures nicht zum Erfolg zu führen. Die Zunahme von Konflikten niedriger Intensität an Europas Peripherien begrenzter Staatlichkeit macht dies allzu deutlich.

5.3 Ausstattungsdesiderate für Einsätze niedriger Intensität

Ist die Bundeswehr derzeit für derartige Einsätze wie im Sahel angemessen ausgestattet? Ein Blick auf die Ausrüstung in Mali zeigt, dass die Bundeswehr für Einsätze niedriger Intensität kaum Fähigkeitslücken aufweist. Zwei Empfehlungen seien hier dennoch erlaubt:

  • Unproblematisch dürfte die Forderung nach einer beschleunigten Indienststellung des GTK Boxer als schwerer Waffenträger sein – also mit bemanntem Lanceturm mit 30-mm-Kanone, wie ihn auch die australischen Streitkräfte beschaffen. Das französische Heer hat ähnliche Radpanzer z. B. sehr wirksam auf Langstreckenpatrouillen und bei der Verfolgung von motorisierten Dschihadisten eingesetzt. Die Erstellung von Prototypen des GTK Boxer mit Lanceturm für die Bundeswehr wurde im März 2022 genehmigt,[71] es geht hier also nur noch darum, die Auslieferung zu beschleunigen, um sie schneller an die Ostflanke der NATO verlegen zu können. Sollten die Boxer dort schon eher gebraucht werden, könnten kurzfristig auch überschüssige französische ERC 90 geleast werden.

  • Weitreichender ist die Forderung nach der Anschaffung bewaffneter Drohnen, die heute ein integraler Bestandteil aller Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sind, besonders im weitläufigen Sahel. Sie stellen eine kostengünstigere Alternative zu den Tiger Kampfhubschraubern dar, die MINUSMA im Einsatzgebiet vorhält. Der Bundestag beschloss im April 2022 den Kauf von 140 Lenkflugkörpern für die IAI Heron Drohnenflotte der Luftwaffe. MINUSMA nutzt die Heron schon heute als unbewaffneten Aufklärer und sollte in Rücksprache mit dem Bundestag autorisiert werden, diese auch zu bewaffnen.

Das Kernproblem bei Bundeswehreinsätzen niedriger Intensität ist also weniger die Ausrüstung, als vielmehr der politische Wille in Berlin, das Einsatzmandat immer wieder konsequent den Erfordernissen am Boden anzupassen. Jenseits der politisch wenig sensiblen Ausbildungs- und Ertüchtigungsmissionen müssen Mandate auch eine riskantere kinetische Rolle einschließen können, wenn der jeweilige Einsatz auf eine Verschlechterung des Sicherheitsumfeldes proaktiv reagieren und eskalationsfähig bleiben will. Die Einsatzmandate der Bundeswehr werden jedoch in der Regel stark von den verfügbaren und einsatzbereiten militärischen Fähigkeiten bestimmt (Mittel-Ziel-Relation), anstatt dass das politisch definierte Maximalziel das zu dislozierende Fähigkeitenprofil definieren würde (Ziel-Mittel-Relation). Diese politische Forderung ist also untrennbar mit dem Fähigkeitenaufbau verbunden. Der politische Wille muss sich nicht nur auf die regelmäßige Anpassung des Einsatzmandats und der rules of engagement erstrecken, sondern auch auf die Bereitstellung (bei Bedarf auch: Herstellung) des dazu notwendigen Kräftedispositivs.

Allerdings war und ist der deutsche Truppenbestand (auch vor dem Abzug der Franzosen) für ein Einsatzgebiet von der Größe des Sahel deutlich zu klein, um die Region nachhaltig zu stabilisieren. Dieser Befund verschärft sich noch, sollten dort – was wahrscheinlich ist – weitere Konflikthypothesen zur laufenden Stabilisierung hinzutreten: Aufstandsbekämpfung, Staatsversagen oder die Präsenz gut ausgestatteter Söldnertruppen erfordern auf Seiten der Bundeswehr einen Mehrbedarf an Material und Personal. Denn auch bei Missionen niedriger Intensität kann sich das Einsatzumfeld schnell und dramatisch verändern: So ist das Risiko in Mali hoch, dass es erneut zu einem unvorhergesehenen und rapiden staatlichen Zusammenbruch wie im Jahre 2012 kommt, als Ansar Dine weite Teile des Landes überrannte. Das würde den Bundeswehreinsatz vor ein Dilemma stellen, da das Kontingent entweder evakuiert oder der Gegner offensiv bekämpft werden müsste, wie es die Franzosen 2012 taten. Offensivfähigkeiten wie die hier beschriebenen im Einsatzgebiet vorzuhalten und auch gegen Aufständische einzusetzen würde die Wahrscheinlichkeit eines staatlichen Zusammenbruchs in Fällen wie Mali verringern. Sollte ein solcher Kollaps dennoch eintreten, würden diese Fähigkeiten dem Bundeswehrkontingent eine Stabilisierung erleichtern.

Zuletzt ein Wort zur Wagner-Wildcard: Das Auftreten im Einsatzgebiet von gut ausgestatteten und ausgebildeten Söldnertruppen wie der Gruppe Wagner bleibt – wie im Falle Malis – auch an anderen Schauplätzen an Europas Peripherien wahrscheinlich. Wagner verfügt über militärische Fähigkeiten, die weit über die normaler sahelischer Milizen hinausgehen: Diese reichen von Kampferfahrung in hochintensiven Einsätzen in Syrien und der Ukraine, fortschrittlicher taktischer Ausbildung (z. B. Bau und Einsatz von aufwendigen IEDs), bis hin zu modernen russischen Waffensystemen, die Raketen zur Panzer- und Luftabwehr sowie Drohnen einschließen. Sollte Wagner eine Konfrontation mit MINUSMA wagen, sei es direkt oder über Stellvertreter, würde das die politischen Kosten des Bundeswehreinsatzes beträchtlich erhöhen. Bereits in Syrien war der Einsatz solcher Wagner-Proxies auch gegen amerikanische Truppen erfolgreich. Politische Kosten entstünden vor allem auf zwei Ebenen: Eine derartige Konfrontation würde zum einen deutsche Soldaten das Leben kosten, die den überlegenen Fähigkeiten solcher Söldnertruppen zunächst nur wenig entgegensetzen könnten und den Rückhalt für den Bundeswehreinsatz in Berlin schnell erodieren lassen würde. Zum Zweiten würde durch die Verübung von Massakern an der Zivilbevölkerung im Land selbst Chaos verbreitet und die bestehenden innenpolitischen Konflikte angeheizt – ein Werkzeug, das Wagner in Mali bereits angewendet hat.[72]

 Deutscher Hubschrauber NH-90 im Einsatz im Rahmen für MINUSMA

Deutscher Hubschrauber NH-90 im Einsatz im Rahmen für MINUSMA

Die Lösung des „Wagner-Problems“ liegt sowohl auf der militärischen als auch auf der politischen Ebene: Militärisch würden die hier genannten Fähigkeiten die MINUSMAs Feuerkraft erhöhen und die Mission in die Lage versetzen, durch eine Härtung ihrer Ziele Wagner von einer Aggression abzuschrecken. So sah die Gruppe Wagner in Syrien nach Bombardierung durch die amerikanischen Luftstreitkräfte von weiteren Provokationen ab. Zugleich müssten der Regierung in Mali die politischen und finanziellen Mittel an die Hand gegeben werden, auch ohne Wagner zu überleben. Unsere Prognose: Die militärische Abschreckung der Gruppe Wagner wird wegen der aktuellen Defizite in der Ausrüstung nur eingeschränkt erfolgreich sein. Politischen Druck auf die (autokratische) Regierung in Mali auszuüben, sich von Wagner zu trennen, wird kaum gelingen.

6 Schlussfolgerungen

Seit den 1990er Jahren ist das Niveau der Einsatzbereitschaft in der Mehrheit der EU- und NATO-Mitgliedstaaten kontinuierlich gefallen. Das mag in Friedenszeiten lediglich Besorgnis erregen. Gefährlich wird dies, wenn sich das Sicherheitsumfeld verschlechtert. Angesichts der russischen Aggression an der europäischen Ostflanke und der ernüchternden Erfahrungen aus den Auslandseinsätzen in Afghanistan und Mali stellt sich heute in aller Schärfe die Frage nach den Fähigkeiten der Bundeswehr und wie und wo die bestehenden Mängel behoben werden sollen. Ausgangspunkt jeder Analyse sind die drei Aufgabenbereiche der Bundeswehr: Bündnisverteidigung hauptsächlich im Bereich Ostseeraum und Polen sowie Auslandseinsätze niedriger und hoher Gewaltintensität.

Der russische Überfall auf die Ukraine stellt einen Konflikt zwischenstaatlich hoher Intensität dar und lässt der Bündnisverteidigung erneut Priorität zukommen. Deutschlands Beteiligung an der VJTF im Baltikum hat erkennen lassen, dass die Bundeswehr im Heeresbereich rasch nachrüsten und vor allem die technologische Modernisierung des Schlachtfelds in der Domäne Luft abbilden muss. Beim Panzer- und Artilleriedispositiv ist eine Aktivierung und Modernisierung angeschoben worden und auch relativ kurzfristig möglich.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass moderne hochintensive Konflikte langwierig sind und die Bedeutung fernwirkenden Beschusses enorm ist. Für das Heer ist es daher zwingend notwendig, die Fähigkeiten bei Kampf- und Schützenpanzern sowie bei der Artillerie auszuweiten und aufzuwerten, insbesondere der Aufbau von signifikanten Beständen an gelenkter Artilleriemunition für Präzisionsfeuer, um die Durchhaltefähigkeit für einen Kriegseinsatz zu steigern. Diese Fähigkeiten sollten durch allgegenwärtige Drohnenaufklärung und Drohnenangriffe verbessert werden. Die Marine ist im Verbund mit den NATO-Partnern gut aufgestellt, um die Dominanz der Ostsee zu erreichen – solange dringende Investitionen bei der Instandhaltung von Oberflächen- und Unterwasserkampfsystemen getätigt werden. Die Luftwaffe geht mit der Anschaffung der F-35 und von Arrow 3 in die richtige Richtung, um Luftüberlegenheit und -verteidigung entscheidend zu verbessern. Darüber hinaus sollten Planungen vorangetrieben werden, um die Resilienz der militärischen als auch zivilen Infrastrukturen im Baltikum (v. a. in Litauen) zu sichern.

Auch nach der Einrichtung des Sondervermögens Bundeswehr werden die Mittel für den Aufbau von Fähigkeiten und für die operative Einsatzbereitschaft knapp bleiben. Eine tiefer gehende europäische Verteidigungsintegration könnte wenigstens eine Teillösung für dieses strukturelle Problem darstellen. Die parallelen Waffensysteme in der EU müssen vereinheitlicht, die Interoperabilität zwischen den europäischen Streitkräften weiter verbessert und Redundanzen zwischen den Verbündeten („duplication“) reduziert werden. Berlins Rolle als Vorreiter der europäischen Verteidigungsintegration und sein neuer (jedoch fragiler) strategischer Konsens machen es erforderlich, die knappen Ressourcen dort einzusetzen, wo sie die im europäischen Verteidigungsinteresse höchste Wirkung entfalten können. Berlins Politik der strukturellen Einbettung in Europa erfordert allerdings ein Höchstmaß an eigener militärischer Einsatzbereitschaft. Nur dann wird sie als legitim angesehen und nur dann sind die kleineren EU-Mitgliedstaaten bereit, ihre Souveränität in diesem sensiblen Politikbereich zu bündeln und sich längerfristig an der Berliner Sicherheitspolitik auszurichten. Ohne deutsche readiness wird es kein strategic alignment in der NATO und der EU geben. Das Sondervermögen kann hierbei nur der Anfang einer größeren strategischen und materiellen Neuausrichtung der Bundeswehr sein.

Auch für Einsätze gegen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen hoher (Afghanistan) oder niedriger (Mali) Intensität hält die neueste Einsatzgeschichte Lehren bereit. Solche Einsätze mit variabler Intensität werden sich im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts sowohl im Nahen Osten als auch im Afrika südlich der Sahara erneut ergeben. Die dabei erkennbar gewordenen Mängel im Bereich der Luftunterstützung bildeten ein großes Hindernis für die Effektivität und konnten nur durch Fähigkeiten von NATO-Verbündeten abgedeckt werden. Diese Fähigkeitslücke (und der Mangel an politischem Einsatzwillen) wird jeden künftigen deutschen Einsatz in dieser Intensitätsstufe in seiner Wirksamkeit beeinträchtigen, sollte sie nicht behoben werden.


Hinweis

Die Autoren bedanken sich bei Dr. Alexey Muraviev, Professor an der Curtin University in Perth, für seine Kommentare zu einer früheren Manuskriptversion sowie für seine wertvollen Einblicke in die russische Bewertung der Bundeswehr und ihrer Fähigkeiten.


About the author

Christian E. Rieck

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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Published Online: 2023-04-04
Published in Print: 2023-03-30

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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  30. Buchbesprechungen
  31. Susan L. Shirk: Overreach. How China Derailed Its Peaceful Rise. Oxford und New York: Oxford University Press 2022, 424 Seiten
  32. Susanne Schröter: Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass, Freiburg im Breisgau: Herder Verlag 2022, 234 Seiten
  33. Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Streitbar. Was Deutschland jetzt lernen muss. München: dtv Verlagsgesellschaft 2022, 134 Seiten
  34. Bildnachweise
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